Der zweite Schritt ins Leben - Patricia Vandenberg - E-Book

Der zweite Schritt ins Leben E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Nun gibt es eine Sonderausgabe – Dr. Norden Aktuell Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. »Was liegt noch vor, Loni?«, fragte Dr. Norden, als er zum Mittagessen heimfahren wollte. »Frau Dr. Engers hat sich angemeldet. Ich habe sie für siebzehn Uhr eingetragen. Sonst nur das Übliche, Herr Doktor.« Sie reichte ihm einen Zettel. »Die Liste für die Hausbesuche.« Dr. Norden warf einen kurzen Blick darauf. »Na, das sind ja nur sechs«, sagte er, »dann werde ich wohl doch mal wieder in Ruhe essen können. Ihnen auch guten Appetit, Loni.« Madlen Engers kommt auch mal wieder, dachte er, als er heimwärts fuhr. Ob sie ihre Fehlgeburt überwunden hat? Wie lange war das eigentlich schon her? Er kam nicht drauf. Da musste er seine Frau Fee fragen. Sie hatte ein besseres Gedächtnis.

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Dr. Norden Aktuell – 49 –

Der zweite Schritt ins Leben

Patricia Vandenberg

»Was liegt noch vor, Loni?«, fragte Dr. Norden, als er zum Mittagessen heimfahren wollte.

»Frau Dr. Engers hat sich angemeldet. Ich habe sie für siebzehn Uhr eingetragen. Sonst nur das Übliche, Herr Doktor.« Sie reichte ihm einen Zettel. »Die Liste für die Hausbesuche.«

Dr. Norden warf einen kurzen Blick darauf. »Na, das sind ja nur sechs«, sagte er, »dann werde ich wohl doch mal wieder in Ruhe essen können. Ihnen auch guten Appetit, Loni.«

Madlen Engers kommt auch mal wieder, dachte er, als er heimwärts fuhr. Ob sie ihre Fehlgeburt überwunden hat? Wie lange war das eigentlich schon her? Er kam nicht drauf. Da musste er seine Frau Fee fragen. Sie hatte ein besseres Gedächtnis.

»Das liegt doch mindestens schon drei Jahre zurück«, sagte Fee Norden auf seine Frage.

»Was, schon so lange? Wie schnell doch die Zeit vergeht.«

»Sie hat sich also doch keinen anderen Arzt gesucht«, sagte Fee. »Oder sie ist reumütig zu dir zurückgekehrt«

»Ist doch gleich, Liebes. Sie ist eine kerngesunde Frau, die nicht dauernd zum Arzt zu laufen braucht. Und die Fehlgeburt ist auch nur durch die lange Flugreise gekommen.«

An alles, was seinen Arztberuf betraf, konnte er sich sehr gut erinnern. Nur Zeitbegriffe fehlten ihm.

Ist es tatsächlich schon drei Jahre her, fragte er sich, als ihm Dr. jur. Madlen Engers dann gegenübersaß. Sie schien ihm unverändert. Eine emanzipierte Frau, mittelgroß, gut gewachsen, mit einem aparten herzförmigen Gesicht, hohen Wangenknochen und leicht schräg stehenden graugrünen Augen. Eine modische Frisur, die ihr sehr gut zu Gesicht stand, ließ sie noch jünger erscheinen als damals.

»Mir hat nichts mehr gefehlt, Herr Dr. Norden«, sagte sie mit einem charmanten Lächeln, »sonst wäre ich selbstverständlich wieder zu Ihnen gekommen. Abgesehen davon, dass ich seit zwei Jahren geschieden bin«, fügte sie gleichmütig hinzu. »Jetzt bin ich um einiges klüger und habe keinerlei Illusionen mehr.«

Er sah sie forschend an. »Und wo fehlt es dennoch?«, fragte er.

»Ein bisschen überarbeitet«, erwiderte sie. »Ich will einmal einen richtigen Urlaub machen, und da wollte ich Sie doch lieber fragen, was für mich am besten wäre. Meer oder Schnee?«

»Meer wo?«, fragte er. »Wir haben Winter.«

»Die Bahamas vielleicht?«, fragte sie.

»Sie fahren doch Ski«, sagte er. »Wozu in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?«

»Eigentlich wollte ich das hören«, sagte Madlen. »Dann kann ich meinen Freunden wenigstens guten Gewissens sagen, dass mein Hausarzt mir den Skiurlaub geraten hat.«

»Seit wann richten Sie sich nach der Meinung von anderen?«, fragte Dr. Norden.

»Ich weiß es auch nicht«, erwiderte sie seufzend. »Meine Freunde haben zu mir gehalten nach der Scheidung. Ich habe mich angepasst.«

»Warum ist es zur Scheidung gekommen?«, fragte Dr. Norden. »Ich will aber nicht indiskret fragen.«

»Ich lasse mich gern ausfragen«, erwiderte sie offen. »Es lief nichts mehr nach der Fehlgeburt. Vorher vielleicht auch nicht. Ich hatte so bestimmte Vorstellungen von einer Ehe. Ich dachte, dass ein Kind unbedingt nötig ist, um einer Ehe die richtige Bindung zu geben. Und dann meine Schwiegermutter. Sie mochte mich, eigentlich hat sie diese Heirat zustande gebracht und unsere Ehe noch zusammengehalten, aber Kurt ist zu träge. Ich war ihm zu ehrgeizig und auch zu erfolgreich. Es stimmte nichts zusammen, und endlich hatte er etwas, das er gegen mich aufführen konnte. Ich konnte kein Kind zur Welt bringen.«

Sie sagte es kühl, aber Dr. Norden hörte die Resignation aus ihren Worten.

Die Scheidung schien sie nicht wesentlich zu belasten, aber die Fehlgeburt hatte sie nicht verwunden. Sie machte sich deshalb Vorwürfe.

Ganz plötzlich sprach sie darüber. »Meine Ehe war schon nicht mehr das, was sie sein sollte, aber ich wollte es nicht zur Scheidung kommen lassen. Ich dachte, dass das Kind uns wieder mehr aneinanderbinden würde. Als Kurt die Reise vorschlug, wollte ich auch nicht nein sagen, aber es war nur eine Jagd von einem Ort zum anderen. Und vielleicht wären nicht mal die Strapazen am schlimmsten gewesen, diese dauernden Streitereien wurden unerträglich. Er wollte dann, dass ich meinen Beruf aufgebe, aber das war doch zu viel verlangt. Wir trennten uns erst beruflich, dann entschloss ich mich zur Scheidung. Meine Schwiegermutter war tief betroffen. Aber es ging einfach nicht mehr. Seit der Scheidung hat Kurt auch mehr Erfolg. Ja, das wäre es, lieber Dr. Norden. Ich habe mich seither auf Wirtschaftsrecht verlegt. Und jetzt mache ich mal vier Wochen Urlaub.«

»Das ist recht«, sagte Dr. Norden. »Die Nerven sind recht überreizt.«

»Woran merken Sie das?«, fragte Madlen.

»Na ja, als Arzt merkt man das schon«, erwiderte er lächelnd. »Außerdem ist der Blutdruck ein bisschen sehr niedrig. Faulenzen am Meer würde ihm so wenig bekommen wie ein großer Klimaunterschied.«

»Also Skifahren«, sagte sie.

»Aber nicht gerade in höchster Höhe wohnen«, meinte Dr. Norden. »Ich würde Adelboden vorschlagen oder so was in der Richtung.«

»Und ich werde folgsam sein«, erklärte Madlen.

*

Heiraten nein, dachte Madlen, als sie in ihr Kabriolett stieg. Aber ein Kind möchte ich schon haben.

Sie hatte Zeit. Ihr Urlaub hatte eigentlich schon begonnen. Sie fuhr hinaus nach Seeshaupt, wo Regine Engers wohnte. Es war angenehmes Wetter, trocken, aber nicht zu kalt. Die Straßen waren geräumt, aber hohe Schneeberge türmten sich zu beiden Seiten, und auch die Bäume schienen noch wie überzuckert.

Sie kannte den Weg genau. Oft genug war sie ihn gefahren, obgleich sie mit Kurt eine Stadtwohnung gehabt hatte.

Doch als sie am Hause läutete, erschien eine fremde Frau. Sie war jung und sehr hübsch.

Sollte Kurt …? Madlen nahm sich zusammen, aber sie konnte nicht einfach umkehren, als die junge Frau freundlich nach ihrem Begehren fragte.

»Ich wollte zu Frau Engers«, sagte sie stockend.

»Oh, es tut mir leid, Frau Engers ist vor zwei Monaten gestorben«, erwiderte die junge Frau.

Madlen wurde blass. Kurt hat es nicht mal für nötig gehalten, mir das mitzuteilen, ging es ihr durch den Sinn.

»Dann entschuldigen Sie bitte die Störung«, sagte sie gepresst.

Sie fuhr in die Stadt zurück, zu seiner Wohnung, die einmal ihre gemeinsame Wohnung gewesen war. Eine Maiso­nettewohnung in einem Villenviertel.

Über ein Jahr war sie nicht mehr in München tätig gewesen, und sie hatte auch alte Verbindungen nicht gepflegt, denn alles waren gemeinsame gewesen. Aber sie wusste, dass Kurt seine Kanzlei hatte und er ein recht bekannter Scheidungsanwalt geworden war. Spezialisiert auf Scheidungen, wie es einmal in einem Zeitungsbericht gestanden hatte, bei dem es um die Scheidung eines prominenten Paares gegangen war.

An der Tür stand noch der Name Engers. Diesmal achtete sie darauf, was sie vorher in Seeshaupt nicht getan hatte.

Sie läutete. Und gleich darauf stand Kurt vor ihr. Mehr als mittelgroß, aber nicht viel größer als sie, blond, mit gewelltem, ziemlich langem Haar, etwas fülliger geworden.

»Du?«, staunte er. »Was führt dich zu mir, Madlen?«

»Ich war in Seeshaupt und habe erfahren, dass Mutter gestorben ist.«

»Warum nennst du sie noch Mutter?«, fiel er ihr ins Wort. »Du hast kein Recht dazu. Der Kummer über dich hat sie ins Grab gebracht.«

Madlens Lippen zuckten. »Ich habe ihr nichts angetan. Ich stand mit ihr in brieflicher Verbindung, bis sie nicht mehr geantwortet hat«, sagte sie. »Du hättest mir mitteilen müssen, dass sie krank ist, dann hätte ich sie besucht.«

»Das hätte mir gerade noch gefehlt«, fuhr er sie an, aber dann schwieg er abrupt, denn eine auffallend gekleidete Frau kam die Treppe herauf. Schlank war sie, wie ein Mannequin, und damenhaft sah sie nicht aus.

»Der Lift stockt schon mal wieder, Kurti«, sagte sie mit hoher, sehr heller Stimme, die Madlens empfindsamen Ohren wehtat. Dann fühlte sich Madlen aus stechenden Augen gemustert.

»Willst du uns nicht vorstellen, Kurti?«

»Meine geschiedene Frau, meine Verlobte«, sagte Kurt Engers zynisch. »Nina Wunderlich.«

»Ach, Sie sind die komische Nudel«, sagte Nina.

»Wahrhaft wunderlich«, erwiderte Madlen schlagfertig und ging.

Später, als sie dann in der Wohnung war, die sie gerade erst gemietet hatte, kamen ihr andere Gedanken. Bei vielen jungen Ehepaaren war es so, dass eine Schwiegermutter der Störfaktor war, bei ihnen war es das Gegenteil gewesen. Ohne diese gütige Frau wäre die Ehe vielleicht gar nicht zustande gekommen, und da sie nun tot war, empfand Madlen Trauer. Und mit dieser Nina Wunderlich mochte sich Kurt allerhand eingebrockt haben.

Sie betrachtete sich im Spiegel. Frei von weiblicher Eitelkeit war sie nicht. Wunderlich! Komische Nudel! War sie eine komische Nudel?

*

Zwei Tage später fuhr sie nach Adelboden. Sie verließ sich auf ihr Glück. Und sie hatte schon im ersten Hotel Glück. Sie bekam ein sehr hübsches Appartement. Vielleicht deshalb, weil sie sich gar nicht erst nach dem Preis erkundigt hatte.

Madlen konnte sich das leisten. Sie hatte erst kürzlich einen Onkel beerbt, und außerdem verdiente sie ausgezeichnet. Entsprechend war sie auch gekleidet. Durchaus keine komische Nudel!

Und sie ahnte nicht, dass es Kurt auch jetzt noch wurmte, dass Nina diese Bezeichnung gebraucht hatte. Ein heftiger Streit war an jenem Tag zwischen den »Verlobten« die Folge gewesen.

Doch davon wusste Madlen nichts und wollte auch nichts mehr davon wissen. Sie ließ sich einen Imbiss aufs Zimmer bringen und war auch mit dem Service zufrieden.

Nach einem ausgiebigen Bad schlief sie so gut, wie schon lange nicht mehr und weit in den nächsten Morgen hinein.

Als sie erwachte, schien die Sonne hell ins Zimmer. Madlen dehnte und rekelte sich und sprang dann aus dem Bett. Sie zog die dichten Vorhänge zurück und sah vor sich die schneebedeckten Hänge. Ein herrlicher Tag war erwacht. Sie zog ihren Pelz über und trat auf den Balkon. Traumverloren stand sie minutenlang da, dann sagte plötzlich eine tiefe Männerstimme: »Guten Morgen, Madame, oder bon jour?«

Madlens Kopf fuhr herum. Sie sah da einen Mann stehen, blickte in helle graue Augen, in ein schmales, interessantes Gesicht. Sie war viel zu gut aufgelegt, um diesen Morgengruß als aufdringlich zu empfinden.

»Bleiben wir beim guten Morgen«, erwiderte sie lächelnd. Grübchen bildeten sich in ihren Mundwinkeln. »Welch ein herrlicher Morgen!«

»Sie scheinen das schöne Wetter mitgebracht zu haben«, sagte der Mann. »Darf ich mich als Ihr Zimmernachbar vorstellen? Alfry, Klaus Alfry.«

»Madlen Engers«, erwiderte sie, unbefangen und so richtig in Urlaubslaune. Sie fand den Mann sympathisch und machte sich sonst keine Gedanken. Im Urlaub war alles anders als sonst. Man durfte nichts ernst nehmen, um sich die Tage nicht zu vergällen. Madlen war immer ein kontaktfreudiger Mensch gewesen, und es hätte sie eher schockiert, wenn ihr zuerst ein brummiger Typ begegnet wäre.

»Ganz schön kalt«, sagte sie. »Ich werde mich erst mal richtig anziehen und frühstücken.«

»Am Büfett unten ist das Frühstück bedeutend reichlicher, wenn ich Sie darauf aufmerksam machen darf«, sagte der Mann namens Alfry.

Madlen blinzelte. »Sind Sie schon länger hier?«, fragte sie, da sie gar nichts gegen solche Auskünfte einzuwenden hatte.

»Drei Tage. Am ersten Tag habe ich auch auf dem Zimmer gefrühstückt. Es war nicht erhebend. Dann hat mich ein netter Mensch darauf aufmerksam gemacht, dass es unten vom Büfett auch nicht viel teurer ist und man alles haben kann.«

»Sie sind auch ein netter Mensch«, lachte Madlen. »Ich habe nämlich einen Mordshunger.«

»Dann können wir uns ja unten treffen. Landsleute müssen doch zusammenhalten«, erwiderte er lächelnd.

Nun warf ihm Madlen doch einen längeren, forschenden Blick zu. Aber der war durchaus nicht ernüchternd.

»Okay«, sagte sie, »in fünfzehn Minuten.«

Eine gestandene Frau, dachte Klaus Alfry, und trotzdem nett und natürlich. Nicht eine so arrogante Ziege wie die, die bis gestern in dem Appartement gewohnt hatte, und ihn nachts aus dem Schlaf weckte, weil sie angeblich kein Feuer hatte um sich eine Zigarette anzuzünden.

So was mochte er nun gar nicht. Aber er hatte Madlen schon minutenlang beobachtet, bevor er den Morgengruß hinüberwarf. Sie gefiel ihm.

*

»Ein Skiurlaub wäre eigentlich auch mal wieder fällig«, sagte Daniel Norden an diesem Morgen zu seiner Frau Fee.

»Wie kommst du denn darauf?«, fragte sie verblüfft.

»Ich hatte Madlen Engers einen empfohlen. Sie wollte anscheinend zuerst auf die Bahamas.«

»Und wie kommst du gerade jetzt darauf, Schatz?«, fragte Fee.

»Weil es heute Nacht wieder geschneit hat, mein Herzblatt. Verlockend schaut es aus.«

»Dann mach die Praxis zu. Ich packe die Koffer«, lachte Fee.

»Es ist ja nur eine Idee gewesen. Ich kann doch gar nicht fort. Aber für nächstes Jahr planen wir einen ein. Dann ist Anneka auch schon größer.«

»Und Danny geht zur Schule, Daniel«, sagte Fee tiefsinnig. »Da müssen wir uns nach den Ferien richten.«

»Dann geht das Theater los«, stöhnte er.

»Wir sind vorher im Winter nicht viel weggekommen, und das wird auch so bleiben«, sagte Fee. »Wir können ja am Wochenende mal ins Gebirge fahren, vorausgesetzt, dass du wegkannst. Vorausplanen können wir ja doch nicht.«

Ein Vorwurf lag nicht in ihrer Stimme. Fee ertrug alles mit größter Gelassenheit. Sie war dankbar, wenn sie mal ein paar ungestörte Stunden mit ihrem Mann verbringen konnte.

Wenn Daniel Norden einen schwierigen Fall hatte, fuhr er nicht weg, da konnte kommen was wolle. Seinen Patienten fühlte er sich verpflichtet. Wenn mal ein einigermaßen ruhiges Wochenende kam, fuhren sie zur Insel der Hoffnung, um mit ihren Lieben beisammen zu sein, aber das war auch selten genug der Fall. Jetzt blieb ihnen noch ein längerer Sommerurlaub, aber wenn Danny erst zur Schule ging und sie sich nach Ferien richten mussten, war auch Fee schon bange, denn wo fand man zu dieser Zeit dann noch einen schönen Urlaubsort, in dem es nicht wie in der Fußgängerzone zuging?

»Wer weiß, wie es am Wochenende ausschaut«, sagte Fee. »Das Wetter spielt doch verrückt.«

»Du bist die perfekte Ehefrau«, sagte Daniel. »Du meckerst nie.«

»Wie sollte ich auch, da ich Daniel Norden geheiratet habe«, lachte Fee. »Ich wusste ja, was mir blüht.« Er bekam seinen zärtlichen Kuss wie jeden Morgen, und er konnte das glückliche Leuchten aus ihren Augen mit in seinen schweren Arbeitstag nehmen. Und wenn es an solchem Tag mal ganz hart zuging, brauchte er nur an seine Fee zu denken, um wieder Kraft zu schöpfen. Und an diesem Tag sollte es ganz hart zugehen. Die gute Loni wusste schon gar nicht mehr, wohin sie alle Patienten setzen sollte, die die Praxis stürmten.

Es schien mal wieder ein Virus herumzuschwirren, der Magen und Darmgrippe hervorrief und auch beträchtliche Kreislaufstörungen mit sich brachte. Das Telefon klingelte immerzu. Loni wusste auch nicht, was sie zuerst tun sollte. Die Liste für die Hausbesuche wurde immer länger, und Loni fragte sich, wie Dr. Norden das schaffen sollte.

»Man sollte meinen, Sie wären der einzige Arzt im ganzen Bezirk«, brummte sie.

Sogar in all dem Stress konnte er noch lächeln. »Die andern werden sich auch nicht über zu wenig Arbeit beklagen können, Loni«, sagte er, und so ganz nebenbei dachte er, dass es mit einem Wochenendausflug auch diesmal nichts werden würde.

Fee musste das wohl im Gefühl gehabt haben. Über Madlen Engers dachte er nicht mehr nach.

*

Ihr ging es allerdings sehr gut. Das Frühstücksbüfett sah sehr verlockend aus. Sie gehörte zu den Glücklichen, die essen konnten, was sie wollten, ohne gleich zuzunehmen, und da sie vorhatte, sehr viel Ski zu fahren, konnte sie sich auch entsprechend stärken.

Klaus Alfry trat auf sie zu. Er hatte eine so lässige Art, die ihr ungemein gefiel. Sie hatte nichts übrig für geschwollenes Getue. Er war einfach nett und sympathisch, und es war so, als würden sie sich schon lange kennen. Das schien man hier wohl auch anzunehmen. Madlen erntete von anderen weiblichen Wesen ein paar giftige Blicke, die es wohl schon vorher auf diesen gut aussehenden Mann abgesehen hatten. Er war ein ausgesprochen sportlicher Typ, ziemlich groß und breitschultrig. Madlen schätzte ihn auf Mitte dreißig, aber sie erfuhr bald, dass er achtunddreißig war. Sehr charmant sagte er seinen Steckbrief herunter.

»Wohnort München, das gehört wohl auch dazu«, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln.

»Na, wie finde ich das«, lachte Madlen, »ich auch.«

»Sie haben aber ein anderes Autokennzeichen«, meinte er erstaunt.

»Sie sind aber gut informiert!«

»Ich habe Sie gestern ankommen sehen«, gab er ungezwungen zu.

»Vorübergehend habe ich in Mannheim gelebt, kehre nun aber wieder reumütig nach München zurück.«

»Was ich sehr begrüße.«

Madlen errötete. »Jetzt mache ich erst mal vier Wochen Urlaub.«

»Da kann ich leider nicht mithalten. Mir bleiben nur vierzehn Tage. Schade.«

Eigentlich nahm es gleich etwas zu ernsthafte Formen an, doch zu Madlens eigenem Erstaunen missfiel ihr das nicht. Wenigstens vierzehn Tage würde sie angenehme Gesellschaft haben.

Ja, sie stellte fest, dass seine Gesellschaft sogar sehr angenehm war. Sie konnte bald feststellen, dass er auch ein sehr guter Skifahrer war. Herrlich war der Schnee, warm die Sonne. Die Mittagsmahlzeit konnten sie auf der Terrasse des Berggasthofes einnehmen, und sie entwickelten beide einen gesegneten Appetit. Sehr oft trafen sich ihre Blicke, und jedes Mal durchrieselte Madlen ein seltsames Gefühl.

Liebe Güte, ich kenne ihn doch kaum, dachte sie beklommen. Wenn er nun verheiratet ist?

Sie fragte es ihn sehr direkt. »Ich war verheiratet«, erwiderte er ohne zu zögern. »Meine Frau ist vor fünf Jahren gestorben. Ich habe einen zehnjährigen Sohn. Er heißt Oliver. Und Sie? Sind Sie verheiratet?«

»Ich war es. Geschieden seit zwei Jahren. Um den Steckbrief abzurunden, ich bin Rechtsanwältin.«

»Noch was Gemeinsames«, sagte er mit leisem Lachen. »Ich bin auch Jurist. Syndikus. So was von Zufall gibt es auch«, fügte er staunend hinzu. »Da dürfte schon die Vorsehung ihre Hand im Spiel gehabt haben.«

»Glauben Sie daran?«

»Seit heute. Es ist schön, dass Sie gekommen sind, Madlen. Oder stört es Sie, dass ich einen Sohn habe?«

»Nein. Aber vielleicht würde es den Sohn stören, wenn er uns hier beisammen sehen würde.«

»Das kann möglich sein«, gab er wiederum in aller Offenheit zu. »Oliver ist ganz auf mich fixiert.«

»Wo ist er jetzt?«

»Bei meinen Eltern. Er ist gut aufgehoben. Ich habe ja auch sonst wenig Zeit für ihn. Aber er ist sehr einsichtig.«

»Ich habe kein Kind«, sagte Madlen gedankenverloren. Klaus hörte den bedauernden Unterton heraus.

»Sie können immer noch welche haben«, sagte er. »Sie sind doch jung.«

»Dreißig, und ich finde es gar nicht schön, wenn Kinder alte Mütter haben.«

»Bitte keine Übertreibung. Frauen werden erst ab dreißig interessant, und man sagt auch, dass die Kinder dann besonders gut geraten.«

»Ich liebe meinen Beruf«, sagte sie eigensinnig. »Man muss sich für das eine oder das andere entscheiden.«

»Da bin ich doch nicht ganz Ihrer Meinung, Madlen. Es lässt sich vereinbaren. Die Zeit der Hausmütterchen ist doch vorbei.«

Madlen stand auf. »Fahren wir lieber Ski«, sagte sie. »Diskutieren können wir auch abends.«