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Die Balanced Scorecard (BSC) ist eines der effektivsten Instrumente zur Unternehmensführung. Hier wird erstmals beschrieben, wie es sich im Personalmanagement anwenden lässt.
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Seitenzahl: 371
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Wie kann die langfristige Unternehmensentwicklung durch einen zielgerichteten Strategieprozess gefördert werden? Welchen Beitrag können dazu das strategische Personalmanagement und die unternehmensweite Personal- und Organisationsentwicklung leisten? Mit der Balanced Scorecard (BSC) steht ein innovatives Instrument zur Strategieentwicklung in Unternehmen zur Verfügung, mit dem diese Fragen beantwortet werden können. Die »Entwickler« der BSC, Robert S. Kaplan und David P. Norton, haben ein neues, ganzheitliches Managementsystem vorgestellt, das in besonderem Maße geeignet ist, den Prozess der Strategiefindung und -implementierung zu strukturieren. Nach Kaplan und Norton trägt die BSC auch dazu bei, das Konzept der »lernenden Organisation« mit Inhalt zu füllen und damit traditionell schwer fassbare, »weiche« Zielgrößen auf der Ebene der Kommunikations und Kulturentwicklung im Unternehmen besser greifbar zu machen.
Nach einer grundlegenden Vorstellung des BSC-Ansatzes wird in diesem Buch das Augenmerk auf die Prozesse des Organisationslernens und der Organisationsentwicklung gerichtet. Dabei steht zugleich die Frage im Mittelpunkt, wie die Humanressourcen einer Organisation gezielt entfaltet und die Menschenorientierung in Veränderungsprozessen gesteigert werden kann. Hierzu gehört die inhaltliche Ausgestaltung einer BSC im Hinblick auf die personalpolitischen Kernziele in der Organisation. Wir konzentrieren uns vorrangig auf die Anforderungskriterien im Bereich des Human-Resources-Development, also die zukunftsgerichtete und anforderungsbezogene Entwicklung der Humanpotenziale im Unternehmen. Denn einerseits muss sich eine am Markt nachhaltig erfolgreiche Organisation darauf konzentrieren, den anspruchsvollen Erwartungen und Bedürfnissen der Kunden langfristig gerecht zu werden, um eine hohe Kundenzufriedenheit und Kundentreue zu erzielen. Andererseits wird ein Unternehmen einen hohen Kundennutzen durch ein bedarfsorientiertes und marktgerechtes Leistungsangebot nur dann |8|stiften können, wenn die einzelnen Leistungsträger, Teams und Organisationsbereiche so geführt und entwickelt werden, dass sie die erwünschte Service- und Kundenorientierung sicherstellen.
Solange ein Unternehmen in seiner Leistungsfähigkeit vor allem durch das Wissen, das Können und die Erfahrungen seiner Fach- und Führungskräfte geprägt wird, muss der vorrangige Auftrag des Managements darin bestehen, die vorhandenen, mehr oder weniger latenten Potenziale der einzelnen Organisationsmitglieder zu identifizieren und zu fördern. Schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen ist es unabdingbar, den bestmöglichen Leistungsgrad auf der »menschlichen Seite« der Wertschöpfung zu erzielen. Aber auch aus einem übergeordneten Werte- und Ethikverständnis heraus gilt es, den hohen Stellenwert der Unternehmenskultur, der Mitarbeiterzufriedenheit und der Personalentwicklung für den Organisationserfolg zu erkennen. Insofern ist die fortlaufende Optimierung von finanzwirtschaftlichen Strategien, die Steigerung der Kundenorientierung oder die Verbesserung der Ablaufprozesse zwar für den Markterfolg zwingend notwendig, aber noch nicht hinreichend: Erst durch die Wert-Beiträge der Menschen und die Würdigung ihrer Einstellungen, Erwartungen und Motivationen werden Kunden-, Prozess- und Ertragsorientierungsprogramme tatsächlich wirksam.
Zur Konzipierung einer in sich stimmigen und aussagefähigen Unternehmensstrategie – mit gleichzeitiger Präzisierung von strategischen Schwerpunkten, Erfolgskriterien und Maßnahmen zur zeitnahen Umsetzung – müssen deshalb vorrangig personalpolitische Zielsetzungen verfolgt werden. Eine BSC, die als ein modernes, wegweisendes Strategieentwicklungsinstrument zu verstehen ist, muss darauf in besonderem Maße zugeschnitten werden. Dabei stellt sich eine besondere Herausforderung: Während strategische Erfolgsfaktoren wie Marktanteile, Absatzzahlen, Deckungsbeiträge, Kundenrentabilität oder Prozessschritte in der Wertschöpfungskette weitgehend objektiv und eindeutig gemessen werden können, ist beispielsweise die Bewertung des Humankapitals und des Organisationsklimas ausgesprochen schwierig. Selbst wenn spezifische Human-Resources-Aktionsprogramme eingeleitet werden, ist deren Nutzen und Wertbeitrag oftmals Gegenstand kontroverser Einschätzungen.
Wie gut sind Nachwuchskräfte tatsächlich auf die Übernahme von Führungsaufgaben vorbereitet? Ist der Qualifizierungsgrad der Organisationsmitglieder für zukünftige, stark veränderte Anforderungen angemessen? Stehen für internationale Management- und Projektaufgaben die »richtigen« |9|Mitarbeiter zur Verfügung? Ist der Grad der Service-, Qualitäts- und Kundenorientierung im Denken und Handeln der Teammitglieder ausreichend? Kann die Führungs-, Kommunikations- und Feedbackkultur im Unternehmen noch ausgebaut werden – und wie erkennen wir tatsächlich Fortschritte in der ganzheitlichen Organisationsentwicklung?
Diese Fragen verdeutlichen beispielhaft, wie schwierig es ist, Veränderungs- und Entwicklungsziele im Bereich der unternehmensspezifischen Personal-, Kultur- und Klimathemen zu operationalisieren. Gerade wenn die Einschätzung menschlicher Leistungs- und Entwicklungspotenziale sowie affektiv geprägter Beziehungsstrukturen im Mittelpunkt steht, können allenfalls indirekte Erfolgsindikatoren herangezogen werden. Menschen lassen sich nicht einfach »vermessen« wie Absatzraten für Produkte oder bilanzielle Ergebnispositionen. Es bedarf allerdings dringend weiterführender Bewertungsansätze auf diesem Gebiet. Durch die steigende Orientierung am Shareholder-Value nimmt für viele Unternehmen der – manchmal sicherlich heilsame – Zwang zu, objektive Veränderungen und Verbesserungen gerade auch auf der »weichen Seite« der Unternehmensentwicklung nachzuweisen.
Wo es früher noch ausreichend war, ein Bildungsprogramm aufzulegen, einige Führungstrainings zu veranstalten oder die Manager in Fragen der Personalbetreuung durch den Personalleiter zu beraten, gerät heute auch der firmeninterne Personalbereich immer mehr unter Legitimations- und Erfolgsdruck: Personalarbeit ist qua seiner originären Eigenschaften selbst eine personal- und damit kostenintensive Aufgabenstellung. Da alle unternehmerischen Aktivitäten im Hinblick auf wertorientierte Kosteneffizienz optimiert werden müssen, gerät auch der Personalbereich selbst in die Diskussion: Brauchen wir überhaupt noch das Personalwesen und den Personal- bzw. Trainingsmanager? Können diese Aufgaben nicht sogar in die »Linie« verlagert, extern vergeben oder ganz eingespart werden? Vor diesem Hintergrund sind die Spezialisten in den HR-Servicebereichen in starkem Maße gefordert, den besonderen, wertschöpfungssteigernden Nutzen ihrer eigenen Tätigkeit nachzuweisen.
Fehlen die Effizienznachweise, könnte die überaus wichtige Schlüsselfunktion des Human-Resources-Managements in der Organisation in seiner Bedeutung (noch) weiter zurücktreten, als dies gegenwärtig schon der Fall ist. Insofern kann die BSC speziell auch für das strategieorientierte Personalmanagement einen Nutzen entfalten: Personalmanager können mithilfe einer BSC für den eigenen Bereich handlungsleitende Ziele, Meilensteine und Erfolgsfaktoren |10|definieren, die wiederum durch geeignete Aktionsprogramme und strategische Initiativen unterlegt werden.
Doch man darf sich von einem Managementsystem wie der BSC nicht zu viel versprechen: Die Entscheidung über den nachhaltigen Markterfolg eines Unternehmens wird vor allem durch die inhaltliche Qualität der Topmanagement-Strategie selbst geprägt. Eine BSC kann letztlich nur helfen, die richtigen Fragen zur Strategiekonkretisierung zu stellen und konsequente, maßnahmenorientierte Ableitungen aus dem Gesamtkonzept zu treffen. Selbst wenn das Implementierungsvorhaben strategiekonform ausgestaltet und durch einen unternehmensweiten BSC-Prozess begleitet wird, bemisst sich die Durchschlagskraft des strategischen Vorhabens vor allem nach der Qualität und Marktbezogenheit der kunden-, prozess- und mitarbeiterorientierten Handlungsprogramme.
Insofern soll an dieser Stelle davor gewarnt werden, die BSC als »Wundermittel« einzuschätzen, mit dem nun alle offenen und bisher schwer lösbaren Fragen sowohl der Strategieumsetzung als auch der Konkretisierung notwendiger personalpolitischer Veränderungsschritte beantwortet werden könnten. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, wie es dem Topmanagement gelingt, die Anforderungen des Marktes, der Kunden, der Öffentlichkeit und der Anteilseigner mit den Leistungsmöglichkeiten der Menschen und der Systeme in der Organisation in Übereinstimmung zu bringen. Dazu zählt vor allem die Mobilisierung der Humanpotenziale in einer möglichst strategiekonformen Art und Weise, wobei die »Kunst« darin besteht, die Ziele zur Steigerung von Produktivität und Kosteneffizienz mit einem hohen Grad an Menschenorientierung, Mitarbeiterbeteiligung und Einbeziehung aller Teams in erfolgsorientierte Veränderungsprozesse zu verknüpfen.
Organisationen werden in Zukunft nur überleben können, wenn es ihnen nicht nur gelingt, die wachsenden Ansprüche der Kunden in einem angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis zu befriedigen. Vielmehr sind auch die am Produktivprozess beteiligten Menschen dafür zu gewinnen, sich selbst immer wieder infrage zu stellen und die eigenen Kompetenzen fortlaufend weiterzuentwickeln. Sie müssen lernen, durch interdisziplinäre, fachübergreifende Kommunikation die bestmöglichen Lösungen für den Kunden zu erstellen. Wir hoffen, dass die Personalverantwortlichen im Unternehmen durch das Konzept der BSC gerade auch im Bereich der strategischen Organisations und Personalentwicklung sichtbar vorankommen. Dies umfasst auch die weitere Professionalisierung eines ganzheitlichen Personalmanagements und |11|einer flexiblen Mitarbeiterführung. Es kommt insbesondere darauf an, einen Weg von der Ebene der »gehaltvollen«, aber oftmals diffusen Leitvorstellungen über Führungskultur, Mitarbeiterengagement, Mitarbeiterzufriedenheit und Entfaltung der Schlüsselqualifikation hin zu konkret messbaren Entwicklungszielen, Kenngrößen und Aktionsprogrammen zu finden.
Damit verbindet sich die Erwartung, dass durch messbare Erfolgsnachweise im Bereich der Personalpolitik sowohl strategisch erreichbare als auch tatsächlich erreichte Meilensteine besser fassbar und damit zugleich überzeugender kommunizierbar werden. Dies dürfte einerseits den Erwartungen der Mitarbeiter im Hinblick auf neue Spielräume autonomen Handelns, wachsende Eigenverantwortung und zunehmende Selbststeuerung gerecht werden. Andererseits können durch einen solchen Prozess der strukturellen Strategiekonkretisierung und Erfolgsüberprüfung bezogen auf die »weichen Faktoren« – wie er durch eine BSC-Implementierung gefördert wird – auch die Forderungen der Aktionäre nach einer erhöhten Transparenz und Bewertbarkeit des Humankapitals besser erfüllt werden. Dabei wird zu prüfen sein, inwieweit es gelingt, durch eine flächendeckende BSC-Umsetzung die oftmals langfristig angelegten personalpolitischen Ziele, die als notwendig für die nachhaltige Existenzsicherung des Unternehmens angesehen werden, mit den eher kurzfristig ausgerichteten Erfolgserwartungen der Aktionäre und Anteilseigner in Einklang zu bringen.
Die BSC bietet einen umfassenden Gestaltungsrahmen, um kurzfristige und langfristige Einfluss- und Erfolgsgrößen aufeinander zu beziehen und damit auch vernetzte Strukturen auf allen Strategieebenen besser nachvollziehbar zu machen. Insofern dürfte auch das zukunftsgerichtete Denken und der Nachweis von »wegweisenden Einzelschritten« bzw. Meilensteinen auf dem Weg zur Realisierung der Gesamtstrategie gefördert werden. Die zentrale Rolle der Organisations- und Personalentwicklung sowie der Stellenwert der Humanressourcen für den Strategieerfolg können unseres Erachtens über den BSC-Ansatz sogar einem »Außenstehenden«, der keinen unmittelbaren Einblick in die jeweilige Unternehmung hat, besser verständlich gemacht werden.
Die nächsten Jahre werden zeigen, in welchem Ausmaß sich Unternehmen bei der Verwirklichung des BSC-Ansatzes vor allem auch einer wegweisenden Konzeption im Human-Resources-Management bedienen, um damit ihre eigene Überlebensfähigkeit durch eine in sich stimmige, effizienz- und menschenorientierte Strategieimplementierung zu steigern.
Die Balanced Scorecard (BSC) kann als umfassendes Steuerungs- und Managementsystem zur Findung, Präzisierung, Kommunikation und Implementierung einer Unternehmensstrategie verstanden werden. Ursprünglich wurde die BSC von den Amerikanern Norton und Kaplan Ende der achtziger Jahre als Weiterentwicklung des finanzwirtschaftlichen Controlling konzipiert. Dabei stand der Gedanke im Mittelpunkt, dass die Unternehmensleitung neben den operativen Steuerungs-, Reporting- und Budgetierungssystemen zwingend einen ganzheitlichen Strategieansatz benötigt, um die wesentlichen Eckpfeiler der unternehmerischen Kernabsichten definieren und im Hinblick auf ihre erfolgreiche Umsetzung maßnahmenbezogen überwachen zu können. Das Neue an diesem Ansatz ist die prägnante Darstellung der langfristig ausgerichteten Unternehmensstrategie, der unmittelbare Bezug zu messbaren Prozess- und Erfolgsfaktoren sowie die Verknüpfung mit vernetzten strategischen Aktionsprogrammen.
Insofern kann die BSC als Schlüsselinstrument zur zukunftsgerichteten Unternehmensentwicklung verstanden werden, das in seiner praktischen Bedeutung weit über eine primär controllingorientierte und betriebswirtschaftliche Steuerungs- und Monitoringfunktion hinausgeht (vgl. Kaplan und Norton, 1997). Nachfolgend wird der Grundgedanke der BSC zunächst kurz vorgestellt und an einem Beispiel verdeutlicht. Dadurch soll ein grundsätzliches Verständnis für die Zielrichtung, den Aufbau und die Ausgestaltung dieses Verfahrens vermittelt werden. Da mittlerweile verschiedene Publikationen zur Systematik und Methodik der BSC vorliegen, sei zur vertiefenden Darstellung entweder auf Kaplan und Norton oder die im Literaturverzeichnis aufgeführten Veröffentlichungen verwiesen.
|14|Die BSC wird hier nicht nur als ein spezielles Verfahren zur Konkretisierung von Unternehmenszielen, deren unternehmensweiten Ableitung sowie deren zeitnahen Verwirklichung interpretiert. Sie dient vielmehr auch als ein Instrument, um strategiebezogene Handlungsprogramme zu entwickeln sowie individuelle und teambezogene Zielerreichungsgrade zu ermitteln. Damit können mit einer BSC die Leistungs- und Wertbeiträge von einzelnen Mitarbeitern, Projektgruppen, Teams und kompletten Bereichen in der Organisation resultatorientiert gemessen werden. Dies bedeutet, dass auch die organisationsspezifische Anreiz- und Vergütungssystematik an den jeweils gewählten BSC-Rahmen anzugleichen ist.
Der Grundgedanke der BSC besteht darin, unternehmensstrategische Kernaussagen nicht nur verbal zu fassen – etwa in Form einer Vision, einer Mission, eines Unternehmensleitbilds oder von allgemeinen Strategieaussagen –, sondern vielmehr auch konkrete Priorisierungs- und Gewichtungsentscheidungen zu treffen, die an vorhandene oder geplante finanzwirtschaftliche Budgets sowie organisationsspezifische Leistungspotenziale gekoppelt sind. Dabei werden die einzelnen Strategieelemente klassifiziert, im Hinblick auf ihren unternehmensspezifischen Stellenwert geordnet und mit so genannten »strategischen Initiativen« sowie einzelnen Meilensteinen und Messgrößen beziehungsweise Erfolgsindikatoren gekoppelt.
Dem BSC-Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass die unternehmerischen Ressourcen grundsätzlich begrenzt sind. Deshalb muss ständig über die Allokation der vorhandenen Investitions- und Handlungsmöglichkeiten entschieden werden: bezogen auf den Markt, die Kunden, die Geschäftsbereiche, die Wertschöpfungsprozesse und die Mitarbeiter. Eine weitergehende These in der BSC-Philosophie lautet, dass der Erfolg der strategischen Planungen und Maßnahmenprogramme durch eine begrenzte Zahl von ausgewählten Messgrößen beurteilt werden kann. Diese sind sowohl für qualitative als auch quantitative Zieldefinitionen abzuleiten, um eine durchgängige Zielkonkretisierung für das unternehmerische Handeln sicherzustellen.
Im Prozess des Designs einer BSC können zunächst folgende wesentlichen Schritte unterschieden werden, die allerdings nicht zwingend in dieser Reihenfolge abgearbeitet werden müssen:
Präzisierung des langfristigen Strategierahmens – fußend auf einer klaren unternehmerischen Vision und Mission.
Definition der strategieübergreifenden Kernabsichten.
|15|Analyse von Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen einzelnen strategischen Schlüsselvariablen der Unternehmensentwicklung.
Ableitung der spezifischen strategischen Ziele und Geschäftspläne.
Gewichtung und Priorisierung der Kernabsichten beziehungsweise strategischen Zielvorgaben.
Definition von Messgrößen und Meilensteinen.
Verabschiedung von strategischen Initiativen und erfolgssichernden Aktionsprogrammen.
Ausarbeitung nachgeordneter Scorecards, zum Beispiel auf funktionaler Bereichs- oder Standortebene, gekoppelt mit individuellen Zielvereinbarungen.
Konsequente Strategieimplementierung und fortlaufendes strategisches Monitoring.
Präzisierung des langfristigen Strategierahmens sowie der unternehmerischen Vision und Mission
Voraussetzung für ein tragfähiges Strategiekonzept ist die Definition von Geschäftszweck, übergeordneten Leitzielen (»Megazielen«) und unternehmerischen Kernaktivitäten. Aus dem Blickwinkel des strategischen Managements muss geklärt werden, welche Leistungen, Produkte und Marktfelder im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns stehen. Eine Vision beschreibt den mittel- bis langfristig angestrebten, wünschenswerten Soll-Zustand, der sich vor allem auf die finanziellen sowie markt- und kundenbezogenen Absichten bezieht. Beispiele für solche Visionselemente lauten:
Verdoppelung der Umsatzrendite innerhalb von drei Jahren und des Umsatzes innerhalb von zwei Jahren.
Steigerung des Bekanntheitsgrades um 500 Prozent innerhalb von zwei Jahren.
Sicherung einer sehr hohen Kundenzufriedenheit für alle Dienstleistungen rund um das Kerngeschäft innerhalb von drei Jahren.
Positionierung im Marktsegment als keyplayer innerhalb von zwei Jahren, das heißt Steigerung der Marktanteile, bis das Unternehmen zu den drei wichtigsten Marktteilnehmern zählt.
|17|Steigerung des Shareholder-Value um das Dreifache in zwei Jahren.
Sehr hohe Mitarbeiterzufriedenheit und ausgeprägte Identifikation mit dem Unternehmen, die sich in einer längerfristigen Verbundenheit mit dem Unternehmen und einer geringen Fluktuationsrate ausdrückt.
Umsetzung eines ehrgeizigen »Electronic Business-to-Business-Programms«, sodass durch E-Commerce, virtuelle Internetmarktplätze und workflowbasiertes Dokumentenmanagement die Prozesssicherheit und -effizienz in einem Jahr um 250 Prozent gesteigert werden kann.
Abb. 1-1: Chancen der Balanced Scorecard
|17|Die Visionsaussagen sind zwar noch relativ unscharf formuliert, weisen aber im Idealfall bereits Bezüge zu Messkriterien auf. Teilweise sind manche Firmenvisionen noch abstrakter formuliert, zum Beispiel »Wir wollen in wenigen Jahren die erfolgreichste europäische Fluglinie für den Gütertransport werden, die ihre Kunden absolut zufrieden stellt und sogar begeistert!« Visionen haben psychologisch gesehen oftmals die Funktion, emotionale Bindungen zu stiften und das persönliche Engagement der Beteiligten zu steigern. Darüber hinaus sollen sie Kunden, Geschäftspartnern, Lieferanten, Anteilseignern und der Öffentlichkeit eine ehrgeizige, imagebetonte Zukunftsentwicklung andeuten. Visionen helfen, Orientierung zu vermitteln und das wesentliche, langfristige Kernziel der unternehmerischen Aktivität klar zu beschreiben.
Im Gegensatz zu Visionen, die zukunftsgerichtet formuliert werden, verdeutlichen die Missionen stärker den Auftrag beziehungsweise den spezifischen Geschäftszweck des Unternehmens oder einzelner Bereiche. Die Kernfrage lautet: »Wozu ist das Unternehmen überhaupt da?«, und »Was begründet unsere Existenz aus Kundensicht?«. Ein »mission-statement« dient dazu, Aussagen hierzu prägnant zu kommunizieren. Entsprechende Beispiele lauten:
»Wir sorgen für sämtliche Dienstleistungen rund um’s Haus« (Gebäude-Services)
»Europäische Güterlogistik und Cross-Border-Transportleistungen für den Mittelstand ermöglichen«
»Facility-Management für Industriebauten professionell umsetzen«
»Den ganzheitlichen Marktauftritt für mittelständische Unternehmen im Internet sicherstellen«
|18|Missionen und Visionen sind eng vernetzt; sie gehen zum Teil ineinander über und sind häufig eher auf einer anmutungshaften, affektiven Ebene fassbar. Die Kernbotschaft muss prägnant sein und gut erinnert werden können, da sie als »Orientierungsmarke nach innen und außen« wirken soll.
Der einer BSC vorgelagerte Rahmen kann neben der Vision und Mission als Bestandteil eines ganzheitlichen unternehmerischen Leitbildes auch Leitlinien zur internen Kooperation und Führung enthalten. Damit wird zugleich ein firmenspezifisches Wertesystem definiert, das die Anforderungen an den zwischenmenschlichen Umgang definiert. Ein solches Leitbild beinhaltet im günstigen Falle auch einen ethisch-moralischen Kodex für die Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, der die Qualität des zielgerichteten Handelns auf einer pragmatischen Ebene regulieren hilft. Insofern können dort Maximen des erwünschten, verantwortungsvollen und wertschätzend-partnerschaftlichen Handelns präzisiert werden, die einen fairen Umgang untereinander beschreiben.
Beispiele für Führungsleitlinien lauten:
Führungskräfte vereinbaren Ziele und messen den Leistungsbeitrag jedes Einzelnen vor allem an der Zielerreichung.
Führungskräfte verstehen Kritik als Vertrauensbeweis; sie nehmen sachliche Kritik offen entgegen und setzen sich mit ihr in fairer Weise auseinander.
Führungskräfte fördern ihre Mitarbeiter, indem sie regelmäßige Mitarbeitergespräche zur Standortbestimmung durchführen, persönliche Enwicklungsperspektiven aufzeigen und konkrete Qualifizierungsmaßnahmen vereinbaren.
Führungskräfte vermitteln zeitnah Rückmeldungen zu erbrachten Leistungen; dazu sprechen sie Lob und Anerkennung aus und erläutern Verbesserungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen.
Sofern eine Organisation noch nicht über einen solchen strategischen Orientierungsrahmen verfügt, sollten in einem Prozess der Leitbild- und Werteentwicklung die Eckpfeiler des unternehmerischen Handelns »sinnbezogen« vorab präzisiert werden. Dazu zählen auch Einschätzungen zu aktuellen Umfeld- und Systembedingungen, die das unternehmerische Handeln im Markt beeinflussen können, sowie prognostische Aussagen zu deren künftigen Entwicklung (»Zukunftsszenario«).
|19|Damit werden wesentliche Voraussetzungen für eine BSC-Entwicklung geschaffen, die das Verständnis der Führungskräfte und Mitarbeiter für die antizipierten Sollzustände und Handlungsprogramme fördern.
Definition der Kernabsichten
Kaplan und Norton unterscheiden im Wesentlichen vier Kernelemente einer Unternehmensstrategie, die sie auch als »Perspektiven« oder Kernabsichten bezeichnen:
Die finanzwirtschaftliche Perspektive.
Die Markt- und Kundenperspektive.
Die Perspektive der internen Geschäftsprozessoptimierung und der marktorientierten Innovation, zum Beispiel die Einführung neuer Prozesse, Technologien und Produkte.
Die Perspektive des Lernens und der kontinuierlichen Entwicklung – einschließlich Human-Resources-Management, Personal- und Organisationsentwicklung sowie intelligente Management-Informationssysteme.
Diese Perspektiven ermöglichen nach Kaplan und Norton die Integration sämtlicher Unternehmensaktivitäten auf einer übergeordneten Steuerungsebene. Grundsätzlich können auch weitere Perspektiven aufgenommen werden, sofern es das unternehmensspezifische Strategiekonzept erfordert: zum Beispiel Kernabsichten zur gesellschaftlichen Verantwortung, zur ökologischen Orientierung, zu intelligenten Kooperationen mit Partnern und Lieferanten oder zur Ausgestaltung der Informationstechnologie. Im Sinne des Parsimonie-Prinzips, das heißt der Komplexitätsreduktion und prägnanten Darstellung für den Anwender, sind vier Perspektiven meist ausreichend und dienen deshalb im Folgenden als konzeptioneller Rahmen.
Die einzelnen Perspektiven verdeutlichen auch, welche Strategiefelder besonders im Auge behalten werden müssen, wenn sich möglicherweise untergeordnete strategische Ziele ändern. So ist es durchaus denkbar, dass eine Neuausrichtung der künftigen Unternehmensorganisation – zum Beispiel eine geplante Fusion – völlig neue strategische Ziele erfordert. Die Perspektiven selbst werden jedoch auch in diesem Falle weitgehend konstant bleiben. Das heißt: Selbst wenn eine nachhaltige Umstrukturierung eingeleitet wird, |20|gilt es beispielsweise, Synergien für die Zielkunden zu stiften, die eigene Rentabilität im Auge zu behalten, Prozesse zu vereinfachen und die Menschen in der Organisation für die Neuausrichtung zu gewinnen.
Leitfragen zur Präzisierung der Perspektiven lauten:
Auf welche Felder wollen wir uns in unseren unternehmerischen Aktivitäten – ausgehend von der Vision und Mission – vor allem konzentrieren?
Was sind die übergeordneten Ordnungsprinzipien, an denen wir unser Handeln für Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre, Kooperationspartner und Öffentlichkeit ausrichten?
Was sind die wesentlichen Erfolgskriterien, die für die langfristige Existenzsicherung unseres Unternehmens maßgebend sind?
An welchen Handlungsdimensionen sollten sich Führungskräfte und Mitarbeiter vorrangig orientieren, damit sie die Effektivität und den Nutzen ihrer Leistungs- und Wertbeiträge zweckmäßig bemessen können?
Analyse von Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Schlüsselvariablen der Unternehmensentwicklung
Nach der Festlegung von Kernabsichten beziehungsweise Perspektiven für das unternehmerische Handeln sind Aussagen erforderlich, wie die wesentlichen Einflussfaktoren im Strategiekonzept miteinander in Beziehung stehen, aufeinander einwirken und die kritischen Erfolgsgrößen beeinflussen. Da es sich bei einem Unternehmen um ein »offenes System« handelt, sind Wechselwirkungen mit wichtigen Umfeldfaktoren – zum Beispiel Markt, Wettbewerber, Kunden, Lieferanten – anzunehmen. Jede Aussage über eine Wirkungsstruktur – zum Beispiel den positiven Einfluss der Kundenzufriedenheit auf die Umsatzrendite – ist also immer unter dem Vorzeichen der Umfeldbedingungen zu bewerten. Weder »Kundenzufriedenheit« noch »Umsatzrendite« sind isolierte Variablen, die nur durch unternehmensinterne Prozessfaktoren beeinflusst werden. Vielmehr ist die Kundenzufriedenheit beispielsweise im Vergleich zu den kundenorientierten Leistungen der Wettbewerber zu bewerten.
Bei »Ursache-Wirkungs-Beziehungen« zwischen einzelnen strategischen Variablen handelt es sich streng genommen um Wahrscheinlichkeitsaussagen über den Zusammenhang von vernetzten Einflussfaktoren, die wiederum von |21|vielfältigen Systemparametern – innerhalb und außerhalb des jeweiligen Unternehmens – beeinflusst werden. Dabei sind auch Feedbackschleifen zu beachten: Die Kundenzufriedenheit wirkt im Allgemeinen nicht nur positiv auf die Umsatzrendite, sondern umgekehrt kann die erfolgreiche finanzielle Entwicklung eines Unternehmens auch auf das Image des Unternehmens einen günstigen Einfluss haben, was wiederum die Zufriedenheit der Kunden steigen lässt. Die Zufriedenheit einzelner Kunden mag beispielsweise wachsen, wenn sie erfahren, dass sich auch andere Kunden für dieses Unternehmen und seine Produktpalette entschieden haben.
Insofern sind eindimensionale Kausalaussagen in einer BSC kaum sinnvoll. Darüber hinaus ist Kausalität in Systemzusammenhängen auch ein relativer Begriff, da Ursache und Wirkung nicht immer klar zu trennen sind: Wechselseitige Feedback- und Regulationsprozesse charakterisieren gerade komplexe Systeme! Dennoch dürfte es für die Strategieanalyse und -präzisierung hilfreich sein, wesentliche Abhängigkeitsmuster für die als vorrangig eingestuften Prozess- und Resultatsvariablen, die vor allem auf der finanzwirtschaftlichen Ebene zu finden sind, zu spezifizieren.
Das Management muss im ersten Schritt die wesentlichen Strategie-Faktoren definieren und ihren relationalen Zusammenhang – entweder auf intuitiver Ebene oder untermauert durch empirische Daten – fixieren. Dazu kann in einer grafischen Darstellung – einem Ursache-Wirkungs-Diagramm beziehungsweise einer grafischen Abhängigkeitsstruktur – das angenommene Zusammenhangsmuster veranschaulicht werden. Abbildung 1-2 verdeutlicht den Aufbau eines solchen Diagramms.
Die eingetragenen Variablen in unserem Beispiel sind jeweils durch Wirkungspfeile verbunden. Damit soll sichtbar gemacht werden, dass die betreffenden Kausalbeziehungen vom Management als besonders ausschlaggebend eingestuft werden. Es handelt sich also in unserem Beispiel nicht um »objektive Wirkungsbeziehungen«, die qua Markt- und Prozessanalysen oder über Controllingdaten belegt werden, sondern vielmehr um subjektive Wirkungseinschätzungen des Management-Teams. Dabei können durchaus objektive Daten aus dem Systemumfeld des Unternehmens (Markt, Kunden, Wettbewerber oder Prozesse) in den Einschätzungsprozess integriert werden. Entscheidend ist aber, dass vor Verabschiedung des Strategiekonzeptes im Führungskreis erste Einschätzungen zu den besonders wichtigen Prozess- und Ergebnisvariablen getroffen und vermutete Zusammenhänge in einem konsensorientierten Verfahren abgebildet werden. Einzelmeinungen und persönliche |22|Sichtweisen werden also in einem moderierten Prozess aufeinander bezogen und gemeinsam abgeglichen.
Abb. 1-2: Beispiel für ein hypothesengeleitetes »Ursache-Wirkungs-Chart«
Dabei sind als besonders wichtig eingestufte Wechselwirkungen markant hervorzuheben: So wirkt in unserem Beispiel die Mitarbeiterzufriedenheit positiv auf die Kundenzufriedenheit, da engagierte und mit dem Unternehmen identifizierte Mitarbeiter eher ein positives Service- und Qualitätsverständnis gegenüber den Kunden vermitteln. Umgekehrt wird die Zufriedenheit der Mitarbeiter durch positiv gestimmte Kunden weiter gesteigert. Neben positiven Feedbackschleifen sind auch negative Rückwirkungen denkbar|23|: Beispielsweise dürfte eine hohe Ausschussquote die Kundenzufriedenheit reduzieren, was wiederum die Reklamationsquote erhöht und damit die Prozesseffizienz und die Mitarbeiterzufriedenheit negativ beeinflusst.
Ein Ursache-Wirkungs-Diagramm kann fortlaufend verfeinert werden, wenn sich Anhaltspunkte für neue zentrale Wirkungsgefüge ergeben. Norton und Kaplan empfehlen allerdings, die Anzahl und Struktur der dargestellten Faktoren auf das Wesentliche zu konzentrieren und nicht ständig zu ändern, da ansonsten die »mentale Landkarte« der wesentlichen Erfolgsfaktoren in der Organisation verloren geht. Insofern kann bei der Visualisierung des zentralen Wirkgefüges »weniger auch mehr sein«. Zu beachten ist weiterhin, dass die angenommenen Vernetzungsstrukturen auch kommunikabel sein müssen – zum Beispiel gegenüber Anteilseignern, wichtigen Nachunternehmern, Mitarbeitern oder sogar gegenüber Kunden. Je höher die Transparenz und Einfachheit der Darstellung, desto leichter können die wesentlichen Strategieelemente erfasst und in ihrer Beziehung zueinander nachvollzogen werden.
Ableitung der strategischen Ziele
Sind die wesentlichen Strategieelemente und ihre angenomme Vernetzung identifiziert, so gilt es, diese zu systematisieren. Die darauf bezogenen strategischen Ziele können dann sukzessive formuliert werden.
Ein strategisches Ziel beschreibt dabei einen Soll-Zustand, der für eine mittel- bis langfristige Betrachtungsperspektive als handlungsleitend angesehen wird und der für die Sicherung des Unternehmenserfolges maßgebend erscheint. Beispiele für strategische Ziele in der Kundenperspektive lauten:
Die Kundenzufriedenheit nachhaltig steigern.
Die Gewinnung von Neukunden intensivieren.
Die Kundenrentabilität signifikant erhöhen.
Das Firmenimage deutlich verbessern.
Diese hier aufgeführten strategischen Ziele beschreiben wünschenswerte Veränderungen im Grad der Kundenorientierung. Dabei werden noch keine konkreten Messkriterien, Erfolgsindikatoren und Verantwortlichkeiten definiert. Die strategischen Ziele müssen jedoch verschiedene Anforderungskriterien erfüllen, um das umfassende Strategiekonzept zu unterstützen:
|24|Überprüfbarkeit, Präzision und Plausibilität
Die strategischen Ziele sollen mit dem übergreifenden Leitbild und Unternehmenskonzept in Einklang stehen, dem »common sense« entsprechen und möglichst einer empirischen Prüfung standhalten. Es müssen also Indikatoren und Messgrößen identifiziert werden können, die das Erreichen der strategischen Ziele belegen. Schwer überprüfbare strategische Ziele lauten zum Beispiel »Wir wollen einfach besser sein als andere« oder »Wir wollen immer schneller werden«. Dies sind eher unverbindliche PR-Slogans, die für ein nachvollziehbares Strategiekonzept kaum nutzbringend sind. Selbstverständlich muss ein Unternehmen dem Anspruch gerecht werden, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln; es wäre deshalb zumindest zu präzisieren, wo das Unternehmen konkret besser werden will.
Interne Konsistenz
Die einzelnen Ziele dürfen nicht im Widerspruch zueinander stehen. Ein Beispiel für einen Widerspruch wäre die Annahme, dass zwar sowohl die Kundenzufriedenheit wie auch die Händlerzufriedenheit die Umsatzrendite günstig beeinflussen, Händler- und Kundenzufriedenheit jedoch untereinander nicht in Bezug zueinander stehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch die Händlerzufriedenheit die Kundenzufriedenheit positiv beeinflusst. Insofern sind strategische Ziele nach ihrer Formulierung auf wechselseitige Stimmigkeit zu prüfen.
Eindeutigkeit
Strategische Ziele sollten nicht mehrdeutig sein, da sie ansonsten die Strategieableitung und -konkretisierung behindern. Ein Beispiel für ein mehrdeutiges strategisches Ziel wäre die Aussage, dass »die Neukundengewinnung vor anderen Zielen absoluten Vorrang hat«. Hier ist nicht festgelegt, was mit »anderen Zielen« gemeint ist und wie der Begriff »absolut« zu verstehen ist. Die Aussage dürfte auch inhaltlich zweifelhaft sein, da eine These zur Neukundengewinnung durch eine Aussage zur nachhaltigen Kundenbindung zu ergänzen wäre.
|25|Realitätsnähe
Strategische Ziele gewinnen an inhaltlicher Aussagefähigkeit, wenn sie den Umfeld- und Marktbedingungen gerecht werden und von den Kunden und Mitarbeitern gut nachvollzogen werden können. Dies schließt nicht aus, ehrgeizige Ziele (»stretch-goals«) zu formulieren, die als »nahezu unerreichbar« eingestuft werden, aber unter Umständen hohen Motivationscharakter besitzen. Wenn jedoch ein neu gegründetes IT-Unternehmen für sich das strategische Ziel formuliert, innerhalb von sechs Monaten die »Nr. 1 im Marktfeld des IT-Consulting werden zu wollen«, so dürfte dies in den meisten Fällen als unrealistisch einzustufen sein. Andererseits wird mit zu konservativ formulierten Zielen eher die Chance verspielt, einschlägige »Durchbruchsziele« herauszuarbeiten. Wenn ein Unternehmen das Ziel formuliert, lediglich ein »Wachstum der Umsatzrendite von 0,3 Prozent innerhalb von zwölf Monaten« anzustreben, muss sich das Management die Frage gefallen lassen, ob solche »Sicherheitsziele« nicht die langfristige Existenz gefährden – und zuvor schon das Vertrauen der Anteilseigner.
Strategische Ziele sollten in einen überschaubaren Zielekatalog zusammengefasst werden. Strategieansätze mit beispielsweise mehr als 50 strategischen Zielen sind dementsprechend zu straffen und auf die wesentlichen Kernaussagen zu reduzieren. Darüber hinaus sollten die Zielaussagen so getroffen werden, dass sie konkrete »Wegentscheidungen« erkennen lassen, zum Beispiel die Ausrichtung auf eine bestimmte Marketing- oder Innovationsstrategie mit der Möglichkeit zur Angabe von persönlichen Verantwortlichkeiten, Ressourcenbegrenzungen, Terminen und Berichtsverpflichtungen. Diese Eckpfeiler sind dann die Grundlage, um später herausragende Meilensteine der Strategieumsetzung ableiten zu können.
Gewichtung und Priorisierung der Kernabsichten und strategischen Zielvornahmen
Liegen die strategischen Ziele vor und sind sie den jeweiligen Perspektiven schlüssig zugeordnet, so ist einzustufen, inwieweit sie die übergreifende Unternehmensabsicht unterstützen. Die einzelnen Zielelemente müssen also in ihrer Bedeutung zueinander abgewogen und bezüglich ihres Stellenwertes zur Erfüllung der Erwartungen von Kunden, Anteilseignern, Mitarbeitern, Partnern oder Öffentlichkeit »balanciert« werden. Dabei sind kurz-, mittel- |26|und langfristige Auswirkungen auf die jeweiligen Erwartungshaltungen zu beachten.
Ein pragmatisches Verfahren besteht darin, die strategischen Ziele pro Einzelperspektive – also zum Beispiel die kundenbezogenen im Vergleich zu den prozessbezogenen Absichten – im Hinblick auf ihre Funktionalität für die nachhaltige Erfolgssicherung abzuwägen. Darüber hinaus können auch die einzelnen Strategien pro Perspektive untereinander gewichtet werden. Zur Vereinfachung der Darstellung gehen wir jedoch nachfolgend davon aus, dass die einzelnen strategischen Ziele pro Perspektive gleichwertig behandelt werden. Insofern reduziert sich die Priorisierung auf die jeweiligen Kernperspektiven. Ausgehend von einer Gesamtsumme von 100 Prozent werden nun die einzelnen Perspektiven in ihrer Bedeutung zueinander gewichtet.
Dies ist kein zwingender Bestandteil einer BSC-Entwicklung, aber für nachfolgende Schritte, zum Beispiel bei der Priorisierung von strategischen Handlungsprogrammen, hilfreich. Die prozentualen Gewichtungen dienen jeweils zur Verdeutlichung von antizipierten Investitionsentscheidungen, strategischen Schwerpunktsetzungen oder auch als Grundlage pragmatischer Handlungspräferenzen. Konkret kann das Topmanagement durch die Priorisierung der Perspektivfelder klare Entscheidungen herbeiführen, welchen Stellenwert die Einzelperspektiven jeweils für einen bestimmten Zeithorizont für die Organisation besitzen.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Ein junges Unternehmen, zum Beispiel im Bereich der Telekommunikation, wird in der Aufbauphase einen Schwerpunkt im Bereich der Neukundengewinnung und der intelligenten Marktpositionierung legen, um sich zukünftige zu erwartende Ertragschancen systematisch zu erschließen. Ein etabliertes Unternehmen wird eventuell eine andere Strategie verfolgen: So kann ein tradiertes, inhabergeführtes Unternehmen – etwa im Maschinenbau – seine besondere Aufmerksamkeit der Optimierung der Geschäftsprozesse, der Kundenbindung durch Cross-Selling oder der Absicherung der finanzwirtschaftlichen Zukunftsperspektive durch diversifiziertes Kapitalanlagemanagement widmen. Dementsprechend stehen branchenorientierte Spezialisierung, verbesserte Kundenbetreuung durch qualifizierte Beratung und Sicherung der Kundenloyalität bei gleichzeitiger Steigerung der Ertragskostenspanne im Mittelpunkt.
Folglich ergeben sich – zum Verständnis etwas vereinfacht – unterschiedliche Gewichtungen in der Unternehmensstrategie, die in einer BSC etwa wie folgt zum Ausdruck kommen könnten:
|27|BSC- Perspektive
Unternehmen A
Unternehmen B
innovativer Newcomer in der Telekommunikation
traditionsverpflichtetes Maschinenbauunternehmen
1. Finanzwirtschaftliche Perspektive
20 %
40 %
2. Kundenperspektive (Schwerpunkt Neukundengewinnung)
40 %
20 %
3. Interne Prozessperspektive
20 %
15 %
4. Lernen und Entwicklung
20 %
25 %
Solche pointierten Gewichtungsentscheidungen dürfen nicht als statische Festlegungen missverstanden werden. Sie dienen vielmehr als »Richtungsvorgaben« und somit zur Konkretisierung der häufig zunächst nur unverbindlich dargestellten Unternehmensstrategie – mit entsprechenden Konsequenzen für strategische Folgeziele und Ressourcenentscheidungen. Dadurch werden zugleich qualitative Soll-Aussagen quantitativ verdeutlicht und für Kunden, Anteilseigner und Mitarbeiter besser nachvollziehbar gemacht. Darüber hinaus erlauben die gewichteten Primäraussagen zu den Kernperspektiven der zukünftigen Geschäftsaktivität weitere Ableitungen, die für nachgelagerte Aktionsprogramme maßgebend sind: Im Unternehmen A werden aufgrund der hohen Gewichtung der Kundenperspektive vertriebs- und marketingbezogene Maßnahmenpläne zur Forcierung der Neukundenakquisition möglicherweise höher bewertet als im Unternehmen B. Dies wird seinen Niederschlag auch in unterschiedlichen Ressourcen- und Budgetbemessungen finden.
Definition von Messgrößen und Meilensteinen
Jede Strategie bedarf der konkreten Überprüfung anhand nachvollziehbarer Kenngrößen. In einer BSC sind hierzu für jede strategische Zielformulierung drei bis fünf Messkriterien zu definieren, die ein Ziel »controllingfähig« machen. Dies bedeutet zugleich, dass praktikable Überprüfungsmaßnahmen |29|festgelegt werden, anhand derer das »erreicht« oder »nicht erreicht« bestimmter Zielvorgaben erkannt wird. Konkret müssen Mess- und Operationalisierungsvorschriften erarbeitet werden, die eine direkte Überprüfung des Strategievollzugs erlauben und anerkannte Zwischenschritte beziehungsweise Meilensteine auf dem Weg zur Zielerreichung darstellen. |30|Solche Meilensteine können kurz-, mittel- und langfristig definiert werden. Sofern eine BSC über einen Zeitraum von eins bis zwei Jahren angelegt ist, können sich die ersten Meilensteine auf sechs bis zwölf Monate beziehen. Dies wird allerdings in jedem Unternehmen individuell festzulegen sein. Die Meilensteine dienen anschließend auch als Bezugsgrößen für regelmäßige Strategie-Review-Sitzungen, die vierteljährlich stattfinden können.
Abb. 1-3: Beispiel für strategische Zielobjekte und zugeordnete Messkriterien
|30|Wird beispielsweise die »kontinuierliche Steigerung der Kundenzufriedenheit« als strategisches Ziel definiert, so ist anzugeben, bis wann welche Änderungen in einzelnen Kenngrößen zur Kundenzufriedenheit erreicht werden sollen. Darüber hinaus muss festgelegt werden, wie die Kundenzufriedenheit genau erfasst wird – etwa durch Benchmarking, Panels, Kundenbefragungen oder Veränderungsmessungen in einzelnen Indices.
Beispiele für Messvorschriften lauten:
Eine strukturierte Kundenbefragung, in der das Unternehmen drei Mal im Jahr die Kundenzufriedenheit im Vergleich zu fünf Schlüsselwettbewerbern durch eine stratifizierte Stichprobe erfasst.
Eine gezielte Mitarbeiterbefragung, an der anhand von fünf Kerndimensionen des Organisationsklimas (zum Beispiel Einkommen, Perspektiven, Arbeitsumfeld, Kooperations- und Führungskultur, Grad der Autonomie) die Mitarbeiterzufriedenheit erhoben wird.
Fortlaufende Erhebung des E-Commerce-Nutzungsgrades durch Internet-Präsenzanalysen und -Nutzungsverläufe bezogen auf die firmenspezifisch eingerichteten, virtuellen Marktplätze.
Analyse des Führungsstils durch ein 360-Grad-Feedback für jede Führungskraft, das im Rhythmus von 18 Monaten wiederholt wird.
Liegen die Messgrößen fest, so ergeben sich die Meilensteine beziehungsweise »operativen Veränderungsziele in den Strategiegrößen« durch erwünschte zeitverlaufsbezogene Veränderungen. Die Meilensteine fungieren als »Kennmarken« für den Erfolg strategiebezogener Aktions- und Maßnahmenpläne, die zur Erreichung der übergreifenden Unternehmensziele eingeleitet werden. Strategiebezogene Meilensteine beinhalten in diesem Sinne Aussagen zu angestrebten Veränderungen in den Messkriterien. In unserem ersten Beispiel wäre ein solcher Meilenstein:
|31|Steigerung in der Kundenzufriedenheit durch ein »Customer-Satisfaction-Programm« mit Trainingsbausteinen um einen Betrag von 20 Prozent gegenüber der Basiserhebung. Die Messung erfolgt auf einer zuvor eingeführten, geeichten Messskala, die vier verschiedene Einzelwerte integriert.
Die strategiebezogenen Meilensteine dürfen nicht mit den budgetbezogenen, operativen Controllingzielen verwechselt werden, deren Erreichung fortlaufend über Management-Informationssysteme erfasst wird. Es handelt sich bei den BSC-Meilensteinen vielmehr um Erfolgskriterien, die unmittelbar auf das strategische Gesamtkonzept bezogen sein sollten und typischerweise die Integration mehrerer Controlling- und Verlaufsindikatoren erfordern. Die Definition von Meilensteinen ist gerade auch im qualitativen Zielbereich von herausragender Bedeutung: Häufig sind die »weichen« Zielfelder schwerer zu operationalisieren, sodass konkrete Veränderungsziele zum Beispiel für die Kommunikations- und Feedbackkultur, die Service- und Kundenorientierung oder die Führungskompetenz nach einem konsensorientierten Dialogprozess im Unternehmen definiert werden müssen.
Verabschiedung von strategischen Initiativen und Aktionsprogrammen
Die BSC stellt einen handlungserzeugenden Rahmen für die Strategiekonkretisierung und -umsetzung dar. Dazu tragen Kernabsichten, strategische Ziele und auf einzelne Zeithorizonte abgestimmte Meilensteine bei. Damit ist jedoch noch kein Schritt getan, um tatsächlich eine visionsgeleitete Strategierealisation sicherzustellen. Es bedarf vielmehr konkreter Handlungsprogramme und Maßnahmenpläne, die das übergreifende Strategiekonzept »mit Leben erfüllen«. Folglich sind für einzelne Veränderungsziele spezifische Aktionsprogramme beziehungsweise »strategische Initiativen« – um den Wortgebrauch von Kaplan und Norton aufzugreifen – in die Wege zu leiten.
Die strategischen Aktionsprogramme können einerseits auf der Ebene der übergreifenden Unternehmensstrategie definiert werden – zum Beispiel ein neues Rahmenkonzept zur Absatzsteigerung für Schlüsselprodukte via E-Commerce |32|–; es kann sich aber auch um bereichsspezifische oder funktionale Aktionsprogramme handeln, die auf nachgeordneter Ebene implementiert werden: zum Beispiel in den Unternehmensbereichen Vertrieb, Marketing, Technischer Support oder Personal. Diese funktionalen Handlungsprogramme sind dann wieder im Hinblick auf die angestrebten Erfolge in die bereichsspezifischen Zielkataloge aufzunehmen.
Beispiele für Aktionsprogramme, die auf die Steigerung der Service- und Kundenorientierung zielen, lauten:
Durch Einführung eines Total-Quality-Konzeptes die internen Qualitäts und Servicestandards optimieren.
Durch eine Workflowanalyse wertsteigernde Geschäftsprozesse optimieren und die Schnittstellen zwischen einzelnen Bereichen minimieren.
Durch Einführung eines KVP-Programms (»kontinuierliche Verbesserung«) neue Ideenpotenziale entwickeln und Mitarbeiter für die Erzeugung und Umsetzung von praktikablen Verbesserungsvorschlägen »vor Ort«, das bedeutet in den einzelnen Teams und Organisationseinheiten, gewinnen.
Ausgewählte Kunden und Lieferanten in die Neuproduktentwicklung einbeziehen, damit die Produktentwicklung forciert und die marktgerechte Produktpositionierung erleichtert wird.
Strategiegeleitete Aktionsprogramme sind das »Herzstück« einer BSC; mit ihrer übergreifenden Leistungsfähigkeit und kundenbezogenen Nutzenorientierung steht und fällt der BSC-Ansatz. Insofern müssen die Aktionsprogramme auf den Bereichsebenen sinnvoll vernetzt und abgestimmt werden. Sie sollten zugleich die Erwartungen der Kunden, der Mitarbeiter, der Anteilseigner und der Öffentlichkeit berücksichtigen, damit das Unternehmensentwicklungsprogramm qua BSC in der Praxis Bestand hat. Die »Balancierung« bezieht sich also auf die ausgewogene, wohl durchdachte Zusammenstellung der kurz-, mittel- und langfristigen Aktionsprogramme.
Liegen strategische Gewichtungen in der übergreifenden BSC vor, bedeutet dies auch eine Priorisierung der Aktionsprogramme. Das heißt, je nach Stellenwert der einzelnen Leitperspektiven werden die Aktionsprogramme mit besonderen Ressourcen und Zeithorizonten zu versehen sein, damit das strategische Gesamtvorhaben gelingt. Ein Aktionsprogramm muss in der späteren Umsetzung vor allem daraufhin bewertet werden, ob es die Erwartungen |33|im Hinblick auf die Meilensteinerreichung erfüllt – oder ob es gegebenenfalls unterjährig zu modifizieren ist, damit es seinen angenommenen Handlungsnutzen erfüllt. Dies ist wiederum Bestandteil der regelmäßig durchzuführenden Strategie-Reviews und Bereichsperformance-Analysen, die erforderlich sind, damit das »Schiff nicht in die falsche Richtung gesteuert wird«.
Ausarbeitung nachgeordneter Scorecards
Die BSC-Implementierung erfordert einen konsequenten Top-down-Ansatz, das heißt ausgehend von der übergeordneten Unternehmensvision sind Kernstrategien zu präzisieren, die dann in Form einer übergreifenden Business-Scorecard als Orientierung für die einzelnen Geschäfts- und Servicebereiche dienen. Handelt es sich um ein Konzernunternehmen mit mehreren Standorten und Niederlassungen, so empfiehlt sich die Ableitung von regionalen oder geschäftsbereichsspezifischen »Sub-Scorecards«. Diese funktionalen Bereichs-Scorecards sind wiederum auf die übergeordnete Top- oder Business-Scorecard zu beziehen.
Konkret werden also von einer bereits konzipierten Business-Scorecard Strategiefelder, Messkriterien, Aktionsprogramme und Gewichtungen auf die funktionalen Sub-Scorecards übertragen, erhalten dort aber einen spezifischeren Zuschnitt: Ein global agierendes Konzernunternehmen kann zum Beispiel für einzelne Regionen lokal ausgeprägte Strategien in den einzelnen Perspektiven definieren. Analog können für verschiedene Geschäfts- und Vertriebsbereiche Sub-Scorecards ausgearbeitet und integrativ zur Top-Business-Scorecard zusammengeführt werden. Dies heißt nicht, dass die Gewichtungen der Top-Scorecard unverändert übernommen werden müssen. Allerdings sollten die funktionalen Sub-Scorecards inhaltlich kompatibel sein, das heißt auf der Grundlage von Plausibilitätsannahmen das Erreichen der übergeordneten Topstrategien nachhaltig unterstützen.
Darüber hinaus können einzelne Servicebereiche, zum Beispiel Marketing, Personal, technische Services oder Produktion ebenfalls eine eigene Scorecard definieren. (Wir werden eine solche Bereichs-Scorecard für das Human-Resources-Management später vorstellen.) Die Präzisierung von funktionalen Scorecards ist grundsätzlich bis auf die Ebene einzelner operativer Teams – und sogar bis hin zu einzelnen Organisationsmitgliedern – vorstellbar. Allerdings besteht dabei auch die Gefahr, den Blick für das Wesentliche zu |34|verlieren. Das heißt, durch einen zu hohen Differenzierungsgrad kann die ganzheitliche Orientierung für jeden Einzelnen leiden. Insofern liegt es zunächst nahe, Scorecards lediglich für übergreifende und größere Einheiten zu definieren. Daraus können allerdings wiederum individuelle Zielvereinbarungen abgeleitet werden, die auch die Wünsche und Erwartungen der Mitarbeiter in den Teams berücksichtigen.
Eine enge Verzahnung zwischen Scorecards und Zielvereinbarungen sollte auf jeden Fall angestrebt werden. Dies impliziert, dass zum einen Zielvereinbarungen auf die Business- und Bereichs-Scorecards bezogen werden und zum anderen auch das Anreiz- und Vergütungssystem die Ausrichtung an der übergreifenden Strategiematrix fördert. Damit wird zugleich sichergestellt, dass die wertsteigernde Handlungsorientierung der Mitarbeiter – richtungsweisend in der BSC-Strukturierung dargestellt – durch geeignete monetäre und nicht-monetäre Motivationsfaktoren unterstützt wird. Wird lediglich eine BSC-Implementierung im Unternehmen vorgenommen, ohne dass Zielvereinbarungen und Anreizsysteme direkt darauf abgestimmt sind, kann nicht ohne weiteres erwartet werden, dass die funktionalen Bereichs-Scorecards als verbindlicher und psychologisch wirksamer Steuerungsrahmen auch tatsächlich von den Betroffenen angenommen werden.
Strategieimplementierung und fortlaufendes strategisches Monitoring
Damit die Business- und Bereichs-Scorecards Wertbeiträge auf der Seite der Organisationsmitglieder herbeiführen, sind jeweils Zielvereinbarungen mit den Handlungsverantwortlichen zu treffen. Dies bedeutet, dass eine BSC mit den individuellen Zielgesprächen in den einzelnen Bereichen gekoppelt werden sollte. Dabei sind Zielvereinbarungen nicht nur mit den Leitungskräften zu treffen, sondern im Idealfall auch mit den einzelnen Teammitgliedern, damit die persönlichen Zielvorgaben und Aufgabenschwerpunkte auf die Scorecards bezogen werden. Insofern ist eine zur BSC parallele Systematik für strukturierte Zielvereinbarungsgespräche hilfreich, damit die breite Einbindung der Organisationsmitglieder gelingt.
Die konkrete Umsetzung der BSC-Aktionsprogramme erfordert darüber hinaus koordinierte Vorgehensweisen auf Bereichs- und Teamebene, damit Chancen für Synergieeffekte genutzt werden. Die Vertreter nachgelagerter |35|Hierarchieebenen müssen die Vorgaben und Entscheidungen der Geschäftsleitung, die sich in der Business-Scorecard manifestieren, horizontal diskutieren und im Hinblick auf die unterschiedlichen Handlungsimplikationen für die einzelnen Geschäfts- und Servicebereiche ausloten. Neben dem Topdown-Ansatz der Strategieumsetzung muss folglich eine laterale Vernetzung vorgesehen werden, damit sich die Strategiepläne wirkungsvoll ergänzen. Dementsprechend sind Vertreter angrenzender Bereiche – zum Beispiel Services, Marketing, Vertrieb, Produktion und F&E – gefordert, miteinander in Dialog zu treten und die funktionalen Strategien gemeinsam zu erörtern und zu verabschieden. Dabei gilt es, bottom-up gerichtete Feedbackschleifen zu integrieren, indem Wahrnehmungen, Einschätzungen und Sichtweisen auf den operativen Ebenen wieder an das Management rückgemeldet werden. So können erforderliche Justierungen – zum Beispiel in den Kenngrößen und Meilensteinen der Business-Scorecard – vorgenommen werden, bevor eine »finale Verabschiedung« durch die Unternehmensleitung erfolgt.
Sind die strategischen Weichenstellungen von der Unternehmensleitung und den nachgelagerten Schlüsselebenen vorgenommen worden, bedarf es fortlaufender, unterjähriger Zwischen-Reviews. Gegenstand der Review-Sitzungen mit einem ausgewählten Kreis von Vertretern unterschiedlicher Bereiche und Hierarchiestufen ist die Beleuchtung folgender Kernfragen:
Sind die formulierten Strategieziele, Messgrößen und Meilensteine nach wie vor realistisch – oder bedarf es einschneidender Kurskorrekturen?
Wie verlaufen die strategischen Initiativen und Aktionsprogramme, die das Erreichen der BSC-Meilensteine sicherstellen helfen sollen?
Wie reagieren Kunden, Partner, Lieferanten oder die Öffentlichkeit – einschließlich der Aktionäre – auf die Umsetzung des BSC-Gesamtprogramms? Sind zum Beispiel Kommunikationsmaßnahmen zu intensivieren oder weitere Beteiligte in den Strategieumsetzungsprozess einzubinden?
Führen die eingeleiteten Maßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Strategieerreichung? Oder ergeben sich beispielsweise aufgrund von Daten aus Management-Informationssystemen und aus dem Controlling oder durch Resultate von Markt- und Kundenanalysen Ansatzpunkte für eine Korrektur der Aktionspläne?
Greifen die nachgelagerten funktionalen Bereichs-BSCs ineinander und stiften damit Synergieeffekte? Gibt es Bereiche, Standorte oder Einheiten, für die eine Strategiemodifikation erforderlich ist?
|36|In der Phase der Strategie-Implementierung sind im Unternehmen relevante Bewertungskriterien und spezifische Leitfragen zu erarbeiten, die eine pragmatische Überwachung des Strategiefortschritts ermöglichen. Dabei sollte weniger »formalisierten und bürokratischen« Bewertungsverfahren der Vorzug gegeben werden, sondern vielmehr auf die zeitnahe, praxisgerechte Überprüfung – zum Beispiel eines strategischen Vorhabens in einem Geschäftsbereich – geachtet werden. Einzelne Strategieprojekte sind zunächst bereichsbezogen zu pilotieren, bevor sie auf das gesamte Unternehmen bezogen werden. Ein Beispiel aus dem Bereich des Human-Resources-Management wäre etwa die Einführung eines neuen Anreizsystems, oder in einem Servicebereich eine interne Kundenbefragung zur Image- und Qualitätsbewertung. Nach Erprobung des Grundansatzes können mögliche Schwächen noch »ausgebessert« werden, sodass die unternehmensweite Implementierung auf eine breitere Akzeptanz stößt und damit einen höheren Kundennutzen schafft.
Neben den regelmäßigen Review-Sitzungen im Managementteam oder in einem speziell eingerichteten BSC-Steuerungsteam sind auch computergestützte Reviewverfahren sinnvoll: zum Beispiel Soll-Ist-Vergleiche für die zentralen BSC-Kenngrößen, die online abgerufen werden. Dies ermöglicht eine firmenweite Orientierung, wie die Umsetzung des strategischen Gesamtvorhabens jeweils gelingt. Darüber hinaus können sofort korrektive Schritte eingeleitet werden, wenn sich signifikante Abweichungen zu den »Toleranzgrenzen« in einzelnen strategischen und operativen Zielen ergeben. Erforderliche Neudefinitionen von Vorgaben, Scorecard-Meilensteinen und operativen Zielen lassen sich damit im Management und in den operativen Einheiten auch besser begründen und nachvollziehen.
Bevor auf die konkrete Ausgestaltung einer Beispiel-BSC eingegangen wird, soll der Nutzen der Balanced Scorecard als strategisches Steuerungsinstrument gerade in Veränderungsprozessen verdeutlicht werden. Dabei wird die BSC als ein chancenorientiertes Werkzeug verstanden, das gerade |37|dann zur regulativen Zukunfts- und Handlungsorientierung beiträgt, wenn wesentliche strukturelle Veränderungen in einer Organisation vorbereitet werden. Die BSC kann in diesem Falle als Steuerungsrahmen verstanden werden, der allen Organisationsmitgliedern bei der Bewältigung der Veränderungsanforderungen eine Perspektive vermitteln und zugleich die wesentlichen Leitkorridore der mittelfristigen Unternehmensentwicklung aufzeigen kann.
Im Einzelnen werden nachfolgend fünf konkrete Nutzenfunktionen erläutert, die eine BSC-Entwicklung gerade im Prozess des Change-Management erfolgversprechend erscheinen lassen:
Verdeutlichen der Veränderungsziele auf unternehmensstrategischer Ebene.
Priorisierung der Veränderungsziele und Konkretisierung der wesentlichen, markt- und kundenbezogenen Meilensteine im Veränderungsprozess.
Operationalisierung von Kenngrößen, die den fortlaufenden Erfolg des Change-Management-Programms verdeutlichen helfen.
Einbeziehung der Betroffenen, die zu unternehmerisch Verantwortlichen und aktiv Beteiligten im Change Management werden sollen.
Verbesserung des Organisationsklimas und Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit gerade in Umbruchphasen, die oftmals als bedrohlich und verunsichernd erlebt werden.
Verdeutlichen der Veränderungsziele auf unternehmensstrategischer Ebene
Tiefgreifende Umstrukturierungen, zum Beispiel aufgrund von substantiell neuen Geschäftszielen und darauf fußenden internen Reorganisationen, oder auch im Umfeld von Fusionierungen, erfordern eine Neuausrichtung sämtlicher Geschäftsaktivitäten. In solchen Umbruchphasen kann leicht der »rote Faden« verloren gehen und beispielsweise alles infrage gestellt werden, was bisher zur Erzielung einer kundenorientierten Wertschöpfung beigetragen hat. Damit werden jedoch auch mögliche Erfolgsfaktoren aufgegeben, die in einer durchaus bewahrungswürdigen, unternehmensspezifischen Tradition begründet sind. Gerade in nachhaltigen Wandlungsprozessen muss zwischen |38|fortzuführenden Strategien und neu zu definierenden Orientierungen und Handlungsmaßstäben differenziert werden.
Eine BSC bietet in einer solchen Wandlungsphase die Chance, die strategischen Veränderungsziele prägnant zu benennen, bewährte Strukturen und Prozesse aufzuzeigen und die Ausrichtung auf die wesentlichen Meilensteine im Change Management sicherzustellen. Gerade in einschneidenden Veränderungsprozessen benötigen vor allem die Menschen in der Organisation klare übergeordnete Leitlinien und regulatorische Handlungsmaximen, die es ihnen erleichtern, mit dem Bruch in der Unternehmenskontinuität zurechtzukommen. Insofern können in diesem Falle in einer BSC nicht nur geschäftsfeldbezogene Strategien, sondern auch unternehmenskulturelle Werte und ethische Ziele abgebildet werden. So lassen sich zum Beispiel in der BSC-Perspektive »Lernen und Entwicklung« Anforderungen an die Kommunikations- und Feedbackkultur spezifizieren, die auch konsequent überprüft werden: also beispielsweise Fairness im Umgang miteinander, überzeugende Führungskompetenz, ganzheitliche Teamentwicklung oder eine verbindliche Neudefinition der Kriterien für eine umfassende Service- und Qualitätsorientierung.
Die in einer BSC fixierten und kommunizierten Veränderungsziele können es auch Nachunternehmern und Partnern erleichtern, die Neuausrichtung des Unternehmens besser nachzuvollziehen. Dies erhöht zugleich die Chancen, dass strukturelle Veränderungen »mitgetragen« werden – etwa durch gezielte Beiträge zur Neuproduktentwicklung, durch ein verändertes Risikomanagement oder durch eine Neugestaltung des gemeinsamen Marketing. Nicht zuletzt die Kunden selbst können durch einen Einblick in die BSC erkennen, welche neuen Nutzenpotenziale eine veränderte Unternehmensstrategie auch für sie haben wird, sodass die Chance zur nachhaltigen Kundenloyalität erhöht wird.
Die Unternehmensleitung wird allerdings gefordert sein, gerade die strategischen Veränderungsziele deutlich zu artikulieren und mit einer überprüfbaren Mittel- bis Langfristperspektive für die Beteiligten, das heißt insbesondere Mitarbeiter, Partner, Lieferanten und Anteilseigner zu verknüpfen. Insofern »zwingt« die BSC zu verbindlichen Aussagen über die Erfolgsmaßstäbe, die in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess nicht immer leicht zu erkennen sind. Damit bietet die BSC vor allem auch dort eine Chance zur Stiftung einer gemeinsamen Zukunftsperspektive, wo wegweisende Werte, Orientierungen und Handlungsmaßstäbe dringend benötigt werden.
|39|Priorisierung der Veränderungsziele und Konkretisierung der wesentlichen, markt- und kundenbezogenen Meilensteine im Veränderungsprozess
Die erfolgreiche Gestaltung von Veränderungsprozessen erfordert neben der Klarheit und Transparenz der neuen Leitstrategie in sich verzahnte Aktionsprogramme, die organisationsweit getragen und gemäß den situativen Anforderungen aufeinander abgestimmt werden. Im Change Management müssen die wesentlichen Handlungskonzepte so mit konkreten Terminhorizonten verknüpft werden, dass sie dazu beitragen, die Umbruchsituation möglichst rasch in eine neue Phase der Kontinuität zu überführen. Obwohl sich grundsätzlich jedes Unternehmen auf permanenten Wandel einstellen muss, sollten tiefgreifende »Brüche« in der Unternehmensführung nicht »zur Regel werden«, da dies sowohl von den Kunden, den Anteilseignern als auch von den Mitarbeitern kritisch bewertet werden dürfte.
Durch die Klärung folgender Kernfragen kann deshalb eine Ausrichtung auf die neue Gesamtstrategie angestrebt werden: