Die besten Ärzte - Sammelband 53 - Katrin Kastell - E-Book

Die besten Ärzte - Sammelband 53 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Willkommen zur privaten Sprechstunde in Sachen Liebe!

Sie sind ständig in Bereitschaft, um Leben zu retten. Das macht sie für ihre Patienten zu Helden.
Im Sammelband "Die besten Ärzte" erleben Sie hautnah die aufregende Welt in Weiß zwischen Krankenhausalltag und romantischen Liebesabenteuern. Da ist Herzklopfen garantiert!

Der Sammelband "Die besten Ärzte" ist ein perfektes Angebot für alle, die Geschichten um Ärzte und Ärztinnen, Schwestern und Patienten lieben. Dr. Stefan Frank, Chefarzt Dr. Holl, Notärztin Andrea Bergen - hier bekommen Sie alle! Und das zum günstigen Angebotspreis!

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Chefarzt Dr. Holl 1818: Nach seinem Abschiedsbesuch am Krankenbett
Notärztin Andrea Bergen 1297: Und plötzlich ist alles anders ...
Dr. Stefan Frank 2251: Endlich hat sie Ja gesagt!
Dr. Karsten Fabian 194: Unser Liebesnest im Heidedorf
Der Notarzt 300: Ein kleines Bündel Leben

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 576

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Katrin Kastell Marina Anders Stefan Frank Ina Ritter Karin Graf
Die besten Ärzte - Sammelband 53

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2014/2016/2017 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © tsyhun / Shutterstock

ISBN: 978-3-7517-4662-5

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Die besten Ärzte - Sammelband 53

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Chefarzt Dr. Holl 1818

Nach seinem Abschiedsbesuch am Krankenbett

Die Notärztin 1297

Und plötzlich ist alles anders …

Dr. Stefan Frank 2251

Endlich hat sie Ja gesagt!

Dr. Karsten Fabian - Folge 194

Die wichtigsten Bewohner Altenhagens

Unser Liebesnest im Heidedorf

Der Notarzt 300

Ein kleines Bündel Leben

Keine Chance dem Herbstblues!

Guide

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Contents

Nach seinem Abschiedsbesuch am Krankenbett

Dr. Holl muss seiner Patientin beistehen

Von Katrin Kastell

Schon immer hat Regina König starke Krämpfe vor ihrer Periode gehabt. Doch mit Schmerztabletten ließen sich die Beschwerden ertragen. Diesmal jedoch wird es nicht besser, im Gegenteil. Nach fünf Tagen wird ihre Blutung nicht schwächer, sondern stärker, und auch die Schmerzen nehmen dramatisch zu.

Regina nimmt sich vor, gleich morgen zum Frauenarzt zu gehen, doch den heutigen Tag muss sie noch irgendwie überstehen. Ralph, ihr Lebensgefährte, erwartet, dass sie ihn zur Weihnachtsfeier seiner Firma begleitet. Schließlich geht es um seine Beförderung!

Um den Druck in ihrem Unterleib auszuhalten, schluckt Regina auf der Party unauffällig noch eine dritte Schmerztablette. Bald hat sie das Gefühl, nur noch über den Boden zu schweben.

Und dann verschwimmen plötzlich die Gesichter der anderen Gäste. Sie kann die Stimmen nicht mehr unterscheiden und hört nur ein allgemeines Raunen. Es ist der pure Überlebensinstinkt, der sie noch wachhält, als sie sich inmitten der Feiernden zusammenkrümmt und die Hände auf ihren Bauch presst …

„Regina, du verstehst das nicht. Du bist eben eine Frau“, bemerkte Ralph Schneider abfällig. „Männerfreundschaften brauchen ihre Rituale, und dafür halten sie ein Leben lang.“

„Ihr sollt eure Rituale haben, aber ich finde, irgendwann muss es auch einmal um uns gehen – dich und mich. Wir waren dieses Jahr noch nicht einmal zusammen fort und haben Urlaub gemacht. Du musstest immer arbeiten. Mit Manne und Klaus fliegst du trotz der Arbeit nach Mallorca“, beklagte sich seine Lebensgefährtin Regina König.

„Das ist etwas anderes. Wir fahren immer Ende Juni für fünf Tage nach Mallorca. Das war nie anders, seit wir uns kennen. Schon in der Studienzeit haben wir das gemacht“, rechtfertigte er sich genervt. „Das ist mein erster Urlaub dieses Jahr, den wirst du mir doch wohl gönnen!“, ging er unfair zum Gegenangriff über.

„Natürlich gönne ich dir die Pause, Ralph! Ich wäre nur gerne dabei, und na ja … du wirst mir fehlen.“

Darauf sagte er nichts. Sie waren am Flughafen angekommen. Regina hielt in der Kurzhaltezone und ließ ihn aussteigen. Echte Kerle mochten es ganz und gar nicht, vor ihren Kumpels am Gate mit einem Küsschen verabschiedet zu werden. Diese Lektion hatte sie in den acht Jahren, die sie nun schon mit Ralph zusammen war, längst gelernt.

„Habt viel Spaß!“, wünschte sie ihm und gab ihm einen eher flüchtigen Abschiedskuss, bei dem er sich unruhig umsah.

„Den haben wir doch immer, wenn Klaus, Manne und ich zusammen sind!“, meinte er knapp, nahm sein Gepäck aus dem Kofferraum und strebte zum Eingang, ohne sich noch einmal nach seiner Freundin umzusehen. Regina fuhr erst los, als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte und sie ihn nicht mehr sehen konnte.

Während Regina König auf direktem Weg zu der Agentur fuhr, in der sie als Werbegrafikerin arbeitete, ging Ralph Schneider beschwingt zu dem Treffpunkt, den er mit seinen Freunden abgesprochen hatte. Dort erwartete ihn allerdings eine böse Überraschung.

Manne und Klaus waren nicht alleine gekommen, wie es bei ihnen üblich war. An Mannes Hals hing seine um einiges jüngere neue Freundin, und die beiden konnten offensichtlich nicht die Hände voneinander lassen.

Klaus hatte seine Frau und das Baby dabei, das sie vor einem halben Jahr bekommen hatten. Auch dieses Paar schmuste und koste, und keinen interessierte sonderlich, dass Ralph zu ihnen gestoßen war. Mit Bedauern dachte er an Regina. Unter diesen Umständen hätte sie ruhig auch mit ans Gate kommen können.

Er fühlte sich alleine gelassen und war irgendwie enttäuscht. Das war alles andere als ein guter Einstieg in einen zünftigen Männerurlaub. Was war nur mit seinen Freunden los? Mit einundvierzig Jahren musste man doch nicht plötzlich alles ändern, was zuvor heilig gewesen war! Frauen hatten am Gate nichts verloren!

„Jungs, wollen wir nicht allmählich einchecken?“, fragte er säuerlich, als das Schmusen nicht enden wollte, obwohl ihre Maschine bereits zum Boarding aufgerufen worden war.

„Ich rufe dich an, und du schickst mir jeden Tag Bilder von unserem Kleinen!“, hörte Ralph Klaus sagen und traute seinen Ohren kaum. Das war nicht derselbe Klaus, mit dem er noch von einem Jahr losgezogen war.

„Schatz, ich bin doch nur ein paar Tage weg und nicht aus der Welt!“, tröstete Manne seine Freundin, die mit den Tränen kämpfte, weil sie die endlose Trennung von gerade einmal fünf Tagen anscheinend nicht verkraften konnte.

„Ich vermisse dich jetzt schon!“, flötete sie.

„Ich dich auch“, antwortete Manne und nahm sie noch einmal in den Arm.

Ralph wurde die Sache langsam zu bunt. Jeder von ihnen war ein erfolgreicher Ingenieur und stellte im Berufsleben jemanden dar. Jeder von ihnen war ein ganzer Mann. Sie hatten sich einmal das Versprechen gegeben, sich nie von einer Frau gängeln zu lassen. Hatten seine Freunde das vergessen? Was passierte da gerade vor seinen ungläubigen Augen?

„Also ich geh jetzt! Ihr könnt ja nachkommen, oder am besten bleibt ihr gleich hier. Ich fliege auch ohne euch!“, drohte er gereizt.

„Werde doch nicht gleich so ungemütlich!“, schimpfte Klaus und gab das Baby an seine Frau zurück, die es ihm mit einem feindseligen Blick auf Ralph abnahm.

„Was heißt hier ungemütlich?“, knurrte Ralph. „Ich dachte, wir machen zusammen Urlaub!“

„Irene hat mich nicht gezähmt. So ein Unsinn, Ralph! Wirst du denn nie erwachsen? Wir sind keine Studenten mehr. Irene ist meine Frau, und wir haben einen wunderbaren Sohn zusammen, den ich über alles liebe. Das ist meine Familie, und ein Mann sollte eine Familie haben, finde ich“, rechtfertigte sich Klaus, als die drei Freunde nebeneinander in einer Dreierreihe in der Mitte des Flugzeugs Platz genommen hatten.

„Und was ist deine Entschuldigung für die Showeinlage eben?“, griff Ralph Manne an.

„Ich habe es nicht nötig, mich vor dir zu rechtfertigen, Ralph“, antwortete Manne gelassen. „Nina ist eine tolle Frau, und ich werde ihr nach dem Urlaub einen Antrag machen. Es ist schön mit ihr, und ich möchte, dass wir eine Familie gründen.“

„Familie! Familie! Familie! Was ist denn nur in euch gefahren? Geht ein Virus um?“, begehrte Ralph auf.

„Ralph, irgendwann kannst auch du nicht mehr davor weglaufen, dass wir längst keine jungen Männer mehr sind. In der Firma leite ich die Entwicklungsabteilung und kann im Grunde nicht mehr höhersteigen. Karriere zu machen war mein erster Antrieb, und jetzt, wo ich ganz oben angekommen bin, fühlt sich das ziemlich schal an. Was habe ich denn schon erreicht? Die anderen müssen nach meiner Pfeife tanzen, und hin und wieder ist mein Einfluss für einen Richtungswechsel in der Firmenstrategie entscheidend“, erklärte Manne seinem Freund.

„Bedeutet dir das denn jetzt gar nichts mehr?“, fragte Ralph ihn.

„Doch, das ist ganz nett, aber was ändert das an meinem Leben? Nichts! Ich möchte mehr als das. Ich möchte nach der Arbeit heimkommen und von meinen Kindern und meiner Frau erwartet werden. Das ist bedeutsam. So gebe ich etwas über mein Leben hinaus weiter. Ich möchte Kinder und eine Familie!“

Ralph schüttelte nur fassungslos den Kopf. Er verstand das alles nicht. Spaß haben und sich ausleben – das war immer ihr gemeinsames Motto gewesen. Eine Familie bedeutete Verantwortung und Langeweile. Auf der Hochzeit von Klaus hatte Manne noch mit ihm gespöttelt, und Klaus hatte betrunken unter Tränen gelobt, dass sich nichts ändern würde trotz seines Traurings.

Pustekuchen! Nichts war mehr, wie es einmal gewesen war. Seine Freunde waren dabei, Memmen zu werden und fade, angepasste Familienväter, die erst ihre Frauen fragen mussten, wenn sie abends noch schnell ein Bier trinken gehen wollten.

Das war nichts für Ralph. Regina war nett. Er hatte sie wirklich gern, aber es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, in ihr mehr zu sehen, als die Frau, die seine Wäsche wusch und ihn wie früher seine Mutter gut versorgte. Dafür war sie da, aber Ansprüche durfte sie keine an ihn stellen. Nein, auf so etwas ließ er sich nicht ein! Ihm war seine Freiheit wichtig.

„Auf Mallorca werdet ihr euch hoffentlich erinnern, was ein echter Mann ist!“, brummte Ralph beleidigt und schwieg für den Rest des Fluges gekränkt.

Aber die fünf Tage sollten seine Erwartungen nicht erfüllen. Klaus bekam ständig Bilder von seinem Kleinen geschickt und zeigte sie stolz herum. Sein Sohn schien das einzige Thema, das ihn interessierte, und er hatte Heimweh.

Manne war auch kein Trost, denn er war liebeskrank und litt Sehnsuchtsqualen. Immerzu redete er über seine Nina und das Glück, so eine Frau gefunden zu haben. Betrunken plante er auf immer aufwendigere Weise seinen Antrag. Die Angst, Nina könne ihn nicht annehmen, trieb ihn um.

„Sie wollte dich keine fünf Tage freigeben. Glaub mir, den Gefallen, deinen Antrag abzulehnen, tut sie dir nicht. Du wirst heiraten und hinterher bedauern, vorher nicht noch einmal gründlich nachgedacht zu haben!“, prophezeite Ralph ihm düster.

Zuerst schnaubte er innerlich vor Zorn über die Verwandlung seiner Freunde. Er hatte sich so auf diesen Urlaub gefreut! Irgendwann kam er dann aber ins Grübeln. Wenn sich die Zeit nun einmal nicht zurückdrehen ließ, dann musste man sich anpassen. Er sah kommen, dass seine Freunde im kommenden Jahr Ausreden finden würden, um nicht nach Mallorca fliegen zu müssen.

Gut, er hätte es vorgezogen, nichts an seinem Lebensstil zu ändern, aber alleine zurückzubleiben und von seinen Freunden belächelt zu werden, weil er im Gegensatz zu ihnen keine Familie hatte, das wollte er auch nicht. Man musste mit der Zeit gehen und am Ball bleiben, um nicht abgehängt zu werden. Das war immer sein Motto gewesen.

Unter Umständen hatten die beiden recht, und mit Anfang vierzig war der Spaß vorbei, und es musste ernst werden. Wenn Klaus und Manne bereit waren, die Verantwortung für eine Familie zu übernehmen, dann war er das auch!

Er sah nicht ein, hinter ihnen zurückzustehen. Oh nein! Regina wünschte sich seit Jahren einen Trauschein und Kinder. Das konnte sie nun haben!

***

„Wir kommen um Mitternacht an. Hole mich am Gate ab!“

Regina las verwundert die kurze Nachricht, die Ralph ihr geschickt hatte. Es geschahen noch Zeichen und Wunder. Sollte er sie etwa vermisst haben? Sie verzieh ihm den herrischen Ton nur zu gerne bei dem Gedanken, dass er es vielleicht nicht erwarten konnte, sie zu sehen.

Das Flugzeug kam mit einer Stunde Verspätung an, und bis die drei Freunde mit ihrem Gepäck herauskamen, war es nach zwei Uhr. Sie sahen übernächtigt und erledigt aus. Der Alkoholkonsum, dem sie in diesen fünf Tagen gefrönt hatten, ließ sich nicht leugnen.

So war es jedes Jahr, nur dass die Spuren immer deutlicher zu sehen waren. Sie wurden älter, und ihre Körper steckten die besonderen Anforderungen dieses Männerausflugs nicht mehr so leicht weg.

„Schatz! Ist das schön, dass du mich abholst!“ Ralph kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, zog sie an sich und schob ihr die Zunge in den Mund.

Regina war so verblüfft, dass sie kaum wusste, wie ihr geschah.

„Du bist einfach großartig!“, fuhr er fort und strahlte sie auf eine Weise an, die ihr fast Angst machte. War er betrunken? Es schien nicht so, aber mit dem Ralph, den sie zum Flughafen gefahren hatte, hatte er definitiv nichts mehr gemein.

„Kannst du Manne und Klaus heimfahren, Liebling? Irene wollte wegen des Kleinen nicht kommen. Es war ihr keinen Babysitter wert, ihren Göttergatten abzuholen. Und Mannes Nina braucht ihren Schönheitsschlaf. Die Jugend! Was habe ich doch für ein Glück, dich zu haben, Regina!“

Sie beobachtete, wie die Mienen seiner Freunde sich verdüsterten, und begriff enttäuscht, dass sie nur Teil einer Inszenierung war.

„Na kommt, ihr Urlauber! Ihr seht so aus, als ob ihr dringend ins Bett gehört!“, sagte sie und versuchte, sich von Ralph frei zu machen, der wie eine Klette an ihr hing und sie auf eine Weise berührte, die ihr in der Öffentlichkeit eher unangenehm war.

„Regina, das ist lieb von dir, aber wir können uns doch ein Taxi nehmen!“, widersprachen die Männer und ließen sich nicht dazu bewegen, sich fahren zu lassen.

„Und um was ging es da gerade?“, wollte Regina wissen, als Ralph und sie im Auto saßen und nach München hineinfuhren.

„Kleine Triumphe vergolden das Leben“, antwortete er zufrieden und grinste breit. „Klaus und Manne haben mir den ganzen Urlaub verdorben, weil sie immerzu nur über ihre Frauen geredet haben. Ich habe mich jedes Jahr auf Mallorca gefreut, aber noch einmal steige ich mit diesen Langweilern in kein Flugzeug mehr!“

„Und du hast mich als treudoofes Weibchen vorgeführt, das notfalls auch mitten in der Nacht kommt, um den Herzallerliebsten abzuholen. Danke!“, brummte sie verärgert.

„Du bist mitten in der Nacht gekommen, ohne zu klagen, als ich dich darum gebeten habe. Das würde kaum eine Frau tun, Regina. Du bist wirklich etwas Besonderes“, sagte er und meinte es in diesem Augenblick tatsächlich ernst.

„Hey, deine Zuhörer sind nicht mehr da. Du kannst wieder auf Normalton umschalten und brauchst mich nicht mehr mit Komplimenten zu überhäufen“, glaubte sie ihn bremsen zu müssen.

„Hey, ich bin einfach total froh, dass du bist, wie du bist. Regina, willst du mich heiraten? Wir wohnen schon so lange zusammen und kennen all unsere Ecken und Kanten. Ich denke, da gibt es kaum noch etwas zu befürchten – bei dir und mir. Willst du meine Frau werden?“

Sie waren fast bei ihrer Wohnung angekommen, und die Einfahrt in die Tiefgarage ihres Hauses lag vor ihnen. Regina bremste dennoch scharf ab und fuhr an den Rand. Machte er Scherze? Meinte er diesen Antrag tatsächlich ernst? Ihre Knie zitterten, so aufgeregt war sie.

„Ist das einer deiner Späße? Um diese Uhrzeit bin ich dafür nicht aufgelegt“, warnte sie, und ihr Herz pochte wie verrückt.

„Mit so etwas macht man keinen Spaß!“, beteuerte er. „Ich finde, wir sollten ernst machen, Kinder bekommen und eine Familie gründen. Andere bekommen das doch auch einigermaßen gut hin. Da werden wir es doch auch schaffen, parallel zumindest noch etwas Spaß zu haben. Willst du?“

„Und ob ich will!“, jubelte sie, schlang die Arme um seinen Hals und bedeckte sein Gesicht mit Küssen.

Regina war fünfunddreißig Jahre alt. Ihre biologische Uhr hatte längst zu ticken begonnen, und Kinder waren immer ihr größter Traum gewesen. Keine ihrer Freundinnen konnte verstehen, warum sie bei Ralph geblieben war.

„Der Typ nutzt dich doch nur aus und wird nie Nägel mit Köpfen machen. Wenn du eine Familie willst, dann musst du dir einen Mann suchen, der reif genug ist, Kinder großzuziehen. Ralph ist selber noch ein Kind und gehört zu dem Typ Mann, der nie erwachsen wird.“

Das hatte sie mehr als einmal zu hören bekommen, und doch war es ihr nicht gelungen, sich von Ralph zu trennen. Manchmal hatte sie sich gefragt, ob es tatsächlich Liebe war, die sie an ihn band. War es nicht vielmehr die Angst, keinen anderen Mann zu finden? Blieb sie bei ihm, weil sie fürchtete, ansonsten alleine zu bleiben?

Ganz hatte sie diesen Verdacht nie vom Tisch fegen können, wenn sie auch jedem ins Gesicht gesprungen wäre, der so etwas zu ihr gesagt hätte.

Ralph war kein bisschen romantisch und hatte ihr in den acht Jahren noch nie Blumen geschenkt oder etwas getan, um ihr eine Freude zu machen. Das war einfach nicht seine Art, dachte sie.

Zu ihren Geburtstagen bekam sie praktische Dinge für den Haushalt. Einen neuen Staubsauger, eine topmoderne Waschmaschine – das waren seine Geschenke. Sie ließ sich nie anmerken, wie enttäuscht sie war. Dieser gefühlskalte Pragmatismus gehörte irgendwie zu seinem Wesen – so erklärte sie es sich.

Regina verdiente genug, um sich selbst Haushaltsgeräte zu kaufen. Es hätte ihr auch keine Probleme bereitet, Ralph zur Hälfte zur Kasse zu bitten. Schließlich führte sie ihm den Haushalt. Über eine schöne Kette oder ein Parfüm – darüber hätte sie sich wirklich gefreut, aber das sagte sie ihm nicht. Er hätte es nicht verstanden, da war sie sich sicher.

Streng genommen war Ralph in allem eine Zumutung, was eine gute Partnerschaft ausmachte. Er war nicht verlässlich und hielt sich an keine Absprachen. Nicht einmal, wenn sie krank war, brachte er es fertig, für sie beide einkaufen zu gehen. Er holte sich dann an einem Imbissstand etwas für sich, bis sie wieder kochen konnte.

Regina war es gewohnt, sich um alles zu kümmern, was ihr Zusammenleben betraf. Einkaufen, Putzen, Kochen, Organisieren – er nahm ihr nie etwas ab und erwartete, dass alles reibungslos klappte. Lief einmal etwas nicht nach seinen Vorstellungen, bekam sie zu hören, dass sie schlecht organisiert sei. Lob hatte sie aus seinem Mund noch so gut wie keines bekommen.

Warum war sie acht Jahre bei ihm geblieben? Warum hatte sie all die Zeit auf ein Wunder gehofft, anstatt sich einen passenderen Partner zu suchen? Sie wusste es nicht, aber nun, wo dieses Wunder endlich Wahrheit wurde, war sie überzeugt, richtig gehandelt zu haben. Ralph war erwachsen geworden – endlich!

Er war endlich bereit, ein gemeinsames Leben zu beginnen und Verantwortung zu übernehmen! Nun konnte alles gut werden, und ihre Träume würden in Erfüllung gehen!

Regina war glücklich und hätte die ganze Welt umarmen mögen.

Als er dann auch noch ein Etui mit einem Verlobungsring aus seiner Jackentasche zog und ihr einen Ring an den Finger steckte, zweifelte sie nicht mehr an ihm. Sie war selig.

Ralph öffnete trotz der späten Stunde einen Wein, um mit ihr anzustoßen, als sein Handy klingelte. Es war Manne.

„Du hast ja so recht, Ralph, so recht!“, jammerte er weinerlich. „Weiber sind unberechenbar, und man darf sich nicht auf die einlassen. Nie! Sie will mich nicht! Nina will mich nicht! Kannst du dir das vorstellen?“

Bei all seinen Zweifeln hatte er insgeheim doch fest damit gerechnet, ein Jawort zu bekommen.

„Sie sagt, sie ist mit fünfundzwanzig Jahren zu jung, um sich schon derart zu binden, und ich sei ohnehin zu alt für sie. Warum ist sie dann überhaupt mit mir zusammen? Warum? Ich habe sie vor die Tür gesetzt. Es ist aus und vorbei! Mit mir nicht!“ Er redete sich in Rage.

„Das hast du gut gemacht!“, stimmte Ralph ihm zu.

„Ich weiß! Ha, mit mir spielt keine Frau! Was bildet die sich ein?“

„Genau! Manne, aber ich muss jetzt Schluss machen. Regina und ich haben etwas zu feiern“, ließ Ralph die Bombe platzen.

Er vergab nicht leicht, und Manne hatte ihm mit dieser elenden Nina den Urlaub verdorben. Rache musste sein.

„Regina und ich werden heiraten und eine Familie gründen. Du weißt doch, Manne, in unserem Alter da braucht ein Mann eine Familie! Man möchte doch etwas Bleibendes schaffen – Kinder, eine Frau. Keine Angst, du findest auch noch die Passende!“, tröstete er ihn und legte grinsend auf.

***

„Juju! Juju! Du findest uns nicht!“, rief die vierjährige Lisa fröhlich.

„Hältst du den Mund!“, flüsterte ihr siebenjähriger Bruder Josua gut vernehmlich empört. „Wenn du so rufst, dann hat sie uns doch gleich!“

Juju Holl stand ganz in der Nähe des Busches, hinter dem sich die Kinder versteckten, aber sie gab vor, nichts zu hören, und wandte den Kopf suchend nach allen Seiten.

„Lisa! Josua! Wo steckt ihr denn?“, rief sie.

„Sag ich nicht! Sag ich nicht!“, antwortete Lisa sofort und sprang dabei wie ein kleiner Derwisch auf und ab, sodass die Zweige des Busches sich heftig bewegten.

„Da seid ihr!“ Juju trat hinter den Busch.

„Mit Lisa verstecke ich mich nicht mehr!“, maulte Josua beleidigt und warf seiner kleinen Schwester vernichtende Blicke zu. „Die verrät uns doch jedes Mal.“

„Dann versteckst du dich von jetzt an allein, und Lisa sucht sich ein eigenes Versteck“, meinte Juju gelassen.

„Wenn sie mir aber ständig hinterherläuft!“, beschwerte sich der Junge.

„Tu ich nicht! Tu ich nicht!“, verteidigte sich die Kleine.

„Tust du wohl!“

„Nö! Tu ich nicht!“

„Und ob du es tust!“ Josua stemmte die Arme zornig in die Seiten.

Während die elfjährige Juju geschickt zwischen den Kindern vermittelte, saßen die Erwachsenen am Tisch auf der Terrasse der Holls und beobachteten den Vorfall amüsiert.

„Juju kann toll mit Kindern umgehen!“, lobte Tibor Stettenfels das Kind beeindruckt. „Bei mir würden sich die zwei Streithähne schon in den Haaren liegen. Das läuft immer gleich ab. Lisa weint los. Josua fühlt sich ungerecht behandelt und trotzt. Und das war es dann mit dem lieben Frieden. Ich kann mir etwas von eurer Jüngsten abschneiden.“

„Ich bin auch immer wieder erstaunt, wie gut sie das macht“, stimmte Julia Holl zu. „Eigentlich schade, dass sie keine jüngeren Geschwister hat. Sie wäre die perfekte große Schwester und würde mir den größten Teil der Arbeit mit Begeisterung abnehmen.“

Dr. Stefan Holl winkte schmunzelnd ab. Mit Ende vierzig war er froh, dass seine vier Kinder aus dem Gröbsten heraus waren. Julia und er hatten es geliebt, kleine Kinder zu haben, und hätten auch noch ein weiteres Kind genommen, aber die Zeit war vorbei. Nun freute er sich darauf, irgendwann wieder mehr Zeit mit seiner Frau alleine verbringen zu können.

„Bis zum nächsten Baby, das wir hüten, vergeht noch viel Zeit. Das wird nämlich unser Enkel sein. Vier Kinder reichen!“, erklärte er.

„Ruhe dich bloß nicht darauf aus! Mal sehen, wann du Opa wirst, mein Lieber“, neckte ihn seine Frau. „Dani und Marc sind zwanzig. Da kann es schnell gehen …“

„Sag doch nicht so etwas! Gott könnte mithören. Da kann man nie sicher sein. Unsere beiden Großen sollen erst einmal in Ruhe studieren und im Berufsleben ankommen, bevor sie eine Familie gründen!“ Abwehrend hob er die Hände, als ob ihm bereits eine himmlische Macht ein Baby auf den Schoß legen wollte.

Julia und Tibor lachten.

Die Zwillinge der Holls studierten mit Eifer und dachten zurzeit beide noch nicht daran, sich fest zu binden. Marc war immer einmal wieder schrecklich verliebt, aber er entliebte sich mindestens genauso schnell und konsequent wieder. Seine Zwillingsschwester Dani zog ihn gehörig damit auf.

In einer langen Familientradition stehend, hatte sich Marc Holl für ein Medizinstudium entschieden. Sein Großvater Dr. Walter Berling hatte die Berling-Klinik in München gegründet, die Dr. Stefan Holl inzwischen leitete.

Auch Julia Holl war Kinderärztin, hatte es aber vorgezogen, ihren Beruf nicht auszuüben und ganz für ihre Familie da zu sein. Ihre Tochter Dani interessierte sich mehr für die tieferen Hintergründe und Funktionsweisen des Lebens an sich und studierte Biologie.

Chris, der Mittlere, war fünfzehn und brachte mit seinen plötzlichen Stimmungsumbrüchen und all den Nöten und Ängsten eines Pubertierenden immer wieder einmal mehr Leben in die Familie, als schön war.

„Wie habe ich es eigentlich geschafft, euch über die Pubertät hinwegzubekommen, ohne euch aus dem Fenster zu werfen?“, konnte Julia Holl ihre beiden Großen fragen.

„Die reine Selbstbeherrschung, Mamachen!“, bekam sie dann zur Antwort und musste zustimmen. Leicht war es damals bei Dani und Marc auch nicht gewesen. Pubertät bedeutete wohl für jede Familie und bei jedem Kind wieder eine Zerreißprobe, die man nur mit viel Geduld und Humor meistern konnte.

„Wie klappt es inzwischen bei euch dreien?“, fragte Julia nach einem Blick hinüber zu den Kindern.

„Viel besser. Seit meine Eltern zu uns gezogen sind, haben Lisa und Josua wieder ein Zentrum, in dem sich ihr Leben abspielt – ein Zuhause. Nach Mareikes Tod …“ Er verstummte, und seine Augen wurden feucht.

Auch nach fast zwei Jahren fiel es ihm noch schwer, über seine verstorbene Frau zu sprechen.

„Entschuldigt!“, bat er verlegen.

„Dafür musst du dich ganz bestimmt nicht entschuldigen, Tibor!“, sagte Julia mit großer Wärme. Mareike und Tibor Stettenfels waren fast zwanzig Jahre zusammen gewesen und hatten sich innig geliebt.

„Die Kinder konnten nicht verstehen, warum die Mama nicht wiederkommt. Wir hätten zumindest Josua erklären sollen, wie krank Mareike war. Er hat gewartet, dass sie aus der Berling-Klinik heimkommt, und war wütend auf mich. Über ein Jahr bin ich kaum an den Jungen herangekommen. Jetzt ist es nicht mehr so schwer, aber ganz vertraut er mir wohl leider noch immer nicht. Zum Glück hat meine Mutter einen besonders tiefen Draht zu ihm.“

„Das ist bestimmt eine große Hilfe“, meinte Julia.

„Ja, meine Eltern sind großartig“, sagte Tibor voller Dankbarkeit. „Sooft es geht, hole ich Lisa um siebzehn Uhr im Kindergarten ab und fahre dann weiter an Josuas Schule. Es ist mir wichtig, die Abende mit den Kindern zu verbringen. Sie sollen wissen, dass ich da bin, und ich versuche, ihnen Vater und Mutter zu sein. Leicht ist es nicht“, räumte er ein.

„Das kann ich mir gut vorstellen“, sagte Julia.

„Ohne meine Eltern zu Hause und Regina König in der Agentur würde ich mich hoffnungslos verzetteln, und es würde hier und dort nicht viel funktionieren. Regina ist ein Segen. Ohne sie hätte ich die Agentur während Mareikes Krankheit und nach ihrem Tod kaum halten können“, schwärmte er von seiner langjährigen Angestellten.

„Gute Leute braucht man, sonst sieht man kein Land“, stimmte Dr. Stefan Holl ihm zu, der als Klinikleiter ständig auf der Suche nach außergewöhnlich guten Ärzten war, um den hohen Standard seines Ärzteteams dauerhaft zu halten.

„Da hast du recht!“, seufzte Tibor. „Wenn mir das nur früher klar gewesen wäre! Ich habe fast noch in der Agentur geschlafen, und heute werde ich wütend auf mich, wenn ich an all die Zeit denke, die ich mit Mareike verpasst habe, weil ich nur die Arbeit im Kopf hatte.“

Er schüttelte mehrmals frustriert den Kopf.

„Damals dachte ich, alles bricht zusammen, wenn ich mich nicht persönlich darum kümmere. Jetzt, wo es nicht anders geht, klappt alles wunderbar ohne mich. Regina sorgt dafür, dass alles weiterläuft“, erzählte er.

Er schien große Stücke auf seine Mitarbeiterin zu halten.

„In manchen Dingen ist sie sogar geschickter als ich, wenn es um bestimmte Mitarbeiter geht. Sie versteht es, die Leute zu Höchstleistungen anzutreiben. Sie ist nicht nur unglaublich kreativ und eine Bereicherung als Grafikerin, sondern gut in Menschenführung. Ich überlege, ob ich ihr nicht anbieten soll, in die Agentur als Teilhaberin einzusteigen.“

„Warum tust du es nicht?“, wollte Julia wissen.

„Du kennst mich doch. Große Veränderungen und wichtige Entscheidungen muss ich immer lange abwägen. Regina hat es auf jeden Fall verdient, und für mich wäre es eine Erleichterung, aber ich bin mir nicht sicher, ob es das ist, was sie möchte. In Verlegenheit soll sie mein Angebot nicht bringen.“

„Wie meinst du das?“

„Regina wünscht sich eine Familie und hat mir immer sehr deutlich gesagt, wo ihre Prioritäten liegen. Sie macht ihre Arbeit gerne und hat großes Talent, aber Karriere zu machen, das ist für sie zweitrangig. Ihr Freund ist ein Idiot und hält sie hin, aber irgendwann wird er sicher merken, was für eine Perle er da an seiner Seite hat.“

Julia sagte nichts, aber sie war heimlich ein wenig enttäuscht. Ihr fiel nicht zum ersten Mal auf, mit wie viel Respekt und Zuneigung Tibor von seiner Mitarbeiterin sprach. Bisher hatte sie gehofft, dass aus den beiden irgendwann ein Paar werden könnte, wenn Tibor seine Trauer überwunden hatte.

„Zögere es nicht zu lange hinaus, Tibor! Biete es ihr einfach an. Sie kann Nein sagen, aber selbst wenn sie das tut und lieber deine Stellvertreterin bleiben möchte, ist es eine Anerkennung, die ihr guttun wird“, riet Julia ihm.

Tibor nickte und nahm sich vor, Regina gleich in der kommenden Woche zu fragen.

***

Die Tage nach Ralphs wundersamer Wandlung verbrachte Regina auf Wolke Nummer sieben im reinsten rosaroten Liebesglück. Sie kochte Tag für Tag seine Lieblingsgerichte und hätte einfach alles für ihn getan. Er war ihr Prinz, ihr Held, und die Tatsache, dass sein Egoismus sie immer wieder in den Wahnsinn getrieben hatte, war vergeben und vergessen.

Ralph ließ sich mit Genuss verwöhnen und konnte dem Gedanken, bald ein verheirateter Mann zu sein, immer mehr abgewinnen. Hätte er geahnt, zu welchen Höchstleistungen Regina in jeder Beziehung fähig war, wenn sie die Hochzeitsglocken in der Ferne läuten hörte, dann wäre sie schon lange seine Verlobte gewesen.

Mitten in diesem Glückstaumel bat Tibor Stettenfels Regina zu sich in sein Büro. Sie schätzte ihren Chef sehr für seine Arbeit und als Mensch. Genau wie er auf sie hielt auch sie auf ihn große Stücke. Dennoch war ihr Umgang miteinander immer höflich distanziert geblieben. Sie hatten einfach in den Jahren den richtigen Moment verpasst, um zu einem freundschaftlicheren Ton zu wechseln.

Keiner von ihnen hätte sagen können, an was es genau lag. Regina duzte sich mit den meisten ihrer Kollegen, und auch Tibor fiel es für gewöhnlich leicht, zum Du zu wechseln, aber bei Regina hatte er es seltsamerweise nie geschafft. Er hatte nicht gewusst, wie er ihr das Du anbieten sollte, ohne dass sie ihn falsch verstand.

„Frau König, ich möchte mich noch einmal für Ihre hervorragende Arbeit der letzten drei Jahre bedanken. Ohne Sie als Stellvertreterin hätte ich nicht aus und ein gewusst“, setzte Tibor an.

„Das mache ich doch gerne! Kein Problem, Herr Stettenfels! Ich mag, was ich tue“, erwiderte sie leichthin. Es hatte ihr Spaß gemacht, ihn zu vertreten.

„Ich weiß, und genau aus diesem Grund sind Sie für diese Agentur unendlich wichtig. Ich möchte Ihnen eine Partnerschaft anbieten. Da Sie ohnehin leitende Tätigkeiten ausüben und einen guten Teil der Verantwortung tragen, finde ich es nur gerecht, wenn Sie denselben Gewinn davon haben wie ich. Was sagen Sie dazu?“ Fragend sah er sie an.

Regina konnte es nicht fassen. Was war nur gerade in ihrem Leben los? Bekam sie das große Traumerfüllungspaket wegen besonderer Leistungen? Erst Ralphs Antrag und nun das Angebot, als Teilhaberin in die Agentur einzusteigen – beides hatte sie sich lange gewünscht.

Fast wurde ihr ein wenig unbehaglich. Im Lateinunterricht hatte sie einmal gelernt, dass die antiken Menschen dem Glück der Götter misstrauten. Trafen zu viele glückliche Ereignisse zusammen, opferten sie demütig ihren Göttern, um zu verhindern, dass sie zum Ausgleich ein großes Unglück traf. Sie fürchteten den Neid der Götter.

„Sie müssen nicht sofort antworten. Nehmen Sie sich ruhig die Zeit, die Sie brauchen, aber ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mein Angebot in Betracht ziehen“, sagte Tibor unsicher, weil ihr Schweigen ihn irritierte.

Regina wollte schon ansetzen, um freudig Ja zu sagen, als ihr ein Gedanke kam, der sie innehalten ließ. Ralph und sie hatten beschlossen, dass sie nicht mehr verhüteten. Mit fünfunddreißig ging sie nicht davon aus, gleich und sofort schwanger zu werden, aber in den kommenden Monaten rechnete sie durchaus damit.

„Herr Stettenfels, ich freue mich sehr über Ihr Vertrauen und … Ich würde am liebsten Ihr Angebot sofort und ohne jedes Zögern annehmen, aber das wäre nicht fair Ihnen gegenüber. Mein Freund und ich wollen demnächst heiraten, und Kinder sind in Planung“, sagte sie ehrlich.

„Das freut mich für Sie! Allerdings habe ich gehofft, Sie planen, weiterhin berufstätig zu sein. Sie könnten sich einen Arbeitsplatz zu Hause einrichten und müssten nicht jeden Tag in die Agentur kommen. Wir könnten uns das untereinander aufteilen“, schlug er vor.

Erstaunt sah Regina ihn an. Sie war relativ sicher gewesen, dass er sein Angebot unter diesen Bedingungen zurückziehen würde.

„Können Sie sich das wirklich vorstellen?“, fragte sie ungläubig.

„Natürlich! Die Agentur ist längst genauso Ihre wie meine. Jeder von uns bringt eine besondere Note hinein, die für den Erfolg ausschlaggebend ist. Ich biete Ihnen das nicht aus Selbstlosigkeit an, sondern weil ich den weiteren Erfolg im Auge habe“, erklärte er offen.

Und das war in der Tat seine ehrliche Meinung.

„Und ich freue mich für Sie, wenn sich Ihr Kinderwunsch erfüllt“, fuhr er fort. „Lisa und Josua, meine zwei Pappnasen, sind mein kostbarstes Gut. Keine Ahnung, wie ich die letzten zwei Jahre überlebt hätte ohne die Kinder.“

Tibor war noch nie so persönlich geworden. Im Normalfall hielt er sein Privatleben aus der Agentur heraus.

„Lisa und Josua haben meinem Leben eine Aufgabe und Sinn gegeben, als alles andere verblasste und die Trauer mich schlucken wollte. Kinder sind großartig – anstrengend, nervig manchmal, aber großartig. Sie geben dem Leben seine Farben und seine Freuden.“

Reginas Augen wurden feucht bei seinen Worten, und sie nickte zustimmend. Tibor Stettenfels war einfach ein besonderer Mann.

„Überlegen Sie in aller Ruhe, ob Sie die Agentur gemeinsam mit mir leiten möchten!“, wiederholte er zum Abschluss sein Angebot.

„Das möchte ich sehr gerne!“, stimmte sie unter diesen Bedingungen von Herzen zu.

Sie schüttelten sich die Hände.

„Dann spreche ich mit meinem Anwalt und lasse ihn einen entsprechenden Vertrag aufsetzen. Wir stellen umgehend den Antrag, dass Sie als zweite Geschäftsführerin eingetragen werden. Es wird ein paar Wochen dauern, aber Probleme sollte es keine geben“, meinte er und freute sich.

„Wollen Sie denn nicht, dass ich mich mit einem bestimmten Betrag einkaufe? Meine Möglichkeiten sind begrenzt, aber …“

„Sie haben mir drei Jahre lang den Rücken freigehalten. Ohne Sie würde es die Agentur nicht mehr geben, und streckenweise haben Sie den Gewinn alleine erwirtschaftet und mich komplett ersetzt. Nein, Sie müssen sich nicht einkaufen, Frau König. Ich bin froh, dass Sie zugestimmt haben, und freue mich auf unsere weitere Zusammenarbeit“, unterbrach er sie, dann lächelte er etwas verlegen.

„Eine Angelegenheit sollten wir aber doch noch auf die Reihe bekommen, bevor wir Geschäftspartner werden.“ Noch einmal reichte er ihr die Hand.

„Tibor mein Name!“, sagte er und bot ihr endlich das Du an.

„Regina mein Name!“, nahm sie es lächelnd an.

Er stieß den Atem aus und lachte.

„Das war eine schwere Geburt. Eigentlich sollten wir darauf anstoßen. Hast du Lust auf ein Glas Sekt?“

„Sehr gerne!“

„Dann sagen wir es am besten gleich den anderen, damit sie erst gar keine wilden Spekulationen anstellen müssen“, meinte Tibor lachend.

Mit allen Mitarbeitern stießen Tibor und Regina auf die anstehende Veränderung an.

„Du hast das wirklich verdient! Viel Glück!“, wünschte ein älterer Kollege, ohne eine Spur von Neid.

Am Abend kam Regina freudig beschwingt nach Hause und kochte etwas ganz Besonderes zur Feier des Tages.

„Ralph, ich werde Teilhaberin in der Agentur und zweite Geschäftsführerin!“, empfing sie ihren Freund strahlend. Der Sekt war kalt gestellt, und sie wollte ihren Karrieresprung mit ihm feiern.

„Du wirst Geschäftsführerin, und ich hänge hinter Robert fest. Bevor er in Rente geht, werde ich nicht mehr höhersteigen und zweiter Mann in der Entwicklungsabteilung bleiben“, schimpfte er mürrisch, ohne sich auch nur im Geringsten mit ihr zu freuen.

„Wer weiß, vielleicht hört Robert früher auf zu arbeiten, oder du kannst dich doch noch dazu entschließen, in eine andere Firma zu wechseln“, tröstete Regina ihn, die sich ihre Freude nicht verderben lassen wollte.

„Klar doch! Weil das so einfach ist! Du hast leicht reden!“, griff er sie an. „Nicht jeder hat das Glück, dass der Boss die Frau verliert und er nichts auf die Reihe bekommt. Du konntest die Trauer ausnutzen, um nach oben zu klettern.“

Regina war sprachlos und sah ihn nur an. Mareike Stettenfels hatte die Agentur zusammen mit ihrem Mann aufgebaut und parallel zu ihren Kindern immer wieder Aufträge geleitet. Regina hatte sie gemocht, und ihre Krankheit und ihr Tod hatten sie sehr berührt. Was Ralph da sagte, war grob und gemein.

„Warum bist du gleich so?“, fragte sie verletzt. „Ich freue mich einfach und möchte, dass du …“

Auf dem Ohr war er taub.

„Toll, dann freue dich weiter! Ich habe keinen Hunger und muss noch einmal los!“ Ohne sich abhalten zu lassen, nahm er seinen Schlüssel und ging.

Regina wusste, dass er vermutlich zu Manne fuhr und etwas mit ihm trinken ging, um seine Frustration hinunterzuspülen. Das konnte spät werden, und sie musste nicht auf ihn warten.

Enttäuscht räumte sie das Essen in die Küche zurück. Alleine hatte sie auch keinen Hunger. Der Sekt blieb ungeöffnet. Die Feierstimmung war ihr vergangen.

Am anderen Tag tat Ralph, als ob nichts gewesen sei, und über ihren beruflichen Aufstieg verlor er keinen Ton. Regina fand seinen Neid und seine Missgunst traurig, aber auch sie sprach das Thema nicht mehr an. Ralph war eben, wie er war.

Ganz so rosarot konnte sie ihre gemeinsame Zukunft mit ihm nach diesem Vorfall nicht mehr sehen, aber sie schob den Gedanken resolut beiseite. Sie wollte eine Familie und Kinder. Ralph war nun einmal ihr Partner, und bald war er ihr Mann.

Sie schafften das zusammen, machte sie sich Mut. Jeder von ihnen hatte seine Schwächen, und wenn man einander nahm, wie man war, dann konnte das doch wunderbar klappen, oder? Die Zweifel, die tief in ihr nagten, ignorierte sie konsequent. Es war zu spät, um davonzulaufen und neu anzufangen – viel zu spät!

Regina wollte endlich Kinder und das Leben beginnen, von dem sie immer geträumt hatte. So kurz, bevor sie am Ziel dieser Träume angekommen war, hatten Zweifel nichts mehr verloren. Nein, sie schafften das und würden eine intakte, gute Familie sein – Ralph und sie!

***

Ein halbes Jahr verstrich, und Weihnachten stand bevor, ohne dass Regina schwanger geworden war. Allmählich wurde sie unruhig. Ralph und sie hatten sich auf einen Hochzeitstermin im kommenden Juli geeinigt, weil Regina gerne eine Hochzeit im Freien feiern wollte.

Die Planungen liefen bereits auf Hochtouren. Standesamt und Kirche waren bestimmt und organisiert. Regina war es gelungen, einen Festsaal in einem kleinen Lustschloss nahe bei München buchen zu können, der über eine Glasfront mit einem Barockgarten verbunden war.

Im Geiste sah sie ihre Gäste schon lustwandeln. Es würde der schönste Tag ihres Lebens werden, daran zweifelte sie keine Sekunde, denn alles würde perfekt sein. Dass sie dafür Stunde um Stunde investierte, steigerte nur ihre Vorfreude.

Ralph war ihr keine Hilfe, aber davon war sie auch nicht ausgegangen. Hin und wieder bat sie ihn, zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten zu wählen, und versuchte, ihn auf diese Weise zumindest am Menü zu beteiligen, aber letztendlich misslang selbst das.

„Mach du nur, Schatz! Es soll doch dein Tag werden!“, meinte er nur und winkte ab, ohne das geringste Interesse zu zeigen, als ob es ihn im Grunde nichts anginge.

„Unser Tag, Ralph, unser Hochzeitstag!“, stellte sie jedes Mal richtig und versuchte, nicht enttäuscht zu sein.

„Ich heirate dich – das ist es, was zählt, oder?“ Er war genervt.

Regina verbiss sich eine angemessene Antwort. Seiner Ansicht nach war er eindeutig der beste Fang weit und breit, und sie konnte sich glücklich schätzen, ihn zu bekommen. Das ließ sie ihm gerne durchgehen, aber dass er nie auf den Gedanken kam, auch sie könne ein Hauptgewinn für ihn sein, war auf Dauer frustrierend.

Ihm fehlte für Romantik und Liebe eben jeder Sinn. Zumindest ließ er sie machen und würde sich am Ende sicher auch freuen über das Ergebnis. Das war doch auch etwas, machte sie sich Mut, nicht aufzugeben.

Dennoch war es nur die halbe Freude, weil sie immerzu auf seine Gleichgültigkeit und sein Desinteresse stieß, wo sie selbst oft vor Begeisterung strahlte. Irgendwann gewöhnte sie es sich ab, ihn überhaupt noch einzubeziehen. Das war besser.

In der Agentur bei Tibor fand sie dafür umso mehr Gehör und hatte einen geduldigen Zuhörer. Sie waren in den verstrichenen Monaten Freunde geworden. Mehrmals am Tag saßen sie in seinem oder ihrem Büro für ein paar Minuten zusammen und besprachen wichtige Aufträge und laufende Kampagnen.

Zum Ausklang gewöhnten sie sich rasch an, noch etwas privat zu plaudern. Es tat ihnen gut, denn in gewisser Weise war jeder von ihnen einsam und stand allein im Leben.

Es war erstaunlich, wie gut Tibor verstand, was Regina wichtig war, und wie oft ihm dasselbe gefiel wie ihr. Der Tipp mit dem Schloss kam von ihm, und er hatte sie sogar zur ersten Besichtigung begleitet.

Der Verwalter hatte natürlich ihn für den Bräutigam gehalten und immer wieder ihn anstelle von Regina angesprochen. Keiner von ihnen hatte ihn korrigiert, und hinterher hatten sie herzhaft darüber gelacht.

„Du machst dich wunderbar als Bräutigam. Ich glaube, ich engagiere dich für den Rest der Vorbereitung als Double, damit ich glaubwürdiger bin und nicht ständig alleine auftauche. Bist du dabei?“, hatte Regina im Scherz gefragt.

Tibor hatte nur gelacht und an Mareike denken müssen. Zwei Jahre war sie nun schon tot, und er vermisste sie jeden Tag. Lisa und Josua sprachen allmählich weniger von der Mama. Nur abends vor dem Schlafengehen da wollten sie immer zum lieben Gott beten und die Mama im Himmel grüßen.

„Papa, die Mama passt auf uns alle auf von dort oben!“, hatte ihm sein Sohn erst vor ein paar Tagen fröhlich erklärt. „Da hat sie eine tolle Aussicht und sieht alles wie auf dem Fernsehturm.“

Josua hatte mit seiner Schulklasse einen Ausflug auf den Fernsehturm gemacht und war noch ganz erfüllt von dem Eindruck, auf alles hinuntersehen zu können. Für ihn stand seine Mama auf einem unvorstellbar hohen Gipfel und behütete ihn. Er fühlte sich geborgen.

Tibor wünschte, er hätte ähnlich empfinden können. An das Gefühl von Heimat und Geborgenheit, das er in Mareikes Nähe immer gehabt hatte, konnte er sich kaum noch erinnern.

„Entschuldige!“, sagte Regina, als ihr aufging, dass er seine Frau verloren hatte und wie unpassend ihr Scherz gewesen war.

„Nein! Nein! Ich gebe liebend gerne das Double. Bei uns war Mareike der Hochzeitsmuffel“, erzählte Tibor.

Bei der Erinnerung an seine eigenen Hochzeitsplanungen musste er unwillkürlich lächeln.

„Mareike konnte gar nichts damit anfangen, diesen bestimmten Tag besonders zu begehen, und hat mich nur ausgelacht. Es hat mich mehrere Monate Überredungskünste gekostet, um eine kirchliche Hochzeit herauszuschlagen. Die Tatsache, dass sie ein weißes Brautkleid tragen sollte, hätte fast zu einer vorehelichen Scheidung geführt.“

Ein Lächeln huschte nun auch über Reginas Gesicht.

„Weißt du, was sie gesagt hat? ‚Hast du einmal genau hingesehen, wie eingeschnürt sich die meisten Bräute zum Altar schleppen? Sie bekommen kaum Luft. Bei manchen Kleidern haben sie fast keinen Beinspielraum und trippeln wie kleine Mädchen. Das ist entwürdigend und kein gutes Vorzeichen für eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Ich begreife nicht, was dir daran gefällt!‘“

Auch wenn etwas Wahres daran war, freute Regina sich auf ihre Hochzeit in Weiß.

„Was sagt man auf so eine Bemerkung, ohne am Ende als Macho dazustehen? Ich hatte meine Müh und Not, das kann ich dir sagen. Am Ende trug sie ein weit schwingendes Kleid ohne Taille. Sie sah fantastisch aus – das tat sie immer. Für mich war unsere Hochzeit ein Traum, und Mareike hat mich noch Jahre danach damit aufgezogen, dass ich sentimental sei, aber gefallen hat es ihr auch – glaube ich.“

„Ich fürchte, so wird es mir auch gehen, aber immerhin bin ich damit nicht allein. Ralph würde es am besten gefallen, wenn wir einfach an einem Nachmittag früher Schluss machten und schnell zum Standesamt fahren. Alles, was darüber hinausgeht, findet er lächerlich und unnötig.“

Regina schüttelte den Kopf über so viel Ignoranz.

„Ich kann ihm einfach nicht klarmachen, dass es wenige dieser unvergleichlichen und unvergesslichen Tage im Leben eines Menschen gibt. Man muss sie zelebrieren, damit man sich daran erinnern kann, wenn nichts mehr übrig ist.“

Bei diesen Worten wurde Tibor traurig.

„Man kann sich nie vorstellen, dass alles einmal zu Ende geht. Ich dachte, Mareike und ich würden zusammen alt und grau werden. Wir haben uns öfter vorgestellt, wie wir wohl als Oma und Opa sein würden, und dann stand ich plötzlich an ihrem Grab und …“

Er brach ab und schob die düsteren Gedanken mit den Händen weg, aber in seinen Augen schimmerten Tränen.

„Regina, du stehst ganz am Anfang. Es wird eine gute, intensive und einfach wunderbare Zeit werden, und du wirst jede Sekunde auskosten – sogar die nicht so schönen. Es ist herrlich, mit jemandem gemeinsam durchs Leben zu gehen. Nichts daran ist einfacher, und das Leben wird nicht leichter, und doch fühlt es sich vollkommen anders an.“

„Du vermisst sie sehr.“

Er nickte mit einem traurigen Lächeln. Regina hatte seine Hand genommen und sie still gedrückt. Man konnte nie wissen, was im Leben kam, und es war immer nur der Augenblick, auf den es ankam. Ob die Zukunft, auf die man hoffte, eintreten würde, lag in den Sternen. Den Augenblick aber, den konnte einem nichts und niemand nehmen.

Sie ahnte nicht, wie oft sie noch an dieses Gespräch denken sollte. Wie ein düsteres Omen sollte sie Tibors Worte noch empfinden, das drohend über ihr hing.

***

Ein paar Tage vor Weihnachten fingen die Schmerzen an. Regina hatte gerade ihre Periode bekommen. Wie immer, wenn die Blutungen einsetzten und den Traum von der Schwangerschaft wieder um einen Monat hinauszögerten, war sie traurig und enttäuscht.

Über die relativ starken Schmerzen machte sie sich allerdings kaum Gedanken. Da sie als junges Mädchen jedes Mal solche Beschwerden gehabt hatte, bevor sich ihr Zyklus einspielte. Sie hielt es für eine Wiederholung und vollkommen normal. Mit Schmerztabletten ging sie weiter zur Arbeit, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

Nach fünf Tagen nahmen die Schmerzen aber zu, und auch die Blutung hörte nicht auf, sondern wurde noch stärker. Sie fühlte sich müde und erschlagen und hätte immerzu schlafen können. Das war anders, als sie es kannte. Sollte sie vielleicht lieber zu einem Arzt gehen vor den Feiertagen?

Ihr blieb nur der 22. Dezember, um zum Arzt zu gehen, aber sie wusste nicht, wann. Die Zeit reichte einfach nicht dafür. Regina hatte jede Menge Arbeit in der Agentur, denn Tibor und sie planten am 23. Dezember eine Feier für Angestellte und Kunden.

In Ralphs Firma wurde am 22. Dezember groß gefeiert, und es war ihm sehr wichtig, dass sie ihn begleitete. Robert Freier, sein Vorgesetzter in der Entwicklungsabteilung, hatte in der Tat angekündigt, Mitte des neuen Jahres in den Ruhestand zu gehen.

Ralph rechnete sich gute Chancen aus, zu seinem Nachfolger ernannt zu werden. Er wollte unbedingt einen durch und durch soliden Eindruck machen. Mit seiner Braut auf die Weihnachtsfeier zu kommen ließ ihn besser wirken, fand er. Einem Mann, der dabei war, eine Familie zu gründen, übertrug man leichter Verantwortung.

„Natürlich komme ich mit!“, versprach ihm Regina im Vorfeld, obwohl sie solche Anlässe ansonsten lieber mied. Sie wusste, wie wichtig ihm die Beförderung war.

Manne und Klaus hatten beide inzwischen führende Positionen inne, und es ärgerte ihn, an diesem Punkt nicht ebenbürtig mit ihnen zu sein.

Am Nachmittag des 22. Dezember bedauerte Regina ihre Zusage. Nicht einmal zwei Schmerztabletten machten ihre Unterleibsschmerzen einigermaßen erträglich. Ihr war leicht übel vor Schwäche und Müdigkeit. Die Blutungen wurden stärker. Irgendetwas konnte da nicht stimmen, das war ihr inzwischen klar.

„Ralph, mir ist gar nicht gut. Ich …“, begann sie, als er am Abend von der Arbeit kam, um sich für das Fest umzuziehen. Sie wollte ihn nicht enttäuschen, aber sie hatte Angst, den Abend nicht zu überstehen.

„Warum bist du noch nicht gerichtet? Wir müssen in einer knappen Stunde los. Das schaffst du doch nie in der Zeit! Du hast versprochen, mir den Rücken zu stärken! Du hast es versprochen!“, schimpfte er.

Auf die Idee, sie zu fragen, was denn genau mit ihr los war, kam er gar nicht.

„Immer sind nur deine Sachen wichtig! Und ich? Dabei geht es um meine Beförderung. Ist das nichts? Kannst du mir sagen, warum ich dir jeden Gefallen tun soll, wenn du keinen Finger für mich rührst?“

„Ralph, das ist nicht fair, ich …“

„Nicht fair? Du bist unfair, mich im Stich zu lassen!“, schnaubte er. „Du willst ein Vermögen für eine Hochzeit hinauswerfen. Idiotisch, aber ich halte den Mund und lass dich machen. Die ganze Heiraterei – das ist dein Ding. Du brauchst das. Gut, ich komme dir entgegen und mache den Zauber mit. Aber wenn ich einmal etwas von dir will, dann …“

„Ist doch schon gut! Ich komme mit!“, unterbrach sie ihn müde. Für so eine Auseinandersetzung fehlte ihr die Kraft. Irgendwie musste sie diesen Abend überstehen!

„Das will ich auch hoffen!“, knurrte er. „Beeil dich! Ich will nicht zu spät kommen!“

Eine gute Stunde später verließen sie zusammen das Haus. Regina hatte sich in Schale geworfen. Es war ihr gelungen, ihre ungesunde Blässe und die dunklen Schatten, die unter ihren Augen lagen, geschickt unsichtbar zu machen. Sie sah umwerfend aus, was keinem auf dem Fest entging.

„Herr Schneider, ich kann Ihnen nur zu Ihrer zukünftigen Frau gratulieren“, sagte einer seiner Chefs auf eine Weise, die Regina schrecklich fand, aber sie lächelte und tat alles, um für Ralph zu repräsentieren, wie er es sich wünschte.

Als sie die Schmerzen nicht mehr aushielt, nahm sie unauffällig eine dritte Tablette, deren Wirkung sie verstärkte, indem sie Sekt dazu trank. Gegen die Schmerzen half dieser höllische Cocktail in der Tat, aber sie hatte das Gefühl, nur noch über den Boden zu schweben.

Ihr Kopf fühlte sich eigentümlich leicht und leer an. Regina war die ganze Zeit nach Lachen zumute, aber sie beherrschte sich tapfer und lächelte. Die Münder ihrer Gesprächspartner erinnerten sie abwechselnd an Abgründe und quakende Frösche.

Ganz ruhig bleiben und gleichmäßig ein- und ausatmen! Das geht vorbei! Es geht vorbei!, dachte sie und kämpfte verzweifelt darum, die Kontrolle zu behalten.

Nach einer guten Stunde, in der sie mit zahllosen Menschen, die sie nicht kannte, nette Floskeln gewechselt hatte, spürte sie, wie ihre Beine unter ihr nachzugeben drohten. Sie hakte sich fest bei Ralph ein.

„Führe mich lieber zu einem Stuhl!“, raunte sie ihm zu.

An seiner Körperhaltung merkte sie, wie ungehalten er darüber war, dass sie Schwierigkeiten machte, aber immerhin diskutierte er nicht mit ihr, sondern brachte sie an einen der Tische. Das Büffet wurde in diesem Moment eröffnet, sodass es kaum auffiel.

Ralph brachte ihr eine Kleinigkeit, die sie nicht essen konnte. Regina stocherte alibihalber mit der Gabel darin herum und versuchte, ruhig zu atmen und durchzuhalten. Irgendwann verschwammen die Gesichter der anderen Gäste am Tisch ineinander. Sie konnte die Stimmen nicht mehr unterscheiden und hörte nur ein allgemeines Raunen.

„Frau König, geht es Ihnen nicht gut?“ Die Frau, die ihr gegenübersaß, bemerkte, dass etwas nicht stimmte, und beugte sich fürsorglich zu ihr hinüber.

Regina wollte ihr versichern, dass alles in bester Ordnung sei, aber sie brachte keinen Ton mehr über die Lippen. Ihre Zunge wog Tonnen und ließ sich nicht bewegen. Dann wurde es plötzlich schwarz um sie, und da sie ohnehin nichts dagegen tun konnte, ließ sie sich dankbar in eine tiefe Ohnmacht gleiten.

Polternd fiel sie vom Stuhl und schlug hart mit dem Kopf auf dem Boden auf, weil niemand sie rechtzeitig auffangen konnte.

„Regina!“ Ralph war der Vorfall unendlich peinlich. Am liebsten wäre er im Boden versunken. Wie konnte sie ihm das antun? „Regina!“

„Wir sollten einen Notarzt rufen!“, übernahm die fürsorgliche Frau die Führung. „Am besten bringen wir Ihre Freundin in den Sanitätsraum, bis der Arzt da ist!“

Ralph und ein Kollege trugen die ohnmächtige Regina aus dem Raum. Alle Gespräche waren verstummt, und alle Blicke folgten ihnen. Ralph war sicher, dass er nach diesem Auftritt seine Beförderung vergessen konnte. Regina hatte es ihm verdorben. Er kochte innerlich vor Wut und kam gar nicht darauf, sich Sorgen um sie zu machen.

Sie hatte eine unverwüstliche Gesundheit und würde sich schon wieder erholen. Ob seine Karriere sich von dieser öffentlichen Demütigung erholte, ließ sich dagegen schwer sagen.

***

Nachdem der Notarzt geklärt hatte, dass Regina sich bei dem Sturz nicht den Hals oder Rücken verletzt hatte, legte er ihr zur Sicherheit noch eine Halskrause an. Sie war mehrfach zu sich gekommen, bis er am Unfallort eintraf, sackte aber immer wieder in einen Dämmerzustand, in dem es ihr schwerfiel zu reagieren.

„Hat Ihre Frau zu viel Alkohol getrunken?“

„Sie ist nicht meine Frau, nur meine Begleiterin“, beeilte sich Ralph zu erklären, der vor Scham im Boden versinken wollte.

Ungeduldig sah der Notarzt ihn an. Die Symptome der Patientin waren widersprüchlich. Falls eine Alkoholvergiftung infrage kam, musste er das wissen.

„Das wäre mir aufgefallen. Es waren höchstens zwei Gläser Sekt, mehr nicht“, antwortete Ralph doch noch auf die Frage. „Aber Regina trinkt so gut wie nie Alkohol und verträgt nicht viel. Ob sie heute schon etwas gegessen hat, kann ich nicht sagen. Heute Abend hat sie definitiv nichts gegessen.“

„Hat sie über Beschwerden geklagt im Verlauf des Tages oder während der Feier?“

„Ich weiß es nicht.“ Ralph zuckte hilflos die Schultern. Weder Reginas Bemerkung, als er nach Hause gekommen war, noch ihre Bitte, sie zu halten und zu führen, damit sie nicht fiel, hatte er als Notsignale zur Kenntnis genommen.

„Vielleicht doch“, kam es nach kurzem Zögern. „Ich meine, es war nichts Ernstes, ein leichtes Unwohlsein, eine kleine Schwäche“, fügte er an.

Der Notarzt sagte nichts darauf. Die Angaben des Mannes schienen ihm wenig glaubwürdig.

„Mein Bauch!“, stöhnte da Regina, die dem Gespräch wie aus weiter Ferne zugehört hatte und kaum begriff, dass es dabei um sie ging. Sie war so schrecklich müde und wollte nur schlafen, aber ihr Überlebensinstinkt hielt sie wach. Sie krümmte sich zusammen und presste ihre Hände auf ihren Unterleib. „Es tut so weh!“

„Sind Sie schwanger?“, fragte der Arzt sofort alarmiert, um eine Fehlgeburt auszuschließen.

„Nein! Der Test war negativ, und ich blute seit … seit sieben Tagen. Gott, es tut so schrecklich weh!“, jammerte sie, und Tränen rannen über ihre Wangen.

„Haben Sie Schmerzmittel genommen?“

Sie versuchte zu nicken.

„Was? Wie viel?“

„Handtasche“, murmelte sie, dann sackte sie wieder weg.

In der Tasche fand der Notarzt eine angefangene Packung Schmerztabletten. Das war ein Mittel, das selbst Zwölfjährige nehmen durften. Es fehlten drei Tabletten.

„Ich lege Ihnen eine Infusion und gebe Ihnen gleich etwas gegen die Schmerzen. Es wird bald besser werden, aber wir müssen Sie sofort ins Krankenhaus bringen!“, sagte er sehr langsam und deutlich zu Regina, deren Augen zu leichten Schlitzen geöffnet waren.

Nachdem die Infusion gelegt war, hoben die Sanitäter sie auf die Liege und trugen sie zum Rettungswagen. Ralph folgte ihnen und fuhr mit zur Berling-Klinik. Alles andere wäre von seinen Vorgesetzten mit Sicherheit nicht gut aufgenommen worden, auch wenn er keinerlei Lust hatte, sich auch noch fürsorglich um Regina zu bemühen.

Noch immer war ihm der Ernst der Lage nicht klar, und er gab Regina für alles die Verantwortung. Warum hatte sie ihn zu der Feier begleitet, wenn es ihr so schlecht ging? Wie konnte sie ihn begleiten in ihrem Zustand? Sie hatte doch gewusst, wie wichtig dieser Abend für seine Zukunft war.

Er hätte ihr am liebsten noch im Rettungswagen die Meinung gesagt, aber da sie kaum wach war, schluckte er seinen Zorn mühsam hinunter. Der Notarzt begleitete den Transport und rief in der Berling-Klinik an.

„Patientin hat hohen Blutverlust. Verabreiche Salzlösung über Tropf.“

Bei der Übergabe an der Klinik gab er an, wie viel Flüssigkeit Regina bekommen hatte und welche Medikamente. Der Notarzt in der Klinik untersuchte die Patientin und bat Dr. Stefan Holl dazu, da es sich um ein gynäkologisches Problem handelte.

Nachdem sich Dr. Stefan Holl ein Bild verschafft hatte, war er sehr ernst. Die Patientin musste sofort in den OP. Die Blutung musste umgehend gestoppt werden, aber leider konnte es dabei zu Komplikationen kommen.

Durch die Flüssigkeitszufuhr war Regina wieder etwas wacher und aufmerksamer. Ihr entging nicht, dass die Miene des Arztes keine Entwarnung signalisierte.

„Frau König, wir bringen Sie gleich in den OP. Die Blutung muss gestoppt werden. Ich bin Dr. Holl und werde Sie operieren“, stellte er sich mit einem warmen, freundlichen Lächeln vor. „Wir haben einen lieben, gemeinsamen Bekannten.“

Er versuchte, ihr die Angst ein wenig zu nehmen, die er in ihren weit aufgerissenen Augen lesen konnte.

„Tibor Stettenfels. Tibor hat mir schon viel von Ihnen erzählt und welche Freude es für ihn ist, mit Ihnen zu arbeiten.“

Regina lächelte und fühlte sich in der Tat ein wenig besser.

„Was ist mit mir?“, fragte sie leise. „Die Monatsblutung wollte einfach nicht aufhören, und es tat so weh!“

„Das war keine normale Monatsblutung. Sie haben ein Gebärmuttermyom, das ist …“

„Krebs? Habe ich Krebs?“, unterbrach ihn Regina entsetzt, die mit dem Begriff Myom nichts anfangen konnte. Ihre Mutter war an Brustkrebs gestorben vor einigen Jahren, und die Angst, unter Umständen genetisch vorbelastet zu sein und selbst einmal an dieser Krankheit zu erkranken, stieg immer einmal wieder in ihr hoch.

„Nein! Ein Myom ist eine gutartige Geschwulst. In der Muskelschicht Ihres Uterus hat sich aus Muskelzellen und Bindegewebszellen eine gutartige Wucherung gebildet. Es drohen keine Metastasen. Sie haben keinen Krebs!“, beruhigte der Arzt sie.

Die meisten Patienten hatten Panik, sobald sie eine Krebsdiagnose befürchteten, und atmeten auf, sobald sie hörten, dass es sich um keinen bösartigen Tumor handelte. Regina König machte keine Ausnahme.

Die Tatsache, dass sie keinen Krebs hatte, machte ihre Erkrankung allerdings nicht harmlos und ungefährlich. Der Arzt musste sie auf eine mögliche Komplikation des anstehenden Eingriffs vorbereiten, die eine grundlegende Lebensveränderung nach sich ziehen konnte.

„Frau König, das Myom scheint schon sehr lange zu wachsen. Der Ultraschall zeigt, dass es ungewöhnlich groß ist und Ihren Uterus nahezu ganz ausfüllt. Genau werde ich das erst beurteilen können, wenn ich Sie operiere, aber eine Verwachsung mit beiden Uteruswänden scheint wahrscheinlich“, erläuterte er ihr in ruhigem Ton.

„Deshalb konnte ich nicht schwanger werden, oder? Wenn es erst draußen ist, dann klappt es. Ich hätte vorher zum Arzt gehen sollen, aber ich hatte keine Zeit“, reagierte Regina, ohne das Ausmaß der Gefahr zu erfassen.

Dr. Holl atmete innerlich durch. Es bestand also ein aktueller Kinderwunsch bei der Patientin. Das war nicht gut.

„Viele Myome verursachen keinerlei Beschwerden. Hatten Sie manchmal Schmerzen oder ungewöhnlich heftige Blutungen in den letzten Jahren?“, wollte er wissen.

„Manchmal, aber mein Zyklus war nie unkompliziert. Ich habe mir nichts dabei gedacht“, gestand Regina.

Der Arzt nickte verstehend. Da die Zeit drängte, musste er relativ direkt zum eigentlichen Thema kommen, so leid es ihm tat. Die Patientin hatte ein Recht, über die Risiken des Eingriffs informiert zu sein.

„Das Myom ist mit einem weiten Teil Ihrer Gebärmutterwand verwachsen. Ich werde versuchen, Ihre Gebärmutter zu retten, aber falls es erforderlich ist, muss ich leider eine Hysterektomie vornehmen und Ihre Gebärmutter entfernen“, teilte Dr. Holl ihr so sachlich wie möglich mit.

„Nein!“ Es war ein Aufschrei. „Nein, das erlaube ich Ihnen nicht! Ich möchte schwanger werden und … und … Nein!“ Regina war außer sich. „Ich verbiete es!“

„Ihr Leben könnte davon abhängen, dass ich zur Not …“

„Dann sterbe ich lieber!“, brach es aus ihr hervor. „Ich wollte immer Kinder und habe gewartet und gewartet, weil ich einen Vater dazu wollte, eine Familie. Und jetzt kann mein Traum wahr werden. Ich bin nicht bereit, ihn aufzugeben! Sie dürfen meine Gebärmutter nicht entfernen!“

„Ich werde tun, was in meiner Macht liegt, aber sollte ich Ihr Leben nur so retten können, habe ich keine Wahl. Wenn Sie sterben, kann sich keiner Ihrer Träume mehr erfüllen.“

Regina krallte ihre Hände um die Ränder der Liege und atmete, bis sich die Panik etwas legte. Das konnte nicht wahr sein! Ausgerechnet jetzt, wo ihr Glück zum Greifen nahe war, sollte ihr das passieren? Nein, sie wollte und konnte es nicht glauben.

„Ich wünsche mir nichts so sehr wie Kinder. Bitte, retten Sie mich, ohne mir die Gebärmutter zu nehmen! Mein Freund und ich heiraten im Juli, und das Kinderzimmer ist in Planung und … Bitte!“

Dr. Holl nahm ihre Hand, die sie ihm flehend entgegenstreckte, und hielt sie einen Moment.

„Wir bringen Sie jetzt nach oben, Frau König. Vertrauen Sie mir! Ich tue alles medizinisch Mögliche, um die Blutung zu stillen und das Myom zu entfernen, ohne eine Hysterektomie vorzunehmen“, versprach er.

„Danke!“ Regina spürte, dass sie in guten Händen war, aber dann fiel ihr Ralph ein, der vor der Tür wartete. Sie war froh, dass er während dieses Gespräches nicht anwesend gewesen war.

Früher hatte nur sie sich Kinder gewünscht, aber inzwischen war sein Wunsch nicht kleiner als ihrer. Sie hatte keine Ahnung, wie er sich verhalten würde, falls das Schlimmste geschah. Wie wenig sie ihm vertraute, machte sie traurig, aber er gab ihr wenig Grund, sich auf seine Loyalität und Liebe zu verlassen.

„Sagen Sie meinem Lebensgefährten bitte nicht, was auf dem Spiel steht!“, bat sie leise. „Falls … Ich möchte es ihm selbst sagen, falls …“ Sie konnte es nicht aussprechen.

„Selbstverständlich nicht, wenn Sie das wünschen!“, versicherte ihr Dr. Holl.

Die Müdigkeit kam mit Macht zurück, und Regina kämpfte nicht mehr dagegen an. Sie bekam kaum mit, wie sie nach oben gefahren wurde zur Chirurgischen Abteilung. Ralphs Gesicht tauchte kurz in ihrem Blickfeld auf, und sein Mund öffnete und schloss sich, aber sie verstand nicht, was er sagte. Es war ihr auch eigentümlich unwichtig.