Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Menschenjagd! Die Männer des Landbarons Richard Olson Kwont I. sind hinter Owen Richter her. Richter hatte die Tochter des mächtigen Mannes geküsst, dabei wurde er überrascht und musste Fersengeld geben. In der Wildnis des Planeten Krell stellen sie ihn, und der Feuertanz beginnt. Doch während um ihn herum die Geschosse explodieren, zögert Owen Richter. Will er wirklich aus sicherer Deckung heraus auf die Männer schießen – und so zum Mörder werden? Und waren es wirklich ein paar Küsse, die den unverzeihlichen Zorn Kwonts I. auf sich zogen? Richter überlegt … und dabei zögert er zu lange …
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 155
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Logan Kenison
DIE FEUER VON KRELL
Spacewestern.
Das Buch
Die Männer des Landbarons Richard Olson Kwont I. sind hinter Owen Richter her. Richter hatte die Tochter des mächtigen Mannes geküsst, dabei wurde er überrascht und musste Fersengeld geben. In der Wildnis des Planeten Krell stellen sie ihn, und der Feuertanz beginnt. Doch während um ihn herum die Geschosse explodieren, zögert Owen Richter. Will er wirklich aus sicherer Deckung heraus auf die Männer schießen – und so zum Mörder werden? Und waren es wirklich ein paar Küsse, die den unverzeihlichen Zorn Kwonts I. auf sich zogen? Richter überlegt … und dabei zögert er zu lange …
Der Autor
Logan Kenison ist Autor von Western-, Abenteuer- und Spaceromanen. Neben seinen Western, die er mit Leidenschaft verfasst, schreibt er seit 2018 die Reihe Spacewestern.
Inhalt
Impressum
Die Feuer von Krell
Weitere Titel von Logan Kenison
Impressum
03/2018
Copyright dieser Ausgabe: 10/2021
by Logan Kenison
Lektorat: Carola Lee-Altrichter
Abdruck auch auszugsweise
nur mit Genehmigung des Autors.
Cover: »Lone Survivor« mit freundlicher Genehmigung von Markkus3D
https://www.deviantart.com/markkus3d
Logan Kenison
DIE FEUER VON KRELL
Am Abend hatten sie ihn eingekreist.
Nachdem Owen Richter ihnen die halbe Nacht und einen ganzen Tag immer wieder in der Wildnis entkommen war, hatten sie schließlich doch noch einen entscheidenden Vorteil erlangt. Sein Reittier, ein erfahrenes Quill, war am Ende seiner Kräfte, und er wusste es. Ja, er wusste, wann er verloren hatte.
Er glitt aus dem abgewetzten Ledersattel, ließ die hustende und spuckende Reitechse zurück und lief auf eine nahegelegene zerklüftete Anhöhe brauner Felsblöcke hinauf. Sie war gut zu verteidigen, jedoch leider auch unübersichtlich genug, um seinen Verfolgern zu ermöglichen, ihn aus mehreren Richtungen zu Beschleichen. Es würde hart werden.
Richter prüfte in aller Ruhe die Ladungen seiner Waffen. Beide waren bis zum Maximum gefüllt. Er legte das rotglänzende F-3000 neben sich und steckte die metallic-blaue ZAP-9 zurück ins Holster. In seinen Augen glomm ein grimmiges Feuer, ein fester Entschluss. Er würde es ihnen nicht leicht machen. Wenn sie seine Haut wollten, mussten sie den Preis dafür bezahlen. Und der würde teuer werden.
Zu teuer, hoffte er.
Doch nachdem sie ihn so lange und akribisch verfolgt hatten, glaubte er nicht daran, dass sie sich von ihm zurückschlagen ließen – selbst dann nicht, wenn er einige von ihnen erledigte.
Er spähte ins Tal hinab, und da sah er sie kommen. Achtzehn Rover wirbelten gewaltige Staubwolken auf, die hoch in den rostig-roten Himmel hinaufstiegen. Dazwischen zahlreiche Quills mit Männern auf ihren Rücken, sie alle schwerbewaffnet. Richter hatte nicht die Muße, sie zu zählen, doch er schätzte, dass sich dort unten an die zweihundert Mann versammelt hatten, um ihn zur Strecke zu bringen.
Teufel, wie hatte es so weit kommen können?
Das alles nur, weil er Krystall Kwont, der Tochter dieses Landbarons, schöne Augen gemacht hatte? Weil er Krystall beim Ernteball ins Feld hinaus entführt hatte?
Teufel, außer ein paar Küssen hatte es dort nichts gegeben, sie hatte es doch auch gewollt! Und schließlich war sie erwachsen.
Also, was soll’s?
Aber anscheinend sah ihr Vater das völlig anders. Er verfügte über diese Männer, und sie taten, was er ihnen befahl. Natürlich wäre er niemals so reich und mächtig geworden, wenn er eine zimperliche Ader besessen hätte. Richard Olson Kwont I. hatte auf diesem Planeten, auf diesem Kontinent, sein Imperium errichtet. Er hatte das Land den Einheimischen abgetrotzt und sie seine Faust spüren lassen. Er beutete die Bodenschätze aus, und seine gewaltigen Wildtierherden dehnten sich bis zum Horizont über die Landmasse aus. Schon seit vielen Jahren arbeiteten viele der Ureinwohner für ihn – ohne Bezahlung; sie hatten sich mit dem Los der Sklaverei abgefunden. Wenn sie nicht spurten, bekamen sie die Peitsche zu spüren, und Richard Olson Kwont I. sparte weiß Gott nicht damit. Doch wenn sie gehorchten, hatten sie wenigstens täglich einen Napf warmen Essens, Bedeckung und ein Dach über dem Kopf.
Richter spähte über die Kimme seiner F-3000 in die Senke hinab. Einen der Männer hatte er genau im Visier. Wie leicht könnte er jetzt das Feuer eröffnen. Doch dann wäre er ein Mörder. Dann hatten diese Männer mehr als genügend Grund, ihn zu jagen – und zu erledigen.
Er senkte die Mündung um ein paar Millimeter und drückte den Abzug.
Ein gleißender Strahl zischte hinab, genau vor die Füße des ersten Mannes, der die Anhöhe heraufstürmte.
Der schrie wild auf, wirbelte mit den Armen und warf sich hinter einen Felsblock.
Die anderen Männer taten dasselbe. Hastig und schreiend suchte ein jeder nach einer Deckungsmöglichkeit. Richter lachte in sich hinein, als sie auseinanderstoben. Wie die Hasen, dachte er. Doch gleich darauf holte ihn der Ernst der Lage wieder ein.
Sie eröffneten das Feuer.
Es zischte und surrte um ihn herum, und gleißende Farbbögen blendeten ihn. Das Gestein begann zu schmelzen. Hitze stieg Richter ins Gesicht.
Er zog den Kopf ein und hoffte, dass keiner der Strahlen ihn traf.
Er verlegte seinen Standpunkt etwas nach links und schoss aus einer unerwarteten Position, doch nicht auf die Männer, sondern auf einen der mit geöffneten Türen dastehenden Rover, den sie achtlos hatten stehen lassen. Es gab eine grelle gelbrote Explosion, als das Gefährt in die Luft flog, und dichter schwarzer Qualm hüllte für Sekunden alles in eine dunkle Faust. Dann wallte die Wolke nach oben und brennendes Metall wurde sichtbar.
Die Angreifer hatten erneut aufgeschrien und entsetzt die Explosion angestarrt. Jetzt antworteten sie mit wütendem Gegenfeuer.
Richter war erneut gezwungen, in Deckung zu gehen. Wieder verlegte er seinen Standort, wich verflüssigtem heißem Gestein aus und warf sich hinter einen hohen grauen Felsblock. Doch bevor er erneut Feuern konnte, sah er mehrere Männer von rechts über den zackigen Felsrücken klettern. Jeder hatte ein Strahlengewehr in der Hand, und sie wollten ihn offensichtlich in die Zange nehmen, denn von links stiegen bereits ebenfalls Männer herauf.
Exakt dieselbe Taktik, die Richter angewandt hätte.
Er fluchte.
Bislang hatte es noch keine Toten und Verletzte gegeben. Doch das würde sich nun wohl ändern.
Er hatte nichts gegen diese Leute. Warum sollte er auch? Sie waren es, die ihn jagten. Und nun musste er um sein Leben kämpfen. Er fluchte, denn er wusste, was es bedeutete, wenn er seine Chancen voll nutzte.
Plötzlich waren sie da. Er hatte sie nicht kommen sehen. Eine Gruppe von Männern hatte irgendeinen Schleichweg benutzt, um in seinen Rücken zu gelangen. In dem wilden Durcheinander war ihm das entgangen.
Er bemerkte sie, als ein Schatten auf ihn fiel, und er wirbelte herum. Gerade wollte er abdrücken, da traf ihn der Schaft des Strahlengewehrs genau an die Schläfe.
Richter sackte halb besinnungslos auf den heißen Felsboden.
Lichtpunkte wirbelten vor seinen Augen, und er war zu keiner Reaktion fähig, doch seltsamerweise bekam er wie durch einen diffusen Nebel alles mit, was um ihn herum geschah. Er spürte, wie ihm jemand die F-3000 aus der erschlafften Hand riss. Ein anderer zog ihm die ZAP-9 aus dem Holster. Kräftige Hände packten ihn bei den Oberarmen, rissen ihn hoch und schleiften ihn zur Senke hinab. Sie fesselten seine Arme auf den Rücken und warfen ihn auf die gerippte Ladefläche eines der Rover, neben Treibstoffkanistern, Drahtseilen und alten abgewetzten Sturmplanen.
»An dem wird der Alte seine helle Freude haben«, drang eine raue Stimme an Richters Ohren.
»Ganz recht, das gibt ’ne dicke Prämie«, sagte ein anderer.
»Mindestens zwei Tausender für jeden von uns.«
»Hätte nicht gedacht, dass der Typ so leicht zu bekommen ist«, sagte ein Dritter. »Er sieht ziemlich hart aus und hat uns in der Wüste einige Mühe gemacht. Aber wahrscheinlich ist er einer dieser Schlaffies, die bloß stark sind, wenn sie sich an Weiber ranmachen.«
»Soll mit der Tochter des Alten im Bett gewesen sein.«
Richter stöhnte auf. Er wollte die Sache richtigstellen, wollte sagen, dass es nichts weiter als ein paar Küsse gegeben hatte, aber er brachte kein verständliches Wort heraus.
»Halt’s Maul, Mistkerl!«, fauchte einer der Männer und schlug ihn in die Rippen. »Sieh, was du angerichtet hast. Der Rover ist Schrott. Das wird der Alte uns vom Gehalt abziehen.«
Einige Männer lachten. Anscheinend ein Witz, aber Richter verstand die Pointe nicht. Er versuchte, auf der Ladefläche in eine einigermaßen bequeme Position zu kommen. Sein Schädel schmerzte, und das rote Licht der untergehenden Sonne blendete ihn unangenehm in die Augen.
Die Männer sprangen auf ihre Sitze, und die Engine startete summend. Sekunden später setzte der Rover sich rumpelnd in Bewegung.
»Wirst du auch gut durchgeschüttelt?«, fragte einer.
Gelächter.
Richter hatte nicht damit gerechnet, die Konfrontation mit diesen Männern zu überleben. Gab es doch noch eine Chance? Anscheinend hatten sie vor, ihn zu ihrem Brotherrn, dem Landbaron Kwont I., zu bringen. Was für ein Interesse hatte der Großgrundbesitzer an ihm? Überhaupt wusste Richter nicht, warum die Männer ihn so vehement durch die Wildnis gejagt hatten. Krystall musste ihrem Vater doch gesagt haben, dass nichts als ein bisschen Knutscherei gelaufen war.
Hatte der Alte ihr nicht geglaubt? Fühlte er sich zum Verteidiger der heiligen Unschuld seiner Tochter berufen?
Zum Teufel damit, jedenfalls hatte Richter sich jede Menge Ärger eingehandelt, als er sich an die schöne Krystall herangemacht hatte.
Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Das blonde Mädchen in dem glänzenden rosa Samtkleid war ihm gleich aufgefallen. Es war, als umgebe sie eine Aura hellen Lichts, die alle anderen Mädchen auf dem Ball mausgrau und unscheinbar erscheinen ließ.
Richter war neu auf dem Planeten gewesen, es war sein zweiter Tag, und er hatte sich nach einer langen Reise durch den Weltraum ein bisschen amüsieren wollen. Als der kleine Ritchie, ein Freund Krystalls, plötzlich auf dem Feld angeflitzt kam und ihnen zuschrie, dass der Alte fuchsteufelswild sei und seine Männer auf ihn, Richter, gehetzt hatte und sie bereits überall nach ihm suchten, hatte er erst bleiben wollen, um die Angelegenheit verbal zu klären. Doch Krystall hatte ihn angeschrien und gedrängt zu fliehen. Hysterisch malte sie ihm in allen Farben des roten, blauen und schwarzen Blutes aller Spezies von Krell aus, was ihr Vater in der Vergangenheit mit Männern angestellt hatte, und so hatte Richter sich breitschlagen lassen, das nächstbeste Quill zu besteigen und in die Wüste zu reiten.
Was ein Fehler gewesen war.
Er hätte wissen müssen, dass er diese Männer, die sich in der Gegend hervorragend auskannten, nicht würde abhängen können. Doch hinterher ist man immer klüger, und jetzt wusste Richter, dass er nie eine Chance gehabt hatte. Eine Erkenntnis, die ihm allerdings nichts mehr nützte.
Aus dem Fahrerhaus hörte er plötzlich wilde Flüche und ein kollektives Aufstöhnen. Als er den Kopf nach vorn streckte, um nachzusehen, was los war, entdeckte er eine schwarze Wolkenwand, die den Horizont von Westen her zu verdunkeln begann.
»Da kommt Freude auf«, hörte er einen der Männer sagen.
»Und wir genau mittendrin«, sagte ein anderer.
»Gib’ Stoff, Yak, vielleicht kommen wir durch, bevor’s richtig losgeht.«
»Das kannst du dir abschminken. Schaffen wir nicht.«
»Er ist bereits hier!«
Richter spürte, wie heftiger Wind einsetzte und an seiner Kleidung zerrte. Sandkörner stachen wie kleine Nadeln auf die freien Stellen seiner Haut. Er versuchte, den Kopf unter die Plane zu bekommen, packte das Ende mit den Zähnen und zog daran. Doch das Teil war zu schwer; er schaffte nicht, ein Stück davon hervorzuziehen, unter das er sich hätte schieben können.
Ruckartig stoppte der Rover und Türen flogen auf. Die Männer sprangen heraus, wurden nun ebenfalls von den Sandnadelstichen getroffen und begannen lästerlich zu fluchen. Sie rannten in wilder Hektik um den Rover, zerrten die Plane hervor und bauten eine Art Abdeckung über ihr Gefährt, während der Sand immer stärker auf sie niederprasselte.
Plötzlich wurde es stockfinster. Der Sandregen schlug gegen die Plane, die die Männer in Windeseile am Boden festzukeilen versuchten. Immer wieder riss sich ein Ende los, und eine Wolke aus Staub und Sand schlug herein.
»Der Hering ist stumpf und verbogen; gleich bricht er ab«, jammerte ein Mann, »und der Boden ist hier hart wie Stein.«
Ein anderer eilte herbei und half ihm. Gemeinsam versuchten sie es an mehreren Stellen, und endlich schafften sie es, die Plane am Boden festzuspannen.
Nun legte der Sturm erst richtig los. Mit doppelter Wucht stürmten die Sandkörner gegen die Plane an, unter der der Rover und die Männer Schutz fanden. Es war, als schaufelte jemand gewaltige Massen von Sand gegen das Behelfszelt, das nur mit Mühe dem Ansturm standhielt. Ein Heulen lag in der Luft, das an eine kaputte Sirene erinnerte, die Nebenluft zog.
Richter dröhnten die Ohren von dem Getöse, das gar nicht mehr abflauen wollte; im Gegenteil, es verstärkte seine Wucht und Gewalt sogar noch, als ob es sich zum Ziel gesetzt hätte, das Zelt, die Männer, und den Rover von der Planetenoberfläche wegzufegen.
Richter bemerkte, wie die Männer sich fluchend gegen die Enden der Plane stemmten, um sie am Boden zu halten. Immer wieder drangen Sandpartikel herein. Sie husteten und kämpften um Atemluft. Es wurde immer stickiger im Zelt.
Dann, als sie schon glaubten, dass es nicht mehr schlimmer werden könnte, erhöhte der Sturm seinen Druck. Es war, als würden Tonnen von Sand aus Baggerschaufeln auf sie niedergeworfen. Das Gewicht auf der Zeltplane wurde immer drückender. Schweiß brach den Männern aus allen Poren und sie rangen nach Atem.
Nach minutenlangem bangem Warten endlich – Stille.
Richter hörte die Männer aufatmen. Es war, als fiele eine große Last von ihnen allen.
Sie rissen nun Schaufeln aus Arretierungen und begannen, sich einen Weg aus dem Sandhügel zu graben, der sich über ihnen gebildet hatte. Bald darauf sahen sie wieder Tageslicht – das letzte Licht des Abends, die untergehende Sonne.
Der Sturm war mit einer brutalen Wucht über sie hergefallen wie ein Überfallkommando, und genauso rasch wieder weitergezogen. Doch anschließend mussten sie über eine Stunde graben, um den Rover wieder freizubekommen.
Als sie Richter wieder auf die Ladefläche hievten – diesmal auf eine über und über mit Sand bedeckte Ladefläche –, sah er in etwa einem halbem Kilometer Entfernung einen zweiten Rover, der inzwischen von seiner Besatzung freigeschaufelt worden war. Wo die anderen Fahrzeuge, die ihn gejagt hatten, geblieben waren, konnte Richter nicht sagen. Ebenso wenig die Männer, die auf den Quills in die Wildnis geritten waren. Von ihnen fehlte jede Spur.
Die Nacht war bereits angebrochen, als der Rover endlich wieder Fahrt aufnahm. Die Männer schienen froh zu sein, den Sandsturm heil überstanden zu haben. Irgendwoher nahmen sie Bierflaschen, stießen an und tranken. Bald war das Führerhaus mit Gelächter und derben Witzen gefüllt.
Richter überlegte fieberhaft, was er tun konnte. Die Fesseln, die ihm die Hände auf den Rücken schnürten – das musste er zugeben –, waren ziemlich gut gesetzt. Er kam nicht frei.
Sich einfach vom Rover fallen zu lassen war gewiss keine gute Idee. Allein und gefesselt in der Wüste … da rechnete er sich keine großen Chancen aus.
Geraume Zeit später fuhren zwei Rover hinter ihnen, deren gelbes Scheinwerferlicht immer wieder Richter traf. Nun hatte er gar keine Optionen mehr. Eine Flucht würde sofort bemerkt werden.
Die Fahrt dauerte über zwei Stunden, und Richter wurde dabei kräftig durchgeschüttelt. Er fluchte still in sich hinein, wenn der Rover über einen Stein oder ein Schlagloch fuhr, was häufig geschah.
Endlich erreichten sie eine befestigte Straße mit Bäumen und Buschwerk und vereinzelten Gräsern am Straßenrand, und die Männer im Fahrerhaus johlten. Das Bier hatte ihre Stimmung merklich gehoben und wahrscheinlich überlegten sie bereits, wofür sie die Prämie, die sie vom »Alten« bekamen, ausgeben würden.
Nach einiger Zeit fuhren sie in den Hof eines großen Anwesens ein. Direkt voraus gewahrte Richter ein palastartiges Gebäude aus weißen Steinquadern, mit Säulen und kunstvoll gestalteten Statuen: Der Landsitz von Richard Olson Kwont I.
Dieser Mann residiert hier wie ein König, dachte Richter nicht zum ersten Mal. Mit eigenem Hofstaat und Palast und eigener Gerichtsbarkeit. Niemand auf dem feudalherrschaftlich regierten Krell machte ihm seine Position streitig, denn er war eine unübersehbare und vielleicht unbezwingbare Macht. Dass er an die zweihundert Männer aufbieten konnte, nur um Richter jagen zu lassen, zeigte, wie umfassend seine Herrschaft war.
Teufel, warum musste er gerade an die Tochter eine solchen Mannes geraten?
Er spuckte aus – noch immer hatte er Sand zwischen den Zähnen, und auch in den Haaren und unter der Kleidung – und wartete. Sie erreichten das palastartige Gebäude mit vielen Stufen, die zu einem zweiflügligen geschmiedeten Tor hinaufführten, dessen Flügel weit offenstanden. Der Rover hielt an und die Männer rissen ihn von der Ladefläche.
Tumult entstand. Laute Stimmen. Am oberen Treppenabsatz sammelten sich immer mehr Menschen: Männer und Frauen, die mit Kwont I. verwandt waren und dort lebten, oder als Bedienstete in dem Palast arbeiteten.
Richter fühlte sich keinesfalls geehrt durch dieses Maß der Aufmerksamkeit; er hätte es gern etwas dezenter gehabt.
Jemand boxte ihm in die Nieren und schubste ihn die ersten fünf Stufen hinauf, dann musste er selbst gehen, denn sie zwangen ihn immer weiter vorwärts.
Die Bediensteten blickten ihn stumm an mit versteinerten Gesichtern. Sie ahnten, dass er einer der Ihren war. Die adeligen Gaffer hingegen zerrissen sich die Mäuler über ihn.
»Wie konnte sich Krystall nur mit einer solchen Person einlassen?«, vernahm Richter eine spitze Frauenstimme.
»Was findet sie bloß an ihm?«
»Wie schmutzig er ist!«
»Pfui!«
»Er hat etwas Animalisches an sich.«
»Da wünschte man sich, für fünf Minuten selbst Lohnarbeiter zu sein.«
»Bist du verrückt? Niemals, Hester!«
Spitze Rufe, Gelächter.
»Ach, Hester hatte doch schon immer einen ordinären Geschmack!«
Richter hatte genug gehört. Diese Menschen kannten das wahre Leben offensichtlich nicht. Sie hatten niemals ums Überleben kämpfen müssen, hatten niemals Dreck gefressen, hatten sich niemals die Hände schmutzig machen müssen, nur um am nächsten Tag etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Arbeit war ein Fremdwort für sie.
Er wurde unsanft durch die Menge bugsiert und gestoßen, dann betrat man eine große Eingangshalle. Der Boden war eine einzige filigrane Intarsienarbeit aus blauen und goldfarbenen Mosaikstücken, die gleichmäßig-abwechslungsreiche Muster bildeten, jedoch ohne ein erkennbares Gesamtbild zu formen. Richter bewunderte die Kunstfertigkeit dieses Fußbodens, ahnte jedoch, dass der Besitzer diese niemals völlig zu würdigen wissen würde.
Dieser Besitzer erschien nun auf einer oben herumlaufenden Galerie und blickte herab.
Richard Olson Kwont I. war ein stämmiger Mann Ende Fünfzig. Vorzeitig völlig ergraut, besaß er einen wallenden Haarschopf, um dessen dichten Wuchs ihn manche Frau beneidete, jedoch nicht um die ausgeprägten Geheimratsecken, die sein grobes und zerklüftetes Gesicht deutlich hervortreten ließen. Sein Teint war Titanweiß geschminkt, um Vornehmheit zu suggerieren, die Lippen gebläut, die Augen funkelten grün aus gelblichem, blutunterlaufenem Weiß. Er trug ein marineblaues Kostüm mit goldenen Verzierungen, die Muster und Formen des Nachthimmels darstellen mochten.
Der Blick, den er in die Halle hinabwarf, verströmte nichts als Geringschätzung und Ablehnung über die unwillkommene nächtliche Störung.
»Was ist hier los?«, bellte seine befehlsgewohnte Stentorstimme durch den Raum.
»Wir haben den Kerl, mein Lord!«, rief einer der Männer.
»Welchen Kerl?«
»Der, den wir Euch bringen sollten, mein Lord.«