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Mord durch Radioaktivität! Ein Geschäftsmann wird brutal ermordet. Da die Behörden es für Selbsttötung halten, beauftragt Ferdinand Rosslyn den Freelancer Owen Richter, den Fall zu untersuchen. Bald stößt Richter auf Verflechtungen, die zuvor nicht sichtbar gewesen waren - und muss um sein Leben fürchten.
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Seitenzahl: 148
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Mordakte Rosslyn
Ein Spacewestern
von Logan Kenison
Das Buch
Mord durch Radioaktivität! Ein Geschäftsmann wird brutal ermordet. Da die Behörden es für Selbsttötung halten, beauftragt Ferdinand Rosslyn den Freelancer Owen Richter, den Fall zu untersuchen. Bald schon muss Richter um sein Leben fürchten.
Der Autor
Logan Kenison ist Autor von Western-, Abenteuer- und Spaceromanen. Neben seinen Western, die er mit Leidenschaft verfasst, schreibt er seit 2018 die Reihe Spacewestern.
Inhalt
Impressum
Mordakte Rosslyn
Weitere Titel von Logan Kenison
Impressum
04/2018
Copyright dieser Ausgabe: 10/2021 by Logan Kenison
Lektorat: Carola Lee-Altrichter
Abdruck auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Autors.
Cover: »Dammit, M7, I'm still here, you know, I'm M6« by PJ3DART 2015
Kontakt: [email protected]
Mordakte Rosslyn
Ein Spacewestern
von Logan Kenison
Russac-Ide-Genijom 3 war kein netter Planet.
Keine Welt, die ein Mensch sich aussuchen würde, um Urlaub zu machen. Keine Welt für Nacktbader, Sonnenanbeter, Chiller und Relaxer. Keine Welt für Rucksacktouristen, Wintersportler, Sommerfrischler und Brückentagebucher. Keine Welt für Adrenalinjunkies, Basejumper, Paraglider, Freeclimber, Parcoursläufer, Skater, Blader, Rockmusiker, Jodler, Chorsänger, Konzertpianisten und Notenblattwender.
Denn Russac-Ide-Genijom 3 war ein radioaktiv verstrahlter Planet, Rad-Wert 11,6.
Die Anziehungskraft, die er dennoch ausübte, verdankte er gigantischen Vorkommen von Pluto-Ratonium und Titan, die vor einiger Zeit unter der Oberfläche entdeckt worden waren – und dem wirtschaftlichen Interesse, das anderer Planeten daran hatte.
John Guilfoyle Rosslyn stand am Fenster seiner Suite und sah durch die vierzehn Zentimeter dicke Scheibe auf den Planeten hinaus. Durch die Dicke des Kunstglases erschien draußen alles in einem türkisfarbenen Farbton, doch er wusste, dass dies nicht die wirklichen Farben der Dinge waren. Die sandigen Hügel waren tatsächlich ockerfarben, der Himmel von einem schmutzigen Grün und die merkwürdigen Pflanzen, die wie riesige Pilze in den Himmel ragten oder wie kugelige, löchrige Haufen am Boden hockten, waren dunkelviolett, schwarz, dreckig-braun. Dazwischen sprangen die seltsamsten Tiere herum, die er je gesehen hatte. Manchmal hatte man das Gefühl, sie glühten von innen heraus durch Augen und Zähne; sicherlich ein Nebeneffekt des Lebens bei 11,6 Rad.
John Guilfoyle Rosslyn seufzte. Er war froh, nicht da draußen zu sein. Dies war kein Ort, an dem er sich gern aufhielt, doch welche Wahl hatte man, wenn die Geschäftsleitung einen schickte und Profite in Milliardenhöhe winkten.
Im Innern der Suite herrschten angenehmste Bedingungen. Hierher drang keine radioaktive Strahlung. Hier gab es frische Luft, eine gesicherte Sauerstoffzufuhr, angenehm geregelte Temperaturen und sogar Zitronenduft. Überall waren Detektoren angebracht, die sofort Alarm schlugen, wenn sich irgendwo ein Leck auftat, sich die Temperatur senkte oder erhöhte oder der Sauerstoffgehalt unter sechzehn Prozent fiel – aus welchen Gründen auch immer. Auch Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Staubbelastung und alle möglichen anderen Werte wurden permanent überwacht, um im Falle einer definierten Abweichung sofort Maßnahmen ergreifen zu können.
Doch hier und heute gab es keine Abweichungen.
Rosslyn wandte sich von der Aussicht ab und wieder dem Tisch zu, auf dem ausgebreitet die Akten lagen, die er gerade durcharbeitete. Die Mengen, die die Saleeh zum Verkauf anboten, waren astronomisch. Er hatte sich nicht vorstellen können, dass ein Volk unter diesen Bedingungen so viel fördern konnte, und doch hatten sie ihm diesen Vorschlag unterbreitet.
Seine Aufgabe war es nun, den Abtransport dieser Mengen möglich zu machen.
Wie konnte er das schaffen? Sein Unternehmen hatte insgesamt nicht so viel Transportschiffe, um die angebotene Menge zu bewegen. Zusätzlichen Frachtraum zu chartern bedeutete eine Schmälerung des Profits, was in Kreisen der Geschäftsleitung nicht gern gesehen wurde.
Er aktivierte seinen Elektronischen Datenspeicher und ließ sich eine Karte aller in der Nähe befindlichen Handelsposten und Umschlagszentren anzeigen.
Wie viele Transporter gab es überhaupt auf dem freien Markt? Wie viel Frachtraum konnten diese zur Verfügung stellen? Wenn er einen Aufruf in anderen Handelszentren startete? Gewiss würden viele weitere Transporteure sich bereitfinden, hierher zu kommen und Ladung zu übernehmen. Der Ansturm könnte so groß werden, dass die Frachtpreise sanken … was ihm nur recht sein konnte. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, und es machte ihm Spaß, mit Zahlen, Möglichkeiten, Daten, Fakten zu jonglieren; mit Ladungen, Volumina, Abholungen, Anlieferungen zu spielen; das Unmögliche möglich zu machen – zumindest in Gedanken.
Er war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht bemerkte, wie sich die Tür seiner Suite öffnete. Es gab keinen Luftzug, kein Geräusch. Die Person, die sich in den Raum schob, war eine Saleeh. Wie alle ausgewachsenen Saleeh besaß sie vier Arme und war zweieinhalb Meter groß. Die Haut, die sich über den langgezogenen, schmalen Körper spannte, war gräulich, pergamentfarben. Bläuliche Adern zeichneten sich unter ihr deutlich ab. Langgezogene Gesichter saßen auf schmalen Schädeln, die mehr in die Tiefe wuchsen als sie breit waren. Die Augen meist groß und hervortretend, blickten starr vor sich hin und schienen ihr Gegenüber zu durchdringen, anstatt es anzusehen.
Die Saleeh waren keine schönen Wesen, doch übten sie einen seltsamen Reiz auf Menschen aus. Sie trugen lange Gewänder aus fließenden Stoffen, unter denen sich ihre knochigen Körperformen abzeichneten. Die meisten weiblichen Saleeh wiesen kleine Knubbel auf, Brüste, die kaum eine solche Bezeichnung verdienten; die männlichen hingegen Ausbeulungen im Schritt, die Erdmänner vor Neid erblassen ließen.
Die Bedingungen, unter denen sie existierten, konnten nur als erstaunlich bezeichnet werden. Sie existierten auf der Oberfläche des Planeten mit all seinen Giftstoffen und der radioaktiven Strahlung ebenso wie im Innern der zum Teil recht weitläufigen Unterkünfte, die sie für die Besucher anderer Spezies geschaffen hatten.
Die Saleeh näherte sich John Guilfoyle Rosslyn von hinten. Erst als ihr Fuß leicht über den dicken Teppich schabte, hörte er, dass jemand im Raum war. Er fuhr herum, doch da packten ihn bereits zwei kräftige Hände. Eine dritte Hand legte sich ihm über den Mund und verhinderte, dass ein Laut herausdrang.
Eine weibliche Saleeh, dachte Rosslyn. Er roch einen feinen Ginsterduft.
Und bevor ihm klarwurde, was vor sich ging, schoben ihn die kräftigen Arme in Richtung Außentür.
Diese war zwar verriegelt, aber mit dem vierten freien Arm, der um Rosslyn herumgriff, wurden nacheinander und in ziemlicher Geschwindigkeit alle Sicherheitsriegel gelöst.
Die Alarmsirene heulte los, verstummte jedoch wieder abrupt, als lange Finger den Entwarnungscode eingaben.
Und ein lautes Klacken und das folgende saugende Geräusch, was beides von der Zimmertür her erklang, kündigte an, dass diese Tür nun verriegelt und hermetisch abgeschlossen war.
Rosslyn begann zu schreien, als er erkannte, worauf das alles hinauslief, doch durch die Hand der Saleeh drangen seine Laute nur gedämpft. Er wehrte sich, begann zu zappeln und wand sich in der Umklammerung, doch die Angreiferin hielt ihn spielend unter Kontrolle.
Mit einem zischenden Geräusch fuhr die Außentür auf – und Rosslyn erhielt einen Stoß zwischen die Schulterblätter. Der Stoß war so heftig, dass er ins Freie taumelte, ohne etwas dagegen tun zu können. Er machte vier, fünf Schritte, dann verlor er das Gleichgewicht und fiel auf den hartgefrorenen Sand.
Sofort spürte er ein Beißen und unerträgliches Jucken auf den Handflächen und im Gesicht, und mit jedem Atemzug, den er machte, auch in seiner Lunge.
In Panik sprang er auf, wandte sich um und rannte schreiend zur Tür zurück.
Doch die war inzwischen wieder zugefahren, und er sah die Saleeh sie gerade wieder verriegeln. Unbeteiligt blickten die Fischaugen der Kreatur durch die Scheibe, während er wild schreiend an der Tür riss, bis seine Fingernägel blutig waren.
Er hatte natürlich keine Chance, die Tür wieder zu öffnen, und als ihm das nach viel zu langen Sekunden klarwurde, und er begann, um das Gebäude herumzurennen, um an der Vorderseite eine Schleuse zu finden, durch die er wieder hineingelangen konnte, hämmerte es in seinem Gehirn, dass es bereits zu spät war.
Er wagte nicht, an sich hinabzublicken, denn die Auflösungserscheinungen mussten bereits eingesetzt haben. Aus welchen Körperöffnungen er jetzt schon blutete, wollte er sich nicht einmal vorstellen. Er hätte sich genauso gut auf den Boden setzen können, um das Ende abzuwarten, doch in einem Anflug panischer Lebenserhaltung versuchte er das Äußerste.
Schreiend lief er um die festgefügten Wände herum, trommelte gegen die Wände und Fenster, doch es gab keine Reaktion; der Sand schluckte seine Laute. Nur sein wildes Keuchen dröhnte laut in seinen Ohren.
Irgendwann wollten seine Beine nicht mehr. Er stolperte und fiel. Ein letztes Mal schlug er lang und hart auf den Boden und kam nicht wieder hoch. Sein letzter Gedanke galt, wie er mit leichtem Befremden feststellte, seiner Mutter, die vor über zwanzig Jahren gestorben war.
Dann erlosch alles Leben in ihm.
*
Owen Richter hob die Hand und spreizte drei Finger ab – ein Zeichen für den Barkeeper, dass er drei Fingerbreit von dem Echten Kentucky Moonshine ins Glas laufen lassen sollte. Richter lachte und langte der Schwarzhaarigen, die neben ihm stand, um die Taille. Durch den Trubel, der hier herrschte, konnte er kaum verstehen, was sie sagte – und sie sagte pausenlos irgendetwas –, aber das war egal, denn ihre gewichtigsten Argumente begannen zwei Handbreit unterhalb ihres Mundes.
Der Barkeeper schob Richter das Glas zu, und er reichte ihm mit der freien Hand seine Kreditkarte. Der Barkeeper zog sie durch das Lesegerät, und 200 weitere Qubits wurden abgebucht. Ein ziemlich teures Etablissement, wie Richter schnell festgestellt hatte, aber was war nicht teuer hier im Orbit über Brexilla? Zudem … er konnte es sich leisten: Vor wenigen Stunden hatte er eine ganze Schiffsladung Chrysolit in der Orbitalen Handelsstation verkaufen können und einen satten Gewinn eingestrichen. Also raus mit den Moneten, der Rubel musste wieder unter die Leute.
Die Schwarzhaarige – wie war gleich ihr Name? Una? Yuma? Anita? – lehnte sich an ihn und quasselte im ins Ohr. Belangloses Zeugs, das Richter nicht interessierte. Er leerte das halbe Glas, und Whisky rann durch seine Kehle. Gleich darauf hatte seine Begleiterin ihr Glas ebenfalls geleert und wartete darauf, dass er es nachfüllen ließ.
Er tat es – in Erwartung der Belohnung, die in Kürze folgen würde.
In dem Moment rempelte ihn ein Mann an, der sich hastig durch die Menge und an ihm vorbeizwängte, und der Rest des Moonshine spritzte über Richters Hemd und auf den Arm der Schwarzhaarigen – da gingen sie hin, die 100 Qubits!
Die Frau schrie auf, und Richter, das nun leere Glas in der Hand, starrte dem Rücken des Mannes nach, der in Richtung Ausgang verschwand. Er war in einen teuren Mantel aus grünem Samt gehüllt, dessen Säume mit einem Muster aus Goldfäden durchwirkt waren. Die stierblutfarbenen Hosenbeine steckten in blitzblank polierten schwarzen Stiefeln, auf deren Schäfte dasselbe Muster gestickt war. Das blonde Haar war feinsäuberlich nach hinten frisiert. Ein Mensch der gehobenen Klasse, erkannte Richter auf den ersten Blick.
»So eine Unverschämtheit!«, schimpfte die Schwarzhaarige.
Richter beachtete sie nicht, denn im selben Moment entdeckte er zwei Männer, die von zwei Seiten kommend ebenfalls dem Ausgang zustrebten. Der eine hatte offensichtlich versucht, dem Mann den Weg abzuschneiden, was misslungen war, der andere hatte ihn seinem Kumpan in die Arme treiben wollen. Doch der Mann war rechtzeitig an der Tür gewesen und hinausgeschlüpft.
Richter schwante, dass hier ein übles Spiel ablief, und obwohl er das Gesicht des Mannes, der an ihm vorbeigehetzt war, nicht hatte sehen können, hatte er doch den Schweiß gerochen, den er ausgesondert hatte – Angstschweiß. Und er entdeckte die Ausbeulungen unter den Jacken der beiden Verfolger.
Richter tastete automatisch nach dem Kolben seiner ZAP-9, die im Holster steckte, um zu sehen, ob sie noch da war. Sie war es, und es war ein gutes Gefühl, das zu wissen, bevor er sich ins Getümmel stürzte.
Die Schwarzhaarige schrie etwas hinter ihm her, doch er hatte keinen Nerv mehr für sie. Er schlängelte sich durch die Menge, erreichte die Tür und lief hinaus.
Gerade noch rechtzeitig, denn jetzt entdeckte er den Flüchtenden, der von seinen beiden Verfolgern auf dem kleinen Vorplatz in die Enge getrieben worden war. Schlimmer noch: Die Burschen hatten den Mann in eine Falle gelockt, denn als Verstärkung gestellte sich jetzt ein großer Roboter zu ihnen, der dem Mann den einzigen Fluchtweg versperrte.
»Keine Bewegung«, schnarrte der Roboter mit seiner Metallstimme, »du hast keine Chance. Gib auf, Mensch, bevor du Schaden nimmst.«
»Pass auf, dass du nicht selbst Schaden nimmst«, rief der Mann und riss eine Gudu-Gun aus seinem Schulterholster.
Die Gudu-Gun gab dem Wort Faustfeuerwaffe eine völlig neue Bedeutung: Sie war so klein, dass sie völlig in der Faust eines Mannes verschwand, nur eine etwa 10 Millimeter große Mündung schaute zwischen Zeige- und Mittelfinger hervor, woraus ein Energiestrahl schoss, wenn man den seitlich am Kolben angebrachten Druckknopf betätigte. Schon nach kurzer Zeit wurde die Waffe so heiß, dass man sie nicht mehr in der Hand halten konnte. Sie eignete sich nur für die Abwehr akuter Gefahren, nicht für längere Feuergefechte. Doch da sie sehr klein war, war sie bei Geschäftsleuten und Frauen sehr beliebt.
Richter sah auf den ersten Blick, dass die Feuerkraft der Gudu-Gun viel zu gering war, um dem Roboter ernsthaft Schaden zuzufügen. Der Mann hatte nun echte Probleme, denn sobald er den Roboter angriff, würde der in den Kampfmodus wechseln, und Richter bezweifelte, dass der Mann gegen einen Haufen Metall, Schrauben und Drähte eine wirkliche Chance hatte. Vermutlich wusste er nicht, wo man bei einem Roboter tatsächlich ansetzen musste, welches seine verwundbarsten Stellen und Teile waren, und wie man ihn ausschalten konnte. Und um im Kampf Erfahrung zu sammeln, dazu würden es weder der Roboter noch die beiden Verfolger kommen lassen.
Und tatsächlich: Der Roboter lachte künstlich über die Drohgebärde des Mannes. »Wen willst du mit dieser Fliegenspritze beeindrucken, Mensch?«
»Dich, du Haufen Schrott!«, erwiderte der Mann unerschrocken. Richter kam nicht umhin, den Mut des Mannes zu bewundern, wenngleich er ihm keine Chance einräumte.
Der Roboter war durch die Beleidigung wütend geworden. Obwohl – oder gerade weil – sie mit einer Künstlichen Intelligenz versehen waren, hielten sich viele dieser Maschinen für wohldurchdacht und ausgeklügelt, ein Produkt hoher Intelligenz; sie liebten daher keineswegs Vergleiche mit Schrott, Altmetall, Weltraummüll und dergleichen.
»Dafür wirst du bezahlen, wie für vieles andere auch, Mensch! Na los, komm und greife mich an. Ich lasse dir den ersten Schuss.«
»Tun Sie’s nicht!«, rief Richter.
Alle Köpfe ruckten zu ihm herum.
Er war inzwischen nähergetreten und stand nun hinter einem der beiden Verfolger, die den Mann in die Falle getrieben hatten. Seine Hand lag lässig auf dem Griff der ZAP-9.
»Der Roboter möchte, dass Sie ihn angreifen, damit er in den Kampfmodus wechseln kann«, erklärte er. »Wenn Sie ihm nichts tun, kann er nichts gegen Sie unternehmen. Wir haben es bisher also nur mit diesen zwei Pappnasen zu tun. Richten Sie ihre Gudu-Gun lieber auf die Schießbudenfigur rechts, während ich mir den Typen links vornehme.«
Der in die Enge Getriebene arbeitete gut mit. Sofort suchte seine Mündung ein neues Ziel. »Keine Bewegung, Freundchen!«, sagte er zu dem Verfolger.
Die beiden Gangster fanden sich plötzlich in einer neuen Situation wieder. Ihr Opfer hatte unerwartet Hilfe bekommen, anscheinend von einem Typen, der sich auskannte – und jetzt hatten sie ein Problem an der Backe, bei dem ihnen ihr Roboterfreund nicht weiterhelfen konnte.
»Was haben Sie mit der Sache zu tun?«, blaffte derjenige, der Richter am nächsten stand, in dem hilflosen Versuch, den Einmischer loszuwerden. »Verschwinden Sie lieber, Mister, solange Sie noch können.«
»Ich habe bereits die Polizei gerufen«, log Richter. »Ich sah, wie ihr den Mann aus der Bar verfolgtet, da war mir alles klar. Hier soll ein Überfall oder ein Kidnapping stattfinden. In wenigen Minuten werdet ihr in Handschellen abgeführt. Ich freu mich schon drauf, euch auf der Anklagebank sitzen zu sehen. Es wird mir ein Vergnügen sein, gegen euch Lumpen auszusagen.«
Man sah dem Gesicht des Mannes an, wie es hinter seiner Stirn angestrengt arbeitete. Doch er schien zu keinem vernünftigen Ergebnis zu kommen.
»Was … das ist … das gibt’s doch nicht!«, stieß er hervor.
»Lass dich nicht ins Bockshorn jagen«, schrie sein Kumpan. »Der will uns nur reinlegen. Keiner hat die Polizei gerufen. Der blufft nur.«
»Wollt ihr es darauf ankommen lassen? Ihr wisst ja, wenn ein Roboter einmal bei einer Straftat registriert wurde, wird er eingeschmolzen.«
Die beiden Männer sahen sich gehetzt an.
Ihr Roboterfreund stapfte von einem Bein aufs andere, konnte aber nicht eingreifen. »Ich will nicht eingeschmolzen werden!«, heulte er blechern auf.
»Zu spät, deine beiden Kumpel hier haben dich für eine Straftat eingesetzt. Wenn auf deiner Matrix erst einmal eine Straftat gespeichert ist, wirst du nie wieder Richtig von Falsch unterscheiden können. Du wirst entweder formatiert und ein neues Betriebssystem aufgespielt bekommen, oder – was wahrscheinlicher ist – du wirst eingeschmolzen und deine Überreste werden zu einem neuen Roboter verarbeitet. Oder zur Außenhülle eines Raumschiffs. Oder zur Wand einer Raumstation. Oder …«
»Ich will nicht eingeschmolzen werden!«, heulte der Roboter erneut auf. »Wozu habt ihr mich getrieben? Ich bin ein Missbrauchsopfer, kein Täter!«
Mit seinen metallenen Gestängen, die Beinen ähneln sollten, machte er zwei gewaltige Schritte, lief ruckartig an seinen Kumpanen vorbei, wobei er den einen von ihnen anrempelte und umstieß, und floh vom Ort des Verbrechens.
»Da geht er hin«, sagte Richter. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit den beiden Männern zu. Der Gefallene rappelte sich gerade wieder auf und rieb sich das Schlüsselbein, das heftig schmerzte.
»Und ihr? Was machen wir jetzt mit euch?«
Ratlos sahen die Männer sich an. Was sollten Sie tun? Sollten sie es wagen, ihre Gegner anzugreifen? Wobei der eine den Finger bereits am Abzug hatte … und der andere aussah, als ob er mit einer Strahlenkanone durchaus umgehen konnte.
»Wollt ihr wirklich warten, bis die Polizei da ist?«, fragte Richter.
Das Wort »Polizei« gab den Ausschlag. Die beiden zogen sich hastig zurück, und nachdem sie ein paar Schritte rückwärts gemacht hatten, drehten sie sich um und rannten wie von der Gumra gebissen davon – in eine dunkle Gasse mit vielen Fluchtmöglichkeiten, in der sie nicht geschnappt werden konnten.
Richter sah ihnen nach, bis sie im Dunkel verschwunden waren.
Der Mann trat neben ihn.
»Vielen Dank, Mister. Ich schätze, Sie haben mir das Leben gerettet.«
»Wir sollten machen, dass wir von hier wegkommen«, sagte Richter. »Kann sein, dass die Kerle zurückkommen, vielleicht mit Verstärkung. Also, wenn ich bitten darf?« Er deutete auf einen Korridor, der zum Hangar 22-04 führte.