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Die Bibel wird zu Recht als Heilige Schrift bezeichnet, weil sie von göttlich inspirierten Menschen verfasst worden ist. Die Bibel - sowohl das Alte wie das Neue Testament - stellt in der Tat eine schier unermessliche Fundgrube für jemanden dar, der auf der Suche nach geistigen Erkenntnissen ist. Es gibt kein bedeutenderes Wahr- und Weisheitsbuch. Die Bibel ist von einer schier unendlichen Tiefe, die nach und nach ergründet werden will. Wie tief man auch immer in sie eingedrungen sein mag, hält sie immer noch neue Aspekte und Erkenntnisse bereit. Wohl jeder, der schon einmal ernsthaft die Heilige Schrift studiert hat, wird kaum bestreiten, dass er an so mancher Bibelstelle schier verzweifelt ist, da er die eine oder andere Aussage überhaupt nicht zu verstehen vermochte, oder weil er den Eindruck gewonnen hat, dass sich so manche Begebenheiten, von denen die Bibel berichtet, nicht mit dem zu vertragen scheinen, was ein gescheiter Mensch heute über die Weltverhältnisse wissen kann. Des Weiteren kommen viele mit den vermeintlichen Widersprüchen, die sich insbesondere in den Evangelien befinden, nicht zurecht. Die große Mehrheit der heutigen Menschheit kommt an den Geist der Bibel nicht mehr recht heran. Sie findet nur noch die toten Buchstaben vor. Von vielen Menschen wird die Bibel häufig in einer etwas sentimentalen Art zu verstehen gesucht. Man versucht sie so auszulegen, dass das persönliche religiöse Gemüt befriedigt wird. Die Bibel wird so zu einem Erbauungsbuch. Sie will aber ein Erkenntnisbuch sein. Der moderne Mensch muss heute erst wieder lernen, die Bibel in diesem Sinne zu lesen. Dank der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft, kurz Anthroposophie, die der große Eingeweihte und Menschheitslehrer Dr. Rudolf Steiner der Welt vor rund 100 Jahren geschenkt hat, ist es uns heute möglich, die Bibel verstehen zu lernen. Aus unserer Sicht können zahlreiche Bibelpassagen erst dann verständlich werden, wenn man sie mit dem Erkenntnislicht der Anthroposophie beleuchtet. Durch sie findet man das geistige Hintergrundwissen, das nötig ist, um die Bibel zu entschlüsseln. In diesem Werk werden die wichtigsten - und insbesondere auch zahlreiche schwer verständliche - Schilderungen der Heiligen Schrift erläutert und etliche biblische Geheimnisse enthüllt.
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Seitenzahl: 716
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Die Bibel ist so voller Gehalt, dass sie mehr als jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit zu Betrachtungen über die menschlichen Dinge darbietet.
Johann Wolfgang von Goethe
Ich glaube, dass die Bibel allein die Antwort auf alle unsere Fragen ist und dass wir nur anhaltend und demütig zu fragen brauchen, um die Antwort von ihr zu bekommen.
Dietrich Bonhoeffer
Sie enthält diese alte, ehrwürdige Urkunde, die tiefste und erhabenste Weisheit und stellt Resultate auf, zu denen alle Philosophie am Ende doch wieder zurück muss.
Johann Gottlieb Fichte
Ich hab nun 28 Jahre, seit ich Doktor geworden bin, stetig in der Bibel gelesen und daraus geprediget, doch bin ich ihrer nicht mächtig und finde noch alle Tage etwas Neues drinnen.
Martin Luther
Die Bibel ist das Buch, dessen Inhalt selbst von seinem göttlichen Ursprung zeugt. Die Bibel ist mein edelster Schatz, ohne den ich elend wäre.
Immanuel Kant
Die zentrale Tatsache der Bibel ist die Überlegenheit der geistigen Kraft über die physische.
Mary Baker Eddy
Wir leben in einer Zeit, in welcher immer mehr aus den Menschenherzen die Möglichkeit verschwindet, die Bibel so hinzunehmen, wie sie während der letzten vier bis fünf Jahrhunderte der europäischen Kulturentwickelung hingenommen worden ist.
Entweder wird die Menschheit die Geisteswissenschaft bekommen und durch die Geisteswissenschaft die Bibel in einem neuen Sinne verstehen lernen, oder die Menschen werden dahin kommen, wie es bei vielen schon heute der Fall ist, welche die Anthroposophie nicht kennen, dass sie nicht mehr hinhorchen können auf die Bibel.
Die Menschheit würde die Bibel vollständig verlieren, die Bibel würde verschwinden, und ungeheure Geistesgüter würden der Menschheit verlorengehen – die wichtigsten Geistesgüter unserer Erdenentwickelung. Das muss eingesehen werden.
Wir stehen an einem solchen Sprunge unserer Entwickelung. Das Menschenherz verlangt nach geisteswissenschaftlicher Erklärung der Bibel. Wird der Menschheit diese geisteswissenschaftliche Erklärung der Bibel, so wird die Bibel zum Segen der Menschheit erhalten bleiben; wird ihr diese Erklärung nicht, so wird die Bibel verlorengehen.
Rudolf Steiner1
Vorwort
V Vorbereitung: Anthroposophische Grundlagen
V.1 Der Mensch aus anthroposophischer Sicht
V.1.1 Der Ätherleib
V.1.2 Der Astralleib
V.1.3 Das Ich bzw. der Ich-Leib
V.1.3.1 Die Offenbarungen des Ichs am physischen Leib
V.1.4 Körper, Seele und Geist
V.1.4.1 Seele
V.1.4.1.1 Die Empfindungsseele
V.1.4.1.2 Die Verstandes- oder Gemütsseele
V.1.4.1.3 Die Bewusstseinsseele
V.1.4.2 Geist
V.1.5 Zukünftige Wesensglieder des Menschen
V.1.6 Die Formgestalt bzw. das Phantom des physischen Leibes
V.2 Übersinnliche Welten
V.2.1 Die Ätherwelt
V.2.2 Die Astralwelt oder Seelenwelt
V.2.3 Die Geisteswelt
V.3 Übersinnliche Wahrnehmung
V.3.1 Geistige Wahrnehmungsorgane
V.3.2 Hellseher
V.3.2.1 Imagination
V.3.2.2 Inspiration
V.3.2.3 Intuition
V.3.3 Eingeweihte
V.3.4 Die Akasha-Chronik
V.4 Reinkarnation und Karma
V.4.1 Die wiederholten Erdenleben
V.4.2 Das Karmagesetz
1 Okkulte Fachbegriffe in der Bibel
1.1 »In der Nacht« / »bei (der) Nacht«
1.2 »Im Traum«
1.3 Jemanden »lieb haben«
1.4 »auf einen Berg«
1.5 Die Bedeutung des Feigenbaumes
1.6 Er/sie »erkannte« sie/ihn (nicht)
2 Entstehung und Entwicklung der Erde und des Menschen
2.1 Das sogenannte »Sechstagewerk« der Genesis
2.1.1 Die Schöpfermächte – Die geistigen Wesen der höheren Hierarchien
2.1.2 Der Begriff »Tag« in der Genesis
2.2 Der göttliche Weltenplan
2.2.1 Der alte Saturn
2.2.2 Die alte Sonne
2.2.3 Der alte Mond
2.2.4 Die heutige Erde
2.2.4.1 Das polarische Hauptzeitalter
2.2.4.2 Das hyperboräische Hauptzeitalter
2.2.4.3 Das lemurische Hauptzeitalter
2.2.4.3.1 Die Abtrennung des Mondes von der Erde
2.2.4.3.2 Die Schaffung des Erdenmenschen
2.2.4.3.3 Die Geschlechtertrennung
2.2.4.3.4 Der Sündenfall
2.2.4.3.5 Der Mensch als Erstling der Schöpfung
2.2.4.3.6 Der Untergang Lemuriens
2.2.4.4 Das atlantische Hauptzeitalter
2.2.4.5 Unser heutiges Hauptzeitalter
2.2.4.5.1 Die urindische Kulturepoche
2.2.4.5.2 Die urpersische Kulturepoche
2.2.4.5.3 Die ägyptisch-babylonische Kulturepoche
2.2.4.5.4 Die griechisch-lateinische Kulturepoche
2.3 Vom Gruppen-Ich zum individuellen Ich
2.4 Die Widersacherwesen
2.4.1 Der Sinn des Bösen
3 Christus und die Jesus-Persönlichkeiten
3.1 Christus-Wesen und sein Wirken vor der Zeitenwende
3.1.1 Die Präexistenz Christi und sein Herannahen an die Erdensphäre
3.1.2 Christus, der Schöpfergott
3.1.2.1 Das Entstandene und das Nicht-Entstandene
3.1.3 Die drei Christus-Opfer vor der Zeitenwende
3.1.3.1 Die erste Opfertat
3.1.3.2 Die zweite Opfertat
3.1.3.3 Die dritte Opfertat
3.2 Die Jesus-Persönlichkeiten
3.2.1 Widersprüche in den Kindheitserzählungen
3.2.2 Die zwei Jesusknaben
3.2.2.1 Der nathanische Jesusknabe
3.2.2.2 Der salomonische Jesusknabe
3.2.3 Jesus von Nazareth
3.2.3.1 Die unbekannten 18 Jahre im Leben des Jesus von Nazareth
4 Menschwerdung Christi und das Wirken des Christus-Jesus
4.1 Die Menschwerdung Christi
4.1.1 Die Johannes-Taufe
4.1.2 Die Taufe Jesu
4.1.2.1 Sophia – Die Mutter Jesu
4.2 Das dreijährige Wirken des Christus-Jesus in der Erdenwelt
4.2.1 Die sogenannten »Wunder«
4.2.1.1 1. Zeichen: Das Verwandeln von Wasser in Wein auf der Hochzeit zu Kana
4.2.1.2 2. Zeichen: Die Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten
4.2.1.3 3. Zeichen: Die Heilung des Gelähmten am Teich Bethesda
4.2.1.4 4. Zeichen: Die Speisung der Fünftausend
4.2.1.5 5. Zeichen: Das Wandeln auf dem See
4.2.1.6 6. Zeichen: Die Heilung des Blindgeborenen
4.2.1.7 7. Zeichen: Die Auferweckung des Lazarus
4.2.2 Die Lehren und Reden des Christus-Jesus
4.2.2.1 Die Bergpredigt – Die neun Seligpreisungen
4.2.2.1.1 1. Seligpreisung: Physischer Leib
4.2.2.1.2 2. Seligpreisung: Ätherleib
4.2.2.1.3 3. Seligpreisung: Astralleib
4.2.2.1.4 4. Seligpreisung: Empfindungsseele
4.2.2.1.5 5. Seligpreisung: Verstandes- oder Gemütsseele
4.2.2.1.6 6. Seligpreisung: Bewusstseinsseele
4.2.2.1.7 7. Seligpreisung: Geistselbst
4.2.2.1.8 8. Seligpreisung: Lebensgeist
4.2.2.1.9 9. Seligpreisung: Geistesmensch
4.2.2.2 Über das Beten
4.2.2.2.1 Vom richtigen Beten
4.2.2.2.2 Das Vaterunser
4.2.2.3 Hinweise auf das Reinkarnationsgesetz
4.2.2.4 Hinweis auf das Karmagesetz
4.2.2.5 Der reiche Mann und der arme Lazarus – Über das nachtodliche Leben
4.2.2.6 Weitere Aussprüche des Christus-Jesus
4.2.2.6.1 Die Verfluchung des Feigenbaumes
4.2.2.6.2 Die Freimachung von alten Blutsbanden
5 Das Mysterium von Golgatha
5.1 Vom »Hosianna« zum »Kreuzige ihn!«
5.1.1 Der Einzug in Jerusalem
5.1.2 Das letzte Abendmahl
5.1.3 Das Drama im Garten Gethsemane
5.1.4 Verrat und Gefangennahme
5.1.5 Verurteilung und Kreuzweg
5.2 Kreuzigung und Tod am Kreuz
5.2.1 Das erste Wort:
»Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.«
5.2.2 Das zweite Wort:
»Frau, siehe, dein Sohn – Siehe, deine Mutter.«
5.2.3 Das dritte Wort:
»Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.«
5.2.4 Das vierte Wort:
»Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«
5.2.5 Das fünfte Wort:
»Mich dürstet!«
5.2.6 Das sechste Wort:
»Es ist vollendet!«
5.2.7 Das siebte Wort:
»Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist.«
5.2.8 Das Blut des Erlösers, das auf Golgatha floss
5.3 Die Auferstehung Christi
5.3.1 Der Auferstehungsleib
5.3.1.1 Die Zerstörung des Phantoms
5.3.1.2 Die Wiederherstellung des Phantoms durch Christus
5.3.2 Wie nahmen die Jünger den auferstandenen Christus wahr?
5.3.3 Der Leichnam des Jesus von Nazareth
5.4 Warum war das Mysterium von Golgatha notwendig?
5.5 Die segensreichen Folgen des Christus-Wirkens
5.5.1 Christus-Licht im Reich des Todes
5.5.2 Christus, der Geist der Erde
5.5.3 Christus, der Ich-Bringer
5.5.4 Christus, der Bringer der Liebe
5.5.5 Christus, die »goldene Mitte« zwischen Luzifer und Ahriman
5.5.6 Christus, der Herr des Karma
6 Zukunftsgeschehen
6.1 Die heutige Erde
(Fortsetzung aus Kapitel 2)
6.1.1 Unser heutiges Hauptzeitalter
(Fortsetzung aus Kapitel 2)
6.1.1.1 Die heutige germanisch-angelsächsische Kulturepoche
6.1.1.1.1 Die Wiederkunft Christi
6.1.1.2 Die slawische Kulturepoche
6.1.1.3 Die amerikanische Kulturepoche
6.1.1.4 Der Untergang unseres heutigen Hauptzeitalters
6.1.2 Das sechste Hauptzeitalter
6.1.3 Das siebte Hauptzeitalter
6.2 Der neue Jupiter – Das »Neue Jerusalem«
6.3 Die neue Venus
6.4 Der Vulkan
Schlussbetrachtung
Anhang
Tabellen und Skizze
Bibeltexte
Gemälde mit den beiden Jesusknaben
Quellennachweis
Literaturverzeichnis
Buchempfehlung
Die Bibel, die im Laufe der letzten Jahrhunderte in nahezu alle Sprachen übersetzt wurde, ist das meistverkaufte Buch aller Zeiten. Man schätzt, dass etwa fünf Milliarden Exemplare in der Welt kursieren. Mit Fug und Recht wird sie als »Buch der Bücher« bezeichnet.
Den Christen gilt die Heilige Schrift als ein Quell göttlicher Offenbarungen. Viele nehmen sie regelmäßig zur Hand.
Insgesamt schildert die Bibel – wenngleich nicht lückenlos – von einem gewaltigen Zeitraum, der mehrere Milliarden Jahre umfasst. Ganz zu Beginn, im allerersten Vers der »Schöpfungsgeschichte« bzw. »Genesis« (1. Buch Mose), setzt sie mit der Schaffung der Welt ein:
»Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.« (1. Mose 1, 1)
Im letzten Buch der Bibel, der »Geheimen Offenbarung« bzw. der »Apokalypse« des Johannes, ist dann im vorletzten Kapitel vom Untergang der uns heute bekannten und vom Übergang in eine neue Welt die Rede.
»Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr da. Und ich sah die heilige Stadt, das Neue Jerusalem, sich herniedersenkend aus dem Himmel von Gott her [...]«
(Offenbarung 21, 1f.)
Nachdem die Bibel vor rund 500 Jahren von Martin Luther ins Deutsche übersetzt wurde, hat sie im Laufe der Jahre Einzug in alle Bevölkerungsschichten gehalten. Dadurch hat sie die deutsche Sprache erheblich beinflusst und bereichert. Bis zum heutigen Tag verwenden wir Dutzende von Sprüchen, Formulierungen und Redewendungen, die in der Heiligen Schrift urständen.
Hier seien nur einige Beispiele angeführt:
»Im Schweiße meines Angesichts« (vgl. 1. Mose 3, 19)
»Zur Salzsäule erstarren« (vgl. 1. Mose 19, 26)
»Ein schwarzes Schaf« (vgl. 1. Mose 30, 32)
»Die fetten Jahre sind vorbei.« (vgl. 1. Mose 41, 25ff.)
»Das Land, wo Milch und Honig fließen« (vgl. 2. Mose 3, 8)
»Auge um Auge, Zahn um Zahn« (vgl. 2. Mose 21, 24)
»Jemanden zum Sündenbock machen« (vgl. 3. Mose 16, 9)
»Etwas wie seinen Augapfel hüten« (vgl. 5. Mose 32, 10)
»Über den Jordan gehen« (vgl. Josua 1, 2)
»Jemandem sein Herz ausschütten« (vgl. 1. Samuel 1, 15)
»Bis hierher und nicht weiter!« (vgl. Hiob 38, 11)
»Jemanden unter seine Fittiche nehmen« (vgl. Psalm 61, 5)
»Auf Händen tragen« (vgl. Psalm 91, 12)
»Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.« (vgl. Psalm 127, 2)
»Hochmut kommt vor dem Fall.« (vgl. Sprüche 16, 18)
»Wer anderen eine Grube gräbt« (vgl. Sprüche 26, 27)
»Es gibt nichts Neues unter der Sonne.« (vgl. Prediger Salomo 1, 9)
»Alles hat seine Zeit.« (vgl. Prediger Salomo 3, 1)
»Ein Lippenbekenntnis ablegen« (vgl. Jesaja 29, 13)
»Wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt werden« (vgl. Jesaja 53, 7)
»Auf Herz und Nieren prüfen« (vgl. Jeremia 11, 20)
»Sich die Augen (aus dem Kopf) ausweinen« (vgl. Klagelieder 2, 11)
»Die Spreu vom Weizen trennen« (vgl. Matthäus 3, 12)
»Sein Licht (nicht) unter den Scheffel stellen« (vgl. Matthäus 5, 14)
»Etwas im stillen Kämmerlein tun« (vgl. Matthäus 6, 6)
»Perlen vor die Säue werfen« (vgl. Matthäus 7, 6)
»Auf Sand gebaut« (vgl. Matthäus 7, 26)
»Ein Prophet gilt nichts im eigenen Land.« (vgl. Matthäus 13, 57)
»Die Ersten werden die Letzten sein.« (vgl. Matthäus 20, 16)
»Aus seinem Herzen keine Mördergrube machen« (vgl. Matthäus 21, 13)
»Kein Stein wird auf dem anderen bleiben.« (vgl. Matthäus 24, 2)
»Den Kelch an etwas vorübergehen lassen« (vgl. Matthäus 26, 39)
»Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.« (vgl. Matthäus 26, 41)
»Hände in Unschuld waschen« (vgl. Matthäus 27, 24)
»Auf fruchtbaren Boden fallen« (vgl. Markus 4, 8)
»Sein Scherflein (zu etwas) beitragen« (vgl. Markus 12, 42)
»Wer’s glaubt, wird selig!« (vgl. Markus 16, 16)
»Ein gerüttelt Maß« (vgl. Lukas 6, 38)
»Unter die Räuber (oder Mörder) fallen« (vgl. Lukas 10, 30)
»Heulen und Zähneknirschen« (vgl. Lukas 16, 13)
»Schnöder Mammon« (vgl. Lukas 16, 13)
»Blut und Wasser schwitzen« (vgl. Lukas 22, 44)
»Den ersten Stein werfen« (vgl. Johannes 8, 7)
»Ein Herz und eine Seele sein« (vgl. Apostelgeschichte 4, 32)
»Etwas fällt wie Schuppen von den Augen.« (vgl. Apostelgeschichte 9, 18)
»Geben ist seliger als Nehmen.« (vgl. Apostelgeschichte 20, 35)
»Der Stein des Anstoßes« (vgl. 1. Petrus 2, 8)
»Das A und O« (vgl. Offenbarung 1, 8)
»Buch mit sieben Siegeln« (vgl. Offenbarung 5, 1)
Etliche dieser Sprüche sind uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir sie ständig im Gespräch mit unseren Mitmenschen wie ganz selbstverständlich verwenden. Meistens sind wir uns gar nicht bewusst, dass sie ihren Ursprung in der Bibel haben. Freilich kann der Sinn der Bibel nicht darin bestehen, unseren Sprachschatz zu erweitern, wenngleich man das als einen kleinen positiven Nebeneffekt betrachten könnte.
Die Bibel wird zu Recht als Heilige Schrift bezeichnet, weil sie von göttlich inspirierten Menschen verfasst worden ist. Die Bibel – sowohl das Alte wie das Neue Testament – stellt in der Tat eine schier unermessliche Fundgrube für jemanden dar, der auf der Suche nach geistigen Erkenntnissen ist. Es gibt kein bedeutenderes Wahr- und Weisheitsbuch. Daher ist es absolut folgerichtig, dass die Lehren der christlichen Kirchen in erster und entscheidender Linie auf ihren Offenbarungen fußen. Kein Kirchenvertreter oder Theologe würde sich anmaßen, etwas zu lehren, was im offensichtlichen Widerspruch zu den Aussagen der Bibel steht.
Jemand, der in einem christlichen Umfeld aufwächst, wird als Kind im Religionsunterricht vieles aus dem Alten und insbesondere aus dem Neuen Testament hören. Nun ist es aber so, dass zahlreiche Menschen, nachdem sie längst erwachsen sind, über das, was sie als Kind gelernt haben, nicht hinauskommen. Da sie sich nicht um tiefere Erkenntnisse bemühen und nicht die richtigen Fragen stellen, führt das häufig dazu, dass sie die Heilige Schrift nicht mehr ernst nehmen und bisweilen sogar verspotten. Insbesondere können sie nichts mit der Auferstehung des Erlösers verbinden. Vieles von dem, was in der Heiligen Schrift berichtet wird, verweisen sie ins Reich der Legenden. Allerdings gibt es auch etliche Erwachsene, die sich mit dem, was sie in jungen Jahren gelernt haben, begnügen und dieses mit ganzem Herzen glauben, ohne es zu verstehen.
Die Zeiten des naiven Glaubens sind aber seit über Hundert Jahren vorbei! Heute ist es unerlässlich, dass sich jeder mit ringender Seele und all seinen Erkenntniskräften bemüht, die Bibel, der die allerhöchsten göttlich-geistigen Wahrheiten zu entlocken sind, mehr und mehr zu verstehen. Nur ist das keineswegs so einfach, wie es sich anhören mag. Kein Mensch wird bestreiten, dass es ungeheuer kompliziert ist, etwa einen Computer zu bauen und zu programmieren oder auch nur, diesen einigermaßen verstehen und bedienen zu können. Wie sollte es da einfach sein, die größten göttlichgeistigen Weisheiten, die in die Bibel heineingeheimnisst sind, zu verstehen?! Wohl jeder, der schon einmal ernsthaft die Heilige Schrift studiert hat, wird kaum bestreiten, dass er an so mancher Bibelstelle schier verzweifelt ist, da er die eine oder andere Aussage überhaupt nicht zu verstehen vermochte, oder weil er den Eindruck gewonnen hat, dass sich so manche Begebenheiten, von denen die Bibel berichtet, nicht mit dem zu vertragen scheinen, was ein gescheiter Mensch heute über die Weltverhältnisse wissen kann. Des Weiteren kommen viele mit den vermeintlichen Widersprüchen, die sich insbesondere in den Evangelien befinden, nicht zurecht. Immer wieder muss man in unserer Zeit die Erfahrung machen, dass viele Zeitgenossen so manche Darstellungen, die in der Heiligen Schrift gegeben werden, verwerfen, weil sie mit den heute bekannten äußeren Weltentatsachen nichts zu tun zu haben scheinen.
Zahlreiche moderne Menschen glauben, dass vieles von dem, was die Bibel uns mitteilen möchte, nur symbolisch oder allegorisch gemeint sei und nicht wörtlich genommen werden dürfe. Einige vertreten sogar die absurde Auffassung, dass die Kreuzigung und insbesondere die Auferstehung des Herrn nur symbolisch verstanden werden dürfe. Das entspricht jedoch keineswegs den Tatsachen! Die Bibel will vielmehr – Satz für Satz – wortwörtlich genommen werden, allerdings nicht in dem Sinne, wie eine materialistische Anschauung das Wörtlichnehmen zu tun pflegt.2 Jedes Wort muss auf die Goldwaage gelegt werden. In der Heiligen Schrift steht – eine sachgemäße und gute Übersetzung der Urtexte vorausgesetzt – weder ein einziges unnötiges Wort noch fehlt etwas. Allerdings darf man die Worte nicht in einer naiven Weise zu verstehen suchen. Viele Worte oder Formulierungen darf man auch nicht so auffassen, wie sie im heutigen Sprachgebrauch üblicherweise aufgefasst werden. Wer das nicht beherzigt, wird an den Geist der Bibel nicht herankommen und vieles nicht im richtigen Sinne begreifen können.
Das soll anhand zweier sehr markanter Beispiele aus dem Alten Testament gezeigt werden.
Wie Sie wissen, wird uns ganz zu Beginn in der Schöpfungsgeschichte geschildert, wie Gott die gesamte Welt mit all ihren Wesen bis hin zum Menschen in sechs Tagen geschaffen habe. Bis heute gibt es immer noch etliche religiöse Fundamentalisten, die tatsächlich glauben, mit dem Begriff »Tag« sei hier der 24-stündige Zeitraum gemeint, den wir heute damit verbinden. Das wäre ein Beispiel dafür, dass man den Text zwar wörtlich nimmt, ihn aber in einem naiven Sinn interpretiert. Wir müssen uns vielmehr bemühen zu begreifen, was in der Genesis mit dem Wort »Tag« gemeint ist. Wie dieser Begriff wirklich zu verstehen ist, werden wir an späterer Stelle erläutern (Kapitel 2, S. →ff.).
Dann ist im 5. Kapitel der Genesis von einigen Urvätern des hebräischen Volkes die Rede, die ein unfassbar hohes Lebensalter erreicht hätten. So wird beispielsweise von Methusalem geschildert, dass er erst im Alter von sage und schreibe 969 Jahren gestorben sei. Man kann es doch mit Händen greifen, dass diese Altersangaben nicht im heutigen Sinne zu verstehen sind und dass sie trotzdem mit voller Berechtigung so in der Bibel stehen. Was diese wirklich bedeuten, werden wir ebenfalls später erklären (Kapitel 2, S. →ff.).
Die große Mehrheit der heutigen Menschheit kommt an den Geist der Bibel nicht mehr recht heran. Sie findet nur noch die toten Buchstaben vor. Von vielen Menschen wird die Bibel häufig in einer etwas sentimentalen Art zu verstehen gesucht. Man versucht sie so auszulegen, dass das persönliche religiöse Gemüt befriedigt wird. Die Bibel wird so zu einem ›Erbauungsbuch‹. Sie will aber ein Erkenntnisbuch sein. Der moderne Mensch muss heute erst wieder lernen, die Bibel in diesem Sinne zu lesen.3
Die Bibel ist von einer schier unendlichen Tiefe, die nach und nach ergründet werden will. Wie tief man auch immer in sie eingedrungen sein mag, hält sie immer noch neue Aspekte und Erkenntnisse bereit. Das gestand auch Martin Luther: »Ich hab nun 28 Jahre, seit ich Doktor geworden bin, stetig in der Bibel gelesen und daraus geprediget, doch bin ich ihrer nicht mächtig und finde noch alle Tage etwas Neues drinnen.«
Auch kommende Generationen werden in der Heiligen Schrift eine nie versiegende Quelle geistiger Erkenntnisse finden.
Nun könnte jemand fragen, auf welchem Wege man sich Erkenntnisse erwerben könne, die zu einem besseren Verständnis der Heiligen Schrift führen können. Da mag es gewiss verschiedene Wege geben. Der nach unserer Überzeugung beste und sicherste Weg besteht darin, die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft, kurz Anthroposophie, die der große Eingeweihte und Menschheitslehrer Dr. Rudolf Steiner der Welt vor rund 100 Jahren geschenkt hat, zu studieren. Auch wenn das ein langer und beschwerlicher Weg sein mag, so können doch kleinste Fortschritte schon einiges bewirken.
Aus unserer Sicht können zahlreiche Bibelpassagen erst dann verständlich werden, wenn man sie mit dem Erkenntnislicht der Anthroposophie beleuchtet. Durch sie findet man das geistige Hintergrundwissen, das nötig ist, um die Bibel zu entschlüsseln.
Rudolf Steiner ist bei all seinen Forschungen nie von den religiösen Urkunden ausgegangen. Erst jeweils im Nachhinein fand er die Resultate seiner Geistesschau durch die Texte dieser Urkunden bestätigt. In einem Vortrag über das »Johannes-Evangelium« sagte er dazu:
»[...] was geschehen ist im Laufe der Menschheitsentwickelung, das wird von der Geisteswissenschaft ganz unabhängig von allen Dokumenten erforscht; und dann erst, wenn der Geistesforscher mit den Mitteln, die unabhängig von einer jeden Urkunde sind, über die betreffenden Dinge geforscht hat und sie zu charakterisieren weiß, wird an die betreffende Urkunde herangegangen und nachgesehen, ob sich auch in den Urkunden findet, was man zunächst ganz unabhängig von einer jeden Überlieferung erforscht hat. Also alles, was über den Verlauf irgendwelcher Ereignisse in diesen Vorträgen gesagt wird, das ist nicht etwa bloß in dem Sinne gesagt, dass es aus der Bibel, aus den vier Evangelien geschöpft ist, sondern es sind die Ergebnisse der von allen Evangelien unabhängigen Geistesforschung. Aber bei jeder Gelegenheit soll darauf hingewiesen werden, dass alles, was der Geistesforscher erkunden und beobachten kann, in den Evangelien und namentlich im Johannes-Evangelium wiedergegeben wird.«4
Vermutlich hätte Steiner ohne seine Geistesschau die Bibel auch nicht recht verstehen können. Dadurch aber, dass er im Rahmen seiner äußerst umfangreichen geistigen Forschungen in das jeweilige Zeitgeschehen, von dem die einzelnen Begebenheiten der Bibel handeln, ›untertauchen‹ konnte, ›sah‹ er, was genau geschehen war und konnte es in Verbindung mit vielen weiteren seiner eigenen Forschungsergebnisse bringen.
Jetzt liegt ja die Frage auf der Hand, wie er dabei vorgegangen ist. Wie konnte er etwa wissen, was in der urfernen Zeit, von der die Schöpfungsgeschichte handelt, geschehen war? Genauso gut kann man fragen: Wie konnte es Moses, der etwa 1.300 Jahre vor unserer Zeitrechnung lebte, wissen?
Nun, beide waren begnadet, in der sogenannten »Akasha-Chronik« zu ›lesen‹. In diesem »kosmischen Weltengedächtnis« ist alles aufgezeichnet, was jemals im Kosmos geschehen ist. Auf dieses Thema werden wir an späterer Stelle noch ausführlich zu sprechen kommen ( Vorbereitung, S. →ff.).
Rudolf Steiner hat uns dank seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit, über die er in vielen Büchern schrieb und in Tausenden Vorträgen sprach, neben unzähligen anderen Erkenntnissen auch einen neuen Zugang zum Verständnis der Bibel erschlossen. Er wies darauf hin, dass die Menschen die Bibel verlieren würden, wenn sie diese nicht mit den Erkenntnissen der Geisteswissenschaft durchdringen werden ( Zitat, S. →).
In diesem Buch werden wir ganz wesentlich auf Rudolf Steiners Erkenntnisse zurückgreifen. Freilich können wir hier nur einen Bruchteil der Bibelverse betrachten. Insbesondere sollen solche beleuchtet werden, die besonders wichtig sind oder die heute von den meisten Zeitgenossen kaum oder gar nicht mehr verstanden werden. Der Leser kann sich aufgrund der folgenden Darstellungen aber vielleicht ein gewisses Rüstzeug erwerben, um dann selbst ein Verständnis anderer Passagen zu gewinnen. So kann ihm die Heilige Schrift mehr und mehr zu einem Erkenntnisbuch werden.
Auch darf nicht erwartet werden, dass die hier ausgewählten Bibelstellen bereits mit wenigen Sätzen erklärt werden könnten. Wir müssen vielmehr jeweils ein wenig ausholen und einige Bausteine aus dem großen Erkenntnisschatz der Anthroposophie zusammentragen. Viele Stellen der Heiligen Schrift können nur dann verstanden werden, wenn man sie in größere Zusammenhänge einordnet.
Somit kann dieses Buch auch als eine kleine Einführung in die Anthroposophie aufgefasst werden.
Es ist zu empfehlen, das Buch in der vorgegebenen Reihenfolge zu lesen.
Anmerkung:
Alle Bibelzitate aus dem Alten Testament sind in der Übersetzung, die auf Martin Luther zurückgeht, alle aus dem Neuen Testament – soweit nicht anders angegeben – in der von Heinrich Ogilvie, Gründungsmitglied und Priester der Christengemeinschaft, wiedergegeben.
Kurze Zitate sind in Fließtext, längere sind – insbesondere dann, wenn anschließend auf einzelne Verse Bezug genommen wird – der besseren Lesbarkeit wegen in tabellarischer Form gedruckt.
Alle in den Text eingebetteten Zitate Rudolf Steiners sind in einer anderen Schriftart gedruckt, um auf den ersten Blick als solche erkannt zu werden.
Zitate anderer Persönlichkeiten und Schriften sind kursiv gedruckt.
Alle Zitate in diesem Buch sind an die heute gültige Rechtschreibung angepasst.
Mensch,
du bist das zusammengezogene Bild der Welt.
Welt,
du bist das in Weiten ergossene Wesen des Menschen.
Rudolf Steiner1
Bereits im Vorwort wurde gesagt, dass es in unserer Zeit sehr schwierig ist, manche Verse und Darstellungen der Bibel richtig verstehen zu können. Das liegt ganz wesentlich daran, dass die Heilige Schrift von vielen Geschehnissen handelt, die sich nicht oder nicht ausschließlich in der uns bekannten und vertrauten Sinneswelt, sondern im Geistigen ereignet haben und nur von besonders begnadeten Menschen, die man Hellseher oder geistige Seher nennt, in einer Geistesschau wahrgenommen und schließlich geschildert werden konnten. Was man genau unter »Hellsichtigkeit« bzw. »Hellseher« oder »geistiger Seher« versteht, werden wir später erörtern ( S. →ff.).
Um zwei besonders markante Beispiele anzuführen, sei an die gesamte Schöpfungsgeschichte und an die Geheime Offenbarung gedacht. Alles, was Moses in der Genesis berichtet, hatte sich in urferner Vergangenheit abgespielt und konnte von ihm nur hellsichtig in der Akasha-Chronik, dem kosmischen Weltengedächtnis ( S. →ff.), geschaut werden. Das meiste, von dem Johannes in der Apokalypse schildert, wird sich erst in ferner Zukunft ereignen und konnte von ihm ebenfalls nur durch geistiges Schauen und somit in einem gänzlich anderen Bewusstseinszustand empfangen werden.
Diese sowie auch zahlreiche weitere Schilderungen können nur verständlich werden, wenn wir sie in größere geisteswissenschaftliche Zusammenhänge einordnen. Somit müssen wir in diesem vorbereitenden Kapitel zunächst einige grundlegende Erkenntnisse, wie man sie heute insbesondere der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft verdankt, darlegen. Wir müssen also im Folgenden einige ANTHROPOSOPHISCHE FACHAUSDRÜCKE erklären. Diese Grundbegriffe müssen in jedem Buch, das von geisteswissenschaftlichen Themen handelt, vorausgesetzt oder – so wie wir es hier bevorzugt haben – in einer kurzen Einführung erläutert werden.
Ein Verständnis dieser Fachbegriffe ist absolut notwendig, um die Heilige Schrift – insbesondere die Evangelien und die Geheime Offenbarung – mehr und mehr verstehen zu lernen. Diese Schriften wollen und müssen heute in ihrem tiefen spirituellen Sinn verstanden werden. Nur so kann uns die Bibel das werden, was sie uns werden kann und soll: ein Erkenntnisbuch.
Die Heilige Schrift wurde von göttlich inspirierten Menschen verfasst. Sie handelt ganz wesentlich von Menschen und ist für uns Menschen geschrieben.
Folglich liegt es nahe, dass wir uns zunächst einmal mit der Frage beschäftigen müssen, was eigentlich ein Mensch ist.
Viele unserer Mitmenschen, die an der Reinkarnationsidee ( S. →ff.), also an der Lehre von den wiederholten Erdenleben, und vielleicht sogar an der nachtodlichen Existenz des Menschen zweifeln, stellen sich die absolut berechtigte Frage: Was am oder im Menschen ist unsterblich? Welche ›Instanz‹ im Menschen ist es, die den Tod überdauert und durch die vielen Erdenleben schreitet? Auch könnte man sich die Frage vorlegen, was den Menschen eigentlich von den höheren Säugetieren unterscheidet.
Noch vor etwa 100 Jahren waren nahezu alle Menschen ganz von der Überzeugung erfüllt, dass der Mensch göttlichen Ursprungs ist und dass er eine Seele in sich trägt, die den Tod überdauert. Allerdings gab es in dieser Zeit nur verschwindend wenige, die das Gesetz der wiederholten Erdenleben gedanklich klar erfassen konnten, sofern sie überhaupt schon einmal etwas davon gehört haben sollten. Selbst in der Gegenwart zweifelt noch immer die Mehrheit der Menschen an dem Reinkarnationsgesetz.
In den letzten Jahrzehnten hat sich die materialistische Weltanschauung immer mehr verbreitet. Gemäß dieser heute vorherrschenden Ideologie geht man davon aus, dass der Mensch sich im Zuge der Evolution aus der Tierheit entwickelt habe. Man sieht in dem Menschen im Grunde nichts weiter als einen hochentwickelten Affen. Für göttliche Schöpfermächte ist in unserer heutigen Wissenschaft kein Platz mehr. Somit hält man auch ein Leben nach dem Tod für reines Wunschdenken und die Reinkarnation für einen Unsinn.
Etliche Zeitgenossen, die dieser Weltanschauung anheimgefallen sind, identifizieren ihr Wesen ganz mit ihrem Körper, ihrem PHYSISCHEN LEIB, den sie als ihr einziges ›Wesensglied‹ betrachten. Diesen Leib, den man auch STOFFLICH-MINERALISCHEN LEIB nennen könnte, haben die Wissenschaftler bis zu einem hohen Grad erforscht. Seine Funktionen können sie weitgehend erklären, wenngleich auch hier der alte Satz gilt: »Das Wissen von heute ist der Irrtum von Morgen!« Die vielen geistig-seelischen Tätigkeiten des Menschen – wie etwa Denken, Erinnern, Fühlen und Wollen – glaubt man, auf physiologische Wirkfaktoren und Funktionen zurückführen zu können. Im Zweifelsfall müssen das Gehirn oder das Nervensystem herhalten, wenn es darum geht, die Urheber und die Auslöser für solche Tätigkeiten zu suchen. Aufgrund dieser falschen Voraussetzung können auch alle geistig-seelischen Tätigkeiten des Menschen nicht im rechten Licht gesehen und nicht richtig beurteilt werden, weil man ihre Ursachen im physischen Leib sucht. Alles, was die Wissenschaftler über die Wesenheit des Menschen zu sagen haben, bezieht sich ausschließlich auf den physischen Leib – etwas überspitzt formuliert sogar nur auf den menschlichen Leichnam.
Dieser physische Leib ist fürwahr ein absolut großartiges und vollkommenes Wunderwerk. Wenn man etwa an den großartigen Bau sowie die wunderbaren Funktionen des Herzens oder des Gehirns denkt, wird keiner bestreiten, dass es sich hierbei um ganz außergewöhnlich vollkommene und verehrungswürdige Organe handelt. Selbst wenn man nur scheinbar eher unbedeutende Teile des menschlichen Körpers, denen man oftmals gar keine Aufmerksamkeit schenkt, etwas näher betrachtet, so kann man nur ehrfürchtig und demütig staunen.
»Wenn Sie von diesem physischen Leib meinetwillen nur ein Stück Oberschenkelknochen nehmen, den obersten Teil des Oberschenkelknochens, so ist das nicht eine massive Masse, das ist ein weiser Bau, wunderbar aus kleinen Balken zusammengefügt. Wenn Sie studieren, wie die feinen Balken zusammengefügt sind, werden Sie finden, dass alles so gebaut ist, dass es mit dem kleinsten Aufwand von Substanz das größte Ausmaß von Kraft hervorbringt, damit durch diese beiden Säulen des Oberschenkelknochens der Oberkörper getragen werden kann. Auch die vollendetste Ingenieurkunst kann heute nicht mit einer solchen Weisheit eine Brücke oder irgendein Gerüst aufbauen, wo mit einem so kleinen Aufwand von Material ein so großes Ausmaß an Kraft entfaltet wird.«2
Dennoch ist dieser wunderbare Leib, wie jeder weiß, sterblich. Nach dem Tode löst er sich durch Verbrennung oder Verwesung wieder in diejenigen chemischen Bestandteile auf, aus denen er gebildet wurde. Ein Materialist, der ja der Auffassung ist, dass sich das menschliche Wesen mit seinem physischen Leib erschöpft, denkt somit absolut folgerichtig! Wenn dieser stofflich-mineralische Leib alles wäre, was den Menschen ausmacht, wenn er sein einziges Wesensglied wäre, dann wäre es ein Unsinn, von einem Leben nach dem Tod oder gar von Reinkarnation zu sprechen, da dieser Leib nach dem Tode verwest und letztlich ganz verschwindet! Aber wie wir im Folgenden sehen werden, ist die Annahme, dass das menschliche Wesen mit seinem physischen Leib erschöpft sei, ein gewaltiger Irrtum!
Vom ›wahren‹ Menschen kennt man nur sehr wenig, wenn man ausschließlich seinen physischen Leib seziert und erforscht, wie das die Wissenschaftler machen. Um verstehen zu können, was am Menschen unsterblich ist, also den Tod überdauert und durch die wiederholten Erdenleben schreitet, müssen wir wissen, was den Menschen in seiner gesamten Wesenheit wirklich ausmacht. Wir müssen einen kurzen Blick auf die »Wesensglieder«3 des Menschen werfen ( auch Anhang, Tabelle 1, S. →).
Jeder heutige Mensch besitzt über seinen physischen Leib hinaus noch drei weitere höhere Wesensglieder, welche diesen durchdringen. Die gesamte menschliche Organisation, die aus vier Wesensgliedern besteht, zeigt sich nur der Anschauung eines mit Hellsichtigkeit begabten Menschen. Für einen Durchschnittsmenschen scheinen die drei höheren Glieder nicht zu existieren. Wenn sich ein solcher aber über die Aufgaben und Wirkungsweise dieser unsichtbaren Glieder informiert, so kann er zumindest ihre Offenbarungen wahrnehmen.
Die drei übersinnlichen menschlichen Wesensglieder und ihre Funktionen, die wir im Folgenden kurz erläutern wollen, waren den Weisen aller früheren Epochen bis zurück in die urindische Kultur vor gut 8.000 Jahren bekannt. Natürlich wurden den Wesensgliedern damals andere Namen gegeben. Wir wollen uns hier an die Bezeichnungen halten, die in der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft Rudolf Steiners verwandt werden.
Man könnte sich ja einmal fragen, warum Menschen, Tiere und Pflanzen im Gegensatz zu den Mineralien Lebewesen sind, warum sie wachsen und zur Fortpflanzung bzw. Vermehrung fähig sind. Die dazu benötigten ursächlichen Kräfte sind gewiss nicht in dem physischen Leib zu finden, denn über einen solchen verfügen die Mineralien auch.
Nun besitzt der Mensch neben seinem physischen Leib zunächst noch einen ÄTHERLEIB, den man auch LEBENSLEIB oder BILDEKRÄFTELEIB nennt. Der Ätherleib ist das unterste übersinnliche Wesensglied. Ohne diesen ätherischen Leib könnte in dem stofflich-mineralischen Leib kein Leben sein. Somit haben nicht nur Menschen, sondern alle Lebewesen, also auch Pflanzen und Tiere, einen solchen Leib.
Der Ätherleib ist gewissermaßen der ›Aufbauer‹ oder der ›Architekt‹ des physischen Leibes, der sich aus dem ätherischen herauskristallisiert. Der physische Mensch ist nach Maßgabe seines Ätherleibes gebildet. Dieser übersinnliche Leib ist der Träger der Wachstums- und Fortpflanzungskräfte, aber auch des Gedächtnisses, der Temperamente, der Gewohnheiten, der Neigungen und des Gewissens. Der menschliche Ätherleib ist wie der physische Leib bis zu einem gewissen Grad den Gesetzen der Vererbung unterworfen. Das Physische am Menschen wird meistens aus der väterlichen, das Ätherisch-Astralische aus der mütterlichen Linie vererbt. Goethe drückte das so aus: »Vom Vater hab ich die Statur, des Lebens ernstes Führen, vom Mütterchen die Frohnatur und Lust zu fabulieren.«
Beim heutigen erwachsenen Menschen hat der Ätherleib etwa die gleiche Form wie der physische Leib, den er allerdings an allen Seiten ein wenig überragt. Dem Blick eines Hellsehers stellt sich der menschliche Ätherleib als innerlich leuchtendes, durchscheinendes, aber nicht ganz durchsichtiges Kraftgebilde dar. Der ätherische Leib ist ähnlich organisiert wie der physische, nur sehr viel komplizierter. Er ist nicht nur mit feinen Äderchen und Strömungen durchzogen, sondern er hat auch Organe, ein ÄTHERHERZ, ein ÄTHERGEHIRN usw.
Es ist ja nicht verwunderlich, dass unsere Wissenschaft so verhältnismäßig wenig über das Gedächtnis weiß, da sie ja seinen Sitz im physischen Gehirn sucht. Dieses Gehirn ist in der physischen Welt aber nur vonnöten, damit etwas Erinnertes, also aus dem ätherischen Gehirn Heraufgeholtes, zum Bewusstseinsinhalt werden kann. Das physische Gehirn ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Werkzeug bzw. ein ›Spiegelungsapparat‹. Zu Lebzeiten wird der ätherische Leib mit seinen Gedächtniskräften sehr stark vom physischen Leib eingeschränkt. Um etwas Erinnertes freigeben zu können, ist er auf die vermittelnden Dienste des physischen Organismus angewiesen.
Wenn das physische Gehirn einen Schaden hat – wie das etwa bei einer Demenzerkrankung der Fall ist –, so ist es kein reiner Spiegel mehr, so dass es viele Erinnerungen aus dem Ätherleib nicht mehr spiegeln und somit auch nicht zum Bewusstsein bringen kann. Das, woran sich ein Mensch in seinem Erdenleben – zumindest einigermaßen – zu erinnern vermag, bildet nur eine verschwindend geringe Teilmenge aller im Ätherleib aufbewahrten Erinnerungen. Der ätherische Leib ist ein treuer Bewahrer von allem, was der Mensch jemals erlebt hat. Auch solche Ereignisse bzw. Erlebnisse, die nie die Bewusstseinsschwelle überschritten haben, an die sich der Mensch also im Erdenleben niemals erinnern könnte, sind hier einverwoben.
Der Ätherleib bleibt im Erdenleben immer, auch im Schlafe, mit dem physischen Leib verbunden. Erst im Augenblick des Todes trennt er sich endgültig von diesem ab. Dann ist er auch frei von dem starren physischen Gehirn, das ihn nun nicht mehr einschränken kann. Dadurch werden sämtliche Erinnerungen an das abgelegte Erdenleben frei. Über einen Zeitraum von etwa drei Tagen kommt es dann für den Verstorbenen zu einem grandiosen Erlebnis: Er sieht wie in einem gewaltigen Panorama alle Bilder seines verflossenen Lebens. Dieser Lebensrückblick kann bereits dann zustande kommen, wenn sich nur ein Teil des ätherischen Leibes löst, wie das etwa bei Menschen der Fall sein kann, die schon ganz nah an der Schwelle des Todes stehen. So ist auch zu erklären, dass viele Sterbende kurz vor ihrem Tod zahlreiche Bilder ihres sich dem Ende zuneigenden Lebens wahrnehmen können. Hierbei tauchen häufig auch Erinnerungen auf, die sie in normalem Bewusstseinszustand nicht abrufen könnten. Auch viele Menschen, die Nahtod-Erfahrungen hatten, berichten von dieser höchst eindrücklichen Lebensrückschau.
Wenige Tage nach dem Tod wird der weitaus größte Teil des ätherischen Leibes in den Kosmos einverwoben. Nur einen kleinen Teil nimmt der Mensch als unvergängliche Essenz auf seinen weiteren nachtodlichen Weg sowie ins nächste Erdenleben mit.
Man könnte jetzt weiter fragen, warum Menschen und Tiere im Gegensatz zu Pflanzen Gefühle, Empfindungen, Begierden und Triebe haben. Diese können offensichtlich weder im physischen noch im ätherischen Leib gefunden werden, denn einen solchen haben die Pflanzen auch.
Der Mensch besitzt über den physischen und ätherischen Leib hinaus noch ein weiteres immaterielles Wesensglied, das die ätherische Hülle umschließt: den sogenannten ASTRALLEIB. Innerhalb dieses Leibes erscheint das Eigenleben des Menschen. Es drückt sich dadurch aus, dass dieser Lust oder Unlust, Freude oder Schmerz usw. erlebt.
Der Astralleib ist der Träger von Gefühlen, Begierden, Trieben, Wünschen, Leidenschaften und dergleichen. Durch ihn werden Sympathien und Antipathien erregt. Die Fähigkeit, solche Empfindungen zu erleben, teilt der Mensch nur mit den Tieren, die auch einen solchen übersinnlichen Leib besitzen. Auch hier ist es natürlich wieder so, dass der Mensch, solange er auf der Erde verkörpert ist, des Nervensystems bedarf, damit sich etwa die Schmerzen kundtun können.
Der astralische Leib ist auch der Träger des sogenannten Unterbewusstseins, das man auch ASTRALISCHES BEWUSSTSEIN nennt und das nicht mit dem Selbstbewusstsein verwechselt werden darf. Dieses ist ungleich weiser als unser Tages- oder Oberbewusstsein.
Dem hellsichtigen Menschen zeigt sich das Bild des Astralleibes als eine Art ›Lichtwolke‹, die sogenannte AURA, die den physischen und ätherischen Leib umhüllt und den Kopf etwa um zwei bis drei Kopflängen überragt. Diese eiförmige Aura glänzt in den unterschiedlichsten Farben, je nach den jeweiligen Begierden, Trieben usw. Der Astralleib löst sich im Schlafe aus seiner Organisation mit den beiden übrigen Leibern. Dann gehört es unter anderem zu seinen Aufgaben, den physischen Leib zu erfrischen und Abnutzungserscheinungen auszugleichen.
Der Mensch verliert nach dem Tod seinen Astralleib zunächst nicht. In der ersten Zeit, nachdem er die Schwelle des Todes überschritten hat, muss er sich seiner niedrigen Begierden und Triebe entwöhnen, um später die Anwartschaft für die geistige Welt bzw. den Himmel ( S. →f.) gewinnen zu können. Der Verstorbene legt im Durchschnitt erst einige Jahrzehnte, nachdem er durch die Pforte des Todes gegangen ist, den größten Teil seines astralischen Leibes ab. Nur einen eher kleinen Extrakt nimmt er als Frucht seines Lebens mit auf seinen weiteren Weg durch die höheren Welten.
Die Frage, was vom Menschen unsterblich ist und durch die vielen Erdenleben schreitet, steht immer noch im Raum. Der physische Leib löst sich nach dem Tod völlig in der Erdenwelt auf, und von den beiden anderen Leibern nimmt der Mensch nur einen gewissen Teil als unvergängliche Essenz mit auf seinen weiteren Weg. Hätte der Mensch nur diese drei Wesensglieder, so wäre es immer noch unsinnig, wenn man sagen würde, dass er unsterblich sei und ewig existiere.
Nun besitzt aber der Mensch in der Tat noch ein viertes Wesensglied, das ihn weit über das Tierreich erhebt: Das ICH bzw. den ICH-LEIB. Hätte der Mensch nicht dieses Ich, so hätten die ›Jünger‹ Darwins recht; dann wäre der Mensch nur ein hochentwickelter Affe.
Dieses Wesensglied, das sich einem Hellseher als bläuliche Hohlkugel im Stirnbereich zwischen den Augen zeigt, ist genau wie der Astralleib ein Bewusstseinsträger. Dieses an das Ich gekoppelte Bewusstsein, das ICH-BEWUSSTSEIN oder SELBST-BEWUSSTSEIN, leuchtet im Erdendasein eines Menschen etwa im dritten Lebensjahr erstmals auf. Ab diesem Zeitpunkt kann sich ein Kind seelisch als ein »Ich« bezeichnen. Es wird fähig, dieses Wort richtig zu verwenden. Es wird dann nicht mehr sagen »Maxi möchte einen Keks«, sondern »Ich möchte einen Keks«. Die übliche Erinnerung, die ein Mensch in seinem Erdenleben hat, reicht höchstens bis zu diesem Ereignis zurück.
Das Ich ermöglicht es dem Menschen, sich als eigenständiges und seiner selbst bewusstes Wesen erkennen und von seinen Mitmenschen und seiner Umgebung abgrenzen zu können. Jeder Mensch kann sich selbst als ein »Ich bin« wahrnehmen. DasIch, das man auch als SELBST bezeichnen könnte, erlaubt ihm, sich über seine bloßen Gefühle und Triebe hinaus selbst zu bestimmen. Dadurch kann er dazu kommen, ordnende Begriffe und Gedanken zu bilden. Das Ich macht es dem Menschen möglich, aus eigenem Antrieb heraus tätig zu werden und moralischen Idealen nachzustreben, anstatt nur blind seinen Trieben zu folgen, wie es bei den Tieren der Normalfall ist.
Nicht einmal ein krasser Materialist kann leugnen, dass es im Menschen eine ›Instanz‹ gibt, die über diejenigen Fähigkeiten verfügt, die wir dem Ich zuschreiben müssen. Allerdings wird er heftig bestreiten, dass es sich dabei um etwas Eigenständiges, Immaterielles handele. Vielmehr wird er diese Fähigkeiten auf irgendwelche Gehirnfunktionen zurückführen. Wenn ein solcher ehrlich und konsequent wäre, dürfte er aber auch nicht sagen: »Ich denke.« Stattdessen müsste er eigentlich sagen: »Mein Gehirn denkt.«
Dieses Ich ist nichts geringeres als der »geistig-seelische Wesenskern« des Menschen, der als »göttlicher Funke« in ihm lebt.
»Wir müssen uns klar sein, dass wir zunächst in uns haben den geistig-seelischen Wesenskern, den wir zusammenfassen in seinem Mittelpunkt, wenn wir ›Ich‹ oder ›Ich bin‹ sagen. Dieser geistig-seelische Wesenskern ist eingebettet in den Astral-, Äther- und physischen Leib. So wie der Mensch jetzt in der Welt lebt, leben wir eigentlich, wenn wir innerlich leben, in unserem Ich; denn alle Seelentätigkeiten sind bei dem wachen Menschen mit dem Ich in irgendeiner Weise verknüpft, erscheinen gleichsam alle auf dem Hintergrunde des Ich.«4
Wenn man sagt, das Ich sei der »göttliche Funke«, so ist das natürlich nicht so zu verstehen, als wären das Ich und Gott ein und dasselbe. Gemeint ist vielmehr, dass das menschliche Ich von der gleichen Art und Wesenheit mit dem Göttlichen ist.5
»Heute Nacht während des Schlafes war ich im Bett.« Wenn jemand diesen Satz hört, so wird er es für eine zutreffende Aussage halten. Sie ist aber nicht korrekt! Vielmehr ist es so, dass der Astralleib und das Ich während des Schlafes nicht in der menschlichen Organisation verbleiben. Während der physische Leib und der Ätherleib im Bette liegen, gehen die beiden höheren Wesensglieder in eine geistige Sphäre, in der sie bestimmte Erlebnisse haben, die nach dem Aufwachen allerdings nicht die Bewusstseinsschwelle des Menschen überschreiten. Vieles von diesen Erlebnissen taucht nach dem Tod vor dem »Seelenauge« auf.
Das Ich ist unsterblich und unvergänglich. Nach dem Tod ist es das einzige ureigene Wesensglied, das dem Menschen vollständig erhalten bleibt. Das Ich geht durch die vielen Erdenleben, die der Mensch im Zuge seiner geistig-seelischen Evolution durchzumachen hat. Auch Goethe wusste, dass das Ich den Tod überdauert und unauslöschlich ist. »Der Körper wird wie ein Kleid zerreißen, aber ich, das wohlbekannte Ich, ich bin.«
Der heutige Mensch ist also, wenn er auf der Erde wandelt, ein viergliedriges Wesen, das aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich besteht. Diese Wesensglieder darf man sich beim wachenden Menschen nicht als voneinander getrennt vorstellen. Sie sind vielmehr zusammenhängend und durchdringen sich gegenseitig.
Was vielen Theologen heute nicht mehr bekannt ist, ist die Tatsache, dass es schon im ersten nachchristlichen Jahrhundert christlich-esoterische Schulen gab, in denen um ein tieferes Verständnis gerungen wurde. Vom Apostel Paulus sind eigentlich nur seine Briefe überliefert, die er an seine Gemeinden richtete. Sie waren für das gemeine Volk bestimmt. Paulus war aber auch der Begründer einer esoterischen Schule, in der sehr intime Wahrheiten gelehrt wurden. Zu diesen gehörte auch die Erkenntnis vom viergliedrigen Menschen.
Auf dieses derzeit höchste Wesensglied des Menschen werden wir später noch des Öfteren zurückkommen.
Das Ich ist das höchste Wesensglied, das ein heutiger Mensch besitzt. Wie wir schon gesehen haben, erhebt dieses Ich den Menschen weit über die Tierheit – selbst über die Tiere, die man zu den höheren zählt. Nun kann man sich einmal fragen, ob dieses Ich, das ja das Geistig-Seelische im Menschen repräsentiert, nicht auch am Leiblichen des Menschen tätig ist bzw. sich am Leiblichen offenbart. Dabei kann es sich nur um solche Offenbarungen handeln, die man bei einem Tier nicht beobachten kann.
Dazu muss man nur die Physiognomie des Menschen betrachten. Diese ist in sich viel beweglicher als die des Tieres. Sie ist nicht so in der Form erstarrt, wie das beim Tier der Fall ist.
»Wir können das ja schon an der beweglichen Physiognomie des Menschen sehen. Sehen Sie sich die im Grunde genommen unbewegliche Physiognomie des Tieres an, wie sie Ihnen entgegentritt in ihrer Starrheit. Und sehen Sie sich dagegen die bewegliche Menschenform an mit ihren Änderungen in den Gesten, in der Physiognomie und so weiter. Sie werden sich daraus sagen können, dass der Mensch innerhalb der Grenzen, die ihm allerdings angewiesen sind, eine gewisse Beweglichkeit hat, dass es ihm überlassen worden ist in einer gewissen Weise, selber die Form sich aufzuprägen dadurch, dass sein Ich in ihm wohnt.«6
An dem menschlichen Antlitz kann man die Ich-Wirksamkeit sehr gut studieren. Das Antlitz des Menschen ist geradezu eine ›Offenbarungsfläche‹ des Ichs, des geistigseelischen Wesenskerns. Im Gegensatz zu Tieren kann der Mensch erröten, wenn er etwa zornig ist, wenn er sich schämt oder wenn er sich bei einer Lüge oder einer Dummheit, die er gemacht hat, ertappt fühlt. Genauso gut kann er erbleichen, wenn er beispielsweise sehr erschrocken ist oder wenn er gerade eine erschütternde Nachricht bekommen hat. Wenn man weiß, dass das Blut gewissermaßen der äußere Ausdruck des Ichs ist, kann einem das Erröten oder Erblassen als Wirkung einer Ich-Tätigkeit klar werden.
»Wenn der Mensch sich schämt, so ist es, wie wenn er bewirken wollte, dass seine Umgebung etwas nicht sieht, was in ihm geschieht; es ist wie etwas verbergen wollen, was im Schamgefühl des Menschen vor sich geht. Und was bewirkt dieses seelische Erlebnis physisch im Menschen? Es treibt die Schamröte ins Gesicht, das Blut steigt ins Gesicht. Was geschieht also unter dem Eindrucke eines seelisch-geistigen Ereignisses, wie es das Schamgefühl ist? Eine Umwandlung, eine andere Zirkulation des Blutes! Das Blut wird von innen nach der Peripherie, nach außen hin getrieben. Das Blut wird in seinem Laufe – das ist eine physikalische Tatsache – geändert durch eine geistig-seelische Tatsache! Wenn der Mensch erschrickt, so will er sich schützen gegen etwas, was er als bedrohlich ansieht: er wird blass, das Blut zieht sich zurück von der äußeren Oberfläche. Wiederum haben wir einen äußeren Vorgang, hervorgerufen durch einen geistig-seelischen, durch Furcht und Schreck. Erinnern Sie sich, dass das Blut der Ausdruck des Ich ist. Was wird denn der Mensch wollen, wenn er etwas Bedrohliches herankommen sieht? Er wird eben seine Kräfte zusammennehmen und stark werden lassen im Mittelpunkte seines Wesens. Das Ich, das sich zusammennehmen will, zieht auch das Blut in den Mittelpunkt seines Wesens zurück.«7
Es gibt etliche weitere physiognomische Veränderungen, die man in Abhängigkeit von dem, was das Ich erlebt und empfindet, wahrnehmen kann: etwa die gerümpfte Nase, die hochgezogenen Augenbrauen, die in Falten gelegte Stirn, das Aufreißen der Augen und viele mehr.
Dann kennen wir noch etwas Weiteres, was nur einem ich-begabten Wesen möglich ist: Lachen und Weinen. Tiere können weder lachen noch weinen. Es gibt allenfalls einige wenige Tierarten, die grinsen oder heulen können. Lachen und Weinen stellen einen feinen, intimen Ausdruck der Ichheit in der Leiblichkeit dar. Was geschieht denn eigentlich, wenn der Mensch weint?
»Weinen kann nur dann entstehen, wenn das Ich sich in irgendeiner Beziehung schwach fühlt gegenüber dem, was es in der Außenwelt umgibt. [...] Der Mensch als der Besitzer einer Ichheit fühlt einen gewissen Missklang, eine gewisse Disharmonie in seinem Verhältnis zur Außenwelt. Und dieses Fühlen der Disharmonie kommt zum Ausdruck dadurch, dass er sich dagegen wehrt, dass er sozusagen ausgleichen will. Wie gleicht er aus? Dadurch, dass sein Ich den astralischen Leib zusammenzieht. Wir können sagen: In der Trauer, die sich im Weinen auslebt, fühlt sich das Ich in einer gewissen Disharmonie mit der Außenwelt, die es dadurch auszugleichen sucht, dass es den astralischen Leib in sich selber zusammenzieht, seine Kräfte gleichsam zusammenpresst. – Das ist der geistige Vorgang, der dem Weinen zugrunde liegt.«8
Dem Lachen hingegen liegt der entgegengesetzte Vorgang zugrunde: Das Ich dehnt den Astralleib aus.
»Das Ich sucht den astralischen Leib in einer gewissen Weise schlaff werden zu lassen, seine Kräfte mehr in die Breite gehen zu lassen, ihn auszudehnen. Während durch das Zusammenziehen der weinerliche Zustand hervorgerufen wird, wird durch das Erschlaffenlassen, durch das Ausdehnen des astralischen Leibes das Lachen herbeigeführt. Das ist der geistige Befund. Jedes Mal wenn Weinen vorliegt, kann das hellseherische Bewusstsein konstatieren ein Zusammenpressen des astralischen Leibes durch das Ich. Jedes Mal wenn Lachen vorliegt, kommt ein Ausdehnen, wie ein Breiterwerden, ein Bauchigerwerden des astralischen Leibes zustande durch das Ich. Nur dadurch, dass das Ich innerhalb der menschlichen Wesenheit tätig ist, dass es nicht als Gruppen-Ich [Kapitel 2, S. →ff.] von außen wirkt, kommt Lachen und Weinen zustande.«9
Alle geschilderten Phänomene spiegeln sich in leiblichen Vorgängen wider, weil eben das, was geistiger Natur ist, beim Menschen seinen Ausdruck in der Leiblichkeit findet. Die Leiblichkeit ist eben nur die Physiognomie der Geistigkeit, gewissermaßen der bis zur äußeren Sichtbarkeit ›verdichtete‹ Geist.
Wir müssen jetzt noch in aller Kürze erörtern, wie man diese Viergliedrigkeit des Menschen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich) mit der schon seit früheren Zeiten üblichen Dreigliederung, nach welcher der Mensch aus KÖRPER, SEELE und GEIST besteht, in Einklang bringen kann. Die Begriffe »Seele« und »Geist« sind ja ganz fundamentale, die man in ihrer Bedeutung verstehen sollte. Alles, was Psychologen und Psychoanalytiker zum Verständnis der Seele beitragen können, ist mehr als dürftig und zum Teil stark materialistisch gefärbt. Mit dem Begriff »Geist« können sie im Grunde gar nichts rechtes mehr verbinden.
Wie sind nun diese Begriffe im anthroposophischen Sinne zu verstehen? Der Begriff KÖRPER dürfte hier die wenigsten Schwierigkeiten bereiten. Damit ist dasjenige gemeint, wodurch sich dem Menschen die äußeren Phänomene der Sinneswelt offenbaren. Er besteht aus dem physischen und dem ätherischen Leib, die ja, solange der Mensch im Erdenleben weilt, immer fest miteinander verbunden sind.
Mit dem Wort SEELE soll auf all dasjenige hingedeutet werden, wodurch der Mensch die Dinge, die der Leib wahrgenommen hat, mit seinem eigenen Dasein verknüpft, wodurch er also etwa Lust oder Unlust, Freude oder Leid erfährt. Die Seele ist im Menschen tätig und durchdringt alle Verrichtungen des Körpers. Die wesentlichen Kräfte der Seele sind Sympathie und Antipathie. Das Ich und der Astralleib, insbesondere soweit er die Hülle des Ichs ist, stellen – sehr vereinfacht dargestellt – die menschliche Seele dar. Das Ich blitzt in der Seele auf und empfängt aus dem Geiste den Einschlag.10
Der Mensch kann sich in seinem Denken, Fühlen und Wollen seelisch betätigen. Alle diese Seelentätigkeiten sind beim wachenden Menschen unmittelbar mit seinem Ich verknüpft. Die Seele ist das Bindeglied von Körper und Geist, zwischen denen sie vermittelnd tätig ist.
Die Seele ist eigentlich etwas höchst Kompliziertes. Man muss nämlich drei Glieder unserer Seele bzw. unseres Seelenlebens unterscheiden: EMPFINDUNGSSEELE, VERSTANDES- oder GEMÜTSSEELE und BEWUSSTSEINSSEELE. Die menschliche Seele besteht also aus drei Teilen bzw. Komponenten, die nach und nach veranlagt und dann durch eine unbewusste Arbeit des Ichs weiterentwickelt wurden bzw. immer noch werden.
Bei diesen drei Seelengliedern handelt es sich nicht um etwas Abstraktes oder von einem klugen Menschen logisch Kombiniertes und willkürlich Eingeteiltes. Man hat es vielmehr mit ganz konkreten Wesensgliedern zu tun, die ein hellsichtiger Mensch im Astralleib als Teile oder Modifikationen desselben wahrzunehmen vermag. Erst diese drei Glieder ergeben das, was man die »menschliche Seele« nennt. Man kann diese drei Glieder nicht einfach den Kräften des Denkens, Fühlens und Wollens gleichsetzen, denn diese eignen allen drei Gliedern.
Diese drei Seelenglieder sollen nun ein wenig charakterisiert werden.
Die EMPFINDUNGSSEELE ist das unterste Seelenglied des Menschen. Sie ist im Grunde ein umgewandelter Teil des Astralleibes. Diese Umarbeitung hat der Mensch selbst – allerdings unbewusst – vorgenommen. Durch dieses Seelenglied vermag es der Mensch, sich durch Wahrnehmung, also durch Sinneseindrücke mit der Außenwelt in Verbindung zu setzen. Die Empfindungsseele ist aber auch der Sitz von Trieben, Begierden, Leidenschaften und Willensimpulsen (vgl. »Astralleib«). Sie waltet, wenn der Mensch einen Eindruck von außen empfängt, aber auch wenn Leidenschaften oder Affekte wie Zorn oder Angst aufsteigen. Durch seine Empfindungsseele ist der Mensch mit den Tieren verwandt.
Die Empfindungsseele hängt auch mit den menschlichen Gedächtniskräften zusammen, deren Träger der Ätherleib ist. Diesem werden die Spuren unserer sinnlichen Erlebnisse und Eindrücke einverwoben. Die Empfindungsseele vermittelt dem ätherischen Leib diese Bildekräfte und kann sie dem Menschen später aus diesem wieder als seelisches Bild gegenwärtig machen.
Die dämmerhafte, unbewusste Arbeit des Ichs am Astralleib zur Ausbildung der Empfindungsseele erreichte ihren Höhepunkt vor gut 4.000 Jahren in der sogenannten ägyptisch-babylonischen Kulturepoche (Kapitel 2, S. →f.). Im Grunde kann man erst seit dieser Zeit davon sprechen, dass der Mensch dieses Seelenglied, das das älteste und in gewisser Weise niedrigste ist, besitzt.
Die VERSTANDES- oder GEMÜTSSEELE wird dadurch ausgebildet, dass das Ich unbewusst am Ätherleib arbeitet und das Ergebnis dieser Tätigkeit in den Astralleib zurückgespiegelt wird. Somit kann man dieses Seelenglied vielleicht nicht als Teil, sondern eher als eine Modifikation des Astralleibes bezeichnen. Erst durch dieses Seelenglied wird der Mensch in gewissem Sinne eine selbständige Seele. Ein mit Hellsichtigkeit begabter Mensch erkennt die Verstandesseele als eine eigenständige Wesenheit gegenüber der Empfindungsseele.
Genau wie die Empfindungsseele arbeitet auch die Verstandesseele mit dem, was ihr durch die Eindrücke, die sie durch die Wahrnehmungen in der äußeren Welt haben kann, zukommt sowie mit allem, was sie davon in der Erinnerung bewahrt. Sie stellt das Denken in ihren Dienst.
Über dieses Seelenglied verfügt der Mensch erst seit ein paar Jahrtausenden. Ihren Höhepunkt erreichte die Arbeit an der Verstandesseele in der griechisch-lateinischen Kulturepoche vor gut 2.000 Jahren (Kapitel 2, S. →ff.).
Die BEWUSSTSEINSSEELE ist das höchste Seelenglied, die sich dadurch weiter ausbildet, dass das Ich unbewusst am physischen Leib arbeitet. Diese Tätigkeit wird wiederum in den Astralleib zurückgespiegelt. Dieses Seelenglied ist der Kern des menschlichen Bewusstseins. In der Bewusstseinsseele führt das reine Denken, das losgelöst ist von Sympathien und Antipathien, zur Wahrheit und zum sittlich Guten. Es ist der Teil der Seele, in dem der Mensch in einem starken Ich seine individuelle Freiheit erlangen kann.
Das Ich des Menschen ist in allen drei Seelengliedern tätig. Aber erst in der Bewusstseinsseele ist das menschliche Selbstbewusstsein so recht vorhanden.
Die Arbeit an der Bewusstseinsseele strebt ihrem Höhepunkt erst in unserer Zeit entgegen. Sie ist also noch keineswegs abgeschlossen. Man kann unsere heutige Zeit auch als »Zeitalter der Bewusstseinsseele« bezeichnen. Begonnen hat diese Zeit schon mit dem 15. Jahrhundert. Sie wird bis ins 4. Jahrtausend hineinreichen.
Der GEIST ist unser Führer im Reich der Seele. Das Ich ist eigentlich bereits ein geistiges Wesensglied, das sich beim Durchschnittsmenschen seiner geistigen Wesenheit allerdings noch nicht bewusst ist. Der Geist besteht jedoch im strengen Sinne aus den drei Wesensgliedern, die der heutige Mensch erst in seinen keimhaften Anlagen besitzt, die er also noch ausbilden, die er noch erwerben muss: GEISTSELBST, LEBENSGEIST und GEISTESMENSCH.
Der Mensch wird in die Zukunft hinein noch drei weitere Wesensglieder ausbilden, die hier nur kurz gestreift werden sollen. Das nächste Wesensglied, das der Mensch zu entwickeln hat, wird von Rudolf Steiner GEISTSELBST genannt. In der indischtheosophischen Tradition wird dieses Wesensglied mit dem Sanskritwort MANAS bezeichnet. Das Geistselbst kann sich der individuelle Mensch dadurch erwerben, dass er mit seinem Ich seinen Astralleib umgestaltet, umorganisiert. In dem Maße, wie er Herr über seine Triebe, Begierden, Leidenschaften usw. geworden ist, erscheint dieses Wesensglied im Astralleib. Der Astralleib eines Menschen besteht also auch heute schon – unabhängig von den drei Seelengliedern – aus zwei Bereichen: dem bereits umgewandelten, veredelten und dem noch nicht umgewandelten. Das Geistselbst in seiner Offenbarung kann beim Menschen als »umgewandelter Astralleib« bezeichnet werden. Diesen bereits umgewandelten Teil des Astralleibes legt der Mensch nach dem Tod nicht ab. Es ist der unverlierbare Teil, den er als Frucht seiner bisherigen Entwicklung mit in sein nächstes Erdenleben bringt. Das, was man oftmals als HÖHERES SELBST bezeichnet, ist im Grunde nichts anderes als das Geistselbst.
Noch sehr viel später werden der LEBENSGEIST (indisch-theosophisch BUDDHI) und der GEISTESMENSCH (indisch-theosophisch ATMA bzw. ATMAN) ausgebildet. Analog kann man die Offenbarung des Lebensgeistes als »umgewandelten Ätherleib« und die des Geistesmenschen als »umgewandelten physischen Leib« bezeichnen. Der Mensch muss also mit seinen Ich-Kräften bewusst an diesen Umwandlungen arbeiten, damit er eines sehr fernen Tages diese drei Wesensglieder besitzen kann. Der heutige Durchschnittsmensch hat an seinem Astralleib schon relativ viel gearbeitet. Die Veredelung dieses Wesensgliedes bewirkt der Mensch im Wesentlichen dadurch, dass er sich aus seinem Ich heraus mit voller Bewusstheit seine niederen Triebe und Begierden versagt. Das Arbeiten am Ätherleib oder gar am physischen Leib ist ungleich schwieriger. Hier hat der Durchschnittsmensch noch nicht viel bewirken können. Um den Ätherleib zu veredeln, muss der Mensch insbesondere seine schlechten Gewohnheiten und Neigungen überwinden, was gewiss nicht immer einfach ist.
Sie kennen sicher den viel zitierten Ausspruch des berühmten Künstlers Joseph Beuys: »Jeder Mensch ist ein Künstler!« Die meisten Menschen kommen heute nicht darüber hinaus, solche Aussagen in einer völlig trivialen Weise aufzufassen. Sie glauben, Beuys habe damit sagen wollen, dass jeder Mensch – und sei es der unbegabteste – sich sehr wohl künstlerisch betätigen könne – und wenn er nur ein paar Farbkleckse auf ein Blatt Papier schmiert. Natürlich meinte Joseph Beuys, der im Übrigen überzeugter Anhänger und Verfechter der Anthroposophie war, das in einem viel höheren Sinne. Er wollte damit genau das zum Ausdruck bringen, was hier soeben geschildert wurde: Jeder Mensch hat die Fähigkeit, ja die Aufgabe, an der Entwicklung, an der geradezu ›künstlerischen‹ Schaffung seiner drei höheren Wesensglieder zu arbeiten.
Wenn es dem Menschen eines ur-urfernen Tages gelungen sein sollte, sein höchstes Wesensglied, den Geistesmenschen, auszubilden, so wird er vollständig vergeistigt, vollständig Geist sein.
Diese drei höheren Wesensglieder, die in jedem Menschen bereits keimartig veranlagt sind, stehen schon heute in einer gewissen Beziehung zum Menschen. Sie liegen sozusagen »beschlossen im Schoße der göttlich-geistigen Wesenheiten« der dritten Hierarchie (Kapitel 2, S. →ff.). Wir stehen beispielsweise in Beziehung zu den Engelwesen. Stattdessen könnte man auch sagen, wir stehen schon heute in Beziehung zu dem, was in der Zukunft als unser Geistselbst kommen soll. Wir haben mit diesen höheren Wesensgliedern bereits wirkliche Begegnungen. Wenn wir nicht von Zeit zu Zeit unserem Geistselbst begegnen würden, so würden wir uns immer mehr von allem Geistigen entfernen und entfremden.
Wir müssen noch einmal auf den physischen Leib des Menschen zurückkommen. Man könnte ja meinen, dass der physische Leib des Menschen dasjenige Wesensglied sei, das sich am leichtesten erkennen und durchschauen ließe, da es von jedem Menschen vermöge seiner üblichen Sinnesorgane wahrgenommen werden könne, ohne dass er dazu mit Hellsichtigkeit begabt sein müsste. Das ist aber ein gewaltiger Irrtum! Der physische Leib ist vielmehr dasjenige Glied, das einem hellsichtigen Geistesforscher die größten Probleme bereitet. Die Betrachtung des physischen Menschenleibes gehört zu den allerschwierigsten hellseherischen Problemen.
»[Im Tode] sehen wir, wie der Mensch seinen physischen Leib ablegt. Legt er wirklich seinen physischen Leib ab? Die Frage scheint eigentlich lächerlich zu sein. Denn was scheint klarer zu sein, als dass der Mensch mit dem Tode seinen physischen Leib ablegt! Aber was der Mensch mit dem Tode ablegt – was ist denn das? Das ist etwas, von dem man zum mindesten sich sagen muss, dass es das Wichtigste, was der physische Leib im Leben hat, nicht mehr besitzt: nämlich die Form, die von dem Momente des Todes an zerstört zu werden beginnt an dem Abgelegten. Wir haben zerfallende Stoffe vor uns, und die Form ist nicht mehr eigentümlich. Was da abgelegt wird, sind im Grunde genommen die Stoffe und Elemente, die wir sonst auch in der Natur verfolgen; das ist nicht das, was sich naturgemäß eine menschliche Form geben würde. Zum physischen Menschenleib gehört aber diese Form ganz wesentlich.«11
Der eigentliche physische Leib des Menschen, wie er von den ›Göttern‹ vor Urzeiten geschaffen wurde, ist eine unsichtbare FORMGESTALT, die Rudolf Steiner häufig auch als PHANTOM DES PHYSISCHEN LEIBES bzw. als PHANTOM DES MENSCHEN oder kurz als PHANTOM bezeichnete. Das Phantom ist gewissermaßen das geistige Urbild des physischen Leibes.
»In der Tat war als erstes von dem physischen Leib des Menschen das Phantom da, das man nicht mit physischen Augen sehen kann. Das ist ein Kraftleib, der ganz durchsichtig ist. Was das physische Auge sieht, sind die physischen Stoffe, die der Mensch isst, die er aufnimmt, und die dieses Unsichtbare ausfüllen. Schaut das physische Auge einen physischen Leib an, so sieht es in Wahrheit das Mineralische, das den physischen Leib ausfüllt, gar nicht den physischen Leib.«12