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Es gehört zu den schmerzlichsten Erfahrungen, die ein Verstorbener machen kann, wenn er erkennen muss, dass seine Hinterbliebenen nicht mehr ganz real und konkret mit seiner Existenz rechnen und keinerlei Verbindung zu ihm aufnehmen. In diesem Buch wird zunächst beschrieben, was die Seele eines Menschen, der über die Schwelle des Todes geschritten ist, in den übersinnlichen Welten erlebt und durchzumachen hat. Dann wird gezeigt, dass ein sogenannter Toter noch ein sehr großes Interesse an der Erdenwelt und an den Menschen, die er dort zurückgelassen hat, aufweist. Er kann seine Hinterbliebenen beschützen und auf vielfältige Art inspirieren. Schließlich werden zahlreiche Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Lebenden ihren lieben Verstorbenen Hilfe angedeihen lassen können, was diesen ein großes Labsal ist. Es kann mit dazu beitragen, eine Brücke zwischen den Lebenden und den Verstorbenen zu bauen, wodurch es zu einer ganz realen Gemeinschaft zwischen den Menschen, unabhängig davon, in welcher Welt sie gerade weilen, kommen kann.
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Seitenzahl: 231
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Der Tod macht dich so still, dass Gott dich hören kann. Im Tod fängt unser Ich ja erst zu klingen an.
Der Tod, was ist der Tod? Ein Spender tiefsten Seins. Man fällt nicht aus der Welt, man wird mit ihr erst eins.
Theowill Uebelacker
Vorwort
1 Die Welt der Toten und das Erleben nach dem Tod
1.1 Geistige bzw. übersinnliche Welten
1.1.1 Die Ätherwelt
1.1.1.1 Das Leben des Menschen nach dem Tod in der Ätherwelt
1.1.2 Die Astral- oder Seelenwelt
1.1.2.1 Das Leben des Menschen nach dem Tod in der Seelenwelt
1.1.3 Die Geisteswelt
1.1.3.1 Das Leben des Menschen nach dem Tod in der Geisteswelt
1.2 Der Tod macht
nicht
alle gleich!
1.2.1 Das Eingewöhnen in der neuen Daseinssphäre
1.2.2 Erdgebundene Seelen
1.2.3 Der Läuterungsprozess im Kamaloka
1.2.4 Das erneute ›Durchleben‹ des letzten Erdenlebens
1.2.5 Zusammenleben mit anderen Verstorbenen
1.2.6 Projizierte ›Realitäten‹ im Nachtodlichen
2 Das Hereinwirken der Toten in die Erdenwelt
2.1 Was die Verstorbenen für die Hinterbliebenen leisten können
2.1.1 Beziehung der Verstorbenen zu den Lebenden
2.1.2 Die schützende Kraft der Verstorbenen
2.1.3 Verstorbene können die Lebenden inspirieren
2.2 Weiteres Wirken der Verstorbenen
2.2.1 Mitwirken am Erdenfortschritt
2.2.2 Das Wirken Jungverstorbener
3 Wie wir den Toten helfen und sie unterstützen können
3.1 Die Begleitung in den ersten Tagen nach dem Tod
3.2 Die Trauerfeier
3.3 Der Umgang mit der eigenen Trauer
3.4 Das Einstimmen auf einen Verstorbenen
3.5 Totengedenktage
3.6 Verbindung mit den Verstorbenen während des Schlafes
3.7 Den Toten vorlesen
3.8 Begleitung Verstorbener in
speziellen
Fällen
3.8.1 Hilfe für erdgebundene Seelen
3.8.2 Hilfe für Selbstmörder
3.8.3 Den Verstorbenen die Sorgen abnehmen
Schlussbetrachtung
Anhang
Quellennachweis
Literaturverzeichnis
Buchempfehlungen
Der Tod ist etwas, dem die wohl meisten Menschen, sofern sie den Gedanken an ihn nicht gänzlich verdrängen, nur mit Angst und Schrecken entgegensehen. Sie würden sich wünschen, sehr viel länger – am besten ewig – auf der Erde zu leben. Dass sich heute so viele Menschen vor dem Tod fürchten, basiert im Wesentlichen darauf, dass man einfach nicht weiß, was nach dem Tod geschieht. Es ist also die Angst vor dem Ungewissen. Immer wieder kann man hören: »Was nach meinem Tod sein wird, kann keiner wissen!« So zieht man es vor, dem Gedanken an die eigene Sterblichkeit keinen Raum zu geben.
Wann immer wir aber in unserem Leben mit einem Todesfall konfrontiert werden, insbesondere wenn ein Angehöriger oder guter Freund stirbt, wird uns die Tatsache, dass unsere irdische Existenz endlich ist, schonungslos vor Augen geführt. Aus der diesseitigen Perspektive betrachtet stellt der Tod ein definitives und unwiderrufliches Ende dar. Der Verstorbene wird in dieser Gestalt nie wieder auf der Erde wandeln. Sein physischer Körper wird zerfallen und schließlich ganz verwesen. Wem von uns wären in einer solchen Situation nicht schon einmal Fragen durch den Kopf geschossen, die wir ansonsten nur allzu gern in unseren tiefsten Seelenschichten verschlossen halten, weil sie scheinbar so rein gar nichts mit unserem alltäglichen Leben in einer hoch technokratischen Gesellschaft mit ihren vielen sozialen Spannungsfeldern zu tun haben. Jetzt brechen die »großen Sinnfragen« aus ihrem ›Seelenkerker‹ aus und dringen in unser Tagesbewusstsein vor:
Wo wird die Seele des Verstorbenen jetzt sein?
Was wird der Mensch nach seinem Tod alles erleben und durchzumachen haben?
Kann es ihm zum Nachteil gereichen, dass er, als er noch lebte, nicht an ein Leben nach dem Tod geglaubt hat?
Hat der Verstorbene noch ein Interesse an der Erdenwelt und den dort zurückgelassenen Menschen?
Wie können wir als Hinterbliebene ihn auf seinem nachtodlichen Weg unterstützen?
… und viele mehr.
Oftmals dauert es nur wenige Tage, dass uns diese Fragen einfach keine Ruhe lassen wollen. Dann werden wir wieder vom Getöse und der Hektik unseres Alltagslebens ergriffen und von der Vielzahl unserer täglichen Pflichten in Beschlag genommen. Die Beschäftigung mit solchen Fragen scheint mit dem heute herrschenden Zeitgeist nicht vereinbar zu sein.
Allerdings lassen sich diese essentiellen Fragen auf Dauer nicht verdrängen. Sofern wir nicht voll und ganz in den vielen Nichtigkeiten und Banalitäten des Lebens aufgehen, werden sie immer wieder einmal an die Schwelle unseres Bewusstseins gespült.
Es gibt heute viele spirituelle und okkulte Strömungen, die sehr ausführlich über das nachtodliche Leben des Menschen berichten und somit Antworten auf die obigen Fragen geben können. Die aus unserer Sicht umfassendsten und stimmigsten Darstellungen über das Leben nach dem Tod finden sich in der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft – kurz »Anthroposophie« –, die der große Eingeweihte und Geisteslehrer Dr. Rudolf Steiner vor rund 100 Jahren der Menschheit geschenkt hat. Daher werden wir uns in diesem Buch auch ganz wesentlich an den Forschungsergebnissen Rudolf Steiners orientieren, ohne jedoch andere Quellen zu vernachlässigen.
Wir wollen versuchen, in diesem Buch Antworten auf die obigen Fragen zu geben. Diese Antworten sind wichtig, damit wir einen festen Halt und eine Orientierung für unser gesamtes Leben finden können. Wir werden sehen, dass der Tod nichts ist, was wir fürchten müssten. Er ist vielmehr ein großes Geschenk der geistigen Welt! Würden wir nicht sterben, so würden wir uns immer mehr in das Erdendasein verstricken und uns immer mehr von allem Göttlich-Geistigen entfernen und entfremden. So wird uns aber die Gnade zuteil, dass wir nach jedem Erdenleben – also durchschnittlich nach jeweils 70, 80 Jahren – wieder in die Geisteswelt, unsere eigentliche und wahre Heimat, zurückkehren können. Dort kommen wir als Geist unter Geistern mit den erhabenen Wesen der verschiedenen Engelreiche zusammen und können zunächst unser abgelegtes Leben aufarbeiten und uns schließlich das Rüstzeug und alle Impulse erwerben, um gestärkt in eine neue Inkarnation zu schreiten, in der wir weiter an unserer geistig-seelischen Entwicklung und Vervollkommnung arbeiten können.
Zunächst werden wir in Kapitel 1 beschreiben, was ein Verstorbener in den ersten Jahrzehnten nach seinem Tod in den übersinnlichen Welten erleben wird und welche Aufgaben er dort wahrzunehmen hat.
In Kapitel 2 werden wir sehen, dass die sogenannten »Toten«, obwohl sie in einer ganz anderen Welt bzw. Sphäre weilen, dennoch immer in der Nähe der auf der Erde lebenden Menschen – insbesondere derjenigen aus ihrem Lebensumfeld – sind und dass sie noch ein großes Interesse an der Erdenwelt und den Menschen, die sie zurückgelassen haben, zeigen. Sie können auf vielfältige Weise in die Erdenwelt eingreifen.
Schließlich werden wir in Kapitel 3 erörtern, dass die Hinterbliebenen vieles leisten können, was den Verstorbenen zum Wohle und Segen gereichen kann. Dadurch kann es möglich werden, dass wir eine ganz reale Gemeinschaft mit ihnen bilden können. Es ist für einen Verstorbenen ein höchst schlimmes Erleben, wenn er erkennen muss, dass seine Hinterbliebenen nicht mehr ganz real und konkret mit seiner Existenz rechnen. Ein Verstorbener steht unserem Fühlen in einer ähnlichen Weise gegenüber wie jemand, der lediglich in ein fernes Land gezogen ist.
Anmerkung:
Alle in den Text eingebetteten Zitate Rudolf Steiners sind in einer anderen Schriftart gedruckt, um auf den ersten Blick als solche erkannt zu werden.
Zitate anderer Persönlichkeiten und Schriften sind kursiv gedruckt.
Alle Zitate in diesem Buch sind an die heute gültige Rechtschreibung angepasst.
Es werden keinerlei anthroposophische Kenntnisse vorausgesetzt. Alle Fachbegriffe, die zum Verständnis notwendig sind, werden an geeigneter Stelle vielmehr recht ausführlich und in leicht verständlicher Weise erläutert.
Wir haben es nicht zu tun mit einer Welt, die an irgendeinem anderen Ort des Kosmos liegt, sondern mit einer Welt, welche uns überall umgibt, welche überall um uns vorhanden ist. An jedem Punkte unserer Welt ist zugleich diese geistige Welt vorhanden. Es ist kein Wandern in eine andere Welt, wenn wir von der geistigen Welt oder von Devachan sprechen, sondern es ist ein Aufschließen der Organe, ein Erreichen eines anderen Zustandes.
Rudolf Steiner1
Es gibt verschiedene sprachliche Varianten, um auszudrücken, dass ein Mensch gestorben ist. So sagt jemand, der von einem Leben der Seele nach dem Tod überzeugt ist, etwa: »Er ist von uns gegangen«, »Er ist über die Schwelle (des Todes) gegangen«, »Er ist durch die Pforte des Todes geschritten« usw.
Alle diese Formulierungen machen deutlich, dass man davon ausgeht, dass der Verstorbene bzw. seine Seele sich offensichtlich nicht mehr in der Erdenwelt, sondern in einer ganz anderen Welt bzw. Sphäre befindet.
Aber in welcher Welt weilt der Mensch jetzt nach dem Tod? Wohin ist er gegangen? Was ist hinter der Schwelle bzw. der Pforte des Todes? Die Antwort auf diese Frage ist abhängig vom religiösen bzw. spirituellen Weltbild des Einzelnen. Dem entsprechend wird die Antwort lauten: »im Jenseits«, »im Nirvana«, »im Himmel«, »in der geistigen Welt« o.ä.
Welche dieser Formulierungen jemand auch immer wählen mag – alle zeigen, dass man glaubt, der Verstorbene bzw. seine Seele habe die Erdenwelt verlassen und weile jetzt in einer völlig anderen Welt.
Nun tun sich aber viele Menschen schwer, ein Verständnis für die Welten zu gewinnen, in die ein Toter stufenweise hineinwächst. Die einzige Welt, die von den heutigen Wissenschaften anerkannt wird und allen bekannt ist, ist diejenige, die sich jedem offenbart, der über gesunde Sinnesorgane verfügt, also unsere Erdenwelt. Man könnte sie auch »physische Welt«, »materielle Welt«, »physischer Plan« oder »Sinneswelt« nennen. Obwohl diese sichtbare Welt schon fast bis in den letzten Winkel erkundet ist, bietet sie den Forschern noch genügend Spielraum für neue Entdeckungen. Die Existenz anderer Welten oder Sphären, die sich nicht den üblichen Sinnen offenbaren, verweisen materialistisch gesinnte Gemüter ins Reich der Phantasie. Damit gleichen sie einem Blindgeborenen, der Licht oder Farben für nicht existent hält. Die Möglichkeit, dass es Menschen gibt, die über höhere, geistige Organe verfügen, mit denen sie über den Tellerrand der physischen Welt hinausschauen können, halten solche Zeitgenossen für Wahnvorstellungen. Die Tatsache, dass es »Hellseher« bzw. »Geistesseher« gibt, die über die Fähigkeit verfügen, auch andere Welten sowie geistige Wesen einschließlich der Verstorbenen wahrnehmen und beobachten zu können, wird heute von vielen als Unsinn abgetan.
Eher noch ist man geneigt, ›Botschaften‹, die von geistigen Wesen oder Verstorbenen über ein Medium vermittelt werden, Glauben zu schenken. Auch wenn auf diesem Weg gewiss viele stimmige Einblicke in die Welt der Toten zu gewinnen sind, so müssen mediale Praktiken mit gesunder Skepsis betrachtet werden, da sich Medien während der Durchsagen in einem Trancezustand befinden. Ihr normales Tages-Bewusstsein ist dabei ausgeschaltet oder zumindest stark herabgedämpft. Sie bekommen also von dem, was da geschieht, nichts mit. Ihr kritischer Verstand muss schweigen. Sie sind von dem Geistwesen, das die Botschaften durch sie vermittelt, ›besetzt‹, um nicht zu sagen ›besessen‹. Das ist natürlich mit größten Gefahren verbunden. Manipulationen jeglicher Art sind Tür und Tor geöffnet. Mediale Praktiken mögen bis vor gut 100 Jahren eine gewisse Berechtigung gehabt haben. Heute sind sie nicht mehr zeitgemäß. Somit wird in diesem Buch nicht auf Erkenntnisse, die auf diesem Wege zustande gekommen sind, Bezug genommen. Wir beziehen uns ausschließlich auf die Forschungsergebnisse von mit Hellsichtigkeit begnadeten Menschen, insbesondere auf die von Dr. Rudolf Steiner, deren Forschungen auf einem sicheren wissenschaftlichen Fundament stehen. Steiners umfassende Erkenntnisse hat er uns in vielen Büchern und Tausenden von Vorträgen geschenkt.
Selbstverständlich gibt es noch zahlreiche religiös oder spirituell gestimmte Menschen, die zumindest noch an eine unsichtbare Welt glauben, die üblicherweise als »Himmel« bezeichnet wird.
Allerdings tun sich viele mit der Vorstellung schwer, wo sich eine solche nicht sichtbare Welt befinden könnte, was gewiss daran liegt, dass sie es einfach nicht vermögen, etwas Geistiges gedanklich zu erfassen. Oft hört man: »Ja, ich glaube schon an einen Himmel. Andererseits – wo soll dieser sein? Das Weltall ist doch schon recht gut erforscht. Aber die Astronomen, die das Universum schon weitgehend durchmessen haben, haben ihn noch nie entdeckt. Keiner hat dort jemals Gott oder auch nur einen einzigen Engel gesehen. Wo sollte da überhaupt noch Platz für einen Himmel sein?« Solche Fragen oder Ansichten zeigen deutlich, dass man sich vielfach auch den Himmel letztlich als eine materielle Sphäre vorstellt, in der man mit den üblichen Sinnesorganen wahrnehmen, in der man mit physischen Augen sehen und mit physischen Ohren hören könnte.
Wie man aus der Anthroposophie – aber auch aus vielen anderen esoterischen bzw. okkulten Quellen – sehr wohl wissen kann, muss man neben der physischen Welt im Wesentlichen noch drei weitere Welten unterscheiden, und zwar die »Ätherwelt«, die »Astral-« oder »Seelenwelt« und die »Geisteswelt« oder »geistige Welt«. Allen gemein ist, dass sie mit physischen Sinnen oder Messinstrumenten nicht wahrnehmbar sind. Mit einem Oberbegriff werden diese Welten als »übersinnliche Welten« bezeichnet. Dieser Begriff soll zum Ausdruck bringen, dass diese Welten über oder außerhalb dessen liegen, was sich unseren physischen Sinnesorganen erschließt. Synonym werden auch die Bezeichnungen »höhere Welten« oder »immaterielle Welten« verwandt. Bisweilen werden alle übersinnlichen Welten zusammengefasst und mit dem Namen »geistige Welten« belegt. Das ist aber nicht ganz korrekt, da im eigentlichen Sinne mit »geistiger Welt« eine bestimmte der drei übersinnlichen Welten gemeint ist, nämlich die Geisteswelt.
Es wäre ganz falsch, wenn man bei dem, was hier als »Welten« bezeichnet wird, an irgendwelche abgegrenzte Räumlichkeiten oder Orte denken würde.
Der Begriff des dreidimensionalen Raumes, in dem wir uns so gut zurechtzufinden und sicher zu bewegen gelernt haben, hat nur in unserer physischen Welt eine Bedeutung. Daher könnte man diese auch »Raumeswelt« nennen. Die übersinnlichen Welten sind nicht-räumlich.
Wenn man sagt, irgendein Wesen befinde sich in einer übersinnlichen Welt, also etwa in der Astralwelt, so ist das so zu verstehen, dass dieses Wesen in einem Bewusstseinszustand ist, der ihm erlaubt, diese Welt als solche zu erkennen und in ihr wahrnehmen zu können.
Um noch einmal auf die Frage, wo denn ein Himmel noch im Weltall Platz finden könnte, zurückzukommen: Unsere physische Welt wird von den höheren Welten durchzogen. Man muss sich alle Welten als miteinander verwoben denken. Die übersinnlichen Welten sind also überall. Die verschiedenen Welten durchdringen, durchziehen und durchströmen sich, etwa so wie sich in der Sinneswelt verschiedene Luftströme oder Flüssigkeiten durchdringen können. Daraus folgt, dass diese übersinnlichen Welten nicht fernab von unserer Welt sind, wie es insbesondere der in diesem Zusammenhang häufig benutzte Ausdruck Jenseits suggerieren könnte. Alle geistig-seelischen Wesen, also auch die Verstorbenen, sind lediglich in einer Sphäre, die jenseits der Wahrnehmungsfähigkeit des heutigen Durchschnittsmenschen liegt.
Auch wenn es die Bewusstseinsschwelle nicht überschreitet, so lebt im Grunde jeder Mensch, unabhängig davon, ob er ver- oder entkörpert ist, ständig in allen diesen Welten. Insbesondere im Schlaf weilen wir in der Welt der Toten und können ihnen besonders nahe sein.
»Wir sind im Grunde genommen immer schon in der höheren Welt drinnen, wir gehen im Schlaf unbewusst hinein, wir leben, während wir schlafen, in derselben Welt wie nach dem Tode.«2
Das, was wir nachts in den übersinnlichen Welten erleben, wirft zumindest hin und wieder einen schwachen und matten Abglanz in bestimmte Träume. Manchmal können wir auch unmittelbar nach dem Aufwachen, noch bevor die äußere Welt wieder an uns herandringt, so etwas wie eine hauchzarte Empfindung oder Ahnung davon haben, dass wir soeben aus einer ganz anderen Sphäre erwacht sind. Ein bewusstes Erleben in diesen höheren Welten kann nur ein mit Hellsichtigkeit begabter oder ein verstorbener Mensch haben.
Es ist also völlig richtig zu sagen, dass die Verstorbenen immer in unserer Nähe sind. »Sie fallen nicht aus der Welt«, wie es Theowill Uebelacker in seinem Gedicht ( S. →) formulierte.
Alle Welten unterscheiden sich im Grunde nur dadurch, dass sie vermöge einer jeweils anderen Art von Organen erkennbar sind. Man könnte auch sagen, dass man zur Wahrnehmung der verschiedenen Welten ein jeweils anders geartetes Bewusstsein benötigt. Jeder Vergleich mit einer Situation aus unserem Erdendasein, den man zur besseren Veranschaulichung heranziehen könnte, kann nur sehr unzureichend sein. Dennoch soll der Versuch gewagt werden.
In gewisser Weise kann in unserer ganz normalen Sinneswelt doch von einer ›Welt‹ oder ›Sphäre‹ der für das Auge sichtbaren Dinge, von einer der Töne und Geräusche, von einer der Gerüche usw. gesprochen werden. Diese offenbaren sich jedem Menschen, der über die entsprechenden gesunden Organe verfügt. Nun käme wohl auch keiner auf die Idee zu sagen, dass etwa die Welt der sichtbaren Gegenstände fernab von der Welt der Töne sei. Dass diese sich gegenseitig durchdringen und miteinander verwoben sind, wird schon dadurch klar, dass man Seh- und Hörwahrnehmungen gleichzeitig haben kann. Allerdings bleiben diese beiden Welten einem blind und taub geborenen Menschen finster und stumm. Für ihn scheinen sie nicht zu existieren, ähnlich wie für die meisten verkörperten Menschen die übersinnlichen Welten nicht zu existieren scheinen.
»Sie sehen [...], wie innig verbunden das Erdenleben ist mit dem übersinnlichen Leben, wie man gar nicht eigentlich reden kann von einer von der Erdenwelt, von der sinnlichen Welt getrennten übersinnlichen Welt, denn alles, was sinnlich ist, ist zu gleicher Zeit übersinnlich durchdrungen; alles, was übersinnlich ist, offenbart sich irgendwo oder irgendwann im Sinnlichen.«3
Wer glaubt, die übersinnlichen Welten wären etwas Nebulöses oder Schattenhaftes, wer glaubt, dass dasjenige, was wir in der Sinneswelt um uns haben, das Wahre, Wirkliche und Ursprüngliche wäre, gleicht jemandem, der vor einem Spiegel steht und den Ursprung des Spiegelbildes nicht vor dem Spiegel, sondern im oder hinter dem Spiegel sucht.
Wir wollen in diesem Kapitel die drei übersinnlichen Welten ein wenig charakterisieren und zudem in aller Kürze – soweit es für das Verständnis dieses Buches notwendig ist – erläutern, was die Seele eines Verstorbenen in diesen Welten erfährt, erlebt und durchzumachen hat. Für die Zwecke dieses Buches reicht es völlig aus, wenn wir uns weitgehend auf die ersten Jahrzehnte des nachtodlichen Lebens beschränken. Einem Leser, der eine sehr ausführliche Beschreibung über das Leben des Menschen nach dem Tod sucht, kann unser Buch »Die spirituelle Seite des Todes« ( S. →) empfohlen werden.
Die erste übersinnliche Welt, die uns in gewissem Sinne am nächsten ist, wird »Ätherwelt« genannt. Angrenzend an unsere Erde, auf der wir wohnen, befindet sich der allgemeine Weltenäther, der sich uns äußerlich durch die himmelsblaue Farbe des Firmaments, aber auch durch Wolkenbildungen offenbart. Die Ätherwelt umgibt die Erde wie eine übersinnliche Atmosphäre. In ätherischen Abbildern erscheinen hier die Taten höherer geistiger Wesenheiten, die als Weltgedanken im Weltenäther weben.
Zusammen mit der aus den vier Elementen (Feuer, Wasser, Luft und Erde) aufgebauten physischen Welt bildet die Ätherwelt die »physisch-ätherische Welt«.
Während der Phasen, in denen wir wach sind, nehmen wir in der äußeren Welt das Materielle wahr, also alles Stoffliche, was sich unseren normalen Sinnesorganen erschließt. Was nehmen wir nun aber wahr, wenn wir träumen?
»Was ist denn gleichsam die Substanz, der Stoff – wie es also die Vorgänge, die materiellen Dinge der physischen Welt im Wachzustande sind –, in welchem wir wahrnehmen, indem wir träumen? Es ist dasjenige, was wir die Ätherwelt nennen, der sich in der ganzen Welt ausdehnende Äther mit seinen inneren Vorgängen, mit alledem, was in ihm lebt. Das ist gleichsam das Substantielle, in dem wir wahrnehmen, wenn wir träumen. In der Regel aber nehmen wir wahr, indem wir träumen, nur einen ganz bestimmten Teil der Ätherwelt. Wie uns ja die ätherische Welt im Wachzustande, wenn wir physisch wahrnehmen, verschlossen ist im gewöhnlichen Leben, wie der Äther um uns herum ist, ohne dass wir ihn durch unsere physischen Sinne wahrnehmen, so bleibt auch für das gewöhnliche Träumen der Äther, der um uns herum ist, unwahrnehmbar.«4
Die Ätherwelt ist die erste Welt, die der Mensch unmittelbar nach Eintritt des Todes ›betritt‹. Der Begriff »betreten« darf natürlich wieder nicht wörtlich genommen werden. Gemeint ist vielmehr, dass der soeben Verstorbene nun ein Bewusstsein hat, das ihm erlaubt, in dieser Welt Wahrnehmungen haben zu können. In der Ätherwelt wird er nur für wenige Tage verweilen.
Blicken wir zunächst auf den Todesmoment. Der Tod hat immer zwei Seiten. Uns, die wir den Sterbenden vielleicht in seinen letzten Tagen begleiten durften, eröffnet sich nur die eine Seite, die äußere. Diese kann schrecklich, abstoßend und furchteinflößend sein. Wir mussten mit ansehen, wie der bereits vom bevorstehenden Tod geprägte Mensch mehr und mehr von seinem körperlichen Verfall gekennzeichnet wurde. Wir mussten miterleben, dass seine Lebenskräfte immer mehr dahinschwanden und dass seine Schmerzen möglicherweise so unerträglich wurden, dass nichts anderes übrig zu bleiben schien, als ihm starke Schmerzmittel zu verabreichen. Vielleicht standen wir auch seiner Unsicherheit, Verwirrtheit und Todesangst ohnmächtig gegenüber.
In manchen Fällen mögen wir, als der Tod schließlich eingetreten war, das Glück gehabt haben zu erahnen, dass sich im Todesaugenblick für den Betroffenen etwas ganz Großes vollzogen haben mag. Das kann uns etwa dann gewahr werden, wenn der Verstorbene nach überstandenem Todeskampf plötzlich einen ganz entspannten, friedvollen, vielleicht sogar leicht lächelnden Gesichtsausdruck zeigte. Dieses mag ein zarter Hinweis auf die andere Seite des Todes sein, die dem Verstorbenen jetzt allmählich offenbar wird. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, als wollte der Verstorbene bis in seine abgelegte Körperhülle hinein die gewaltigen und erhabenen Erlebnisse und Empfindungen spiegeln, die er jetzt nach und nach kennenlernt. Ähnlich wie ein farbenprächtiger Schmetterling sich der Puppe entringt und die Hülle zurücklässt, hat sich seine Seele aus dem physischen Körper befreit und diesen als Leichnam zurückgelassen und der Erde übergeben. Er muss sich wie geblendet fühlen von dem alles überstrahlenden Bewusstseinslicht, das ihn jetzt erhellt. Ein solch helles, lichtes und klares Bewusstsein hätte er zu Lebzeiten nicht für möglich gehalten.
Vielleicht hat er soeben auch seinen Engel bewusst wahrgenommen, der schon immer an seiner Seite war und der ihn jetzt in sein neues Dasein führt. Dieser persönliche führende Geist, den man im Christentum berechtigterweise als »Schutzengel« bezeichnet, wird ihn auch durch das gesamte nachtodliche Leben begleiten und ihn später wieder ins nächste Erdenleben führen. Der Verstorbene ist jetzt wieder zu seinem Ursprung, in seine eigentliche Heimat, zurückgekehrt, die er im Grunde nie verlassen hatte, wenngleich ihm sein Tagesbewusstsein das stets verschleierte. Vielleicht hat er gerade einige vertraute Menschenseelen, die schon vor ihm durch die Pforte des Todes gegangen sind und ihn nun willkommen heißen, wahrgenommen. Möglicherweise ist er soeben sogar dem Christus begegnet. Diese überaus erhabene Begegnung ist durchaus möglich, sofern der Verstorbene sich im Erdenleben bemüht hat, ein Verständnis und eine Beziehung zu dem Christus zu finden.
Die hellsichtige Psychologin Dr. Iris Paxino schreibt über den Todesmoment aufgrund ihrer übersinnlichen Forschung:
»Der Sterbeaugenblick eines Menschen ist nie ein Einsamkeitsmoment. Das irdische Licht des über die Schwelle Gehenden verlöscht, doch sein geistiges Licht leuchtet auf. Die Hierarchien [Anm. d. Verf..: gemeint sind die »geistigen Wesen der höheren Hierarchien« bzw. die Wesen der verschiedenen Engelreiche; auch Anhang, Tabelle 3, S. →ff.] erwarten und empfangen ihn in einer erhabenen Feierstunde. Das, was sich für die Welt der Hinterbliebenen verdunkelt, erstrahlt auf der anderen Seite in einem lichtvollen geistigen Festakt. [...] Für den Verstorbenen selbst ist es ein sakraler Augenblick, in welchem seine Individualität, eingebettet im Licht einer höheren geistigen Wirklichkeit, zu sich selbst aufersteht.«5
Nachdem der Tote in die Ätherwelt eingetreten ist, bekommt er das Gefühl, wie wenn ihn der irdische Schauplatz und alle Menschen, mit denen er verbunden war, verließen. Während er zu Lebzeiten den subjektiven Eindruck haben musste, als wenn die Erde still stünde und die Himmelskörper um sie herum kreisen würden, so erscheint ihm das jetzt genau umgekehrt zu sein. Nun hat er das Gefühl, wie wenn sich die ganze Erde unter ihm wegbewegte. Langsam kann ihm bewusst werden, dass er auch ohne seinen Körper ein Bewusstsein seiner selbst haben kann. Aus Sicht der übersinnlichen Welten erscheint der Tod immer als Sieg des Geistes über die Materie.
Dann – schon sehr kurz nach dem Tod – taucht etwas Gewaltiges vor dem Seelenauge des Verstorbenen auf: das sogenannte »Lebenspanorama«. Wie mit einem Schlage steht das gesamte verflossene Erdenleben vor seiner Seele. Wie in einem großen Panorama sieht er imaginativ Bilder seines ganzen abgelaufenen Lebens vor sich. Alles, was er denkend oder vorstellend in seinem Leben erlebte, taucht in diesen Bildern auf. Es ist wirklich immer das ganze verflossene Erdenleben in dieser »Lebensrückschau« da, gewissermaßen auf einmal, nicht erst in einer zeitlichen Reihenfolge. Die Zeit wird gewissermaßen zum Raum. Er wird gewahr, dass er jetzt außerhalb der Erdensphäre angekommen ist. Die schier unendlich vielen Bilder dieses Panoramas umgeben ihn nun in einer ähnlichen Weise wie ihn im Erdenleben Berge, Wälder, Sonne, Mond und Sterne umgeben haben. In mächtigen Bildern sind gleichzeitig sowohl solche Ereignisse da, die erst kurz vor dem Tod, als auch diejenigen, die schon in seinen mittleren Lebensjahren oder in seiner Kindheit stattfanden. Der Tote sieht in diesen Tagen von seinem individuellen Gesichtspunkte aus insbesondere alles dasjenige, woran er selbst beteiligt war, was für ihn eine Bedeutung hatte. Er sieht die Beziehungen, die er im Leben zu anderen Menschen hatte in der Weise, dass ihm gewahr wird, welche Früchte diese Beziehungen für ihn selbst getragen haben. Bei allem und überall sieht er sich im Mittelpunkt. In dieses Tableau sind auch die Bilder solcher Erlebnisse einverwoben, die ihm zu Lebzeiten gar nicht bewusst geworden sind, die aber doch einen Eindruck in seiner Seele hinterlassen haben. Er empfindet dieses Panorama als ein Stück seiner Wesenheit, ja als seine Welt. Das Selbsterlebte wird zu seiner Welt. In dem Maße wie ihm das irdische Dasein entschwindet, taucht alles, was er von seiner Geburt an bis zu seinem Tod in der Welt erleben konnte, auf. Dieses ganze Leben hat er nun als ein intensiv lebendiges, mit deutlichem Bewusstsein durchzogenes Bilderpanorama vor sich. Alles erscheint ihm so hell und überdeutlich, als wären es gar keine Erinnerungen, sondern etwas, was er gerade frisch erlebt.
Er sieht nicht nur diese Bilder, sondern es lebt auch alles wieder auf, was er in irgendeiner Weise jemals erlebt oder getan hat. Jedes einzelne Gespräch, das er mit Menschen geführt hat, ›hört‹ er jetzt wieder, alles das, was er mit anderen Menschen zusammen erfahren hat, was er mit ihnen ausgetauscht hat, erfährt er nun wieder. Diese Rückschau ist nicht von Gefühlen und Empfindungen durchzogen. Der Verstorbene gibt sich ganz passiv dieser Rückschau hin. Er betrachtet das Lebenspanorama mit der nüchternen Distanz eines neutralen Beobachters.
»Man steht diesem Erinnerungstableau ebenso objektiv gegenüber wie einem Gemälde. Wenn dasselbe einen Menschen darstellt, der traurig, der von Schmerzen erfüllt ist, so sehen wir ihn objektiv an. Wir können wohl seine Traurigkeit nachfühlen, doch empfinden wir nicht unmittelbar den Schmerz, den der Mensch gehabt hat. So ist es mit den Bildern dieses Tableaus unmittelbar nach dem Tode: es breitet sich aus, und man sieht in Zeiträumen, die erstaunlich sind, weil sie so kurz sind, alle Einzelheiten, die sich im Leben zugetragen haben.«6
Bei allen Szenen, die er nun sieht, hat der Tote den Eindruck, als wollte Christus oder sein Engel ihn fragen, was er aus seinem Leben gemacht habe, wie er dieses genutzt habe. Während dieser Zeit wird er von seinen Erlebnissen derart in Beschlag genommen, dass er sich noch nicht intensiv anderen Seelen – weder denen von verstorbenen noch von lebenden Menschen – zuwenden wird. Er hat mit sich und seiner Welt genug zu tun. Diese Art der Rückschau, der Rückerinnerung ist außerordentlich wichtig, da aus ihr eine Kraft fließt, die er benötigt, um im ganzen Leben nach dem Tod sein Ich-Bewusstsein aufrechterhalten zu können, um weiterhin ein selbstbewusstes und eigenständiges Wesen bleiben zu können. Diese Fähigkeit geht nicht nur, aber doch ganz wesentlich von diesem Anschauen des letzten Erdenlebens aus.
Das, was Rudolf Steiner vor rund 100 Jahren über das Erleben in den ersten Tagen nach dem Tod erforschte und veröffentlichte, ist mittlerweile von vielen Hundert Menschen, die Nahtod-Erfahrungen hatten, bestätigt worden.
Einer der ersten, der durch sehr ausführliche und höchst beeindruckende Schilderungen seiner eigenen Nahtod-Erfahrung Aufsehen erregte, war der amerikanische Arzt George C. Ritchie. Er erlitt als junger Soldat während des 2. Weltkrieges im Jahre 1943 eine schwere Lungenentzündung. Während der Röntgenuntersuchungen kollabierte er und wurde kurz darauf für klinisch tot erklärt. Während er schon im Sterbezimmer des Hospitals aufgebahrt wurde, hatte er sehr intensive Nahtod-Erlebnisse, die er dann viel später – in den 1970er Jahren – veröffentlichte. Über die Lebensrückschau schreibt Ritchie: