Reinkarnation und Karma im Lichte wahren Christentums - Josef F. Justen - E-Book

Reinkarnation und Karma im Lichte wahren Christentums E-Book

Josef F. Justen

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Beschreibung

Das Reinkarnations- und das eng damit verbundene Karmagesetz gehören zu den wichtigsten geistigen Gesetzen, ohne die man viele Weltentatsachen und insbesondere auch sein eigenes Leben nicht verstehen kann. Dr. Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, war vor gut 100 Jahren der erste, der diese Gesetze geisteswissenschaftlich erforschte. Über seine dadurch gewonnenen Erkenntnisse hat er in mehreren Büchern geschrieben und in Hunderten von Vorträgen gesprochen. Der Autor bringt diese Lehren dem Leser in leicht verständlicher Form nahe. Insbesondere schreibt er ausführlich über den Sinn der wiederholten Erdenleben und die vielen Facetten des Karmagesetzes. Viel Wert legt er darauf, zu zeigen, dass diese Lehren in vollem Einklang mit einem richtig verstandenen wahren Christentum stehen. Dieses Buch eignet sich nicht nur für Einsteiger in diese Thematik, sondern auch für Leser, die sich schon intensiv damit befasst haben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein solcher in diesem etliche Aspekte findet, die er bisher noch nicht kennt. Es empfiehlt sich ebenfalls für einen Leser, der bisher gute Gründe zu haben glaubte, diese Gesetze zu verwerfen. Dreierlei bedingt den Lebenslauf eines Menschen innerhalb von Geburt und Tod. Und dreifach ist er dadurch abhängig von Faktoren, die jenseits von Geburt und Tod liegen. Der Leib unterliegt dem Gesetz der Vererbung; die Seele unterliegt dem selbstgeschaffenen Schicksal. Man nennt dieses von dem Menschen geschaffene Schicksal mit einem alten Ausdrucke sein Karma. Und der Geist steht unter dem Gesetze der Wiederverkörperung, der wiederholten Erdenleben. Rudolf Steiner

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Wir haben es mit einer Frage zu tun, die den Menschen in seinem Innersten bewegt, denn es geht um Leben und Tod, um die Entstehung unseres Lebens, um das Schicksal in dieser Welt, um unsere Existenz vor und nach diesem Dasein, um die Deutung von Leid und Schuld, um den Sinn des ganzen Kosmos.

Gerhard Adler1

Denn eigentlich liegt erst hinter all den Geheimnissen der Welt das Geheimnis des Karma für den Menschen.

Rudolf Steiner2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einführung

1.1 Was versteht man unter »Reinkarnation«?

1.2 Was versteht man unter »Karma«?

2 Der Glaube an die Reinkarnation – früher und heute

2.1 In urferner Vergangenheit bis etwa 3101 vor Christus

2.2 In der Zeit von etwa 3101 bis etwa 1860 vor Christus

2.3 Ab etwa 1860 vor Christus bis zum Beginn unserer Zeitrechnung

2.4 In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten bis ins 18. Jahrhundert

2.5 Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert

2.6 Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert

2.7 Seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts

3 Welche Argumente

scheinen

gegen die Reinkarnationslehre zu sprechen und wie können diese entkräftet werden?

3.1 Im konfessionellen Christentum wird die Reinkarnation nicht gelehrt.

3.2 In der Bibel gibt es keine Hinweise auf die Reinkarnation.

3.2.1 Das notwendige Vergessen der Reinkarnation

3.3 Die Reinkarnation widerspricht der Auferstehung am Jüngsten Tage.

3.4 In den Naturwissenschaften ist von der Reinkarnation keine Rede.

3.5 Die Reinkarnation kann keiner beweisen.

3.6 Die Menschen können sich nicht an frühere Leben erinnern.

3.7 Die Bevölkerungsexplosion widerspricht der Reinkarnationslehre.

4 Welche Indizien könnten für die Reinkarnationslehre sprechen?

4.1 Unerklärliche Antipathie und Sympathie

4.2 Déjà-vu-Erlebnisse

4.3 Spontan-Erinnerungen an frühere Leben

4.4 Rückführungen in frühere Leben

5 Übersinnliche Welten, Hellseher, Eingeweihte und übersinnliche Wahrnehmungen

5.1 Die übersinnlichen Welten

5.1.1 Die Ätherwelt

5.1.2 Die Astral- oder Seelenwelt

5.1.3 Die Geisteswelt

5.2 Hellseher und Eingeweihte

5.3 Übersinnliche Wahrnehmungs- bzw. Erkenntnismöglichkeiten

5.3.1 Die imaginative Wahrnehmung – Imaginationen

5.3.2 Die inspirative Wahrnehmung – Inspirationen

5.3.3 Die intuitive Wahrnehmung – Intuitionen

5.3.4 Das ›Lesen‹ in der Akasha-Chronik

6 Wie kann die Reinkarnationslehre erkenntnis-theoretisch hergeleitet und begründet werden?

6.1 Wie kann man eine Erklärung für die unterschiedlichen Fähigkeiten, Begabungen und Talente der Menschen finden?

6.1.1 Die Lehre des Generatianismus

6.1.2 Die Lehre des Kreatianismus

6.1.3 Die Präexistenz der Seele

6.2 Entstehung, Entwicklung und Ziel des Menschen und der Menschheit

6.2.1 Das Ziel des Menschen aus Sicht der kirchlichen Lehren

6.2.2 Die Evolution des Menschen aus geisteswissenschaftlicher Sicht

6.2.2.1 Die geistigen Wesen der höheren Hierarchien

(Exkurs)

6.2.2.2 Die Entstehung des Menschen und der Menschheit

6.2.2.3 Die Versuchung des Menschen – der Sündenfall

6.2.2.4 Der Menschheitsrepräsentant –

»Gott will Götter«

6.2.2.5 Das Menschheitsideal

7 Die unsterbliche ›Instanz‹ im Menschen

7.1 Die Wesensglieder des

heutigen

Menschen

7.1.1 Der physische Leib

7.1.2 Der Ätherleib

7.1.3 Der Astralleib

7.1.4 Das Ich bzw. der Ich-Leib

7.2 Körper, Seele und Geist

7.2.1 Körper

7.2.2 Seele

7.2.3 Geist

7.3

Zukünftige

Wesensglieder des Menschen

7.3.1 Das Geistselbst

7.3.2 Der Lebensgeist

7.3.3 Der Geistesmensch

8 Besondere Gesichtspunkte der Reinkarnationslehre

8.1 Für welche Wesen gilt das Gesetz der Reinkarnation?

8.1.1 Ichlose Menschen

8.2 Anfang und Ende des Inkarnationskreislaufs

8.3 Was ist der Sinn dieser vielen Erdenleben?

8.4 Der zeitliche Abstand zwischen zwei Inkarnationen

8.5 Seelenwanderung

8.6 Wie ist zu erklären, dass die Menschen heute so große Unterschiede in ihrer geistig-seelischen Entwicklung aufweisen?

8.7 Warum ist das Erreichen der Entwicklungsziele heute so schwierig?

8.7.1 Die Abirrungen des Menschen

8.7.2 Das Wesen des Bösen

8.7.3 Der Sinn des Bösen

8.8 Fernziel und Nahziel der Menschheit

8.9 Die notwendige Erinnerung an frühere Erdenleben in naher Zukunft

9 Karma – das große kosmische Schicksalsgesetz

9.1 Ursache und Wirkung – Saat und Ernte

9.2 Zusammentreffen mit Menschen im Erdenleben – der notwendige karmische Ausgleich

9.2.1 Wie man erahnen kann, mit welchen Mitmenschen man karmisch verbunden ist

9.2.2 Weitere Aspekte des Zusammenkommens der Menschen

9.3 Die Verbindung zwischen zwei Inkarnationen

9.4 Die Aufgaben unseres persönlichen Engels und sein Einwirken

9.4.1 Warum spricht man bei diesem persönlichen Engel vom ›Schutzengel‹?

9.4.2 Begegnungen mit Menschen aus unserem Schicksalskreis

9.4.3 Wie können wir das Wirken unseres Engels bemerken oder wenigstens erahnen?

9.5 Die Lebensaufgabe

9.5.1 Die

individuelle

Lebensaufgabe

9.5.2 Die

globalen

Lebensaufgaben

9.6 Karma und Freiheit widersprechen sich nicht!

9.7 Das Karma des Judas Iskariot

10 Besondere Gesichtspunkte des Karmagesetzes

10.1 Karma und Begabungen

10.1.1 Pflanzen sich bestimmte Begabungen ins nächste Erdenleben fort?

10.2 Karma und Wesensglieder

10.2.1 Wie sich die Eigenschaften des Astralleibes auf den Ätherleib auswirken

10.2.2 Wie sich die Eigenschaften des Ätherleibes auf den physischen Leib auswirken

10.3 Karma und Krankheit

10.3.1 Ursachen bestimmter Krankheiten

10.3.1.1 Lungenentzündung

10.3.1.2 Disposition für Infektionskrankheiten

10.3.1.3 Diphtherie

10.3.1.4 Nervosität

10.3.1.5 Frühes Altern

10.3.1.6 ›Geistige‹ Behinderung

10.3.2 Karmisch unverursachte Krankheiten

10.3.3 Der Sinn von Krankheiten – Heilbarkeit und Unheilbarkeit

10.3.4 Chronische Krankheiten

10.3.5 Zukünftige Krankheiten

10.4 Karma und besonders dramatische Schicksale

10.4.1 Tod eines Kindes

10.4.2 Gewaltsamer Tod

10.4.2.1 Opfer von Naturkatastrophen

10.4.2.2 Opfer von zivilisatorischen Katastrophen

10.5 Schweres Schicksal als bewusste Opfertat

10.6 Geschenke des Schicksals

10.6.1 Ganz besondere Schicksalsgeschenke

10.7 Kennt der Mensch sein Schicksal oder erahnt er es zumindest?

10.8 Karma und der Gang der Menschheitsentwicklung

10.9 Wie der Mensch die Notwendigkeit eines karmischen Ausgleichs bemerken kann – früher, heute und in der Zukunft

10.10 Karma und die zukünftige menschliche Physiognomie

10.11 Gruppen-, Volks-, Menschheits- und Weltenkarma

10.12 Wie verträgt sich das Karmagesetz mit den christlichen Lehren über »Erlösung«, »Erbsünde« und »Gnade«?

10.12.1 Sündenvergebung

10.13 Weiterer Hinweis in der Bibel auf das Karmagesetz

10.14 Karma ist kein Gesetz, das wir fürchten müssten!

10.15 Wie sich eine spirituelle Weltanschauung und insbesondere ein Verständnis der Reinkarnations- und Karmalehre segensreich auf viele Lebensbereiche auswirken dürfte

11 Das Leben des Menschen zwischen Tod und neuer Geburt im Hinblick auf die Ausgestaltung seines Karma

11.1 Das Leben nach dem Tod – der Aufstieg durch die Planetensphären

11.1.1 Der Augenblick des Todes und die ersten Tage nach dem Tod

11.1.1.1 Die erste Konfrontation mit der eigenen Biografie – die Lebensrückschau

11.1.1.1.1 Wie ist das Auftauchen des Lebenspanoramas zu erklären?

11.1.1.1.2 Ablegen des Ätherleibes

11.1.2 Erlebnisse, Erfahrungen und Aufgaben in der unteren Seelenwelt (Kamaloka)

11.1.2.1 Die zweite Konfrontation mit der eigenen Biografie – das karmische Gericht

11.1.2.2 Die dritte Konfrontation mit der eigenen Biografie – das erneute ›Durchleben‹ des letzten Erdenlebens

11.1.2.3 Die Läuterung im Kamaloka

11.1.2.3.1 Ablegen des Astralleibes

11.1.2.4 Zusammenleben mit anderen Menschenseelen

11.1.3 Erlebnisse, Erfahrungen und Aufgaben in der oberen Seelenwelt

11.1.4 Erlebnisse, Erfahrungen und Aufgaben in der Geisteswelt

11.2 Spezielle Aufgaben im Leben zwischen Tod und neuer Geburt

11.2.1 Die Bildung des Karma

11.2.2 Das Schaffen am Geistkeim des neuen physischen Leibes

11.3 Das Leben vor der neuen Geburt – der Abstieg durch die Planetensphären

11.3.1 Die Auswahl der Eltern

11.3.2 Im Umkreis der Empfängnis

11.3.3 Die Vorschau auf das neue Erdenleben

12 Wie heute den Schicksalsmächten ›ins Handwerk gepfuscht‹ wird

(Exkurs)

12.1 Einseitigkeiten der modernen Schulmedizin

12.1.1 Behandlung und Prävention von Krankheiten in der Schulmedizin

12.1.2 Die geistigen Ursachen bestimmter Krankheiten im Kindesalter

12.2 Abtreibung

12.3 Aktive Sterbehilfe

12.4 Organspende

12.4.1 Wann ist der Mensch wirklich tot?

12.5 Einsatzgebiete und Gefahren der Künstlichen Intelligenz

12.6 Verschmelzung von Mensch und Maschine – Trans- bzw. Posthumanismus

Anhang

A.1 Rudolf Steiner und die Anthroposophie

A.2 Tabellarische Darstellungen

A.3 Geschichten

Quellennachweis

Literaturverzeichnis

Der Autor

Vorwort

In den letzten Jahren wurden in Deutschland verschiedene Befragungen erhoben, mit denen man herausfinden wollte, wie es bei den Bürgern mit dem Glauben an ein Leben nach dem Tod bestellt ist. Die Ergebnisse der jeweiligen Umfragen fielen ziemlich einheitlich aus: Etwa ein Drittel der Deutschen ist davon überzeugt, dass es kein Leben nach dem Tod gebe. Etwa ein Drittel hält ein nachtodliches Leben zumindest für möglich, nur ungefähr ein Drittel glaubt fest daran. Selbst unter den gläubigen Katholiken sind es lediglich etwas mehr als 50 Prozent, die von einem Leben nach dem Tod überzeugt sind.

Befragungen in anderen westlichen Ländern würden gewiss zu einem vergleichbaren Resultat führen.

Diese Umfrageergebnisse wären noch vor 100 Jahren völlig anders ausgefallen.

In dieser Zeit glaubten die weitaus meisten Menschen noch fest daran, dass ihre Existenz nach dem Tod eine Fortsetzung finden werde. Diesen Glauben stützten sie auf die Lehren der Kirchen. Natürlich wurden sie von den Kirchen im Ungewissen gehalten, was sie nach dem Tod genau erwarten würde. Allerdings konnten sie den kirchlichen Lehren entnehmen, dass es ihnen nach dem Tod zumindest nicht schlecht ergehen würde, sofern sie ein anständiges und gottgefälliges Leben geführt haben. Die Hoffnung auf ein Leben im ›Himmel‹ sorgte dafür, dass sie den Tod nicht fürchteten.

Das änderte sich spätestens ab den 1950er Jahren. Seitdem hat der Glaube an alles, was geistiger Natur ist und sich der sinnlichen Wahrnehmung entzieht, mehr und mehr abgenommen. Das fehlende oder zumindest mangelnde Verständnis für alles Geistige, das in der heutigen Zeit vorherrschend ist, ist eine Folge davon, dass sich der »Materialismus« mittlerweile über alle Lebensbereiche ergossen hat. Das Credo des Materialismus lautet, dass alle Gedanken und Ideen Erscheinungsformen der Materie seien.

Diesen Materialismus, der gerade in unseren Tagen seine abscheulichsten Blüten treibt, kann man in gewissem Sinne als die schlimmste Krankheit der gesamten Menschheitsgeschichte bezeichnen. Ein Großteil der Menschheit hat sich mit dieser Ideologie, dieser Weltanschauung infiziert. Solche Menschen, also »Materialisten«, glauben nur an das, was sie mit ihren üblichen physischen Sinnen sowie den sie verstärkenden Instrumenten und Messgeräten wahrnehmen, beobachten und studieren können. Sie glauben nur an die Materie. Alle Weltenerscheinungen betrachten sie somit zwangsläufig als das zufällige Resultat eines ›kosmischen Würfelspiels ohne Spieler‹. Für geistige Welten und Wesen ist in ihren Theorien und Modellen kein Platz. Damit gleichen sie einem Blindgeborenen, der Licht und Farben für eine Illusion hält! Die Tatsache, dass es Hellseher, also Menschen gibt, die über die Gabe verfügen, Geistiges wahrzunehmen und zu studieren, halten sie für Phantasterei.

Ein ›waschechter‹ Materialist ist natürlich auch immer Atheist – es sei denn, er stellt sich Gott als eine physische Wesenheit, die irgendwo in den Weiten des Universums residiert, vor. Dass diese Gottesvorstellung nicht von allzu weit hergeholt ist, karikiert eine Ihnen vielleicht bekannte Anekdote. Ein Astronaut prahlt: »Ich bin schon zigmal im Weltraum gewesen und habe nicht einen einzigen Engel, geschweige denn Gott gesehen.« Sein Freund, ein Gehirnchirurg, entgegnet: »Ich habe schon viele Tausend Gehirne operiert und noch nie einen Gedanken gesehen!«

Selbstverständlich kann man ein göttliches Wesen genauso wenig mit physischen Augen sehen wie man einen Gedanken, der ebenfalls etwas Geistiges repräsentiert, sehen kann. Schon die Tatsache, dass kaum einer bestreiten dürfte, dass es Gedanken gibt, zeigt, wie unsinnig es ist, nur dasjenige für existent zu halten, was man mit seinen Augen sehen oder mit seinen Ohren hören kann. Natürlich glaubt jeder vernünftige Mensch an die Naturgesetze. Aber auch diese Gesetze kann man nicht sinnlich wahrnehmen. Das, was man wahrnehmen kann, sind ihre Wirkungen, ihre Offenbarungen.

Als eine zwangsläufige Folge dieser materialistischen Gesinnung nimmt die Anzahl der Menschen stetig zu, die davon ausgehen, dass die menschliche Existenz mit dem Tode ein unwiderrufliches Ende fände.

Somit ist es – um auf das Kernthema dieses Buches zu kommen – auch völlig nachvollziehbar, dass die Mehrheit unserer Landsleute nicht an die Reinkarnation, also daran, dass ein Mensch nicht nur einmal, sondern mehrere Male den irdischen Schauplatz betritt, glaubt. Wenn jemand nicht an ein Leben nach dem Tod glaubt, so wäre es ja paradox, von der Reinkarnation auszugehen. Gemäß verschiedener Meinungsumfragen aus den letzten Jahren glauben rund 70 Prozent der Deutschen nicht an die Wiedergeburt.

Auch wenn die Anzahl unserer namentlich jüngeren Mitmenschen, die an die Reinkarnation glauben oder sie wenigstens für möglich halten, in den letzten Jahren etwas zugenommen hat, muss man sehen, dass viele damit etwas sonderbare Vorstellungen verknüpfen, wie sie zum Teil auch heute noch in fernöstlichen Religionen bzw. Philosophien, in denen die Reinkarnationslehre schon seit Jahrtausenden fest verankert ist, vertreten werden. Hierzu gehören die absurden Ansichten, dass ein Mensch auch als Tier oder gar als Pflanze oder aber auf einem anderen Planeten wiedergeboren werden könne. Auch sind manche der irrigen Ansicht, dass die Notwendigkeit, sich in einem fleischlichen Leib zu verkörpern, endlos sei, was im krassen Widerspruch zu den biblischen Offenbarungen steht.

Viele Zeitgenossen, welche die Reinkarnationsidee zwar nicht rigoros ablehnen, aber sich nicht näher damit befassen, vertreten die Ansicht, dass es unwichtig sei, etwas darüber zu wissen, was in ihren möglichen früheren Leben geschehen sei. Das sei schließlich vorbei und nicht mehr zu ändern. Außerdem habe es keinen Einfluss auf ihr heutiges Leben. Das ist aber – wie wir in diesem Buch noch zeigen werden – ein großer Irrtum!

Nie war es so dringend notwendig wie heute, dass mehr und mehr Menschen sich von den materialistischen Indoktrinationen, die längst auch an unseren Schulen betrieben werden, sowie den kirchlichen Dogmen emanzipieren und sich mit den spirituellen Lehren, wie man sie insbesondere aus der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft gewinnen kann, befassen. Zu den wichtigsten und grundlegendsten geistigen Tatsachen gehören das Reinkarnationsgesetz und das ganz eng damit verknüpfte Karmagesetz. Es ist heute von fundamentaler Bedeutung, dass wir uns mit diesen Wahrheiten vertraut machen. Wer diese Gesetze nicht kennt, kann nicht nur viele andere geistige Tatsachen nicht begreifen, sondern er kann im Grunde sein eigenes Leben nicht verstehen.

Wie wir noch sehen werden, stehen die Reinkarnations- und die Karmalehre nicht im Widerspruch zu einem richtig verstandenen Christentum. Vielmehr machen sie die christlichen Lehren erst so recht verständlich.

Wir wollen in diesem Buch alles Wesentliche zusammentragen, was eine wohlverstandene Reinkarnationslehre ausmacht. Da die Reinkarnation nicht ohne das Karmagesetz verstanden werden kann, werden wir uns auch darüber klare Vorstellungen verschaffen.

Die Darstellungen in den meisten Büchern, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten von sogenannten »Reinkarnationsforschern« geschrieben wurden und zum Teil eine große Verbreitung gefunden haben, beruhen ausschließlich auf Indizien ( Kapitel 4), Vermutungen und Spekulationen, was hier gar nicht kritisiert oder kleingeredet werden soll. Wir beziehen uns bei unseren Ausführungen im Gegensatz dazu auf die Ergebnisse, die ganz besondere Menschen, die man als »Hellseher«, »Geistesseher« oder »Eingeweihte« (Kapitel 5, S. →ff.) bezeichnet, aufgrund konkreter auf geistigem Schauen basierenden Forschungen, die höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, gewonnen und den Menschen offenbart haben. Dabei werden wir uns zwar nicht ausschließlich, aber doch ganz wesentlich auf die äußerst umfangreichen Erkenntnisse, die wir dem großen Eingeweihten und Geistesseher Dr. Rudolf Steiner (1861 bis 1925), den wir im Anhang ( S. →ff.) etwas näher vorstellen werden, beziehen. Es gibt gewiss keinen zweiten Menschen, der die Gesetze der Reinkarnation und des Karma durch eigenes geistiges Schauen so umfassend, vielschichtig und detailliert erforscht und beschrieben hat wie dieser große Geisteslehrer.

Wenngleich sich alle folgenden Darstellungen ganz wesentlich auf das große Geistesgut der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft Rudolf Steiners stützen, so sind dennoch keinerlei anthroposophische oder sonstige Vorkenntnisse vonnöten. Wir waren insbesondere bemüht, mit einem Minimum an anthroposophischen Fachausdrücken auszukommen.

Dieses Buch wendet sich in erster Linie an Leser, die sich noch nicht – zumindest nicht intensiv – mit den großen kosmischen Gesetzen, dem Reinkarnations- und Karmagesetz, vertraut gemacht haben. Es dürfte aber auch allen, die sich schon näher mit diesen befasst haben, noch etliche neue Aspekte und Denkanstöße liefern.

Der Verfasser möchte den Leser ermutigen, den Gedankengängen, die in diesem Buch angestellt, und den Darstellungen, die hier gegeben werden sollen, durchaus kritisch, aber vorurteilsfrei zu folgen. Da die Darstellungen dieses Buches sachlich weitgehend aufeinander aufbauen, ist zu empfehlen, die einzelnen Kapitel und Abschnitte in der gegebenen Reihenfolge zu lesen.

Anmerkungen:

Dieses Buch kann als eine ganz erheblich ergänzte und erweiterte Neuauflage unseres Büchleins »Man lebt nicht nur einmal – Sinn und Notwendigkeit der Reinkarnation und des Karmagesetzes« aufgefasst werden.

Viele Themen, die in dem vorliegenden Buch behandelt werden, finden sich auch in unseren Werken »Die spirituelle Seite des Todes – Reinkarnation und Christentum, Leben nach dem Tod und Sinn des Lebens« und »Das Götterprojekt Mensch – Entstehung, Wesen und Ziel des Menschen – Einführung in die grundlegenden Erkenntnisse der Anthroposophie Rudolf Steiners«, in denen der Schwerpunkt allerdings auf anderen Themen liegt.

Die Darstellungen über Reinkarnation und Karma sind in dem vorliegenden Buch weit umfangreicher und detaillierter als in unseren anderen Büchern.

»Die zahlreichen im Text eingebetteten Original-Zitate aus Büchern und Vorträgen Rudolf Steiners sind in einer anderen Schriftart gedruckt, um auf den ersten Blick als solche erkannt zu werden.«

»Zitate von anderen Persönlichkeiten, Bibelverse und dergleichen sind kursiv gedruckt.«

Alle älteren Zitate in diesem Buch sind an die heute gültige Rechtschreibung angepasst.

Eine Bemerkung ist uns noch sehr wichtig:

Wenn in diesem Buch die Ideologie des Materialismus äußerst kritisch gesehen wird, so ist damit kein Werturteil über die Menschen, die sich – sei es bewusst, halbbewusst oder unbewusst – dieser Weltanschauung verschrieben haben, verbunden. Die meisten Materialisten sind hochanständige, sympathische Menschen und durchaus wertvolle Mitglieder der Gesellschaft.

Kapitel 1

Einführung

Unsterblichkeit – Ungeborenheit; erst wer beides versteht, versteht die Ewigkeit.

Rudolf Steiner3

I n diesem einleitenden Kapitel wollen wir uns den beiden zentralen Begriffen dieses Buches annähern. Es soll hier nur ganz grob und ohne schon ins Detail gehen zu wollen skizziert werden, was man unter »Reinkarnation« und dem in engster Weise damit zusammenhängenden Begriff »Karma« versteht.

1.1 Was versteht man unter »Reinkarnation«?

Nahezu jeder Mensch stellt sich irgendwann einmal die Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens. Man möchte die Entstehung und das Ziel des Menschenwesens und den Sinn seines eigenen Lebens ergründen.

In diesem Zusammenhang drängen sich viele Fragen auf:

Wie lange gibt es dieses Wesen, zu dem ich

»Ich«

sage – also mein

»Ich-Wesen«

– schon?

Hat meine Existenz erst mit meiner Geburt bzw. der Empfängnis begonnen, oder war ich schon vorher da?

Endet meine Existenz mit meinem Tod, oder wird sie diesen überdauern?

Werde ich womöglich eines fernen Tages erneut auf der Erde geboren?

Was ist eigentlich der Sinn meines Daseins?

Diese Fragen führen unmittelbar in den Kern der Reinkarnationslehre.

Betrachten wir zunächst den Begriff »Inkarnation«, den man mit »Fleischwerdung« übersetzen kann. Hierunter versteht man, dass sich ein Mensch in einem physischen, also fleischlichen Leib verkörpert, wie das bei der Geburt bzw. Empfängnis der Fall ist. Auch das gesamte darauf folgende Erdenleben wird mit diesem Terminus bezeichnet. Üblicherweise spricht man hier von der »Seele« des Menschen, die in einen physischen Leib einzieht und anschließend in diesem lebt. Wenngleich dieser Begriff – wie wir in Kapitel 7 (S.→ff.) noch sehen werden – in diesem Zusammenhang genau genommen nicht ganz korrekt ist, werden wir zunächst daran festhalten. Das Gegenteil von »Inkarnation« ist »Exkarnation«. Damit ist gemeint, dass die Seele den Leib wieder verlässt, wie das beim Eintritt des Todes der Fall ist.

Entsprechend bedeutet »Reinkarnation« – was mit »Wieder-Fleischwerdung« oder auch »Wiederverkörperung« übersetzt werden kann – eine wiederholte Inkarnation, also eine wiederholte oder erneute Geburt. Daher wird auch oftmals der Begriff »Wiedergeburt« verwandt. Diese Termini sind aber streng genommen etwas ungenau, da sie keine Aussage darüber machen, ob sich ein Mensch nur ein einziges Mal oder viele Male wiederverkörpert. Aus diesem Grund sprach Rudolf Steiner meistens von den »wiederholten Erdenleben« bzw. von dem »Gesetz der wiederholten Erdenleben«. Gemeint ist damit, dass ein Menschenwesen nicht nur ein einziges Mal als körperlicher bzw. verkörperter Mensch den irdischen Schauplatz betritt, dass er nicht nur einmal geboren wird, sondern viele Male.

In manchen Kreisen – insbesondere in fernöstlichen Traditionen – spricht man auch von »Seelenwanderung«. Diesen Begriff halten wir nicht für sehr geeignet, da er suggerieren könnte, dass die Seele von einem Erdenleben sofort ins nächste ›wandert‹, dass also ein Erdendasein unmittelbar dem vorausgegangenen folgt. Vielmehr ist es so, dass ein Menschenwesen zwischen zwei Verkörperungen, also zwischen zwei Erdenleben, für lange Zeit, die sich im Durchschnitt nach Jahrhunderten bemisst, als rein ›geistig-seelisches Wesen‹ in ›geistigen Sphären‹ weilt, in denen es zunächst sein abgelegtes Leben aufarbeitet und dann sein neues vorbereitet (Kapitel 11, S. →ff.).

Erdenleben (0 bis maximal etwa 100 Jahre)

Leben in geistigen Welten (wenige Jahre bis mehrere Jahrhunderte)

Wie wir an späterer Stelle noch erörtern werden, ist dieser ›Inkarnationskreislauf‹ nicht endlos. Er hat in urferner Vergangenheit begonnen und wird schon in einigen tausend Jahren enden.

Der Mathematiker und Anthroposoph Axel Burkart bezeichnet in seinen Vorträgen4 die Menschen plakativ, aber durchaus treffend als »Terranauten« und zieht damit einen Vergleich zu Astronauten. Wenn ein Astronaut sich anschickt, seinen Heimatplaneten zu verlassen, um mit einem Raumfahrzeug ins Weltall aufzusteigen, wo er dann ganz bestimmte Aufgaben zu erfüllen hat, zieht er sich einen Astronautenanzug an, ohne den er außerhalb der Erde nicht leben könnte. Entsprechend bekleidet sich der Mensch mit einem ›Terranautenanzug‹, einem physischen Körper, wenn er seine wahre Heimat, die geistige Welt, verlässt und ins erneute Erdenleben hinuntersteigt, in dem er auch ganz bestimmte Aufgaben zu erfüllen hat. Ohne diesen Körper könnte er auf der Erde nicht leben.

Der Begriff »Erde« muss hier betont werden. Diese mit ihren Naturreichen sowie das gesamte Sonnensystem mit allen Planeten und Naturgesetzen ist ganz nach Maßgabe des Menschen geschaffen. Die Erde ist der einzige Weltenkörper im unermesslich riesigen Universum, auf dem der Mensch, wenn er sich verkörpert hat, leben kann. Ohne die Erde gäbe es keinen Menschen, und ohne den Menschen gäbe es keine Erde!5

Der Tod, den viele so fürchten, ist ein großes Geschenk der göttlichen Weltenordnung. Würde der Mensch nicht sterben, so würde er sich immer mehr von allem Geistigen entfernen und entfremden. So aber wird uns allen nach jeweils durchschnittlich 70, 80 Jahren die Gnade zuteil, wieder in unsere eigentliche Heimat, die geistige Welt, zurückkehren zu können, wo wir uns während eines langen Zeitraums das geistige Rüstzeug für unsere nächste Inkarnation erwerben können.

Wenn man von einem »Menschen« spricht, so muss man zwischen »Individualität« und »Persönlichkeit« unterscheiden. Jedes vor Urzeiten von den Schöpfermächten geschaffenes geistiges Menschenwesen bzw. jede menschliche Seele stellt etwas Einzigartiges, Einmaliges und Individuelles dar. Jeder Seele ist es bestimmt, ewig zu existieren. Diese Seele, die durch viele Erdenleben geht, stellt die menschliche »Individualität« dar. Der sichtbare Mensch, der auf der Erde umhergeht, der diese Seele bekleidet und von dieser belebt und durchpulst wird, ist die »Persönlichkeit«. Eine Individualität, eine menschliche Seele, geht also durch viele Persönlichkeiten hindurch. Das, was stirbt und verschwindet, ist die Persönlichkeit. Es stirbt eines Tages der Hans Müller aus München. Aber die Seele, die den Leib dieser Persönlichkeit bewohnt hat, lebt zunächst in der geistigen Welt weiter, um sich dann später wieder in einem anderen menschlichen Leib zu verkörpern, der eine andere Persönlichkeit darstellt. Dieser Hans Müller hat in seiner vorigen Inkarnation vielleicht vor – sagen wir – vierhundert Jahren in einem arabischen Land gelebt. Dort wandelte er möglicherweise als die Persönlichkeit Fatima Al Mosa umher. In der Zukunft wird er vielleicht als Harry O’Neill in Irland geboren werden.

1.2 Was versteht man unter »Karma«?

Jeder von uns kennt sehr erfreuliche, aber auch sehr unangenehme, vielleicht sogar niederschmetternde Erlebnisse und Erfahrungen. Auch wundern wir uns möglicherweise, wie es dazu kam, dass wir unserem besten Freund oder unserem Ehepartner auf so sonderbaren Wegen erstmals begegnet sind. Dann fragen wir uns vielleicht, warum uns unser Nachbar oder Arbeitskollege immer wieder Probleme bereitet. Des Weiteren verstehen wir oftmals nicht so recht, warum wir uns gerade für diesen oder jenen Beruf oder einen bestimmten Arbeitgeber entschieden haben. Auch fragen wir uns vielleicht, warum beispielsweise unser Sohn oder unsere Tochter schon im Kindesalter ein ganz erstaunliches Talent aufwies, das die Eltern und Großeltern nicht besaßen.

Hier stellen sich unweigerlich Fragen wie:

Handelt es sich hierbei um ›Zufälle‹ oder einfach um Glück oder Pech?

Sind wir womöglich Marionetten an den Fäden eines großen ›kosmischen Würfelspielers‹, oder haben diese Ereignisse ganz wesenhaft

mit uns

zu tun?

Sind diese Geschehnisse vielleicht die Folge unseres Verhaltens oder unserer Taten aus einer urfernen Vergangenheit?

Haben wir uns diese Dinge vor unserer Geburt womöglich selbst ausgesucht?

Wozu bin ich hier eigentlich angetreten?

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, müssen wir das Karmagesetz heranziehen.

Was versteht man eigentlich unter »Karma«? Manche setzen dieses Wort mit »Schicksal«, andere mit »Schuld« gleich. »Karma« kommt aus dem Sanskrit und kann am treffendsten mit »Tun« oder »Machen« übersetzt werden. Wichtig und richtig ist, dass Karma sowohl mit »Schicksal« als auch mit »Schuld« als auch mit »Tun« bzw. »Machen« zu tun hat. Karma ist das große »kosmische Gesetz von Ursache und Wirkung«. Es äußert sich in bestimmten Wirkungen, die uns Menschen widerfahren und deren Ursachen in unseren Taten oder Verhaltensweisen aus einem früheren Leben liegen.

In jedem Menschenleben treten Schicksalsfälle ein, »die sich nicht darstellen als Wirkungen von Ursachen des einzelnen Lebenslaufes, sondern die aus einem anderen Bewusstsein heraus verursacht sind, nämlich aus einem solchen Bewusstsein, das jenseits der Geburt liegt und das unser Leben fortsetzt in frühere Zeiten, als diejenigen sind, die erst seit unserer Geburt abgelaufen sind. Wenn wir diesen Gedanken genau fassen, werden wir sagen: Wir haben zunächst ein Bewusstsein, das sich ausdehnt über die Zeit zwischen Geburt und Tod und welches wir das Bewusstsein der Einzelpersönlichkeit nennen wollen, und wir wollen als Einzelpersönlichkeit dasjenige bezeichnen, was zwischen Geburt und Tod verläuft. Sodann sehen wir, wie ein Bewusstsein wirken kann über Geburt und Tod hinaus, von dem der Mensch in seinem gewöhnlichen Bewusstsein nichts weiß, das aber gerade so wirken kann wie dieses gewöhnliche Bewusstsein. [...]

Wenn dagegen der Mensch irgendwohin getrieben wird, wo er einen Schmerz erleiden kann, um etwas auszugleichen, um ein besserer Mensch zu werden, so kommt das auch aus dem Menschen; nur kommt es nicht aus dem Einzelpersönlichkeitsbewusstsein, sondern aus einem umfassenderen Bewusstsein, das mitumfasst die Zeit zwischen Tod und neuer Geburt. Dasjenige Wesen im Menschen, welches von diesem Bewusstsein umfasst wird, wollen wir die ›Individualität‹ des Menschen nennen; und dieses Bewusstsein, das also fortwährend unterbrochen wird durch das Persönlichkeitsbewusstsein, wollen wir das ›individuelle Bewusstsein‹ nennen, im Gegensatz zum Einzelpersönlichkeitsbewusstsein. So sehen wir Karma wirksam in Bezug auf die Individualität des Menschen.«6

Das Karmagesetz besagt, dass nichts von dem, was wir im Erdendasein erleben, zufällig geschieht. Wir sind es gewohnt, von einem »Zufall« zu sprechen, wenn sich etwas ereignet, für das es keine Ursache zu geben scheint. Im Kosmos geschieht aber niemals etwas, für das keine Ursache existiert! Einen »Zufall« im landläufigen Sinne gibt es nicht! Wenn uns etwas zufällt, so gibt es dafür immer eine Ursache, die meistens im Geistigen zu finden ist und sich uns nicht oder nur schemenhaft offenbart. Wir können sie allenfalls erahnen. Vieles von dem, was auf uns zukommt – unabhängig davon, ob wir es als erfreulich oder unerfreulich empfinden –, ist eine logische und gesetzmäßige Folge unseres Verhaltens oder unserer Taten aus einem früheren Erdenleben.

Wenn ein Mensch durch die Geburt ins physische Dasein schreitet, so betritt er den irdischen Schauplatz nicht als ein ›unbeschriebenes Blatt‹. Vielmehr bringt er alle seine Erfahrungsschätze, die er in seinen früheren Inkarnationen gewonnen hat, sowie sein ganz individuelles Karma bzw. Schicksal mit. Dieses Schicksal hat er in seinem vorigen Leben selbst zubereitet und in seinem vorgeburtlichen Leben in der geistigen Welt weitgehend selbst gewählt! In dieser Zeit war er noch ungleich weiser, als er es im Erdenleben jemals sein könnte. Wenn der Mensch wieder im Erdensein ist, wirkt in seiner Seele der Drang, dieses selbst gewählte Schicksal zu leben bzw. zu erfüllen.

»Eine Wesenheit, die einmal tätig war, steht in der Folge eben nicht mehr isoliert da; sie hat ihr Selbst in ihre Taten gelegt. Und alles, was sie wird, ist fortan verknüpft mit dem, was aus den Taten wird. Diese Verknüpfung einer Wesenheit mit den Ergebnissen ihrer Taten ist das die ganze Welt beherrschende Gesetz vom Karma. Die Schicksal gewordene Tätigkeit ist Karma.«7

Man darf die Karmalehre keinesfalls im Sinne der deterministischen Prädestinationslehre missverstehen, wie sie von dem Kirchenlehrer Augustinus von Hippo (354 bis 430) eingeführt und auch später noch von dem Reformator Johannes Calvin (1509 bis 1564) vertreten wurde, die nicht mit der Entscheidungsfreiheit des Menschen rechnet und somit davon ausgeht, dass alles im Leben vorherbestimmt sei.

Das Reinkarnations- und das Karmagesetz gehören zu den wichtigsten geistigen Gesetzen, ohne die man viele geistige Wahrheiten – insbesondere auch dasjenige, was der Mensch im Leben zwischen Tod und neuer Geburt in den übersinnlichen Welten erlebt, erfährt und durchzumachen hat – nicht verstehen könnte. Überhaupt wäre es unmöglich, den Sinn seines eigenen Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen zu begreifen, wenn man diese Tatsachen außer Acht ließe. Es ist von eminenter Bedeutung, dass sich jeder Mensch mit diesen Lehren vertraut macht.

»Es wird gar nicht lange dauern, bis die Menschen das Karmagesetz als Selbstverständlichkeit einsehen werden. Die Menschen werden hereingeboren in die Verhältnisse, in die sie gehören.«8

Kapitel 2

Der Glaube an die Reinkarnation – früher und heute

Die Ursache aller Dinge ist der Geist. Er bringt einen Körper hervor, durch den er seine Wunder vollführt. Ist der Körper zerstört, schafft sich der Geist einen neuen Körper, der ähnliche oder höhere Eigenschaften hat.

Paracelsus9

D ie Zeitgenossen in der europäisch-amerikanischen Welt, welche die Lehre von den wiederholten Erdenleben ablehnen oder gar für einen Unsinn halten, sind immer noch in der Mehrheit. Viele von ihnen vertreten die Meinung, dass die Reinkarnationsidee ausschließlich in der buddhistischen und hinduistischen Religion eine gewisse Tradition habe und dass sie erstmals vor einigen Jahrzehnten von einigen Esoterikern ins Abendland importiert worden sei.

Wir wollen uns in diesem Kapitel die Frage vorlegen, ob das den Tatsachen entspricht. Ist diese Idee im Okzident wirklich neu? Glaubte die große Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt in früheren Epochen auch nicht an die Reinkarnation? Wie war es überhaupt in früheren Zeiten – unabhängig von der Hemissphäre – um das Wissen von den wiederholten Erdenleben bestellt?

2.1 In urferner Vergangenheit bis etwa 3101 vor Christus

Bis noch vor etwa 5.000 Jahren – also bis gegen Ende der urpersischen Kulturepoche (Anhang A.2, Tabelle 6, S. →) – waren die Menschen noch absolut davon überzeugt, dass jeder Mensch viele Male den irdischen Schauplatz betritt, dass er sich also viele Male auf der Erde verkörpert. Hierbei handelte es sich nicht etwa nur um einen frommen Wunsch oder einen naiven Glauben, sondern um eine ganz klare Erkenntnis, die sie durch eigene Anschauung gewinnen konnten. Je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto klarer war für die Menschen diese Erkenntnis.

Woher nahmen die Menschen diese Gewissheit? Nun, während es heute nur eine vergleichsweise kleine Schar von Menschen gibt, die hellsichtig ist, war die Gabe, in übersinnliche Welten schauen sowie geistige Geschehnisse wahrnehmen zu können, in dieser fernen Vergangenheit eine ganz natürliche Fähigkeit, über die alle Menschen verfügten. Für sie waren die geistigen Welten und Wesen (Kapitel 6, S. →ff.) mindestens genauso real wie es die Erdenwelt und die Erdenmenschen waren. Die Menschen konnten also genau wissen, was die geistig-göttliche Welt von ihnen erwartete. Als »gut« konnten sie alles erkennen, was die geistigen Wesen, die ›guten Götter‹, wollten oder ihnen auftrugen. Sie lebten viel mehr im Bewusstsein der geistigen als der irdischen Welt.

Somit wäre es den Menschen dieser Zeit noch absolut absurd erschienen, wenn jemand nicht nur gesagt hätte, es gäbe kein Leben nach dem Tod, sondern auch wenn er die Meinung vertreten hätte, es gäbe kein Leben vor der Geburt. Die damaligen Menschen wären gar nicht erst auf die Idee gekommen, den Tod als einen radikalen Übergang von einer Daseinsform in eine andere und schon gar nicht als ein Ende ihrer Existenz aufzufassen. Sie hatten noch ein deutliches Bewusstsein, dass sie vor ihrer Geburt aus einer geistigen Welt herabgestiegen waren, in die sie nach dem Tod wieder hinaufsteigen werden. Das vorgeburtliche, das irdische und das nachtodliche Dasein war für sie ein großer gemeinsamer Lebensstrom. Ihnen war bewusst, dass sie sowohl bei ihrer Geburt als auch bei Eintritt des Todes lediglich den Schauplatz bzw. das Feld ihres Wirkens wechselten.

Also, in sehr frühen Zeiten der Menschheitsentwicklung hatten die Menschen noch ein durchaus lebendiges Wissen von der Reinkarnation. Sie hatten sogar konkrete Erinnerungen an ihre früheren Erdenleben.

Dass der Gedanke der Wiederverkörperung ein sehr alter ist und schon den alten Indern, die etwa sechs bis acht Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung lebten, geläufig war, lässt sich nicht nur durch hellseherische Forschung herausfinden, sondern auch aus schriftlichen Dokumenten nachweisen. In den ältesten hinduistischen Schriften, den »Veden«, wird die Reinkarnation noch nicht thematisiert. Allerdings findet man die Lehre von Reinkarnation und Karma in den »Upanishaden«, die erst viel später – nämlich ab etwa 800 v. Chr. – aufgeschriebenen wurden. Das möglicherweise älteste Dokument, das von diesen Lehren zeugt, ist die »Brihadaranyaka Upanishad«.

2.2 In der Zeit von etwa 3101 bis etwa 1860 vor Christus

Etwa im Jahre 3101 vor Christus kam es zu einem ganz wichtigen Einschlag. Es begann ein neues Zeitalter, das 5.000 Jahre dauern sollte und das in der orientalischen Philosophie »Kali Yuga« (»Finsteres Zeitalter«) genannt wird.

Von nun an nahm die Fähigkeit, hellsichtig in die übersinnlichen Welten schauen zu können, mehr und mehr ab. Somit ging auch der unmittelbare Zusammenhang mit der göttlich-geistigen Welt allmählich verloren.

»Dann kam aber ein anderes Zeitalter, ein Zeitalter, in dem auch dieses Vertrautsein mit der geistigen Welt aufhört, wo sozusagen sich die Tore zuschließen gegenüber der geistigen Welt. Der Blick der Menschen wurde da immer mehr und mehr beschränkt auf die äußere sinnliche Welt und den Verstand, der die Eindrücke der Sinne verarbeitet, so dass die Menschen über die geistige Welt nur noch nachdenken konnten. Das ist die niedrigste Art, etwas über die geistige Welt zu wissen. Das, was die Menschen jetzt noch wirklich wussten aus ihrem eigenen Erleben heraus, das ist die sinnlich-physische Welt. Wollten die Menschen etwas wissen über die geistige Welt, so mussten sie dies durch ihr Nachdenken erreichen. Es ist das diejenige Zeit, wo der Mensch am ungeistigsten wurde und deshalb auch sich am meisten in der Sinnenwelt festlegte und festsetzte. Das war aber notwendig, um sein Selbstbewusstsein nach und nach bis zur höchsten Höhe entfalten zu können. Denn nur durch den groben Widerstand der äußeren Welt konnte der Mensch lernen, sich von der Welt zu unterscheiden und als Eigenwesenheit sich selber zu empfinden. Dieses letztere Zeitalter nennt man auch Kali Yuga oder das finstere Zeitalter.«10

Die einstmalige hellseherische Fähigkeit und die Vertrautheit mit der geistigen Welt mussten die Menschen nach und nach verlieren, um sich von der Führung der ›Götter‹, derer sie einstmals bedurften, zu emanzipieren. Nur so konnten sie ihr Erdenleben mehr und mehr ergreifen lernen und zu selbständig denkenden und frei handelnden Geschöpfen werden.

Nachdem sich die Erinnerung an das, was sie früher in der geistigen Welt wahrgenommen und erlebt hatten, langsam verflüchtigte, mussten die Menschen jetzt etwas Neues lernen. Um eine gewisse Verbindung mit der geistigen Welt noch aufrechterhalten zu können, mussten sie in den folgenden Jahrhunderten, die noch über den in diesem Abschnitt betrachteten Zeitraum deutlich hinausreichen, lernen, dieses Geistige in ihrem Ich (Kapitel 7, S. →ff.), das sich langsam individualisierte, zu erleben. »Da sehen wir, dass tatsächlich unsere Seelen mit jeder neuen Verkörperung in immer neue Verhältnisse hineinkommen, in denen immer Neues gelernt werden kann. Was wir im Kali Yuga gewinnen können, das ist, uns in unserem Ich-Bewusstsein zu festigen. Vorher war das nicht möglich, denn da musste man eben erst das Ich in sich aufnehmen. Wenn nun Seelen versäumt haben, in einer Inkarnation dasjenige aufzunehmen, was gerade dieses Zeitalter gibt, dann ist es sehr schwer, in andern Zeiten das nachzuholen. Sie müssen dann lange Zeit warten, bis es möglich wird, doch in einer gewissen Beziehung das Versäumte nachzuholen, aber wir dürfen uns darauf durchaus nicht verlassen.

Das also wollen wir vor unsere Seele rücken, dass während der Kali Yuga-Epoche [die erst im Jahre 1899 endete] etwas sehr Wesentliches geschehen ist, indem sozusagen die Tore zugemacht worden sind gegenüber der geistigen Welt. Das war auch jenes Zeitalter, in dem der Täufer Johannes wirkte und in dem wirkte der Christus. Für diese Zeit, die ja schon 3100 Jahre hatte hingehen sehen von dem finsteren Zeitalter, war wesentlich, dass die Menschen alle schon mehrere Male, wenigstens ein- bis zweimal dagewesen waren in diesem finsteren Zeitalter. Das Ich-Bewusstsein hatte sich gefestigt, die Erinnerung an die geistige Welt hatte sich verflüchtigt, und die Menschen mussten lernen, wenn sie nicht den Zusammenhang mit der geistigen Welt vollständig verlieren wollten, dieses Geistige in ihrem Ich zu erleben. Sie mussten ihr Ich so entwickeln, dass dieses Ich in seinem Inneren wenigstens gewiss sein konnte, dass es eine geistige Welt gibt und dass der Mensch dieser geistigen Welt angehört, und dass es höhere geistige Wesenheiten gibt. Das Ich musste sich fähig machen, eine innere Empfindungsmöglichkeit, Glaubensmöglichkeit an die geistige Welt zu haben.«11

Wenngleich bei der großen Masse der Menschheit nach dem Jahre 3101 vor Christus die persönliche übersinnliche Anschauung von der Reinkarnation verloren ging, so blieb die Erkenntnis, dass es sich dabei um eine Wahrheit handelt, noch lange Zeit erhalten. Dafür sorgten im Wesentlichen die großen Eingeweihten bzw. Initiierten (Kapitel 5, S. →ff.), die als Lehrer der Menschen auftraten.

Man findet den Gedanken der Reinkarnation in der einen oder anderen Form in allen Kulturen der vorchristlichen Zeit. So kannten ihn etwa die alten Perser, die Ägypter und die frühen Griechen. In allen Mysterienstätten des Altertums wurde die Wiederverkörperung gelehrt.12

2.3 Ab etwa 1860 vor Christus bis zum Beginn unserer Zeitrechnung

Ab etwa 1860 vor Christus endete die gut tausendjährige Epoche, in der die Wiederverkörperung wenigstens noch als eine reale Erkenntnis vorhanden war. Es begann jetzt eine Zeit, in welcher der Reinkarnationsgedanke nur noch als ein immer dumpfer werdendes, mehr instinktives Gefühl wirkte, bis er schließlich bei der Mehrheit der Menschheit ganz im Dunkel des Unterbewusstseins verschwand. »In vorchristlichen Zeiten ist die Reinkarnation als Gefühl vorhanden gewesen, denn eine Erkenntnis war sie nur vor dem Jahre 1860 vor dem Christentum; nach dem Jahre 1860 war sie im ganzen Ägypten, in vorderasiatischen, römischen Zeiten nur ein instinktives Gefühl.«13

Dennoch gab es auch in den folgenden knapp zwei Jahrtausenden durchaus Menschen, denen der Gedanke einer Wiederverkörperung nicht fremd war. Davon legen nicht zuletzt viele Sagen aus den germanischen und nordischen Gebieten Zeugnis ab. Vielen Hebräern war die Lehre von den wiederholten Erdenleben ebenfalls bekannt, wenngleich sie von den meisten nicht mehr als Wahrheit anerkannt und in ihrem ganzen Ausmaß erfasst wurde.

Zu den Verfechtern der Reinkarnationsidee dieser Epoche gehörten auch einige der großen antiken griechischen Philosophen. Der berühmte Mathematiker und Philosoph Pythagoras (570 bis nach 510 v. Chr.) sagte: »Nimmer vergehet die Seele, vielmehr die frühere Wohnung tauscht sie mit neuem Sitz und lebt und wirkt in diesem. Alles wechselt, doch nichts geht unter.«14

Bei dem nicht minder berühmten Platon (427 bis 347 v. Chr.) finden wir in seinem in Dialogform verfassten Werk »Phaidon«, in dem es um die Unsterblichkeit der Seele geht, etwa: »Ich bin überzeugt, dass es wahrlich so etwas wie ein nächstes Leben gibt und dass die Lebenden aus dem Bereich der Toten kommen.«15

2.4 In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten bis ins 18. Jahrhundert

Spätestens in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten nahm die Bedeutung der Reinkarnationslehre im Abendland mehr und mehr ab. Bei den weitaus meisten Menschen war diese Erkenntnis völlig ins Unterbewusstsein getaucht. Die Lehre von den wiederholten Erdenleben hat im Christentum zu keinem Zeitpunkt eine tragende Rolle gespielt. In der Dogmengeschichte ist von ihr nirgends die Rede.

Dass zumindest noch einige Gelehrte in dieser Zeit diese Lehre vertraten, kann man den Schriften der Gnostiker und der ersten Kirchenväter entnehmen. Von dem berühmten Schriftsteller und Kirchenlehrer Origines (um 185 bis 254) ist überliefert, dass er ganz eindeutig und unmissverständlich die Überzeugung von der Präexistenz der menschlichen Seele, die ja eine notwendige Voraussetzung für den Reinkarnationsgedanken ist, vertrat. Origines war noch der festen Überzeugung, dass die menschliche Seele aus einer geistigen Welt herabsteigt, wenn sie sich in einem Erdenleib verkörpert. Aus seiner Schrift »De principiis« (»von den Grundsätzen«) geht hervor, dass er nicht nur von der Reinkarnation wusste, sondern auch schon den Karmagedanken fassen konnte. In dieser Schrift heißt es: »Wenn man wissen will, weshalb die menschliche Seele das eine Mal dem Guten gehorcht, das andere Mal dem Bösen, so hat man die Ursache in einem Leben zu suchen, das dem jetzigen voranging. Jeder von uns eilt der Vollkommenheit durch eine Aufeinanderfolge von Lebensläufen zu. Wir sind gebunden, stets neue und stets bessere Lebensläufe zu führen, sei es auf Erden, sei es in anderen Welten. Unsere Hingabe an Gott, die uns von allem Übel reinigt, bedeutet das Ende unserer Wiedergeburt.«16

Origines war bewusst, dass die wiederholten Erdenleben letztlich die Vervollkommnung der Seele zum Ziel haben, was wir an späterer Stelle ausführlich erörtern werden (Kapitel 6, S. →ff. und Kapitel 8, S. →ff.). Er gewann sehr viele Anhänger, die auch noch Jahrhunderte nach seinem Tod an seinen Lehren festhielten. Vermutlich nahm die Schar seiner Anhänger solche Ausmaße an, dass die Kirche sich genötigt sah, die Lehren dieses großen Denkers auf dem zweiten Konzil zu Konstantinopel im Jahre 553 zu verurteilen. Hier wurden viele Lehren, von denen die meisten auf ihn zurückgingen, mit dem Kirchenbann belegt. Einer dieser Bannsprüche lautete: »Wenn einer die erdichtete Präexistenz der Seelen und ihre daraus folgende phantastische Wiederherstellung vertritt – so sei er im Bann.«17

Auch dem großen Kirchenvater und Kirchenlehrer Hieronymus (347 bis 420), dessen großartige Leistung es war, im Auftrage seines Bischofs die Urtexte der Bibel aus der alten hebräischen, aramäischen bzw. griechischen Sprache ins Lateinische zu übersetzen, wodurch die »Vulgata« entstand, war der Reinkarnationsgedanke ganz offensichtlich vertraut. So schrieb er in seinen Briefen (»Epistulae«): »Alle körperlosen und unsichtbaren Geschöpfe [...] nehmen Körper an je nach Art der Orte, zu denen sie herabsinken; zum Beispiel erst aus Äther, dann aus Luft, und wenn sie in die Nähe der Erde kommen, umgeben sie sich mit noch dichteren Körpern, um schließlich an menschliches Fleisch gefesselt zu werden. [...] Dabei wechselt der Mensch seinen Körper ebenso oft, wie er seinen Wohnsitz beim Abstieg vom Himmel zur Erde wechselt.«18

Im gesamten Mittelalter spielte das Reinkarnationsthema im Abendland ebenfalls keine nennenswerte Rolle, was gewiss nicht zuletzt daran lag, dass die Wiederverkörperung von der Kirche als ketzerisch erklärt wurde, dass sie die Reinkarnationslehre nicht nur abschaffte, sondern sogar verdammte. Aus dieser Zeit sind nur wenige Dokumente erhalten, in denen der Reinkarnationsgedanke aufgegriffen wurde. Bekannt ist, dass diese Lehre von den von der Kirche als »Ketzergruppen« diffamierten Gnostikern, Manichäern, Tempelrittern und Rosenkreuzern gepflegt wurde. In diesen esoterischen Kreisen war überhaupt ein tiefes Wissen über spirituelle Wahrheiten vorhanden.

Dennoch gab es auch in dieser Epoche einige Geistesgrößen, die sich eindeutig zu der Wiederverkörperungsidee bekannten. So ist etwa von dem berühmten Schweizer Arzt, Astrologen und Philosophen Paracelsus (1493 bis 1541) eine Aussage überliefert, die ganz deutlich zeigt, dass er von den wiederholten Erdenleben überzeugt war: »Die Ursache aller Dinge ist der Geist. Er bringt einen Körper hervor, durch den er seine Wunder vollführt. Ist der Körper zerstört, schafft sich der Geist einen neuen Körper, der ähnliche oder höhere Eigenschaften hat.«1

Der italienische Mönch, Dichter, Astronom und Philosoph Giordano Bruno (1548 bis 1600) hat mit seiner Menschenbetrachtung die Wiederverkörperung des Seelischen als sein Glaubensbekenntnis ausgesprochen.19 Als er im Jahre 1592 vor dem Inquisitionsgericht in Venedig gefragt wurde, ob er an seinem Glauben, die Seelen können von einem Körper in einen anderen übergehen, festhalte, antwortete er: »Ich habe immer für wahr gehalten und halte für wahr, dass die Seelen selbständig subsistierende Substanzen sind, d. h. die vernünftigen Seelen, und dass solche, katholisch geredet, nicht von einem Körper in einen anderen übergehen, sondern entweder in das Paradies oder ins Fegefeuer oder in die Hölle kommen.

Aber andererseits habe ich philosophisch die Lehre behandelt und auch verteidigt, dass, da die Seele ohne den Körper bestehen und in einem Körper existieren kann, sie in derselben Weise, wie sie in einem Körper sein kann, auch von einem Körper in einen anderen Körper übergehen kann, was, wenn es wahr ist, doch wenigstens wahrscheinlich ist nach der Meinung des Pythagoras.«20

Es war nicht zuletzt dieses Bekenntnis Brunos, aufgrund dessen er sieben Jahre lang in einem Kerker in Rom gefangen gehalten, gefoltert und schließlich auf dem Scheiterhaufen öffentlich verbrannt wurde.

Dass in dieser Zeit nur sehr wenige Menschen ein Wissen oder zumindest eine Ahnung von den wiederholten Erdenleben hatten, liegt daran, dass es in den besagten Jahrhunderten notwendig war, dass die Menschen diese Weltentatsache vergessen mussten! Die Gründe werden wir an späterer Stelle erläutern (Kapitel 3, S. →ff.).

2.5 Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert

Erst wieder in der Zeit des deutschen Idealismus traten insbesondere einige große Dichter und Denker auf, in deren Seelen eine Ahnung von dieser Weltentatsache aufleuchtete, über die sie zumindest zarte Andeutungen machten.

Hier ist allen voran an Gotthold Ephraim Lessing (1729 bis 1781), aber auch an Johann Gottfried Herder (1744 bis 1803), Jean Paul (1763 bis 1825), Friedrich Schiller (1759 bis 1805), Friedrich Hölderlin (1770 bis 1843), Heinrich Heine (1797 bis 1856) und Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832) zu denken. Die Zeit war allerdings noch nicht reif, dass die Reinkarnationsidee – selbst von den wenigen Menschen, die hellsichtig waren – gedanklich klar ergriffen und zu einer Lehre ausgebaut werden konnte.

Lessing war der wohl größte Verfechter des Reinkarnationsgedankens im 18. Jahrhundert. Im Jahre 1778 machte er eine interessante Bemerkung: »Ist es denn schon ausgemacht, dass meine Seele nur einmal ein Mensch ist? Ist es denn schlechterdings so ganz unsinnig, dass ich auf meinem Wege der Vervollkommnung wohl durch mehr als eine Hülle der Menschheit hindurch müsste? Vielleicht wäre auf diese Wanderung der Seele durch verschiedene menschliche Körper ein ganz neues eigenes System zu gründen? Vielleicht wäre dieses neue System kein anderes als das älteste...«21

Er vermochte es sogar bereits noch deutlicher, als es bei Origines der Fall war, den Entwicklungsgedanken des Menschen und der Menschheit, der – wie wir noch sehen werden (Kapitel 8, S. →ff.) – den wesentlichen Grund bzw. Sinn des Reinkarnationsgesetzes darstellt, zu erfassen. In seinem Werk »Die Erziehung des Menschengeschlechts«, das er in seinen reifsten Jahren schrieb, zeigte er auf, dass das ganze menschliche Leben gar keinen Sinn machen würde, dass es gar nicht erklärbar wäre, wenn man nicht von den wiederholten Erdenleben ausgehen würde. Die Stimmung bei Lessing ist eine sehr positive. Dr. Rudolf Frieling (1901 bis 1986), Mitbegründer und Priester der »Christengemeinschaft«, schreibt: »Er ist mit seinem Dasein einverstanden und erlebt freudvoll dessen Entwicklungsmöglichkeiten. Er kennt die Freude des Werdens, des Lernens, der ein einziges Dasein nicht genugtut.«22

Werfen wir den Blick auf Zitate weiterer berühmter Persönlichkeiten aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, die zeigen, dass ihnen die Reinkarnation nicht nur bekannt war, sondern dass sie von ihr sogar überzeugt waren.

Am Tage des Begräbnisses des Dichters Christoph Martin Wieland (1733 bis 1813) am 25. Januar 1813 in Weimar richtete der Theologe Johannes Daniel Falk (1768 bis 1826) an Goethe die Frage, was Wieland seiner Meinung nach nun – nach seinem Tod – täte. Darauf antwortete Goethe: »Was nun die persönliche Fortdauer unserer Seele nach dem Tod betrifft, so ist es damit auf meinem Wege also beschaffen: Sie steht keineswegs mit den vieljährigen Beobachtungen, die ich über die Beschaffenheit unserer und aller Wesen in der Natur angestellt, im Widerspruch; im Gegenteil, sie geht sogar aus derselben mit neuer Beweiskraft hervor. [...] Ich würde mich also wenig wundern, dass ich es sogar meinen Ansichten völlig gemäß finden müsste, wenn ich diesem Wieland als einer Weltmonade, als einem Stern erster Größe, nach Jahrtausenden wieder begegnete. [...] Ich bin gewiss schon tausendmal hier gewesen und hoffe noch tausendmal wiederzukommen.«23

Der französische Philosoph und Schriftsteller François-Marie Arouet, besser bekannt als Voltaire (1694 bis 1778), der zu den meistgelesenen und einflussreichsten Autoren seiner Zeit gehörte, sagte: »Die Lehre von der Wiederverkörperung ist weder widersinnig noch nichtssagend. Zweimal geboren zu werden ist nicht wunderbarer als einmal. Auferstehung ist das Eins und Alles der Natur.«24

Dass Friedrich der Große (1712 bis 1786) von 1772 bis zu seinem Tod im Jahre 1786 König von Preußen war, dürfte vielen bekannt sein. Weniger bekannt ist, dass er zu den führenden Denkern des späten 18. Jahrhunderts gehörte. Zeitlebens beschäftigte er sich mit dem Mysterium des Todes. Seine hinterlassenen Werke füllen mehr als dreißig Bände. Dort findet sich die folgende Aussage, die er kurz vor seinem Tod notierte. »Ich fühle nun, dass es mit meinem irdischen Leben bald aus sein wird. Da ich aber überzeugt bin, dass nichts, was einmal in der Natur existiert, wieder vernichtet werden kann, so weiß ich gewiss, dass der edlere Teil von mir darum nicht aufhören wird zu leben. Zwar werde ich wohl im künftigen Leben nicht König sein, aber desto besser: Ich werde doch ein tätiges Leben führen und noch dazu ein mit weniger Undank verknüpftes.«25

Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer (1788 bis 1860) schrieb in seinem Werk »Parerga und Paralipomena«: »Wenn mich ein Asiate früge, was Europa ist, so müsste ich ihm antworten: Es ist der Weltteil, der gänzlich von dem unerhörten und unglaublichen Wahn besessen ist, dass die Geburt des Menschen sein absoluter Anfang, und er aus dem Nichts hervorgegangen sei.«26

Auch der berühmte deutsche Komponist, Schriftsteller, Theaterregisseur und Dirigent Richard Wagner (1813 bis 1883) konnte mit der Reinkarnationsidee einen Sinn verbinden: »Reinkarnation und Karma bilden einen wundervollen, ganz unvergleichlichen Weltmythos, gegen den wohl jedes andere Dogma kleinlich und borniert erscheinen muss.«27

2.6 Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert

Im Jahre 1899 endete das Kali Yuga. Der dichte und nahezu undurchdringliche ›Schleier‹, der sich 5.000 Jahre lang zwischen die geistige Welt und die Erdenwelt gelegt hatte, begann wieder durchsichtiger zu werden.

Die Zeit wurde nun reif, dass die Reinkarnations- und Karmaidee gedanklich klar und geisteswissenschaftlich exakt erfasst und zu einer umfassenden Lehre ausgebaut werden konnten. Zunächst waren es insbesondere die Theosophen um Helena Petrowna Blavatsky, geb. Hahn (1831 bis 1891), die schon einige Jahre vor Ablauf des finsteren Zeitalters darüber schrieben, sprachen und lehrten.

Dann begann um 1900 die gewaltige Schaffensphase des großen Eingeweihten und Geisteslehrers Dr. Rudolf Steiner, der diese Weltentatsachen in einer äußerst umfassenden Weise durch geistiges Schauen (Kapitel 5, S. →ff.) erforschte und der Öffentlichkeit in einigen Büchern und in Hunderten von Vorträgen zugänglich machte. Das Bewusstsein für die Reinkarnation wieder zu erwecken, war eine – wenn nicht sogar die zentrale – Lebensaufgabe, die sich Rudolf Steiner vornahm. »Soweit die [Geisteswissenschaft] sich wirklich ausbreiten wird und eine Wiedergabe okkulter Erkenntnisse sein wird, wird sie sich zunächst bemühen, die großen Wahrheiten von Reinkarnation und Karma über die ganze Erde hin zu verbreiten. Denn diese Wahrheiten werden zunächst das Schicksal haben, dass auch die religiösen Vorurteile, welche über die Erde hin verbreitet sind, sozusagen die Segel vor ihnen streichen.

Ein weiteres Ideal würde allerdings dieses sein, wenn durch die [Geisteswissenschaft] wirklich jenes Friedenswerk in der Menschheit geleistet werden könnte, wodurch in Bezug auf die höheren Gebiete okkulter Erkenntnis Einheit und Harmonie zustande zu bringen wäre. Das kann als ein Ideal aufgefasst werden. Aber es ist ein schwieriges Ideal. Schon wenn man bedenkt, wie innig der Mensch heute noch verwoben ist in seinen religiösen Vorurteilen, seinen religiösen Vormeinungen mit dem, was er begriffen hat, worin er erzogen ist, so wird man begreifen, wie schwierig es ist, in der [Geisteswissenschaft] etwas zu geben, was nicht gefärbt ist durch religiöse Vorurteile, sondern was ein so treues Bild der okkulten Erkenntnisse ist, als es überhaupt gegeben werden kann.«28

Allerdings war es genauso wie im Zeitalter des Idealismus, als erst wieder allmählich eine Ahnung von diesen Gesetzen aufkeimte, dass die Mehrheit der Menschen davon keine Kenntnis bekam oder damit nichts anfangen konnte. Es waren vorwiegend die Gebildeten, namentlich Dichter, Schriftsteller, Künstler und Philosophen, die von dieser Lehre Kunde erhielten und sich damit befassten. In diesen Kreisen wurde häufig über die vielfältigen Aspekte und Auswirkungen der Reinkarnationsidee diskutiert. So bekannten sich nun viele große Geister zu dieser Lehre. Manche äußerten ihre Überzeugung im Gespräch mit Mitmenschen, manche schrieben davon in Briefen oder in ihr Tagebuch, manche kleideten sie in einen Roman oder ein Gedicht.

Der deutsch-schweizerische Schriftsteller, Dichter und Maler Hermann Hesse (1877 bis 1962) schrieb in einem Brief an die Schriftstellerin Lisa Wenger: »An etwas wie eine Seelenwanderung glaube auch ich, ich halte das eigentlich für selbstverständlich, sobald man anfängt zu denken. Dieser Glaube hat manches Beruhigende, aber er enthält auch die Erkenntnis, dass alles, was wir erleben, von uns selbst gewollt und herbeigerufen ist, und dann gibt es keine Ausflüchte und keinen Trost mehr gegen das bittere Schicksal, als sich damit einverstanden zu erklären und ›ja‹ dazu zu sagen, und das ist immer schwer.«20 Hesse war offensichtlich auch die Tatsache bekannt, dass jeder Mensch sein Schicksal, das ihn in seinem irdischen Dasein ereilt, nicht nur selbst herbeigerufen, sondern sogar selbst gewollt hat. Damit erfasste er einen ganz wesentlichen Aspekt des Karmagesetzes.

Der deutsche Dramatiker Gerhart Hauptmann (1862 bis 1946) schrieb in seinem Tagebuch: »Wie kommen Menschen dazu, durch Worte gegebene Darstellungen von Dingen zu verstehen, die sie selbst nie erlebt haben? Man muss an unendlich viele Vorleben dabei unbedingt denken. – Ich zum Beispiel: Wie kann ich so stark fühlen, wie ein reuiger Mörder fühlt? Ich brauche mir nur vorzustellen, wie alt er ist, welcher Art und welchen Ursprungs seine Tat, und ich fühle, was er fühlen muss. Also: Der übrigens keineswegs neue Gedanke erschließt sich mir vom Erlebnis aus, dass nämlich der Richter, der Henker und der Gehenkte ihre Plätze wechseln und dass du aus Erinnerung früherer Leben alle in dir hast.«29

In seinem Werk »Mein Recht auf Leben« schrieb der deutsche Philosoph Heinrich Spitta (1849 bis 1929): »Zeiten folgen auf Zeiten, was bedeutet das? [...] Da denke ich mir nun, dass ich nach meinem Tode werde wiedergeboren werden zu einem neuen irdischen Leben; meine Seele, der Inbegriff des Geistigen an mir, wird einen neuen irdischen Leib erhalten, den ich zu führen habe, bis auch er wieder aufgelöst wird in jene Bestandteile, von denen er genommen ist, und wiederum wird meine Seele einen neuen Leib empfangen, bis endlich, endlich alles erfüllt ist, was ich soll. [...] Ich werde nicht notwendig haben noch einmal zu betonen, dass es sich hier gar nicht um irgendeine wunderliche Metaphysik handelt, die ich auf verbotenen Umwegen einzuschmuggeln vorhabe, es handelt sich lediglich um einen vernünftigen Glauben, den ich mir zu eigen mache, weil er mir die kräftige Hilfe für die Durchführung meines sittlichen Lebens zu bieten scheint.«30

Der englische Erzähler und Dramatiker William Sommerset Maugham (1874 bis 1965) schrieb in seinem Werk »Auf Messers Schneide«: »Ist dir aufgefallen, dass die Seelenwanderung eine unmittelbare Erklärung und Rechtfertigung des Bösen in der Welt bietet? Wenn das Schlechte, unter dem wir leiden, das Ergebnis unserer Sünden ist, die wir in unserem vergangenen Leben begangen haben, so können wir es mit Ergebung und mit Hoffnung ertragen, dass unsere zukünftigen Leben weniger leidvoll sein werden, wenn wir im jetzigen nach Tugend streben.«31

Der belgische Schriftsteller Maurice Maeterlink (1862 bis 1949) schrieb in seinem Werk »Vom Tode«: »Nie gab es einen Glauben, der schöner, gerechter, reiner, moralischer, fruchtbarer, tröstlicher und in gewissem Sinne wahrscheinlicher ist, als der Wiederverkörperungsglaube.«32

Der österreichische Arzt und Schriftsteller Arthur Schnitzler (1862 bis 1931) ließ in seinem Drama »Der einsame Weg« Johanna die Worte sagen: »Ich für meinen Teil kann mir alles andere eher vorstellen als dies: dass ich nun zum ersten Male auf der Welt sein sollte. Und es gibt Augenblicke, in denen ich mich ganz deutlich an allerlei erinnere.«33

Wilhelm Busch (1832 bis 1908), einer der einflussreichsten humoristischen Dichter und Zeichner Deutschlands, drückte es seinem Naturell entsprechend kurz und knackig aus: »Jede Geburt ist Wiedergeburt.«16

Der deutsche Philologe, Philosoph und Schriftsteller Friedrich Nietzsche (1844 bis 1900) formulierte seinen Glauben an die Reinkarnation mit der folgenden Maxime: »Lebe so, wie wenn Du nochmals leben könntest – dies ist Deine Pflicht. Denn Du wirst in jedem Falle nochmals leben!«16

Der deutsche Dichter und Schriftsteller Christian Morgenstern (1871 bis 1914), der mit Rudolf Steiner gut bekannt und mit der Anthroposophie sehr vertraut war, schrieb in seinem Werk »Mensch Wanderer«:

»Wie oft wohl bin ich schon gewandelt

auf diesem Erdball des Leids,

wie oft wohl hab’ ich umgewandelt

den Stoff, die Form des Lebenskleids?

Wie oft mag ich schon sein gegangen

durch diese Welt, aus dieser Welt,

um ewig wieder anzufangen,

von frischem Hoffnungstrieb geschwellt?

Es steigt empor, es sinkt die Welle –

so leben wir auch ohne Ruh’;

unmöglich, dass sie aufwärts schnelle

und nicht zurück – dem Grunde zu.«34

Der österreichische Dichter Franz Werfel (1890 bis 1945) schrieb in seinem Jugendgedicht »Der Weltfreund«:

»Ich trage viel in mir:

Vergangenheit früherer Leben,

Verschüttete Gegenden,

Mit leichten Spuren von Sternenstrahlen.

Oft bin ich nicht an der Oberfläche,

Hinabgetaucht in fremdeigene Gegenden bin ich.

Ich habe Heimweh.

O Reste, Überbleibsel, o vergangene Vergangenheit!«35

Der US-amerikanische Erfinder und Pionier des Automobilbaus Henry Ford (1863 bis 1947) war schon als junger Mann von der Reinkarnation überzeugt. »Ich bin von der Reinkarnation überzeugt, seit ich 26 Jahre alt war. Was einige für eine besondere Gabe oder ein Talent zu halten scheinen, das ist nach meiner Ansicht die Frucht langer, in vielen Leben erworbener Erfahrung. Wir alle werden viele Male wiedergeboren, leben viele Leben, sammeln Erfahrungen und entwickeln uns weiter. Die scheinbar intuitive Gabe ist in Wirklichkeit das Produkt langer Erfahrung aus mehreren Reinkarnationen.«16

Carl Gustav Jung (1875 bis 1961), Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie, vermochte es offensichtlich, die Karmaidee zu fassen: »Ich könnte mir gut vorstellen, dass ich in früheren Jahrhunderten gelebt habe und dort an Fragen gestoßen bin, die ich noch nicht beantworten konnte: dass ich wiedergeboren werden musste, weil ich die mir gestellte Aufgabe nicht erfüllt hatte. Wenn ich sterbe, werden – so stelle ich es mir vor – meine Taten nachfolgen. Ich werde das mitbringen, was ich getan habe.«16

Die Liste der Geistesgrößen und namhaften Persönlichkeiten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die ihrer Überzeugung von der Reinkarnationslehre Ausdruck verliehen haben, könnte noch lange fortgesetzt werden.

2.7 Seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts

Selbst bis weit ins 20. Jahrhundert hinein erreichte die Idee der wiederholten Erdenleben vorwiegend diejenigen Menschen, die man der gehobenen Bildungsschicht zurechnen kann. Somit war es in dieser Zeit immer noch so, dass die weitaus meisten Menschen in der europäisch-amerikanischen Welt mit den Begriffen »Reinkarnation« und »Karma« nichts verbinden konnten, falls sie diese überhaupt schon einmal gehört haben sollten.

Das änderte sich fast schlagartig Ende der 1960er Jahre, als die ersten von Esoterikern, Parapsychologen und medial veranlagten Zeitgenossen geschriebenen populärwissenschaftlichen Bücher zu diesem Thema erschienen, die eine rasante Verbreitung fanden. Heute gibt es unzählige Werke, die diese Thematik aufgreifen und zum Teil in sehr seriöser, zum Teil aber auch in eher seichter und oberflächlicher Weise darstellen. Sie werden heute nur noch wenige Menschen finden, die noch nie etwas von der Reinkarnation gehört haben. In fast allen Bevölkerungsschichten ist die Wiederverkörperung bei denjenigen Zeitgenossen, die sich zumindest ein wenig damit auseinandergesetzt haben, zu einem Thema geworden, über das man seine persönliche Meinung gebildet hat. Es gibt heute überzeugte Anhänger und erbitterte Gegner dieser Lehre. Wie schon erwähnt ist es immer noch eine Minderheit, welche keinen Zweifel an der Lehre von den wiederholten Erdenleben hat. Allerdings kursieren unter ihnen teilweise sehr absurde Ideen wie etwa die, dass ein Mensch auch als Tier wiedergeboren werden könnte.