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Im vorliegenden Band wird auf 136 Seiten in Anlehnung an „Geschichte eines Außenlagers KZ Sasel“ der Hamburger Behörde für Schule, 1982, versucht, nachzuerzählen, was sich im KZ Sasel in den letzten Kriegsjahren ereignet hatte. Es ist wichtig, der Jugend immer wieder davon zu berichten. Die Form eines Epos scheint dem Autor dafür die dauerhafteste Form zu sein.
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Seitenzahl: 112
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Erster Tag
Frau U., die Lehrerin
Sie leben in Ansorge
Am Zaun kommt man nicht weiter
Frau B. erzählt
Ganz benommen steht die Jugend
Von Frau K., die mischt sich ein
Voller Angst und Sorge war Frau I
.
Herr N. erinnert sich genau
Nun erreicht die Jugend ein Gespräch
Den Steinen
Von Frau D. erhielt man einen Brief
Nach dem Lager
Die Steine
Dieses ist das Bild
Die Jugend steht am Zaun
Die Jugend war nun aufmerksam geworden
Es kommt nun eine Frau
Es war ein Tag
Heute ist der zweite Tag
Interview mit dem Paar F
.
Es kommt ein Jugendlicher
Das Ende dieses Krieges
Unter denen auf der andren Seite
Von Herrn N. erfuhren die
Die Jugendlichen kennen heute
Von einem, der zusammenfassen möchte
Nun Frau E
.
Die Jugendlichen hatten sich
Frau U. ist eine Lehrerin
Frau U. ist sehr bewegt
Es entbrennt nun eine Diskussion
Die Jugendlichen und die anderen
Der dritte Tag beginnt
Das war aus den Erinnerungen des Herrn D
.
Es geht nun um den Spruch der Steine
Aus einem andren Protokoll
Ein andres Schriftstück
Hier in Sasel
Ein Ehepaar berichtete
Es gibt ein Protokoll
Nun kommen noch zwei Protokolle
So berichtet auch Herr J
.
So vergeht der dritte Tag
Heute ist der vierte Tag
Erstes Anti-, erstes Nicht-Nichtprotokoll
Zweites Anti-, zweites Nicht-Nichtprotokoll
Drittes Anti-, drittes Nicht-Nichtprotokoll
Viertes Anti-, viertes Nicht-Nichtprotokoll
Fünftes Anti-, fünftes Nicht-Nichtprotokoll
Sechstes Anti-, sechstes Nicht-Nichtprotokoll
Allen wurde neu die Bergstedt- Totenliste vorgelesen
Erstes Überprotokoll
Zweites Überprotokoll
Drittes Überprotokoll
Viertes Überprotokoll
Fünftes Überprotokoll
Sechstes Überprotokoll
Siebtes Überprotokoll
Achtes Überprotokoll
Neuntes Überprotokoll
Letztes Überprotokoll
Der vierte Tag
Der zweite Brief kommt von Herrn X
.
Der dritte Brief stammt von dem Propst H.P
.
Die Jugendlichen sind nun aufgerufen
Mit den Gesprächen
Fünfter Tag
Das Ghetto
Getrennt von der Familie
Frau I. fährt fort
Plötzlich wurde Lodz
Sie verließen schnell den „Raum der Säuberung"
Morgens breitete sich Panik aus
Frau I. kam in ein andres Lager
In Sasel angekommen
Hamburg wurde ausgebombt
Einmal übersahen die Bewacher etwas
Eines Tages kam ein Arzt in Uniform
Die Schalen der Kartoffeln aus dem Lager
Frau I. weiß wenig über Selektionen
Die Bevölkerung
Sechster Tag
Am siebten Tag beginnt das Heute wieder
Steht auch am Zaun,
Und die Gespräche gehen durcheinander,
Sie berichtet aus der Zeit,
Das ist die Zeit, von der wird hier berichtet,
Als die tausend Jahre
Sich schon zu dem Ende neigten,
Und das tiefe Schwarz
Der Winzigpunkte schwarzer Hemden,
Die einst ineinander liefen,
Sich im Raster wieder aufzulösen schienen,
„Damals“, sagt sie, „hatte ich die Wahl
Und hatte keine Wahl
Und hatte längst gewählt
Und war ein junges Mädchen,
Das versteckte seine Reize ordentlich,
Und meine Wahl galt nicht,
Und eine andre Wahl in meinem Herzen
Durfte ich nicht einmal mit dem Mund berühren.
Ich war noch im Studium,
Da fragte mich ein Schwarzhemd mit dem Rutenbündel,
Und es war sehr freundlich,
Und es war ein Mann.
Ich hatte oft von dem Versteck
In seinem Arm gehört
Und wählte aus der Wahl, die er mir gab:
Die war das Kettenwerk der Munitionsfabrik
Am Bahnhof Ochsenzoll,
Um Kriegseinsatz zu leisten,
Und ich brauchte so nicht in den Krieg,
Und andrerseits als Schaffnerin
Auf einer Straßenbahn,
Die hatte keinen Bunker,
Und ich würde meine Angst spazieren fahren.
Und ich ging mit anderen in die Fabrik,
Dort hatte man die Angst vor uns,
Weil wir noch gar nichts wussten,
Und man lehrte uns
Die Hände zu gebrauchen,
Und das, was wir selber hätten lehren können,
Zu vergessen,
Und wir lernten schnell
Und produzierten endlich
Hülsen für Granaten".
Andrerseits vom Zaun
Erinnert sich die Jugend nicht.
Sie wurde nie getötet,
Nie befreit,
Sie wurde nie beraubt,
Beplündert mit Gesetz und Ordnung,
Und man wird noch viel, viel schreiben müssen,
Um am Ende nichts zu schreiben,
Weil man's dann versteht
Und endlich kennenlernt
Und das Erkennen lernt.
Frau U. berichtet später über diese Angelegenheit,
Die sie betraf,
Noch ganz ausführlich,
Und es ist nicht nur die Angelegenheit,
Die sie betraf.
Und in einem Garten,
Der erlaubt nur junge Menschen,
Lebten fast in einem Paradies,
Wenn sie nicht wüssten, was hier vorher war.
Auch haben sie es nicht gelernt
Sich gegenseitig zu vermissen,
Weil sie, gänzlich ohne alle Sorgen,
Niemals umeinander Sorge hatten finden können,
Ja, sie möchten sich vermissen lernen.
Und ihr Heim liegt mitten in der grünen Landschaft,
Die ist gar nicht grün für sie,
Weil sie das tote Grau des Grauens
Überhaupt nicht kennen,
Und sie leben in dem Alstertal
Und gehen an den Gartenzaun
Und horchen auf die Steine
Und auf die Gespräche dieser Steine,
Die befinden sich noch
In dem ersten Echo,
Sind noch nicht so alt,
Man kann sie gut vernehmen,
Und die jungen Menschen schreiben alles in der Eile auf,
Die kommt nun fast zu spät
Und rettet doch noch alles,
Was sich schon auf das Vergessen werden vorbereitete.
Die Hast von damals taucht vor ihnen auf,
Und wo sie stehen,
Stand zuvor ein Lager,
Das war aufgestanden
Und zerfallen bis auf einen Rest
Und einen Stein, der wurd' behauen
Und ist nass von immer neuen Tränen,
Und er ist so grau,
Dass man das Grün um ihn herum erkennen kann.
Das alles steht am Zaun von Sasel,
Darin liegt das Alstertal,
Das ist nichts weiter als Geschichte,
Die man vor dem Untergang
Noch schnell befragt,
Und so viel weiß man noch genau,
Das Grau, von dem sie sprachen,
Wird sich schrecklich
Mit dem Rot vermischen,
Dass man auf das Grün,
Um dessentwillen man mit Steinen spricht,
Wird kaum noch hoffen können.
Die, die leben
Und die überlebten
Werden an den Zaun gerufen und befragt.
Sie geben gleich als erstes
Eine Totenliste ab,
Die haben sie in Bergstedt
Unter einem Stein gefunden,
Und sie wird lebendig
Ohne einen Gruß zu übermitteln.
Keiner kann sich dem Bericht entziehen,
Keiner der dort spricht
Vermag mit seinem wahren Namen
Wahre Namen aufzusagen,
Und man kürzt sie alle ab.
Es spricht Frau I., Herr X., Frau H.,
Und Bilder die man machen möchte,
Werden nicht belichtet,
Das ist schrecklich wahr,
Weil eine wahre Sonne ihnen,
Nach nun fünfzig Jahren
Der Geburt der Schwarzhelmtyrannei,
Noch nicht zu scheinen scheint.
Von keiner Seite wirft man einen Stein,
Es steht ja auch der Zaun dazwischen,
Und die einen sind zu jung,
Die anderen vielleicht zu müde,
Und das Steine werfen, sieht man ein,
Trifft ausnahmslos die Falschen,
Und sich selbst bewirft man nicht,
Und Spiegel stellte keiner auf.
Die jungen Leute haben eine Amtsperson,
Die übersetzt die Steingespräche,
Das ist aus Liszkowski in die Gegenwart.
Und sie diktiert aus den Gesprächen
Von dem Tage der Geburt,
Die war vor fünfzig Jahren.
Die Geburt war eine Sonnenfinsternis,
Die fing mit einer Sonnwendfeier an
Und ließ die Feuerräder von den Bergen laufen.
Damals staunten viele über diese Wende.
Wenige von ihnen waren später
Noch als Zeugen zu befragen
Wie Herr X., Frau I., Frau H.
Die gaben auch nur von dem Ende
Den Bericht.
Vor fünfzig Jahren hatten die,
Die in der Krippe lagen,
Sich als Wunder der Natur allein gezeugt,
Allein aus sich heraus geboren,
Sich allein genährt,
Dann in der Folge rascher Dieberei
Die Brüste junger Mütter andrer Kinder
Ausgetrunken und sie, wenn die Mütter schrien,
Gezwungen sie zu säugen,
Bis zu deren Tod,
Und tranken auch die Muttermilch,
Wenn sie nicht mehr zu trinken war.
Sie wählten sich alleine aus
Und hatten sich ein Zeichen ausgewählt,
Das war die Axt,
Die trugen sie versteckt im Rutenbündel,
Das entdeckten die, die auf sie trafen,
Viel zu spät.
Die anderen entdeckten nichts
Und sahen nicht in das Versteck.
Die Ausgewählten kamen schon bekleidet auf die Welt
Und trugen unter ihrer Haut
Die schwarzen Hemden,
Als ein Fruchtbarkeitssymbol,
Das legten sie nie ab,
Das war ein Panzer, der das Überleben
Garantieren sollte,
Und der die Verbreitung sicherte,
Und ihren Fortbestand.
Den planten sie sofort
Auf über tausend Jahre.
Und man fragt nun in die Steine.
Steine kann man nicht befragen,
Und man muss auf die Gespräche lauschen,
Die sie miteinander führen,
Und für Steine, die hier liegen,
Gibt es neben ihren Urgesprächen,
Auch die frischen Narben.
Für den Stein sind tausend Jahre gar nichts,
Und sie lachten,
Als sie von den schwarzen Hemden hörten,
Die an tausend Jahre dachten.
Aus den Steinen nimmt die Jugend den Bericht,
Den muss sie von den Urgesprächen trennen
Und dann übersetzen lassen,
Und er wird verlesen:
„Wir, die Steine, lagen nahe beieinander,
Und wir lagen an dem Türeingang der Villa,
Und wir hörten alles.
In der Villa lebten neben den Bewachern
Auch die schwarzen Hemden,
Die mit eignen Schwarzhemdfrauen schliefen.
Über den Bewachern wohnten ihre Wachen
Und drei Könige, Herr P., Herr T., Herr T.,
Und täglich zogen sie zu den Baracken
Hinter einem Stacheldraht,
Ein Aufenthalt für fünf mal hundert Frauen,
Um sich abzulösen.
Und die Insassinnen dort
Belebten, nicht bewohnten,
Und bestarben sechs Baracken.
Einmal lag auf einem Stein, auf uns,
Ein Schwarzpapier,
Das kam von dem Kommando Neuengamme,
Und die Insassinnen, hätten Heime zu errichten,
Heime für die Not,
Die breitete sich aus,
Und Arbeit in der Ziegelei zu machen
Und die Trümmer zu beseitigen;
Sie selbst, so schrieb man,
Seien in dem Falle ihres Todes zu beseitigen,
Und die Bevölkerung,
Die lebte gar nicht weit entfernt,
Sei streng von ihnen abzuschnüren,
Und man drohte ihr und ihnen
Harte Strafen an.
Das Lager",
Wussten diese Steine zu berichten,
„Nahm im späten Sommer, erstmals im
August des Jahres '44,
Und es war der letzte
Dieses Tausendjahrereiches,
Seine Menschen auf
Und war kein Arbeitslager,
Und im Wonnemonat Mai darauf,
Der konnte keinem mehr
Ein Wonnemonat sein
Und wurde doch zur Wonne dieser Tage,
Wieder abgerissen
Und dem Boden gleichgemacht.
In dieser Zeit errichteten die Insassinnen
Überall in Sasel kleine Plattenhäuser,
Davon steht noch heute eins".
Die Steine sprechen dann von einem Lageplan,
Den hätte man gezeichnet,
Und man fand ihn in den Protokollen,
Wo er durchgestrichen war.
Die Totenliste gab es nirgends in den Protokollen,
Und sie hatte fünfunddreißig Namen,
Und die Steine wissen nichts davon
Und sprechen sich nicht weiter aus.
Es gilt sich zu erinnern,
Ohne sich noch zu erinnern,
Und die Jugend weiß nicht,
Dass man das Vergessen wollen kann.
Man weiß nun von dem Lager,
Darin lagerte man Menschen in Baracken,
Und das Ende dieses Krieges stand bevor,
Das wusste keiner,
Und die meisten hofften es,
Und die in schwarzen Hemden
Fürchteten den Tag.
Und sie berichtet viel.
Die Jugend fragt in ihr Gewissen,
Und sie spricht von ihrem Wissen,
Und was sie von allem wusste,
Und was die Bevölkerung gewusst,
Gesagt, getan hat.
Sie kennt sich noch gut in Einzelheiten aus
Und meint die Einzelheiten nicht,
Sie meint die Glieder einer schlimmen Kette.
Damals hatten sie dort draußen
Auf den Feldern Licht entdeckt,
Das war verboten
Und war hier erlaubt.
Man sprach davon mit vorgehaltner Hand.
Am Tage mussten Frauen, die von dorther kamen,
„Plattenbüttel" bauen,
Das war eine Unterkunft für Menschen,
Die nicht unterkamen.
Diese Frauen durften nicht dahin.
Ihr Mann, erzählt Frau B.,
Trug früher die Geschehen
Auf dem Friedhof Bergstedt's
In ein Grabbuch ein,
Nun spielte er nur noch die Orgel,
Und er fand ein langes großes Grab,
Das war frisch ausgehoben
Und mit Stroh gefüllt,
Darinnen lagen nackte Frauenleichen,
Und er wusste ihre Anzahl nicht,
Sie waren nur noch Haut und Knochen,
Und die Köpfe waren kahl geschoren,
Und das Grab lag an der Friedhofswand,
Das war die Wand zum Gasthof:
„Zu der Linde".
Und er dachte,
Was bleibt einem Menschen,
Wenn man ihm die Haare raubt.
Man sprach nun wieder in die Hand,
Dass davon eine wie die andren Jüdin wär',
Die wurden selbst der Ruhe
In dem Grab beraubt
Und später nächtlich wieder
Ausgegraben.
Für die Ruhelosen gab es keine Ruhe,
Und man hatte sie in einen Tod gejagt
Und jagte sie noch nach dem Tod
In einen neuen Tod
Und wieder aus dem Grab.
Man konnte ihren Weg nicht mehr
Verfolgen.
Und sie will es ja mit eignen Ohren hören,
Und Frau E. fällt hier ins Wort,
Sie weiß noch mehr.
Das Lager hatte unweit ihrer Gartengrenze
Seine Grenzen aufgepflockt,
Die Frauen waren aus Rumänien
Und aus Frankreich
Und sie waren strafgefangen,
Und sie hatte Äpfel in den Korb gelegt,
Dann in den Weg,
Und Brot im Busch versteckt.
Man hatte wenig heimlich mitgenommen,
Und nachher,
Als man die schwarzen Hemden
Auf der Leine sah
Und sich die Freude noch nicht traute,
Waren sieben von den Frauen
In ihr Haus gekommen,
Um sich zu bedanken,
Und sie gab danach noch Kleider ab,
Die waren weder schwarz, noch rot, noch braun,
Nur eines hatte sie für sich behalten,
Und es sprach sie eine an,
Die sprach die Sprache,
Und sie hatte ihre goldnen Zähne noch im Mund,
Sie sei Französin,
Und sie hätte in Paris,