Im Reißverschluss der Illusion - Harald Birgfeld - E-Book

Im Reißverschluss der Illusion E-Book

Harald Birgfeld

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Beschreibung

Der vorliegende Gedichtband spannt in 57 zeitgenössischen Gedichten einen schillernden Facettenbogen von jeweils 3 Gedichten zu insgesamt 19 berührenden menschlichen Anliegen und zwischenmenschlichem Verständnis.

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Inhaltsverzeichnis nach Themen

Auf dem rechten Weg in die Irre

In einem Garten

In einem Park

In einer Landschaft

Aufbruch im Warten

Bis in die Jugend warten

Die Kleinheit eines Augenblickes

Stillstand in der Explosion

Die Eroberung der Erde

Entgangenes Land

Ein Land der Sonne

Die Niederwerfung eines Volkes

Die Tür, die nicht ins Freie führt

Der Wert in Liebesdingen

Die Unterstellung

Der völlig falsche Platz

Ein Bild von einem Bild entsteht

Im Abendrot

Sonnenaufgang

Stand der Mittagssonne

Ein Meer in der Hand

Trinken aus dem Meer

Die Entstehung eines Meeres

Die Speisung eines Meeres

Entfremdung zur Heimkehr

Die wahre Wirklichkeit

In den Jahreszeiten

Drei Namen für einen

Explosion nach innen

Unter einer Sonne

Auf dem Mond

In den Sternen

Frühling

Blütenloser Frühling

Vorfrühling

Die Kraft des Frühlings

Herbst

Die Versorgung

Die Beute

Die Vorsorge

Im Zwischenraum

Kampfschwimmer

Ablaufende Wasser

Irrealität

Mit den Füßen in der Kette

Angeschmiedet

Sehnsucht nach der Mitte

Beringt

Mit der Mutter an sich

Ungeschrieben aufgeschrieben

Die Mutter an sich

Für ein Kind zu schwer

Nacht

Zwei Familien

Die Tagesfrau

Denkmalspflege

Sommer

Sommersonne

Sommergewitter

Flächenbrand

Tag

Die Täglichkeit des Tages

Bis zum Tagesende

Ein Jubeltag

Tag- und Nachtgleiche

Im Un-Gemach

Herzersatz

Challenger, Januar 1986

Wie sich die Klugheit müht

Der Klugheit auf der Spur

Im Heiligtum der Klugheit

Die Doppelfrau

Winter

Ausbruch aus dem Eis

Nachts am Eis

Nur ein Flügelschlag

Inhaltsverzeichnis alphabetisch,

Ablaufende Wasser

Angeschmiedet

Auf dem Mond

Ausbruch aus dem Eis

Beringt

Bis in die Jugend warten

Bis zum Tagesende

Blütenloser Frühling

Challenger, Januar 1986

Denkmalspflege

Der Klugheit auf der Spur

Der völlig falsche Platz

Der Wert in Liebesdingen

Die Beute

Die Doppelfrau

Die Entstehung eines Meeres

Die Kleinheit eines Augenblickes

Die Kraft des Frühlings

Die Mutter an sich

Die Niederwerfung eines Volkes

Die Speisung eines Meeres

Die Tagesfrau

Die Täglichkeit des Tages

Die Unterstellung

Die Versorgung

Die Vorsorge

Die wahre Wirklichkeit

Drei Namen für einen

Ein Jubeltag

Ein Land der Sonne

Entgangenes Land

Flächenbrand

Für ein Kind zu schwer

Herzersatz

Im Abendrot

Im Heiligtum der Klugheit

Im Un-Gemach

In den Jahreszeiten

In den Sternen

In einem Garten

In einem Park

In einer Landschaft

Irrealität

Kampfschwimmer

Nachts am Eis

Nur ein Flügelschlag

Sehnsucht nach der Mitte

Sommergewitter

Sommersonne

Sonnenaufgang

Stand der Mittagssonne

Stillstand in der Explosion

Trinken aus dem Meer

Ungeschrieben aufgeschrieben

Unter einer Sonne

Vorfrühling

Zwei Familien

Frühling

Blütenloser Frühling

Die blonden Haare waren ihr schnell abgemagert,

Und sie trug als Kopfschmuck

Ringe unter ihren Augen,

Und sie war noch keine dreißig Jahre alt.

Ihr Schwur,

Sie würde gerne eine Freiheit

Gegen eine andre tauschen,

Kam ihr später viel zu kindisch vor.

Sie hatte sich gedacht,

Wenn alles so gelänge, wie sie dachte,

Würde sie sich auch die Zähne

In der neuen Freiheit richten lassen,

Und sie hatte noch das Wort des Arztes

In den Ohren:

"Wenn Sie drüben sind,

Dann lassen Sie sich alles machen,

Und die Brücke machen Sie aus Gold!"

Sie hatte ja ihr gold‘nes Kreuz,

Das wär' ein Opfer,

Und ihr Glaube war ganz fest,

Der hätte nicht darunter leiden können.

Und nun saß sie hier in einem Kellerloch,

Das war als Wohnung gar nicht schlecht,

Und fraß an ihr

Und an dem Kind.

Das Kreuz, das sie am Hals mit einem Kettchen trug,

War unberührt geblieben,

Und sie trug ein andres Kreuz,

Das brauchte dieses kleine,

Und die Zähne richtete man hier mit Kunststoff,

Der war billiger und besser.

Doch das schlimmste war ihr Frühling,

Der kam nicht in Blüte,

Und er hatte doch so hoffnungsvoll begonnen.

Drüben in dem Nachbarland

Stand man als junge Frau

Und hoffte auf den Mann, den man nicht kannte,

Aus dem Nachbarland,

Der durfte ein und aus

Und auch die Ehefrau.

Sonst war das Nachbarland kein Nachbarland,

Man hatte einen Giftzaun hochgezogen,

Und sie hatte diesen Mann gefunden,

Und er fuhr in jeder Woche einmal

Ihre Straße an,

Und viele Frauen kamen her,

Und viele Frauen sah man auf der Straße,

Und sie hatte dieses Glück gehabt

Und etwas mehr.

Dann kamen sie voran und her,

Sie hatte ihm ihr Herz

Nun wirklich aufgeräumt

Und konnte lieben,

Wie sie ihm es von sich wünschte,

Und sie blieb für ihn

Und auch das Kind,

Ein flüchtiges Gesindel,

Das hing ihm an seinem Hals.

Vorfrühling

Sie war noch Schülerin

Und kam aus gutem Haus,

Sie war ein Musterkind

Und war ein liebes, frohes, lebensfrohes

Und gesundes Kind

Und war im Übergang vom Mädchen

Zu dem Zwischending,

Das wäre gerne eine Frau

Und möchte doch ein Mädchen bleiben,

Und das Fräulein hatte man ja abgeschafft,

Das wäre so ihr Zustand,

Den würd' sie natürlich leugnen,

Wenn man danach fragte,

Und sie stand ein wenig fester

In der Spur als andere

Und hinterließ nur Spuren,

Die ein wenig freundlicher als andre waren.

Väter würden sie sich leicht

Als Schwiegertochter wünschen können,

Aber das war auch nicht zeitgemäß

Und nicht modern,

Obwohl man dieses Mädchen ohne Zögern

Lieber unmodern gesehen hätte,

Und sie war's vielleicht im Grunde auch.

Sie selbst war,

Wenn man sie in Ruhe ließ,

Mit sich beschäftigt,

Und sie spielte eines dieser Saiteninstrumente,

Und sie hatte Unterricht

Und kleidete sich angenehm

Und immer etwas unbewusst

Und dann bewusst zu ihrem Vorteil,

Und sie wuchs beneidenswert

Von niemandem beneidet

Unter liebevollen Händen auf

Und riss sich,

Wenn das Leben auf ihr ritt,

Im Handumdreh‘n die Haare auf,

Und ihre Augen stießen in den Wind

Und riefen nach der Sonne,

Und sie würde, wenn es irgend ginge,

An der Nordsee eine Sturmflut

Miterleben wollen.

Und sie wollte diesen Sturm um sich

Und alles sollte um sie wüten, toben,

Und sie wollte das, was sich so salzig

Auf den Lippen niederschlug,

In einer Gier, als gäbe es kein Salz

Auf dieser Welt,

Mit Schaum vermischt probieren.

Die Kraft des Frühlings

Er stand im Abitur

Und stand schon außerhalb

Und hätte nicht mehr in die Schule gehen müssen,

Und er war zu klug

Und war zu gut,

Und jeder seiner Lehrer lernte schon von ihm

Und stellte ihn jetzt frei

Und stellte es ihm frei,

Das konnten sie

Und auch vor sich vertreten.

Und sie mochten ihn sehr gern',

Und er schrieb trotzdem mit

Und kam wohl mehr aus Kameradschaft

Zu den anderen, die freuten sich

Und sahen ihn sehr freundlich an

Und hatten nichts von ihm,

Und er erzählte in der Pause,

Dass er grad' von einer andren Prüfung käme,

Und er hätte nur aus Übermut

Und mit Erlaubnis zweier Professoren

Eine Prüfung für Juristen mitgemacht,

Dort hätte er den Fall ganz anders,

Als es in den Büchern stand, gelöst,

Und viel verständlicher

Und viel juristischer, als man es dachte,

Und er war herausgeragt,

Und seine Arbeit würde man nun weiterreichen.

Und die andren kannten seine Späße,

Seine Kapriolen,

Und er hatte seinen Orgelschein gemacht

Und übersetzte nur zum Zeitvertreib

Den ohnehin schon langen, schweren, deutschen Text

Erst ins Lateinische

Und dann ins alte Griechisch,

Beides, fand er, waren tolle Sprachen,

Und zurück ins Mittelhochdeutsch,

Und er war im Sport so voller Kraft

Und Überkraft,

Dass er sich zweimal etwas brach,

Darüber schrieb er beide Male

Einen medizinischen Befund,

Den brauchte ihm kein Arzt zu korrigieren.

Und in seiner freien Zeit ging er auf Jagd

Und jagte nichts

Und hatte seinen Jagdschein

Ungewöhnlich früh und gut gemacht,

Man musste ihn für ihn verwahren.

Nach dem Abitur, so hatte er beschlossen,

Würde er,

Weil ihm ja alle Türen offen stünden,

Die Akademie für Forstwirtschaft besuchen

Und dem Wald

Zu einem echten Wald verhelfen.

Sommer

Sommersonne

Dieses dumme Ding, die Zeit.

"Zeitenlose Zeit", hört sie's im Kopf.

Es schießt der Spruch durch ihre Selbstgespräche

Als der Ruf nach einem kleinen Kind,

Als suchte man im Spiel sein eignes Kind

Und wüsste ganz genau,

Wo es im Zimmer steckt,

Und geht an ihm vorbei

Und ruft es möglichst ahnungslos

Und überhört absichtlich die Geräusche,

Die es macht, damit man's nicht bemerkt.

Ihr tut nichts leid,

Und heute hat sie einen Tisch gedeckt

Und will ein Datum feiern,

Und es ist noch etwas Zeit,

Und alles hat sie vorbereitet,

Und sie weiß nicht,

Ob die andren Frauen ehrlich sind,

Wenn sie sie ab und zu beneiden.

Sie weiß jedenfalls von sich,

In ihrem Leben hatte alles seinen Preis,

Und manchen Preis muss man vorweg bezahlen.

Auf dem schweren Tisch steht eine Galerie

Von schönen Dingen;

Teller, Gläser, silberne Bestecke,

Blumen, seidene Servietten, Kerzen,

Kleine Porzellanfiguren,

Schüsseln denen Obst entwächst.

Das Zimmer selbst strahlt Liebe aus

Zu den Personen, die hier wohnen,

Dass sie sich die Arme

In dem Nacken faltet

Und auf alles lauscht,

Was in ihr klingt.

Und die Musik ist auch das Schnitzwerk

Dieses Augenblicks,

Und jemand, den sie gar nicht sah,

Nimmt ihr die Hand zurück

Und hält sie leicht in seiner,

Und sie dreht sich nun im Tanz mit ihm

Und flügelleicht wird sie

Und denkt, man soll nicht so viel fragen.

Und sie trägt ein langes weites Kleid,

Bestickt mit tausend Kleinigkeiten,

Die aus ihrem Leben sind,

Und ist im Kleid voll Rauschen,

Knistern, Nachsichzieh‘n,

Und rundherum sind Spiegel,

Die bespiegeln sie,

Und in den Saal, der sich nun richtig weitet,

Werden schlanke Gläser auf Tabletts herein getragen,

Das sind wunderbare Tänzerinnen,

Die den Tanz in ihrer Füllung perlen lassen,

Und heraus aus einer Eigendrehung

Ist sie selbst im Glas

Und sieht hindurch

Und lacht laut über die verzogenen Gesichter,

Und die neigen sich nun alle über sie,

Und sie erkennt ihr Kind,

Das weckt die Mutter auf

Und ruft noch einmal laut:

"Es klingelt schon".

Sommergewitter

Er verstand total

Die Welt in seiner Welt,

Und andre Welten drängten sich in seine,

Und die hatten wenig Glück mit ihm,

Er konnte sich bescheiden,

Und er hatte sich beschieden

Und entschieden,

Und Berührungspunkte waren spürbar,

Und man musste sich das eine oder andre Mal

Verzeihen können.

Irgendwie war er auch sehr brutal zu sich

Und hatte eine rücksichtslose Phantasie,

Und eine Sprache, sagte er, ist weiter nichts,

Als dieser aufgehackte Untergrund für Schienen,

Eine Schwelle reiht sich darauf an die andere,

Und oben reisen die Gedanken gnadenlos.

Bis jetzt war ihm die Reise recht,

Und eines Tages,

Es war gar kein Grund ersichtlich,

Endete die Reiserei,

Man zwang ihn, einen Bahnhof zu betreten,

Den er gar nicht kannte.

Was ihn bis hierher getragen hatte,

Reiste weiter ohne ihn,

Er selbst ließ dies Geschehen unbeachtet,

Und er sah sich um

Und suchte einen Grund,

Der war nicht flüchtig

Und war nicht vorhanden,

Und der war in ihm,

Und in ihm schwankte eine Leere

Bis in das Bewusstsein,

Eine Angst von großer Kraft

Schoss durch die Risse eines Deiches,

Den er nie gesehen hatte,

Und er wusste nicht einmal,

Was der zurückhielt.

Eine Panik hatte ihn gelähmt,

Und eine Frau in seiner Nähe

Sprach ihn an,

Er konnte sich ihr nicht erklären,

Und die Schwellen seiner Sprache

Lagen völlig ungeordnet unter den Gedanken,

Und in den Gedanken

War für Worte, für Erklärungen,

Nicht Platz, nicht Raum,

Er war auch zu beschäftigt,

Und er ging zu einem Arzt,

Den hatte seine Frau schon informiert,

Sie hatte auch gemeint,

Ihr Mann sei sicher viel zu sehr belastet,

Und der Arzt entdeckte viel an ihm

Und schwieg dazu,

Und dachte an sich selber

Und wie wenig ihm sein Wissen nützte,

Und verschrieb ihm eine Medizin.

Flächenbrand

Es stand in ihr am Horizont

Ein Flächenbrand,

Und sie war aus Papier

Und ängstigte sich sehr,