0,99 €
Freddys Körper ist durch mehrere Missbildungen stark entstellt. Zeit seines Lebens litt er unter den gehässigen Späßen anderer. Als Frührentner lebt er daher sehr zurückgezogen und meidet die Gesellschaft anderer Menschen. Die Freuden seines Lebens findet er nur dort, wo er nicht erkannt wird: Im Urlaub in seinem Wohnmobil und anonym auf Kontaktseiten im Internet. Der Höhepunkt des Jahres ist jedoch der Karneval. Mit der passenden Verkleidung fällt er nicht auf und wird beim Feiern behandelt wie jeder andere auch. Für die kommende Saison will er als Zombie gehen, doch nirgends findet er eine Maske, die ihm zusagt und seinen Kopf vollständig einhüllt. Doch dann lernt er im Internet eine stark übergewichtige Frau kennen, in deren Gesicht er die perfekte Maske für sich erkennt. Er schmiedet einen teuflischen Plan ….
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Michael Schönberg
DIE
KARNEVALS
MASKE
Nachdruck oder Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Autors gestattet. Verwendung oder Verbreitung durch unautorisierte Dritte in allen gedruckten, audiovisuellen und akustischen Medien ist untersagt. Für Satz- und Druckfehler keine Haftung.
Michael Schönberg
„DIE KARNEVALSMASKE 1. Auflage 2016 Alle Rechte vorbehalten
2020 Michael Schönberg
Covergestaltung: Wine van Velzen
Achtung:
Dieses Buch enthält jugendgefährdende Szenen
und ist daher für Leser/innen unter 18 Jahren nicht geeignet.
E-Mail: mschg55@gmail.
In seiner kleinen Wohnung saß Freddy und überlegte, als was er denn beim nächsten Karneval gehen könnte und welches Kostüm er dafür benötigen würde. Am Tag zuvor hatte er im Kleiderschrank eine Schublade aufgezogen und dort das Karnevalskostüm vom letzten Jahr entdeckt.
Ein Clown-Kostüm.
Diesmal sollte es wieder etwas anderes sein. Er suchte sich jedes Jahr ein neues Kostüm aus. Freddy war ein eher schüchterner Mann und hatte nur wenige Freunde. Streng genommen hatte er gar keine.
Seine Nachbarn grüßten ihn freundlich, mehr aber auch nicht. Seine Eltern waren früh verstorben, und so war er mit seinen 40 Jahren alleine auf dieser Welt. Die wenigen Verwandten, die es gab, mieden den Kontakt.
Schon von Weitem erkannte man ihn an seinem Wackelgang, weil sein rechtes Bein etwas kürzer war als das linke. Zudem behinderte ihn ein Buckel auf der rechten Schulterseite, so dass seine ganze Haltung gebeugt war. Mit 1,65 Meter Körpergröße war er für einen Mann auch recht klein. Dafür brachte er stattliche 90 Kilogramm auf die Waage. Seine Hasenscharte an der Oberlippe machte ihn auch nicht schöner. In dem rundlichen Gesicht mit den vollen Lippen fiel sie besonders auf. Eine Kehlkopfver-krümmung erschwerte ihm das Sprechen. Bestimmte Buchstaben kamen ihm nur schwer über die Lippen, und ganze Sätze mutierten oft zu einem unverständlichen Gemurmel. In der Schule riefen sie ihn Quasimodo. Schon früh begann er mit dem Rückzug in sich selbst.
Eine Berufsausbildung hatte er nicht. In jungen Jahren hatte er bei verschiedenen Firmen als Staplerfahrer gearbeitet. Doch als die Firmen mehr und mehr dazu übergingen, von ihren Fahrern auch das manuelle Ein- und Ausräumen der Regale und die Kommissionierung von Bestellungen zu übernehmen, verlor er auch seine letzte Stelle. Denn diesen Anforderungen war er nicht gewachsen.
Das Arbeitsamt erachtete Umschulungen als zwecklos. Weder eine körperliche, noch eine kommunikative Aufgabenstellung kamen infrage. Freddy wurde zunächst langzeit-arbeitslos und durch ein ärztliches Gutachten schließlich Frührentner.
Mit der geringen Rente und einem Wohngeldzuschuss hatte er ein Auskommen, von dem er leben konnte. Große Sprünge waren jedoch nicht drin. Allerdings besaß er ein gebrauchtes Wohnmobil, das er mit dem Erbe seiner Eltern finanziert hatte. Damit fuhr er oft aufs Land oder auch an die Küste, um dort ganz alleine sein zu können. An diesen Tagen genoss er die Tatsache, nicht ständig angestarrt und begutachtet zu werden, und in seinem Wohnmobil war er für sich. Wie oft hatte er von Eltern, die im gleichen Haus wohnten, mitanhören müssen, wie sie ihren Kindern damit drohten, später so auszusehen wie er, wenn sie ihr Frühstücksbrot nicht aufaßen. Mit seinem Wohnmobil konnte er den Menschen entfliehen, untertauchen und nur der Natur nahe sein.
Diese Reisen beschränkten sich jedoch auf die warmen und trockenen Monate. Im Herbst und im Winter bleib er zu Hause.
Und dann gab es da noch die Karnevalszeit, da war alles anders. Im Karneval blühte Freddy auf. Er konnte sich verkleiden und sich unter die Leute mischen. So fühlte er sich frei, lachte, schunkelte und sang am Straßenrand. Im Karneval konnte er der Mensch sein, der er gerne wäre. Einer, der sich normal unter anderen Menschen aufhalten konnte, ohne als Krüppel erkannt oder gar geärgert zu werden. Unter all den vielen, teils bewusst hässlichen oder entstellenden Kostümen fiel er nicht auf. Im Gegenteil.
Viele lobten seine Art, sich zu verkleiden. Auch weil sie nicht ahnten, wie viel Wahrheit hinter dem ein oder anderen Kostüm steckte. Seine Auftritte als Affe, als Clown, als Glöckner von Notre Dame, als Untier oder als Außerirdischer brachten ihm Anerkennung und Applaus ein. Bereits die Vorfreude auf das nächste Kostüm ließ ihn die schlechten Erfahrungen seines Lebens vergessen. Beispielsweise, dass er oft an der Fleischtheke dreimal seine Bestellung wiederholen musste, bis man ihn verstand und er das Richtige bekam. Immer häufiger zog er fertig abgepackten Lebensmittel vor und mied die Wursttheke.
Sein Körper behinderte ihn auch bei der geforderten Treppenhausreinigung. Dafür benötigte er fast eine Stunde, während seine Nachbarin ihren Teil in zehn Minuten schafften. Die Kinder aus der dritten Etage machten sich einen Spaß daraus, ihm dabei zuzusehen, wie er sich abmühte und darauf warteten, über die noch feuchten Stufen nach oben zu gehen.
Freddy nahm es geduldig hin. Er hatte es längst aufgegeben, sich darüber zu ärgern oder deswegen gar zu verzweifeln. Er konzentrierte sich viel lieber auf Dinge, die ihm Spaß machten.
Im Internet erfreute er sich an den vielen Bekanntschaften, die er mit einer erfundenen Identität machte. Als gutaussehender Junggeselle mit reichen Eltern, Modedesigner von Beruf und Besitzer eines schicken Sportwagens sowie einer großen Wohnung mit stilvollem Mobiliar. Mit dieser Identität hatte er viele Frauen beeindruckt, schrieb und erhielt liebevolle Briefe.