0,99 €
"WAV - Wir alle vereint" Kultur verbindet und überwindet Grenzen! Der WAV feierte 2017 sein 40-jähriges Bestehen. Zu diesem Anlass wurde die Anthologie "Magische Muffins" von Michael Schönberg und Elke Seifert herausgegeben. In diesem Buch haben Autoren aus aller Welt ihre Gedichte und Geschichten in Deutsch und in ihrer Muttersprache eingebracht. Durch dieses gemeinsame Werk rückt die Welt wieder ein Stück näher zusammen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.
Nachdruck oder Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Autors gestattet. Verwendung oder Verbreitung durch unautorisierte Dritte in allen gedruckten, audiovisuellen Medien ist untersagt. Die Textrechte verbleiben bei den einzelnen, mitwirkenden Autoren. Für Satz- und Druckfehler keine Haftung.
Westdeutscher Autorenverband e.V.
„Magische Muffins“
Deutsche Erstveröffentlichung
Auflage: Mai 2018
Alle Rechte vorbehalten.
Herausgeber: Michael Schönberg und Elke Seifert
Korrektorat: Giesela Schäfer
Covergestaltung: Wine van Velzen
Magische Muffins
Eine Anthologie
mit
Geschichten und Gedichten
in den Schriften
der Welt
Inhalt
Magische Muffins
Elke Seifert und Michael Schönberg
Haiku
俳句(Japanisch)
Sabine Weber-Bublitz
Dem kleinen Muffin gewidmet
Leo Litz
Я время пью (Russisch)
Muffins
Ina Dargelis
Die Platzreservierung
Karin Alette Gisch
Schoko-Krönchen
Sabine Weber-Bublitz
Mia mag Muffins
Do Rangel
Das Spiel
Michaela Lipp
Sonntag
Bärbel Schönberg-Kwaß
Spuren im Schnee
Wilhelm Maria Lipp
Meine Oma
Michael Schönberg
Indisch übersetzt von Tessy Josef
Die Folgen antiautoritärer Erziehung …
Gaby Schumacher
Von Geburt an
Leo Litz
Der Hinweis
Gisela Schäfer
Wollust
Do Rangel
Der Blaubeertraum
Bärbel Schönberg-Kwaß
Ross und Reiter
Horse and Horseman (Englisch
Und du
And You? (Englisch)
Wolf Allihn
Das letzte Abendessen
Norman Meier
…Aphorism
قول مأثور ..
Anwar Almann
Das verhängnisvolle Baguette
Michael Schönberg
Der erste Zwangsvölkerverständigungsmuffin
Peter Marquardt
ALRAC
Eleonore Hillebrand
Muffin oh Muffin
Krankenhaus Tagebuch
Klaus Dietrich
Ronja
Wine van Velzen
Nicht die geringste Notiz
Wolf Allihn
Meine Reime
Leo Litz
Jasmins Geheimnis
Markus Kohler
Muffins schauen mich lieb an
Elke Seifert
Papas großes Mädchen
Michaela Kaiser
Omas Muffins
Lothar Mix
Magic Muffins
Sabine Müller
Man ist was man isst
Erny Hildebrand
Rezept
Zutaten:
100 g Butter, 3 Eier, 200 g Zucker
200 ml Milch, 330 g Mehl, 1 EL Backpulver, 1/2 TL Salz, 1 Orange, die abgeriebene Schale
250 g Heidelbeeren.
Zubereitung:
Butter oder Margarine bei schwacher Hitze zerlassen. Die Eier in eine Schüssel geben und mit einer Gabel verschlagen. Den Zucker, das zerlassene aber abgekühlte Fett und die Milch dazugeben und alles gründlich miteinander verrühren.
Den Backofen auf 200°C vorheizen. Mehl, Backpulver und das Salz in eine zweite Schüssel geben und gut vermischen. Trockene Mehlmischung zu den feuchten Zutaten geben, nur so lange verrühren, bis alle Bestandteile gerade feucht sind. Zum Schluss die Orangenschale und die Beeren unterheben.
18 Papierförmchen in ein Muffinblech setzen und jeweils etwa dreiviertelhoch mit dem Teig füllen. Etwas Zucker auf die Oberfläche streuen. Im vorgeheizten Ofen (Umluft 180°C, Gas 3-4) 25-30 Minuten backen, bis die Muffins oben aufreißen. Das Blech aus dem Ofen nehmen und die Muffins etwa 5 Minuten ruhen lassen. Auf einem Kuchengitter abkühlen lassen.
Während der Abkühlphase Kaffee kochen und das Buch „Magische Muffins“ bereitlegen.
Und jetzt: Magischer Momente genießen.
Magische Muffins
von Elke Seifert
Muffins – lecker, lecker – sind sehr kleine Küchlein, die für jeden Geschmack zu haben sind. Gefüllt mit diversen Früchten oder herzhaften Ingredienzien, bieten sie alles, was der hungrige Magen mag oder was des Süßschnabels Zunge gerade begehrt.
Doch die besten von den allerbesten Muffins stammen aus der Backstube von Marta Morelli, und die Leute sagen: „Die sind einfach magisch!“
Und das stimmt. Marta Morelli ist nicht nur eine außergewöhnlich gute Zuckerbäckerin, sondern sie hat auch eine außergewöhnlich gute Gabe: Sie kann sehr gut zuhören. Und mit sehr gut meine ich sehr gut. Sie hört nämlich zwischen den Zeilen, was die Menschen, die in ihr kleines Café kommen, um sich mal eine Stunde Auszeit zu gönnen, ihr eigentlich erzählen wollen. Sie hört genau heraus, was der Mensch jetzt braucht, um aus seinem Dilemma, in dem er oder sie gerade steckt, herauszukommen. Sie gibt natürlich den einen oder anderen guten Rat, wie man das im Gespräch ebenso macht, aber im Anschluss geht sie stets in ihre Backstube und kreiert einen neuen Muffin, den sie speziell für ihren Gast backt.
Dazu sucht sie als Erstes ihren Garten auf. Hinter dem Haus hat sie dem Wald ein Stück Land abgetrotzt, auf dem nun die allerbesten Kräuter und die schönsten Blumen wachsen. Sie redet mit ihren Pflanzen, und die scheinen auch mit ihr zu kommunizieren.
Sie fragt jedes Mal, wer sie denn jetzt unterstützen möchte, um das Problem von Herrn Soundso oder von Frau Sowie-Noch in die Auflösung zu bringen. Und tatsächlich melden sich ein Rosenblatt, ein Pfefferminzzweig, eine Kamille oder einige herbe Kräuter und wollen mit.
Im vollsten Vertrauen auf die göttliche Ordnung und die Heilkräfte der Natur, folgt Marta diesem Ruf und backt voller Liebe und Hingabe ein heilsames Küchlein.
So genau erkennen die Menschen nicht den Zusammenhang, sie stellen nur immer wieder fest, nach einem Gespräch mit Marta Morelli kommen ihnen die unglaublichsten Ideen, wie man denn jetzt dieses oder jenes Problem lösen könnte. Es ist einfach nur ein gutes Gefühl!
Das bringt mich zu der Geschichte, die ich euch eigentlich hier und jetzt erzählen wollte.
Denn ob es dieses kleine, freundliche Dorf an der Südseite des dunklen Waldes, eingeschmiegt zwischen grünen, saftigen Wiesen und fruchtbaren Feldern, heute noch so gäbe? Wer weiß!
Am anderen Ende des Dorfes, also quasi genau gegenüber von Martas kleinem, gemütlichem Kaffeehaus mit angeschlossener Backstube, lag – allerdings ein bisschen tiefer in den Wald hinein – eine alte Burgruine. Der alte Gutsbesitzer war irgendwann verstorben, seine Kinder suchten längst in der Ferne ihr Glück und hatten kein Interesse an diesem halb verfallenen Gebäudekomplex, und so moderte das Gemäuer vor sich hin, ganz zur Freude der Kinder, die hier ihren großen Abenteuerspielplatz vorfanden.
Doch eines Tages war Schluss mit lustig!
Ein dynamischer, junger Mann mit Taschen voller Geld erwarb dieses Anwesen und fing auch gleich mit umfangreichen Baumaßnahmen an. Nach gerade mal einem Jahr feierte er mit großem Pomp ein riesiges Einweihungsfest, wozu er auch alle Dorfbewohner einlud.
Und man staunte nicht schlecht.
Große Spiegelsäle waren entstanden, einer schöner als der andere, und jeder anders ausgestattet. Im ersten gab es lange Tischreihen, gedeckt mit feinstem Porzellan, und livrierte Diener servierten die vorzüglichsten Speisen, die man sich vorstellen konnte.
Dann war da ein Tanzsaal mit einer riesigen Bar, wo es Getränke aus aller Welt zu probieren gab.
Der dritte Saal war eingerichtet mit ganz vielen Spieltischen und der nächste Saal mit gemütlichen Sitzecken und riesigen Fernsehern, wo den ganzen Tag die schönsten Filme liefen oder wo man auf Spielkonsolen die neusten Videospiele fand.
Freies W-lan überall war selbstverständlich.
Für die Kinder das Größte: eine riesige Halle mit Spielgeräten, Kletterwänden, Swimmingpool und Trampolins.
Was für ein Paradies!
Drei Tage und drei Nächte wurde gefeiert, und zum Schluss bekamen alle Dorfbewohner eine Rabattkarte mit 30% Preisnachlass auf alle Angebote dieses Etablissements auf Lebenszeit – als Ausgleich für den Baulärm, den sie das ganze Jahr hatten ertragen müssen.
Wahrlich, das Paradies war in ihr Dorf gekommen.
Und erst mal war ja auch alles gut.
Doch so nach und nach erstarb das früher so rege Dorfleben. Die Männer trafen sich nicht mehr zum Kegeln oder Skatspielen. Der fröhliche Kinderlärm verstummte, und der Kinderspielplatz lag verwaist da. Nur die Schaukeln quietschten traurig im Winde vor sich hin.
Es wurde immer weniger gekocht, denn so günstig, wie sie da jetzt essen gehen konnten, dafür lohnte es sich nicht, den Herd anzumachen.
Auch kümmerten sich immer weniger Bauern um ihre Felder, sodass nach und nach die Parzellen verdorrten und brachlagen.
Alle Geburtstage, Hochzeiten und Taufen wurden nur noch im „Paradies“ gefeiert.
Als auch immer öfter immer mehr Kinder die Schule zu schwänzen begannen und immer mehr Leute ihren Arbeitsplatz verloren, weil ihnen die rechte Arbeitsmoral fehlte, regten sich die fünf Frauen, die sich noch regelmäßig in Martas Café zum Stricken trafen, so richtig auf.
„So geht das nicht weiter, Jemand muss etwas unternehmen“, sagte Elsa, die Älteste von ihnen.
„Ja, aber was?“, konterte Lina.
„Bei so was sind wir doch machtlos“, stellte Gabi resigniert fest.
„Nicht aufgeben! Es gibt immer für alles eine Lösung“, mischte sich Marta energisch in das Gespräch ein und fuhr dann nach einem kurzen Moment der Stille fort: „Ich habe mich mal erkundigt nach dem Besitzer von diesem so genannten Paradies. Er hat an allen Orten, wo er bisher sein Unwesen trieb, ganz schön dunkle Spuren hinterlassen. Immer beantragt er beim Staat unterstützende Gelder, um eine Gegend nach vorne zu bringen, einen Betrieb hochzuziehen und Arbeitsplätze zu schaffen, wie er sagt. Er ist so geschmeidig und geschickt in seinen Verhandlungen, dass er es immer wieder schafft, die hohen Herren davon zu überzeugen. Dann sucht er sich eine Gegend aus so wie unsere und treibt sein böses Spiel. Er gibt erst auf, wenn alles in Dunkelheit und Trostlosigkeit verfallen ist. Dann zieht er weiter und beginnt woanders von vorne.“
„Nein, das gibt’s doch gar nicht!“, riefen Ruth und Roswitha wie aus einem Munde. „Irgendwer muss den Kerl stoppen, ihm regelrecht das Handwerk legen!“
Die anderen nickten beunruhigt und ratlos mit den Köpfen. „Ja, aber wie, aber wie, aber wie?“
„Ich glaube, ich backe uns erst mal eine Fuhre Muffins, das hilft immer“, sagte Marta Morelli und verschwand in ihrer Küche, während die anderen diskutierend zurückblieben.
Natürlich führte sie der erste Weg in ihren Garten. In Konferenz mit den Pflanzenwesen erörterte sie ihr Problem, und sofort meldete sich eine ganze Garde zum Dienst.
Alle Kräuter wurden schön klein gehäckselt und mit den üblichen Zutaten in eine große Schüssel getan. Dabei sang Marta ihre magischen Lieder und ließ ihre ganze Liebe in den Teig fließen.
Auch bat sie ihre himmlischen Heerscharen um Unterstützung bei dieser Mammutaufgabe.
Alsbald zog ein herrlicher Duft durch die Backstube, drängte sich durch die Ritzen der Tür und erfüllte auch die Schankstube mit dem Odure nach Freiheit, Frieden und Hoffnung.
Die fünf Damen hielten abrupt inne, schnupperten und sogen den Geruch mit einem begeisterten „Hmmmm“ ein, und das Gefühl von „Jetzt wird alles gut“ hielt wie schon so oft Einzug in ihre Gemüter.
„So, Mädels“, rief Marta und drückte allen eine riesige Tortenschachtel, gefüllt mit Muffins, in die Hände, „jetzt geht nach Hause und versucht, in eurer Familie und im Verwandtenkreis so viele Küchlein wie möglich zu verteilen. Und redet, redet, redet mit ihnen. Wir müssen alle wachrütteln. Wenn ihr Nachschub braucht, kommt und holt ihn euch. Denn bei Kaffee und Kuchen plaudert es sich doch am allerbesten“, setzte sie noch augenzwinkernd hinzu.
Gesagt, getan.
Es dauerte dennoch fast ein Jahr, bis die meisten Bewohner des Dorfes nach und nach zur Besinnung kamen, was für ein unsägliches Spiel mit ihnen getrieben wurde. Es fiel ihnen immer leichter, dieser Spielhölle den Rücken zu kehren und sich anderen, die Seele nährenden Aufgaben zuzuwenden. Auch die Kinder fanden plötzlich das Draußen-Spielen wieder spannend.
Marta Morelli kreierte immer wieder neue Rezepte, um diesen Erwachensprozess nach Kräften zu unterstützen.
Und eines Tages war es so weit. Marta holte zum letzten großen Schlag aus. Tagelang kam sie nicht aus ihrer Backstube raus. Das ganze Dorf roch inzwischen verführerisch nach Frischgebackenem.
Mit den Dorfbewohnern hatte sie verabredet, aus Anlass des Jahrestages der Eröffnung den Firmenbesitzer zu überraschen mit einer großen „Geburtstagskuchenschlacht“-
Den Kuchen umsonst nahm der dynamische dunkle Herr, der inzwischen merklich ergraut und gealtert war, gerne an und hörte gar nicht auf zu essen. Man sah ihm an, dass er so etwas Leckeres noch nie im Leben gekostet hatte.
In den folgenden Wochen kam er immer öfter in Marta Morellis kleines Café, und die Gespräche zwischen den beiden wurden immer länger und ausführlicher,
Und dann geschah das Wunder.
Zur Jahreshauptversammlung des Gemeinderates trat er plötzlich in den Raum und verkündete der Versammlung, dass er sich entschlossen hätte, seine Spielhölle aufzugeben und stattdessen ein SOS-Kinderdorf zu beherbergen. Auch ein Altersheim sollte in einem Nebengebäude eröffnet werden. Dazu suchte er Personal. Ob die Gemeinde ihm helfen könnte, dies zu finden.
Allen blieb vor Staunen der Mund offenstehen.
Natürlich beeilte man sich, diese Wünsche zu unterstützen. Diesmal wurden auch Handwerker aus dem Ort gebeten, die Umbaumaßnahmen zu vollziehen.
So zogen Wohlstand, Frieden und Freude in das beschauliche Dorf ein, und nur die Allerwenigstens ahnten, dass dieser Umstand etwas mit Martas magischen Muffins zu tun hatte.
Marta Morelli war das nur recht. Zu viel Aufhebens um ihre Person hatte sie noch nie gemocht.
Auch heute steht sie immer noch täglich in ihrer Backstube, lächelt vor sich hin und freut sich auf die fünf Strickdamen, die nach wie vor regelmäßig ihre Treffen in dem kleinen, beschaulichen Café abhalten und noch sehr lange über das gelungene Wunder sprechen und darüber, was der Mensch doch zu bewirken in der Lage ist, wenn er sich mit anderen zusammentut.