HAIFISCHJAGD - Michael Schönberg - E-Book

HAIFISCHJAGD E-Book

Michael Schönberg

0,0
0,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sechs Kinder aus verschiedenen Ländern müssen sich in einem englischen Internat neun Jahre ein Zimmer teilen. Sie lernen in dieser Zeit Wissen und Gehorsam. Sie lernen aber auch Dinge, die außerhalb jeder Normalität liegen. Aus der einst zufällig zusammengestellten Gruppe wird über die Jahre eine innige Freundschaft. Einmal im Jahr treffen sich die Freunde vor Mallorcas Küste zur Haifischjagd. So tarnen sie ihre heimliche Leidenschaft. Obwohl sie teuren Thunfisch als Köder benutzen, lassen sich nur wenige Haie sehen oder fangen. Bei einer dieser Fahrten werden sie Zeuge eines schrecklichen Unfalls. Marseille hatte eine Frau an Bord gebracht und die fiel durch zu viel Alkohol über Bord. Das Wasser brodelte vor lauter Haien. In nur wenigen Minuten war die Frau verschwunden. Die Männer denken darüber nach, den Köder zu wechseln.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Michael Schönberg

HAIFISCHJAGD

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Haifischjagd – Köder gesucht

 

 

Haifischjagd - Köder gesucht

Haifischjagd – Köder gesucht

Bibliografische Information der Nationalbibliotheken:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Verlage, Herausgeber und Autoren unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Die Personen und Handlungen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Impressum:

 

Text:  © Michael Schönberg

Covermotive: colourbox.de

Herausgeber: Michael Schönberg

Alle Rechte: Michael Schönberg

 

 

 

 

Dieses Buch enthält jugendgefährdende Szenen

und ist daher für Leser/innen unter 18 Jahren nicht geeignet.

 

 

Die Tür ging auf, und am Gesichtsausdruck ihrer Tochter sah sie, dass der Verlauf des Fotoshootings nicht erfolgreich gewesen war. Es war bereits der sechste Termin mit einem negativen Ausgang. Die Mutter wusste, nur durch ein leckeres Eis oder Schokolade konnte sie den Frust ihrer Tochter bewältigen. In weiser Voraussicht hatte sie am Tag zuvor Vanilleeis, Eierlikör und Walnüsse eingekauft.

»Woran ist es diesmal gescheitert?«, fragte die Mutter, als Martina sich auf der Couch im Wohnzimmer niederließ.

»Ich bin zu klein. Da waren zwei Frauen und ein Mann. Ich glaube, der Mann fand mich nicht zu klein. Doch so ein Hungerleider mit einer Größe, geschätzte 3 Meter, sagte doch glatt, dass normale Kleider an mir sofort wie Abendkleider aussähen. Weil sie dann bis zum Boden reichen.«

Bei diesen Worten liefen Martina auch schon die Tränen herunter. Schnell war die Mutter bei ihr und nahm sie in den Arm.

»Nicht verzweifeln, nur weil so eine Zicke nicht erkennt, was für ein Potenzial in dir steckt. Komm, ich hole dir ein leckeres Eis, und wir reden, wie wir weiter vorgehen.«

Gesagt, getan. Mit einer großen Glasschüssel kam sie zurück. Darin eine große Portion Eis, übergossen mit Eierlikör. Darauf lagen mehrere Walnusshälften. Martina aß das Eis, und ihre Traurigkeit wich. Wohl auch, weil die Mutter ihre Fotomappe in der Hand hielt und die Bilder ihrer Tochter lobend kommentierte.

»Die wissen ja nicht, was ihnen entgeht. Macht aber nichts, dann werden wir eine andere Agentur suchen, die vielleicht bessere Augen für die natürliche Schönheit hat.«

Die natürliche Schönheit, wie sie es nannte, war 1,70 Meter groß, wog 72 Kilo und hatte Konfektionsgröße 40 bei einem Busen mit Körbchengröße D. Wenn Martina ihr Hinterteil im Spiegel betrachtete, so sah sie eine Ähnlichkeit mit dem Po einer kolumbianischen Sängerin, deren Po sich ebenfalls deutlich nach hinten wölbte. Ihre langen, blonden Haare waren sehr gepflegt und reichten ihr fast bis an eben jenen Po. Damit ihr Gesicht von dieser Haarpracht frei blieb, nahm sie die vorderen Haare zusammen und trägt sie zum Zopf geflochten als Kränzchen auf dem Kopf.

 

Nach ein paar Tagen, Martinas Frust war weitestgehend abgeflaut, die Eispackung leer, stieß sie im Internet auf eine Seite, auf der eine Modefirma natürliche Models für natürliche Mode suchte. Die Größen 38 bis 44 waren hier gefragt. Frauen ohne diese Attribute sollten sich erst gar nicht melden. Die Modefirma sei neu auf dem Markt und wolle mit unverbrauchten Modellen arbeiten.

Ihr Name: Kara Royal und ihr Slogan lautet: beautiful by native.

In dieser Firma gab es keine Schickimicki Partys, alles wurde online angeboten und verkauft. Martina war über-glücklich, und als ihre Mutter am Abend von der Arbeit kam, zeigte sie ihr aufgeregt die Seite. Die Mutter sah sie sich an und fand sie ebenfalls interessant. Eigentlich fand sie alle Agenturen für Mode interessant, egal welche Firma einen Aufruf startete. Jedes Mal unterstützte sie das Verlangen ihrer Tochter, Fotomodel zu werden.

 

Fast 2.000 Euro steckten schon in Bildern und Kosmetika. Die Friseurkosten nicht eingerechnet. Bei ihrem sehr langen, blonden Haar eine nicht gerade preiswerte Angelegenheit. Sie glaubte fest an eine Fotokarriere ihrer Tochter. Leider blieb ihr selbst diese Karriere versagt. Immerhin arbeitete sie in einem Modegeschäft und verkaufte exklusive Designermode. Zu ihrem Unmut, nie als Fotomodel angenommen worden zu sein, kam hinzu, dass sie heute diese Größen sehr wohl tragen konnte. Oft kam sie den Wünschen ihres Chefs nach, die neuen Modelle im Geschäft zu tragen, und ihr Publikum waren die Kunden aus aller Welt.

»Hast du dich schon schlau gemacht, wo die Firma ihren Sitz hat?«

»Auf ihrer Web-Seite steht: mit Sitz in Frankreich. Aber das ist ja schon klar, Mama, wo bitte soll denn sonst eine Mode-Firma ihren Sitz haben?«

»Italien, mein schönes Kind, Italien! Wir haben in unserem Geschäft sehr viele Kleider aus Italien. Das, was ich gerade trage, kommt auch aus Italien. Aber Frankreich ist natürlich auch eine gute Adresse.«

Martina hörte nicht richtig zu. Eigentlich interessierte es sie nicht, wo der Sitz von Kara Royal war. Hauptsache, sie könne modeln.

»Steht da auch, wo das Casting stattfindet? Ich hoffe, wir müssen nicht bis nach Frankreich fahren. Obwohl ... Paris! Ach, wie lange ist das her, dass dein Vater und ich in Paris waren.«

»Die Bewerbung läuft über das Internet. Wenn ich es in die Auswahl schaffe, dann bekomme ich Bescheid«, unterbrach sie ihre Mutter, um sich nicht weiter ihre alten Geschichten über verpasste Chancen anhören zu müssen.

»Druck doch den Bewerbungsbogen mal aus, dann können wir uns den in Ruhe ansehen und dann immer noch entscheiden, ob wir uns bewerben oder nicht.«

»Ich schau mir das erst einmal alleine in Ruhe an, Mama, und dann besprechen wir das.«

»Ist gut, mein Kleines.«

»Nenn mich nicht immer Kleines. Es reicht, wenn das andere zu mir sagen.«

»Entschuldige Martina, ich habe das nicht auf deine Körpergröße bezogen, sondern dass du doch mein kleines Kind bist.«

»Mutter! Und Kind bin ich schon lange nicht mehr.«

Mathilde sagte nun nichts mehr, da sie erkannte, jedes weitere Wort wäre falsch. Deshalb verließ sie das Zimmer und kümmerte sich ums Abendbrot.

Martina dachte in diesem Moment nicht ans Essen. Eher ungewöhnlich für sie, doch erst einmal vertiefte sie sich in die Anzeige. Noch einmal schaute sie sich die Bewerbungs-kriterien an:

»Wir suchen die normale Frau.«

»Das bin ich«, stellte sie fest. »Wenn auch über dem Durchschnitt.«

»Sie haben das Ziel, ein Model zu werden?«

»Ja, das will ich.«

»Sie haben sich schon mal bei Agenturen beworben und besitzen eine Auswahl aussagekräftiger Bilder?«

»Klar habe ich Bilder, eine ganze Mappe, und wenn die nicht aussagefähig sind, dann weiß ich es auch nicht.«

»Sie erhielten keinen Vertrag mit der Begründung: Zu klein, zu dick oder zu viel Oberweite?«

»Zu klein, haben die meisten gesagt.«

»Wenn Sie die vorstehenden Fragen alle positiv beantworten konnten, dann sind Sie die Person, die wir suchen. Wir möchten mit unserer Kollektion Menschen ansprechen, die Figuren des normalen Lebens haben. Besonders schlanke Menschen werden bei uns keine Kleidung finden.«

 

Sie sah sich nun den Bewerbungsbogen an. Um ihn besser bearbeiten zu können, druckte sie ihn für später aus. Jetzt wollte sie erst mal weiterlesen. Die Firma hatte ihren Sitz in einem Vorort von Paris. Das Casting fand auf Mallorca statt. Zum Teil an Land, zum Teil auf einer Jacht. Bei positivem Bescheid übernähme die Firma die gesamten Kosten.

»Endlich mal eine Firma, in der man nicht erst was einzahlen muss, um dann zu erfahren, nee, sie sind es nicht, und das Geld ist futsch.«

Mit Freude las sie diesen Absatz und strahlte, als sie weiter las: Das beinhaltet Flug, Transfer zum Hotel oder zur Jacht, Unterbringung mit Verpflegung und ein Tageshonorar von € 300,00.

Überglücklich las sie diesen Absatz mehrmals.

Mit ihrer Schönheit Geld zu verdienen war ihr Jugendtraum, sofort dachte sie daran, ihrer Mutter einen Teil ihrer Kosten zurückgeben zu können.

»Wann ist denn die Veranstaltung?«, fragte sie sich und sah sich im Vorfeld ihre Eintragungen im Terminkalender an. Da sie unverheiratet war, durfte sie auf keinen Fall in den Ferien fehlen. Da waren ihre Kolleginnen aus der Bäckerei mit schulpflichtigen Kindern in Urlaub. Bisher war es ihr ja auch Recht, dass es so eine Regelung gab, wer will schon in den Schulferien Urlaub machen. Zu voll und zu teuer.

Mit klopfendem Herzen suchte sie nun den Termin auf der Seite von Kara Royal und fand ihn unter dem Link: Fotoshooting auf Mallorca.

»Oh Gott, wie kompliziert ist das denn? Geht doch bestimmt auch einfacher.«

Schnell war das kleine Ärgernis abgehakt, als sie den Termin zur Kenntnis nahm. Mitte Juni war die Veranstaltung geplant, und das lag vor den Ferien.

»Prima, das ist schon mal kein Problem.«

Als sie auf der Seite mit den Angeboten für Kleidung war, sah sie Frauen in Alltags-, Sport- und Abendgarderobe. Farbenfroh und luftig geschnitten, für Frauen mit einem Pfund zu viel oder einem Zentimeter zu wenig in der Länge.

Eine Mode, die sie auf jeden Fall tragen konnte.

»Ja, Leute, ich bin genau der Typ, den ihr benötigt.«

Mit diesem Selbstbewusstsein nahm sie sich nun den Bewerbungsbogen vor. Als Erstes las sie: »Nur ein vollständig ausgefüllter Bewerbungsbogen kommt in die Jury, wird gelesen und beurteilt!«

Nach ein paar Fragen über Alter, Größe und Gewicht, die schnell beantwortet waren, ging es weiter mit den Fragen über Schulbildung, Berufsausbildung und einiges mehr. Sie beantwortete alles wahrheitsgemäß. Danach folgten Fragen über Beziehungsstatus und Kinderzahl. Sie verneinte beides.

Schwangerschaft oder körperliche Merkmale und Behinderungen? Hier reichte ebenfalls ein Klares Nein.

Tattoos oder Piercing am Körper? Auch hier begnügte sie sich mit einem Nein.

Operative Eingriffe und Narben? Sollte sie hier schreiben, dass sie keine Mandeln mehr habe? Sie entschloss sich, diese Information für sich zu behalten.

Die erste Seite war geschafft. Es folgten Fragen nach ihrem eigenen Modestil, Haarfarbe und ob das ihre natürliche Haarfarbe sei? Außerdem nach Schuhmode und ihr Dress, wenn sie zu Hause sei. Weiter, ob sie Sport treibe und wenn ja welchen, wie oft und wo.

Es folgten Fragen, ob sie noch bei den Eltern wohne, ob alleine oder mit jemandem zusammen.

Auch wenn es ihr einige Fragen zu weit gingen, sie beantwortete alle, immer mit dem Gedanken: »Egal, Hauptsache, ich komme nach Mallorca.«

Sollte sie den Fragebogen der Mutter zeigen?

Sie sortierte den Fragebogen mit den intimen Fragen aus und ging mit dem Rest zu ihrer Mutter. Obwohl diese neugierig auf die Fragen war, bereitete sie weiterhin das Essen. Bratkartoffeln, Frikadellen, Gemüse. Eines der Lieblingsgerichte von Martina. Ihre Mutter machte himmlische Bratkartoffeln mit viel Zwiebeln, Speck und alles schön in Butterschmalz gebraten. Darüber vergaß sie sogar ihr Anliegen und holte sich den Rest aus der Pfanne.

»Liebe Grüße von deinem Vater. Er wird Ende Juni für eine Woche nach Hause kommen. Vorher geht es nicht. Das Projekt läuft nicht so, wie es sein sollte, und die Investoren machen Druck.«

Martina hatte ihren Vater das letzte Mal an Weihnachten gesehen. Nun sollte er Ende Juni kommen. Schlagartig hörte sie auf zu essen und schaute hoch.

»Wann genau kommt er, Mama? Wann?«

»So genau hat er das nicht gesagt. Ist ja auch nicht wichtig, wir sind doch hier.«

»Das weiß ich eben nicht. Schau, das ist der Fragebogen für die Bewerbung. Und der Termin ist in der dritten Juniwoche.«

»Er hat ja gesagt, Ende Juni. Und das wird dann wahrscheinlich wieder Anfang Juli. Du kennst doch die Einhaltung von Urlaubsterminen deines Vaters. Früher als geplant war er noch nie da. Ob er zu deinem Geburtstag kommen kann, ist also fraglich.«

Beruhigter aß sie nun den Rest ihrer Leibspeise. Dass ihr Vater zu ihrem Geburtstag nicht da sein würde, registrierte sie nicht wirklich. Mallorca war wichtiger.

Nach dem Abräumen und dem gemeinsamen Abwasch sahen sie sich gemeinsam die Unterlagen an. Erst jetzt bemerkte die Mutter, dass die Veranstaltung auf Mallorca stattfinden sollte.

»Martina«, sie vermied bewusst das Wort »Kleines«, »da kannst du aber nicht alleine hin. Du bist noch keine 18 Jahre alt. Haben die keine Altersbeschränkung angezeigt? Viele Modefirmen, jedenfalls die, die ich kenne, und das sind einige, bestehen darauf, wenn das Model unter 18 ist, dass ein Elternteil mitkommt. Schon wegen der Vertragsunter-zeichnung?«

»Mama, bitte. Mach jetzt keinen Ärger. Bis ich achtzehn werde, ist es doch nicht mehr lang. Jetzt geht es doch nur um die Bewerbung. Bis zur Fahrt bin ich doch schon achtzehn. Jedenfalls fast. Es ist wahrscheinlich meine letzte Chance, um in das Model-Geschäft einzusteigen, und es kostest nichts. Da kann ich sogar noch Geld verdienen. So eine Chance gibt es wohl nie mehr. Bitte, Mama, lass mich da bewerben.«

»Ich habe doch nichts dagegen, dass du dich bewirbst, meine Kleine. Ich habe nur gesagt, dass du da nicht alleine hinfliegst. Schau doch mal genauer nach, was sie wegen des Alters sagen, und dann reden wir wieder, ja? Ist das OK?«

Martina wusste, ohne ihre Einwilligung durfte sie sich nicht bewerben. Denn dort stand ausdrücklich, dass Personen unter 18 Jahren diese Einwilligung benötigten. Deshalb gab sie klein bei und sagte auch nichts dazu, dass ihre Mutter sie mal wieder »mein Kleines« nannte. Sie ging in ihr Zimmer, schaute sich die Webseite genauer an und druckte die Einwilligung aus. Sollte sie die Unterschrift der Mutter fälschen und die Einwilligung dann absenden? Wer sollte das überprüfen? Und könnte sie ihrer Mutter glaubhaft machen, dass es nur dann eines Erziehungsberechtigten bedarf, wenn es zu einem Vertrag käme?

Sie kam zu dem Schluss, es auf die ehrliche Art zu machen, um am Ende nicht alle Chancen zu verlieren.

»Zuerst werde ich mich mal bewerben. Vielleicht übersehen sie ja, dass ich noch keine 18 Jahre bin. Und wenn ich wirklich genommen werde, dann kann ich ja nochmal mit Mama darüber reden.«

Entschlossen, so zu handeln, befasste sie sich weiter mit ihrer Bewerbung. Sie übertrug ihre Antworten in das Internet-Formular und sendete es mit einigen Fotos aus ihrer Mappe ab. Ihrer Mutter erzählte sie an diesem Abend nichts mehr. Sie ging zu Bett, löschte das Licht und träumte von ihrer Modelkarriere. Wie sie über den roten Teppich lief und die Fotografen ein Bild nach dem anderen von ihr machten. Wie sie jene Agenturen auslachte, die sie nicht hatten haben wollen, ihre nun angebotenen Verträge zerriss und in die Gosse warf. Mit diesen schönen Gedanken schlief sie ein.

 

 

Ein Mann in Petersburg freute sich über jeden Bewerbungsbogen, den er bekam. Er wunderte sich, wie einfach es war, Informationen von jungen Frauen zu bekommen, nur mit dem Hinweis, dass sie ein Model werden könnten. Alle, ausnahmslos alle, beantworteten die gestellten Fragen. Zusammen mit den Bildern bekam er einen guten Gesamteindruck von den Bewerberinnen. In einem Ausschlussverfahren, dessen Kriterien nur der Russe kannte, wählte er seine Favoriten aus und verwarf die nicht in Frage kommenden Mädchen. Am Ende blieben vier deutsche Kandidatinnen über. Die Auslese war in der Hinsicht einfach. Es sollten deutsche Mädchen sein, die nach Mallorca durften, das stand jedoch nicht in der Bewerbungsanfrage. Er wollte so viele Bewerberinnen wie möglich. Wer weiß, wofür man sie nochmal brauchen könnte.

Er verstand es, abgelehnte Bewerberinnen zu vertrösten und wies daraufhin, dass sie auf jeden Fall bei der nächsten Ausschreibung wieder dabei seien.

Nach erfolgter Auswahl benachrichtigte er die zukünftigen Models. Alle vier Bewerberinnen erhielten die gleiche Mail:

 

Die Modeagentur Kara Royal freut sich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie in die engere Wahl für das Fotoshooting gekommen sind. Wir bitten Sie nun, uns noch einige Fotos von sich zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren benötigen wir noch ein paar genauere Maße, da wir natürlich auch die passende Kleidung für Sie bestellen. Bitte senden Sie uns Fotos von Ihnen in Nachtwäsche, in Unterwäsche und in Badebekleidung.

 

Am Ende gab es den Hinweis auf den spätesten Termin für die Einreichung der Unterlagen und Fotos, sowie erneut der Hinweis, dass bei den Minderjährigen die Einwilligung ihrer Eltern noch nicht vorlagen.

 

 

Wie jeden Abend, seit ihre Bewerbung unterwegs war, schaute sie aufgeregt in ihre Mail-Box. Sie wartete auf eine Nachricht von Kara Royal. Heute sah sie die Mail, und mit zittrigen Fingern öffnete sie sie.

Schon nach dem ersten Satz strahlte sie und konnte vor lauter Freude kaum weiterlesen. Sollte sie nun ihrer Mutter die Nachricht zeigen? Seit dem letzten Mal schwiegen beide zu diesem Thema. Ihr war es Recht, und für ihre Mutter schien die Sache erledigt zu sein.

Nicht so für Martina.

Das Weihnachtsgeschenk ihres Vaters, eine Kamera mit Fernbedienung, kam ihr nun sehr gelegen. So konnte sie Fotos machen, die der Zensur der Mutter zum Opfer gefallen wären.

Ein weißes Bettlaken in der Tür eingeklemmt, und schon war der richtigen Hintergrund für ihre Fotos geschaffen. Als Erstes zog sie ihr rotes Negligé an. Dass es leicht durchsichtig war, störte sie nicht, und weil sie keinen BH darunter trug, war ihre Brust schemenhaft zu erkennen. Dass diese schon in jungen Jahren den Weg nach unten suchte, war für sie normal. Mit einem roten Unterhöschen bedeckte sie ihre Scham. Alles wollte sie nun auch nicht zeigen. Zu frivol mochte sie nicht erscheinen. Eher als eine mutige und doch zurückhaltende junge Frau. Dabei stellte sie aber ihren Po in Pose, was bei der Größe ihres Hinterteils nicht sonderlich schwer war.

Mal nach links, mal nach rechts, drehte sie sich und drückte dabei immer auf den Auslöser. Sie sah sich ihre Aufnahmen an und löschte die unvorteilhaften Bilder. Viele gab es aber nicht. Schließlich hielt sie sich für sehr fotogen. Nach der Nacht-wäsche kam die Bademode an die Reihe.

Zuerst im geschlossenen Badeanzug. Dabei zog sie die Brüste bewusst nach oben. So quoll ihr Busen aus dem Bade-anzug heraus. Ähnlich wie bei einem Dirndl. Sollte sie den Busen soweit aus den Körbchen ziehen, bis der Rand der Brustwarze zu sehen war? Angesichts der Fotos mit der Nachtwäsche unterließ sie das.

Dann folgten die Fotos im Bikini. Das erste Bikini-Oberteil bedeckte gerade mal ihre Warzen. Der Rest des Busens hing im Freien. Nur die beiden Dreiecke aus Stoff und die Bänder hielten die Brüste oben. Dazu das passende Höschen. Wenn man es als ein solches bezeichnen konnte. Denn auch hier war es eigentlich nur ein Streifen Stoff, den sie trug. Was angesichts ihrer Größe im unteren Bereich allen Slips so erging. Vorne überdeckte es nicht vollständig ihre leicht speckige Vulva, und der hintere Teil des Stoffs verschwand zwischen ihren Pobacken. So brachte sie ihren Po nochmal in Form. Der Auslöser klickte nach jeder kleinen Bewegung, Drehung oder Beugung. Martina war mit den Bildern sehr zufrieden. Sie selbst konnte sich gar nicht sattsehen an den schönen Fotos ihres reizvollen Körpers.

»Na, da haben sie ja was zum Anschauen.«

Dabei waren die Fotos in Unterwäsche noch gar nicht gemacht. Doch das meisterte sie ebenfalls mit einer Mischung aus erotischem Flair und jugendlicher Zurückhaltung. Zeigen, ohne das alles zu sehen war, aber die Neugier anstachelte.

Wenn schon, denn schon, dachte sie sich. Sie sollen sehen, was sie bald ablichten dürfen. Aus dem Nähkasten ihrer Mutter nahm sie ein Maßband und prüfte so ihre Maße. Hüfte und Po 115. Hier machte sich besonders ihr vorstehender Po bemerkbar. Sollte sie hier nur 110 eintragen, überlegte sie kurz. Nein, entschied sie: »Ich stehe zu meinen Maßen. Wer kann schon so einen Hintern vorweisen?«

Die Agentur hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, korrekte Maße anzugeben, da sie die Bekleidung darauf ab-stimmten. Martina entschloss sich, alle Maße so zu bekunden, wie sie nun mal waren. An der Taille zeigte das Bandmaß 95 cm und im Brustumfang 120 cm.

»Wer hat, der hat«, sagte sie sich und strahlte, als sie die Daten in das Formular eintrug und mit den Bildern sendete. Das Formular der Einwilligung »vergaß« sie ein weiteres Mal.

 

Auch Franziska Weber bekam Antwort auf ihre Bewerbung. Ihre Unterlagen bearbeitete sie jedoch alleine, schließlich war sie kein Kind mehr. Ihre Mutter nannte sie schon lange nicht mehr »Kleines« oder »Kind«. Feierte sie doch in 14 Tagen ihren achtzehnten Geburtstag. Franziskas Mutter fotografierte ihre Tochter und achtete dabei darauf, dass sie ihre Weiblichkeit zur Schau stellte. Ihre Tochter sollte dabei sein, und warum sollte sie nicht zeigen, wie makellos ihr Körper war. Da die Fotos nicht alles zeigten, wussten beide, dass dem Betrachter die Lust auf mehr in den Sinn kommen würde. Besonders Franziskas Scham fiel auf. Durch einen Friseur, ein Spezialist für Schamhaarfrisuren, zierte ein Tigerkopf den Schambereich. Ihr starker Haarwuchs kam ihr dabei zugute, und durch Färbungen erzeugte der Friseur entsprechende Schattierungen.

Durch ihr durchsichtiges Dessous war der Tigerkopf ansatzweise sichtbar. Zufrieden mit der Auswahl der Fotos sendete Franziska sie zusammen mit den Unterlagen per Mail an die Agentur.

 

 

In Russland erwartete der Mitarbeiter der Firma Kara Royal die Antworten der Kandidatinnen. Alle kamen schon vor Ablauf der Frist.

In Ruhe sah er sich die neuen Fotos und ihre weiteren Antworten an. Er entschloss sich für Martina und Franziska. Beide Frauen waren knapp unter 18 Jahren und ihre weiblichen Formen für eine »natürliche Mode« wie geschaffen. Die Fotos und Fragebogen der beiden abgelehnten Frauen legte er in die Schublade: »Ersatz-Futter«.

Die beiden waren so gegensätzlich, wie es nicht besser hätte sein können. Martina blond und mit einem besonderen Po ausgestattet, der schließlich den Ausschlag für ihre Teilnahme gab.

Franziska mit dunkler Haarfarbe und einem »Knackarsch«, kaum größer als ein Kinderpopo. Ihre Brüste passten zu ihrem schlanken Körper. Nicht zu üppig und nicht zu klein. Dazu ihre besondere Schambehaarung. Genau das war es dann auch, was sie in die Endrunde brachte. Kinderpopo und Schamhaar.

Der Mitarbeiter war mit seiner Auswahl sehr zufrieden. In seiner nächsten Anfrage verlangte er nun ihre Zusage und die Einverständnis-Erklärung eines Elternteils. Nach Eingang der Belege würde er dann die Flugtickets und weitere Unterlagen senden.

Franziska schickte ihm schon am nächsten Tag die Einwilligung und ihre Zusage. Ihre Eltern waren es gewohnt, dass ihre Tochter allein auf Reisen ging. Entweder mit den Eltern einer Freundin oder mit einer Reisegruppe. Sie sahen in der Anfrage keine Gefahr, da ja Adresse und Firmenname klar erkennbar waren. Ihre Tochter war selbständig erzogen worden, und so überließen sie ihr auch diese Entscheidung. Sie wollten ihr den Weg in eine Modelkarriere nicht verbauen. Wegen ihrer beruflichen Verpflichtungen wäre eine Teilnahme für sie selbst ohnehin nicht möglich gewesen.

 

Als Martina die Mail öffnete und ihre Zusage sah, war sie außer sich, jubelte und stürmte ins Wohnzimmer zu ihrer Mutter.

»Sie wollen mich, sie wollen mich, Mama. Stell dir vor, ich darf daran teilnehmen!«

»Wer will dich, und woran kannst du teilnehmen, mein Kleines?«

 »Mama, die Modeagentur Kara Royal will mich als Model. Wir haben doch darüber geredet. Erinnerst du dich nicht mehr?«

»Doch schon. Die Agentur mit Sitz in Frankreich und nicht in Italien.«

»Ja, Mama. Und die wollen nun, dass ich nach Mallorca komme zum Fotoshooting. Ist das nicht toll? Ich freue mich so sehr. Jetzt wird mein Traum wahr.«

»Das ist ja wirklich eine gute Nachricht. Wann war das noch?«

»Ende Juni. Da ist Papa noch nicht wieder da.«

»Und wo soll das Fotoshooting stattfinden?«

»Auf Mallorca, Mama. Das habe ich dir alles schon mal gesagt. In einem Hotel und auf einer Jacht. Ach, ich bin so aufgeregt. Ich bin ja so glücklich. Ich sehe schon die Reklame: »Kara Royal stellt sein neuestes Model vor: Martina Fleischer.«

»Hast du ihnen geschrieben, dass du nicht alleine kommst? Ich habe von Anfang an gesagt, dass du da nicht alleine hinfliegen wirst.«

»Mama, was soll das denn? Ich bin erwachsen genug, um arbeiten gehen zu können. Aber wohl nicht alt genug, um eine Modelkarriere zu starten oder was?«

»Natürlich bist du alt genug für ein Model. In deinem Alter hatte ich ja auch schon die ersten Auftritte. Auch wenn es dann nicht weiterging. Und obwohl die alle in Deutschland waren, hat meine Mutter mich immer begleitet.«

»Ja, aber das war 1900! Heute haben wir das zwanzigste Jahrhundert, und die Menschen haben sich weiterentwickelt. Bitte Mama, lass mich alleine dorthin fliegen. Wie sieht es denn aus, wenn eine fast erwachsene Frau mit ihrer Mutter dort ankommt? Außerdem glaube ich nicht, dass sie das eingeplant haben.«

»Was eingeplant haben?«

»Na, dass ein angehendes Model seine Mutter an der Hand hat.«

»Kleines, wenn eine Agentur Models sucht und sie sich für ein junges Mädchen entscheiden, das noch keine 18 Jahre alt ist, dann werden sie sehr wohl eingeplant haben, dass sie nicht alleine kommt.«

»Oh doch, Mama. Warum senden die denn einen Einwilligungsschein mit? Damit du den nicht unterschreibst und stattdessen mitkommst? Nee, Mama, die senden den mit, damit du zu Hause bleibst. Das ist der Sinn von so einem Schreiben. Warte, ich hole dir das Formular.«

Noch bevor ihre Mutter etwas erwidern konnte, war Martina aufgesprungen und in ihr Zimmer geeilt. Schnell war sie wieder zurück.

»Hier ist das Formular. Du brauchst es nur zu unter-schreiben, und schon bin alleine unterwegs. So einfach Mama. Also unterschreibe bitte. Mama! Bitte!«

»Kommt überhaupt nicht in Frage. Was glaubst du wohl, was mir dein Vater erzählen wird, wenn er erfährt, dass ich dich alleine in ein wildfremdes Land fliegen lasse?«

»Klar, wildfremdes Land. Mama, wir waren schon zweimal auf Mallorca.«

»Ja, du hast Recht. Wir, ja wir waren dort, und so wird es auch bleiben, bis du 18 bist. Entweder wir fliegen oder du musst absagen.«

»Bitte, Mama. Ich dachte, du wolltest, dass ich ein Model werde. Und nun zerstörst du meine Chance.«

Nach diesen Worten rannte sie in ihr Zimmer und schmiss sich aufs Bett.

Mathilde fühlte sich nun gar nicht wohl in ihrer Haut. Unsicher, wie sie sich verhalten sollte, ging sie zu ihrer Tochter. Sie klopfte an die Tür, und als sie keine ablehnende Antwort erhielt, ging sie hinein.

»Martina, was hältst du davon, wenn du ihnen schreibst, dass du nicht alleine kommen darfst? Sie müssen dir ja dann antworten, und wenn sie wirklich darauf bestehen, dass du alleine kommen sollst, dann werde ich Papa anrufen und ihn um Erlaubnis bitten. Wenn er dem zustimmt, dann darfst du alleine fliegen. Was hältst du von diesem Vorschlag?«

Martina drehte sich zu ihrer Mutter und schluchzte mehr, als dass sie sprach: »Okay. Aber wenn sie nicht wollen, dass du mitfährst, dann musst du mich wirklich fliegen lassen.«

»Versprochen, meine Kleine, versprochen.«

Mathilde drückte ihre Tochter.

 

 

Als die Mail in Petersburg ankam, war er sehr verwundert, dass eine junge Frau mit fast 18 Jahren anfragt, ob ihre Mutter mitkommen darf. Fast belustigend empfand er diese Mail. Nach einer Weile interessant und danach sogar aufregend. Er verglich den Termin für die Veranstaltung mit ihren Geburtsdaten. Dann wäre sie doch 18 Jahre alt. So ganz verstand er die Angelegenheit nicht. Wahrscheinlich eine Mutter, die ihr Kind nicht loslassen konnte.

Sollte er ihre Mutter wirklich mit einladen? Was sagten seine Auftraggeber dazu?

Nach einigem Nachdenken entschied er sich für die Zustimmung. Er hatte sich auf Martina und Franziska festgelegt und wollte jetzt nicht von vorne anfangen. Sein Budget war nicht begrenzt und die Mehrkosten vertretbar. Schon am nächsten Tag sendete er die Zustimmung an Martina Fleischer, dass auch ihre Mutter an der Veranstaltung teilnehmen dürfe.

Mit der Zustimmung sendete er auch der Mutter von Martina einige der Fragebogen zu, mit der Bitte, diese auszufüllen, falls ein anwesender Fotograf auch sie ablichten wollte. Er freute sich sehr auf die Fragebogen und Bilder von der Mutter.

 

 

Mit Spannung saß Martina vor dem Rechner. Erst gegen 23.00 Uhr schaltete sie ihn aus, um ihn am nächsten Morgen um 5.00 Uhr wieder einzuschalten. Keine neuen Mails. So ging sie zur Arbeit und fieberte den ganzen Tag dem Feierabend zu. Endlich zu Hause ging es an den Rechner. Mail vorhanden.

Betreff: Kara Royal.

Sie las: »Sehr geehrte Frau Fleischer. Nach reichlicher Überlegung freuen wir uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass das Gremium zugestimmt hat und Ihre Mutter, Frau Mathilde Fleischer, Sie begleiten darf. Natürlich werden auch ihre Kosten übernommen. Eine Honorarzahlung ist allerdings nicht möglich. Im Anhang haben wir allerdings einige Fragebogen gesendet, die ihre Mutter ausfüllen sollte. Es besteht die Möglichkeit, dass anwesende Modeherren auch ihre Mutter ablichten möchten. Dafür ist es wichtig, uns einige aussagekräftige Fotos ihrer Mutter zu senden. Nach der Zusendung dieser Fotos und der ausgefüllten Fragebogen erhalten Sie die Tickets und Ihre Reiseunterlagen. Wir hoffen mit dieser Zusage, Sie und Ihre Mutter bald auf Mallorca begrüßen zu können. Hochachtungsvoll Kara Royal«

 

»Mama, Mama. Sie wollen mich trotzdem. Sie haben geschrieben, dass du mitkannst.«

Während sie das mehr rief, als zu sprechen, stürmte sie ins Wohnzimmer.

»Was ist los, Martina? Warum schreist du so?«

»Ich darf teilnehmen, auch wenn du mitkommen willst.«

»Wunderbar. Siehst du, meine Kleine, wenn dich jemand haben will, dann wird er das auch ermöglichen. Hat übrigens auch meine Mutter immer gesagt, wenn ich mich beworben habe. Ich erinnere mich da ...«

»Mama, hör auf, das habe ich schon hundertmal gehört. Hör mir lieber zu, denn die haben auch Fragebogen gesendet.«

»Noch mehr Fragen an dich? Ich denke, die wissen schon mehr, als dein Vater von dir weiß.«

»Die Fragebogen gelten nicht mir sondern dir.«

Mathilde, die bis jetzt nicht wirklich bei der Sache war, horchte auf.

»Mir? Was wollen die denn von mir?«

»Sie schreiben, dass du die Fragen beantworten sollst, weil es ja sein kann, dass ein Modemensch dich interessant findet und dich ebenfalls unter Vertrag nehmen möchte. Deshalb benötigen sie auch Fotos von dir.«

Sie wusste, dass ihre Mutter nach dieser Information die Reise auf jeden Fall antreten würde. Allein die Aussicht auf eine verspätete Modelkarriere ließ sie alle Bedenken vergessen.

»Oh, das ist ja wundervoll. Bitte drucke mir die Blätter aus, dann bearbeiten wir sie gemeinsam. Bilder habe ich ja noch genug in meiner alten Fotomappe.«

»Mama, in der Bewerbung steht ausdrücklich, du sollst wahrheitsgemäß antworten. Sie brauchen also Fotos und Maße von heute. Zieh dir was Schickes an, und ich mache die Fotos, die sie haben wollen. Erst im Ausgehdress, dann Unterwäsche, Badeanzug und zum Schluss Nachtwäsche.«

»Na, da werde ich mal sehen, was ich den Herren so anbieten kann.«

Martina fühlte sich bestätigt. Keine Spur von: »Bitte? Sie wollen Bilder von mir in Unterwäsche und Nachtwäsche? Das mache ich nicht, wer weiß, wer die alles zu sehen bekommt.« So oder in ähnlicher Form warnte sie Martina normalerweise, wenn sie Fotos verschickte.

Schon am nächsten Tag machten sie die Fotos. Als Ausgehdress suchte sie sich ein Kleid ihres Modegeschäftes aus. Es war ein ausgemustertes Kleidungsstück, was sie nun ihr Eigen nennen durfte.

»Mama, ist das nicht ein wenig übertrieben?«

»Findest du? Das habe ich bei einer Festlichkeit im vorigen Jahr getragen.«

»Ja, es war dein vierzigster Geburtstag.«

»Oh Gott, ja das stimmt. Jetzt erinnere ich mich. Wie furchtbar, ich werde mir was anderes aussuchen. Muss ja keiner wissen, dass ich älter bin als ich aussehe. Danke für den Hinweis, mein Kleines.«

Martina unterließ den Protest wegen des Wortes Kleines. Sie flog zu einem Fotoshooting, nur das zählte. Ob als Martina oder als Kleines war unwichtig.

Bei der Unterwäsche wählte Mathilde Dessous, die Martina zu frivol vorkamen. Einen durchsichtigen BH, und auch der Slip zeigte mehr, als er verdeckte. Sie ließ sich auch hier von ihrer Tochter beraten und trug dem Alter entsprechende Kleidung. So waren ihre Kurven immer noch sichtbar und doch verhüllt. Mathilde konnte sich trotz ihrer 41 Jahre noch sehen lassen. Ihre schulterlangen, blonden Haare leuchteten immer noch in der Sonne. Sie kleidete sich sportlich, wenn sie nicht die Kleider aus dem Geschäft trug. Ihr Busen war üppig und durch ihre Fitnessübungen noch fest, auch wenn sie den Bleistifttest nicht mehr bestehen würden. Ihr Po war fest und ausgeprägt. Nicht so drall wie der ihrer Tochter, doch die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen.

Ihre Größe von 168 cm war stets der Grund gewesen, warum auch sie kein Modelvertrag bekam. Mathilde hatte keine Orangenhaut. Ihre Beine waren schlank und ohne Makel. Durch den Urlaub bei ihrem Mann in Dubai war ihr Körper makellos gebräunt, und sie hielt die Bräune durch Besuche in einem Sonnenstudio.

Als Nachtwäsche trug die Mutter ein Nachthemd, was ebenfalls als gewagt einzustufen war. Martina machte die Fotos und sagte nichts dazu. Fotos und Fragebogen sendeten sie an die Modefirma.

 

Nachdem die in Petersburg angekommen waren, organisierte der Angestellte die Flüge für drei Personen. Die Flugdaten und den Code für die Tickets sendete er den Frauen, sowie die Information, dass sie am Flughafen Palma de Mallorca abgeholt würden.

Noch am gleichen Tag sendete er fünf weitere Mails an fünf verschiedene Personen.

 

Betreff: Geburtstag.

Inhalt: Denkt an den Geburtstag von Anastasia Nikolajewna Romanowa. Das Geburtstags-Geschenk habe ich bestellt.

 

 

England, 1975. In einem Internat trafen die neuen Schüler ein. Diese historische, britische Schule befand sich in einem herzoglichen Herrenhaus, umgeben von 750 Hektar wunderschöner Anlagen, die den Schülern eine friedvolle und inspirierende Umgebung sein sollten. Diesmal waren 24 Schüler neu angemeldet, alle aus gutem Haus und von reichen Eltern. Dieses private Internat stand nur besonders privilegierten Kindern zur Verfügung. Nicht nur gute Noten, sondern auch gute Beziehungen waren notwendig, um sein Kind hier unterzubringen.

Je zwei Klassen waren auf einer Etage untergebracht. Die Schule achtete darauf, dass möglichst drei Klassen Unterschied zwischen ihnen lagen. So konnten die Großen den Kleinen helfen und die Kleinen von den Großen lernen. Lediglich die angehenden Abiturienten genossen eine Etage für sich. Die war im obersten Stock. So thronten sie über dem Rest der Mitschüler.

Mit 24 neuen Schülern trafen auch einige neue Nationen ein, denn diese Schule war in der ganzen Welt bekannt und begehrt. Wer hier sein Kind unterbrachte, der durfte sicher sein, dass es sich später an jeder Universität einschreiben konnte. Kein Schüler verließ die Schule je mit einem Notendurchschnitt über 1,2. Dazu lernten sie drei Sprachen fließend und das Benehmen eines Gentleman.

Einige Eltern lieferten ihre Kinder persönlich ab. Viele der Väter waren selbst einmal Schüler dieses Internats. Nun freuten sie sich, dass ihr Nachwuchs die Dinge des Lebens lernt, die ihm das eigene Elternhaus so nicht vermitteln konnte.

Was sie dort außerhalb der Lernziele vermittelt bekommen sollten, hätten sich viele nicht im Traum vorstellen können. Doch es würden keine Träume sein.

Grausamkeiten, Erniedrigungen, Machtgefühle, Suizidgedanken und Hingabe bis zur Selbstaufgabe würde es sein, was sie alles unter dem Dach einer »Herrenschule« erführen.

Der Rektor des Internats begrüßte die jungen Herren. Denn ab sofort waren es keine Kinder mehr, sondern junge Herren mit entsprechendem Verhalten.

In der großen Aula des Herzogtums versammelten sich alle Schüler und Lehrer des Internats. Rektor Huserfield erklärte den Neuen einige der Hausregeln. Sollten sich einige auf den Aufenthalt in diesem Internat gefreut haben, so schwand die Vorfreude mit jedem Satz. Es waren Sätze wie: Missachtung wird bestraft, Ungehorsam wird den Eltern mitgeteilt, und schlechte Noten könnten zu einem Rauswurf führen. Die Lehrer griffen hart durch, wenn sie ihre Autorität in Gefahr sahen oder jemand den Unterricht störte.

»Ach ja, bevor ich es vergesse. Wir sind hier in England, und hier wird nur Englisch gesprochen. Auf euren Zimmern könnt ihr eine andere Sprache wählen. Also Deutsch oder Französisch, was dienlich für den Unterricht ist, den ihr in diesen Sprachen erhaltet. Über die einzelne Aufgaben-verteilung in den Etagen werden die Neuen von den älteren Schülern eingewiesen.«

Keiner der Neuen ahnte, wie sehr sie das noch zu spüren bekamen. Die anwesenden Schüler, die dieses Jahr die »Einweisung« übernehmen müssen, freuten sich auf die Neuen. Auf ihren Unterricht in Sachen Aufgabenverteilung und Sauberkeit. Sie unterdrückten aber ihre aufkommende »Herrscherfreude« gegenüber den Untertanen.

Danach gab der Rektor die Zimmerbelegung bekannt. Die »neuen Herren« belegten die Quartiere in der zweiten Etage, da diese leer standen. Die Zimmer derer, die in die oberste Etage durften.

»Je sechs junge Herren werden nun die nächsten neun Jahre zusammen wohnen und schlafen. Eine Verlegung wird es nur in sehr dringenden Fällen geben. Einen solchen hat es aber bis jetzt nicht gegeben. Lediglich eine Verkleinerung der Kopfzahl in einem Raum kann mal vorkommen.«

Wie das zustande kommen könnte, darüber schwieg er aber.

Die Zimmer waren geräumig und boten einen guten Komfort. Sie mussten aber auch sauber gehalten werden. Putzpersonal für die Etagen gab es für die Schüler nicht. Eine Aufgabe, die ausschließlich die Schüler erledigten. Es war Tradition, dass die jüngeren Internatsschüler Treppenhaus, Duschraum und die Toiletten reinigten. Die älteren die Fenster und die Lampen. Büros, Schulräume und Gemeinschafts-räume reinigte das Hauspersonal.

Mit den Worten: »Leben, um zu lernen, bedeutet auch Lernen, um zu leben«, beendete der Hausherr seine Rede. Dass es sich anhörte, wie Lernen, um zu überleben, sollte sich bald als notwendig heraus stellen.

Die »Herren« verabschiedeten sich von ihren Eltern oder Verwandten. Für viele ein Abschied für lange Zeit. Und schon hörten die Neuen Worte wie: »Mal sehen, wie viele flennen werden. Sehen doch alle wie Weicheier aus« oder »Die gehören doch noch alle gestillt« oder »Die haben den Nuckel noch in der Tasche.«

Sie nahmen ihr Gepäck auf und folgten dem Lehrer, der sie aufforderte, die Abschiedszeremonie zu beenden. Über die große schwere Holztreppe ging es nach oben. Keiner drehte sich um, um einen letzten Blick von seinem Vater oder Mutter zu bekommen.

Der Lehrer ließ die Gruppe auf dem Gang der zweiten Etage anhalten. Dann tippte er sechs Leuten auf die Schulter und sagte: »Zimmer 1 belegen. Ab.«

So verteilte er alle auf die Zimmer. Der Zufall bestimmte die nächsten Jahre. Jahre, die diese Jungen prägen würden.

Schon im ersten Raum brach ein Tumult aus. Jeder wollte das Bett am Fenster haben. Schnell war der Lehrer zur Stelle, um die Situation zu klären.

»Alle Koffer sofort in die Mitte des Raumes, und die Herren stellen sich an die Wand der Tür. Und wenn ich sage: sofort, dann meine ich auch sofort.«

Alle kamen der Aufforderung nach, so schnell jeder konnte. Der Lehrer beobachtete die Aktion. Nach deren Beendigung ging er in die Mitte des Raums.

Er nahm einen Koffer, stellte ihn auf ein Bett seiner Wahl und fragte, wem der gehöre. Nachdem sich die entsprechende Person meldete, rief er ihn zu sich und sagte: »Ihr Bett.«

Er nahm den zweiten Koffer, stellte ihn auf ein anderes Bett und beorderte die gehörige Person dazu. So verteilte er die Betten.

Mit dem Satz: »Es ist entschieden, und es wird keine Diskussion mehr darüber geben« verließ er den Raum. Ohne eine Zustimmung abzuwarten, wusste er doch, dass niemand daran was änderte.

Jean Marcel stand am Fenster von Zimmer 2 und sah, wie seine Eltern den Hof verließen. Er wusste, er sollte sie erst zu Weihnachten wiedersehen. Ihn interessierte es nicht, wo er in der nächsten Zeit schlief, er spürte jetzt schon Heimweh. Heimweh zu seinen Eltern, der großen Schwester und seinem Hund »Senta«. Ein Mischling, bestehend aus einem Schäferhund und einem Neufundländer, mit dem er aufgewachsen und der sein bester Freund war. Doch auch Claude und Andre würden ihm fehlen. Schulfreund und Nachbarskind. Ihre kleine Baumhütte, in der sie schon mal übernachten durften. Errichtet von ihren Vätern auf der alten Eiche im Garten der Nachbarn. Tränen rannen über sein Gesicht.

Mit neun Jahren war er der Jüngste auf der Stube. Als aufgewecktes Kind kam er schon mit fünf Jahren in die Vor-schule und mit sechs in die Grundschule von »École Ampere« am Rande von Paris. Eigentlich fehlten ihm vier Monate, da das Internat Kinder erst ab zehn Jahren aufnahm. In seinem Fall machte der Direktor eine Ausnahme. Seine Leistungen waren überdurchschnittlich, ebenso seine Entwicklung im Allgemeinen. Er winkte am Fenster, als das Auto um die Ecke bog und aus seinem Sichtfeld verschwand.

»Sei nicht traurig, es geht uns doch allen so. Schau mal, meine Eltern leben in Saudi-Arabien. Du hattest Glück, sie brachten dich hierher. Meine Eltern gaben einem Diener meine Hand und sagten: Bring ihn nach England.«

Jean Marcel drehte sich um und schaute in das braun gebrannte Gesicht eines seiner neuen Mitbewohner.

»Abdul el Zaib al Mazur. Nenn mich aber nur Abdul. Wie heißt du, und woher kommst du?«

Dabei bemühte sich Abdul so gut es ging, Englisch zu sprechen. Jeder der hier ankommenden Schüler besaß schon Grundkenntnisse der englischen Sprache. Gelernt durch die Eltern oder eine Kinderfrau.

»Jean Marcel, aus Frankreich. Wenn du willst, dann nenne mich Jean.«

»Okay.« Abdul gab ihm die Hand. Er drückte sie fest und lange.

»Wenn es dir recht ist, dann nehme ich das Bett hinten in der linken Ecke. Dann musst du das rechte nehmen. Die anderen haben es sich ja schon bequem gemacht.«

»Ja, ist mir recht.«

Abdul nahm Jeans Koffer und stellte ihn auf das Bett. Abdul war schon Zehn und viel kräftiger als Jean.

»So Leute, jetzt gibt es erst mal was zu essen. Plätzchen aus meinem Heimatland.«

Abdul nahm aus seinem Koffer eine Tüte und gab jedem ein Plätzchen. Zuerst bekam Jean eins.

»Wir kennen uns ja schon«, und ging zum nächsten: »Hallo, ich bin Abdul el Zaib al Mazur und komme aus Saudi Arabien. Nenn mich aber einfach Abdul. Wie heißt du, und wo kommst du her?«

Dabei lächelte er und reichte einen Keks.

»Bill. Einfach nur Bill. Ich komme aus Texas. Danke für den Keks.«

Als Abdul sich beim nächsten Schulkamerad vorstellen wollte, winkte der ab. Er nahm den Keks und sagte: »Sergei aus Russland. Spacibo, oder wie wir jetzt in Englisch sagen müssen: Danke.«

Der nächste, der einen Keks erhielt, war Serdal, ein Türke. Auch er stellte sich vor, ohne auf die Rede von Abdul zu warten, und bedankte sich zuerst in seiner Landessprache und dann ebenfalls in Englisch.

Ein großer, blonder Junge war der Sechste im Zimmer. Er besetzte das Bett am Fenster, obwohl Sergei oder Abdul ihm körperlich überlegen waren. Doch sie ließen ihn gewähren. Mit aufrechtem Gang kam er nun auf Abdul zu und sagte: »Alexander, ich komme aus Deutschland. Danke.« Er sagte das in Deutsch und wiederholte es nicht in Englisch.

»Es ist gleich 18.00 Uhr. Wir müssen zum Essen. Pünktlichkeit ist eine Zierde des Menschen, und wer sie nicht einhält, bekommt was aufs Händchen, erinnert euch, was der Rektor in seiner Rede sagte.«