Die Karriere der schönen Sandra - Patricia Vandenberg - E-Book

Die Karriere der schönen Sandra E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Sandra Christobal auf ihrer Amerikatournee schwer erkrankt, so lautete die Schlagzeile des Tages auf mehreren Boulevardzeitungen. Auch im Radio wurde es bekanntgegeben, und da horchte auch Fee Norden auf. Während eines Konzertes in San Francisco war sie auf der Bühne zusammengebrochen, es war eine Viruserkrankung diagnostiziert worden. Und man erinnerte sich... Das tat auch Fee Norden. Sie erinnerte sich an die bildhübsche zwanzigjährige Alexandra Schneider, Tochter eines hohen Staatsbeamten, die sich heimlich und zum späteren Entsetzen ihrer Familie an einem Schlagerwettbewerb beteiligt hatte und dann tatsächlich sofort einen Vertrag bekam. Zehn Jahre waren seither vergangen, und Fee Norden erinnerte sich an manches andere auch. Aber es gab auch andere, die diese Nachricht gehört oder gelesen hatten, mit unterschiedlichen Empfindungen. Ihre Fans waren freilich bestürzt, und in der Konzertagentur Melander läutete dauernd das Telefon. Die meisten wollten wissen, was nun wirklich mit Sandra sei. Auch bei Doris Deinert, geborene Schneider, läutete das Telefon. Ihre Mutter Dorothea war am Apparat. »Hast du es gelesen?« fragte sie erregt. »Gehört, Mutti«, erwiderte Doris. »Aber Sandra wird bestimmt in besten Händen sein. Sie kann sich doch alles leisten. Es muß ja nun nicht in unserer Familie Unruhe entstehen.« »Aber sie ist doch auch meine Tochter, das mußt du doch verstehen, Doris.«

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Dr. Norden Bestseller – 305 –

Die Karriere der schönen Sandra

Patricia Vandenberg

Sandra Christobal auf ihrer Amerikatournee schwer erkrankt, so lautete die Schlagzeile des Tages auf mehreren Boulevardzeitungen. Auch im Radio wurde es bekanntgegeben, und da horchte auch Fee Norden auf.

Während eines Konzertes in San Francisco war sie auf der Bühne zusammengebrochen, es war eine Viruserkrankung diagnostiziert worden. Und man erinnerte sich...

Das tat auch Fee Norden. Sie erinnerte sich an die bildhübsche zwanzigjährige Alexandra Schneider, Tochter eines hohen Staatsbeamten, die sich heimlich und zum späteren Entsetzen ihrer Familie an einem Schlagerwettbewerb beteiligt hatte und dann tatsächlich sofort einen Vertrag bekam. Zehn Jahre waren seither vergangen, und Fee Norden erinnerte sich an manches andere auch.

Aber es gab auch andere, die diese Nachricht gehört oder gelesen hatten, mit unterschiedlichen Empfindungen. Ihre Fans waren freilich bestürzt, und in der Konzertagentur Melander läutete dauernd das Telefon. Die meisten wollten wissen, was nun wirklich mit Sandra sei.

Auch bei Doris Deinert, geborene Schneider, läutete das Telefon. Ihre Mutter Dorothea war am Apparat.

»Hast du es gelesen?« fragte sie erregt.

»Gehört, Mutti«, erwiderte Doris. »Aber Sandra wird bestimmt in besten Händen sein. Sie kann sich doch alles leisten. Es muß ja nun nicht in unserer Familie Unruhe entstehen.«

»Aber sie ist doch auch meine Tochter, das mußt du doch verstehen, Doris.«

»Das verstehe ich ja, Mutti, und wenn du nach Amerika fliegen willst, habe ich auch nichts dagegen. Aber es ist allein deineAngelegenheit.«

»Du brauchst doch nicht feindselig eingestellt zu sein. Du bist jetzt acht Jahre mit Wolf verheiratet, und eure Ehe ist doch durchaus harmonisch«, sagte Dorothea.

»Ich habe auch nichts gegenteiliges gesagt, Mutti«, erklärte Doris nun schon etwas gereizter. »Warum fängst du jetzt damit an?«

»Man macht sich in solchem Fall eben seine Gedanken.«

»Aber man sollte es nicht übertreiben. Ich bin Sandra gegenüber durchaus tolerant, aber sie hat ihr Leben gelebt und wir unseres, und wie sich ihres nun entwickelt, wird sich entscheiden. Es wird ihr nicht leicht fallen, sich möglicherweise in ein bürgerliches Leben zurückzufinden, aber manches wird ja auch aufgebauscht. Warten wir es ab.«

Dorothea Schneider legte beleidigt den Hörer auf. Sie hatte von ihrer älteren Tochter eine andere Reaktion erwartet. Aber was für eine? Da war sie unsicher.

Immerhin war Alexandra mit dem jungen Neurochirurgen Dr. Wolf Deinert verlobt gewesen, bevor dieser »Spleen« sie auf Abwege trieb. Ja, es war ein Spleen in den Augen ihrer Eltern, ihres Verlobten, der vernarrt in das bildhübsche Mädchen gewesen war und dann später doch die stille, sensible Doris geheiratet hatte. Und wenn auch die »Abwege« Sandra viel Erfolg und Geld einbrachten, abgefunden hatten sich ihre Eltern nie damit, daß sie sich in der Öffentlichkeit so produzierte, auch dann nicht, als sie vor fünf Jahren dem vielfachen Millionär Rolf Reimbold das Jawort gab, der schon über vierzig war und drei Jahre später bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Er hatte Sandra ein riesiges Vermögen hinterlassen, aber selbst hatte sie auf ihren Konten auch schon Millionen angesammelt. Sie hatte ihren Eltern Geld geschickt, beträchtliche Beträge, aber Alexander Schneider hatte es sich verbeten, und ebenso hatte Wolf Deinert es abgelehnt, Geld von ihr zu nehmen, um sich in eine Privatklinik einzukaufen. Da hatte Sandra wohl der Trotz gepackt. Sie hatte gar nichts mehr von sich hören lassen, und man hatte nur aus Zeitungen gelesen, wie auch im Funk und Fernsehen erfahren, daß sie von Erfolg zu Erfolg eilte und als eine der ganz Großen im

Showgeschäft betrachtet wurde, noch attraktiver als früher, und durch die ihr in die Wiege gelegte Intelligenz auch der Konkurrenz oft haushoch überlegen, weil sie genau wußte, was sie wollte.

Man erfuhr nicht, was wirklich mit ihr war, und langsam wurden die schlimmsten Vermutungen laut, aber auch Dorothea Schneider erfuhr nicht, in welcher Klinik, ja in welcher Stadt in Amerika ihre Tochter Alexandra ärztlich versorgt wurde. Nichts wurde bekanntgemacht, und wie immer in solchen Fällen, konnte die Phantasie volle Blüten treiben.

Aber daß Sandra so abgeschirmt wurde, hatte sie einem Mann zu verdanken, dem sie weitaus mehr bedeutete, als sie bisher geahnt hatte, und jetzt wußte sie es natürlich auch nicht, da sie in tiefster Bewußtlosigkeit lag.

Für Dr. Rick Rowland, der zu den bekanntesten Ärzten in San Francisco gehörte, war es freilich zuerst ein Schock gewesen, mitansehen zu müssen, wie Sandra zusammenbrach, aber er war sofort zur Stelle gewesen, und wahrscheinlich hatte er ihr mit der Beatmung das Leben gerettet. Darüber wollte er nicht nachdenken, als er an ihrem Bett saß und nun langsam Hoffnung hegen konnte, daß sich ihr lebensbedrohender Zustand stabilisierte.

Dr. Rowland hatte für das Showgeschäft eigentlich auch nicht viel übrig, aber er wurde von vielen Künstlern aufgesucht, weil er eine renommierte Klinik besaß, in der man wie in einem Luxushotel betreut wurde. Rick Rowland konnte es sich leisten, eine so exklusive Klinik zu führen und zu erhalten, denn er war ein Millionenerbe. Aber er war auch Arzt mit Leib und Seele und wirklich einer der Besten, die man in Amerika finden konnte. Er war auch einVerehrer von Sandra Christobal, die er durch seinen Freund Rolf Reimbold kennengelernt hatte, mit dem Sandra eine kurze wilde Ehe geführt hatte. Wild insofern, als Rolf gefährlichen Hobbys gefrönt hatte, nichts gegen die Karriere seiner Frau hatte und sogar in ihren Erfolgen schwelgte, weil er um sie beneidet wurde. Und Sandra, das sollte auch kein Geheimnis bleiben, hatte ihn aus kühler Berechnung geheiratet, weil sie genau wußte, daß sie sich mit ihm keinen eifersüchtigen Ehemann einhandelte, auch keinen, der auf ihr Geld aus war, sondern einen, der es auch nicht übelnahm, wenn sie ihn wegschickte, und das tat sie oft.

Das hatte sie Rick Rowland auch schon mal ganz offen erklärt, als er sie wegen eines recht gefährlichen Insektenstiches behandelt hatte.

Sie hatte ihm aber auch mit ihrem umwerfenden Charme erklärt, daß ihr Ärzte irgendwie suspekt wären, nachdem sie mal mit einem verlobt gewesen sei, der es aber anrüchig fand, daß sie Karriere als Schlagersängerin machen wollte.

Rick gab offen zu, daß er bisher auch nichts für Schlagersänger und Sängerinnen übrig gehabt hätte, aber sie sei eine Ausnahme, weil sie eben auch intelligent sei.

Und nach Rolf Reimbolds tragischem Unfalltod war tatsächlich eine Art freundschaftliche Beziehung zwischen ihnen entstanden, soweit man das bei Sandra so bezeichnen konnte denn im Grunde war sie kühl bis ins Herz hinein und nur leidenschaftlich an ihrer Karriere interessiert. Sie brauchte allerdings von sich aus nur das beizutragen, was in ihr war und was sie ausdrücken wollte, denn sie wurde emporgetragen von einer Welle der Sympathie und Begeisterung. Sie war bereits ein Star, als sie noch gar nicht begriffen hatte, daß sie von ihrer Familie als Außenseiterin betrachtet wurde.

Sie sammelte goldene und Platinschallplatten, sie trat in den bekanntesten Fernsehshows auf, wurde als schönste Schlagersängerin ebenso gewählt wie als beste Interpretin. Sie hatte aber nur einmal eine Tournee durch Deutschland gemacht, weil ihr Vater ihr durch einen Anwalt hatte mitteilen lassen, daß keinesfalls publik werden solle, daß sie eine geborene Schneider sei.

Natürlich hatte sie auch niemanden von den Verwandten getroffen. Das war schmerzlich gewesen, aber für sie eine gute Lehre, wie teuer Ruhm manchmal bezahlt werden mußte, da sie ja im Grunde ihres Herzens an der Familie hing

Schneider, das sei doch ein Allerweltsname, hatte sie sich dann eingeredet, aber Sandra Christobal, dieser Name hatte Klang, weltweit, und sie hatte sich auch Mitleid eingeredet

wegen dieser spießigen Verwandtschaft.

Rolf Reimbolds Familie hatte sich ihr gegenüber allerdings auch sehr reserviert verhalten, aber bei denen ging es mehr um das Geld, das Erbe, das Sandra in so reichem Maße zuteil wurde und ihnen verloren ging.

Aber dies alles spielte für Sandra momentan nicht die kleinste Rolle. Sie lag in ihrem Krankenbett, und Dr. Rick Rowland beobachtete auf dem Bildschirm die Kurve ihrer Herztätigkeit.

Sein Gesicht entspannte sich. Seine Hand umschloß weiterhin Sandras Handgelenk, und er spürte auch, daß der Puls stärker wurde. Er atmete erleichtert auf. Sandras Gesicht war blutleer und starr wie eine Maske, wie eine schöne Maske allerdings. Rick hatte um ihr Leben gebangt. Er liebte diese Frau, und sie war für ihn die einzige überhaupt, für die er seine Freiheit aufgegeben, der er Zugeständnisse gemacht hätte.

Vielleicht war er aber auch der einzige Mensch, der sie wahrhaft verstand, der begriffen hatte, welch eine ungewöhnliche Frau sie war, unbeirrt den Weg gehend, der ihr wohl vorgeschrieben war.

Als Schlager konnte man ihre Lieder schon lange nicht mehr bezeichnen. Über die Anfangsphase war sie schnell hinaus gewesen. Jetzt waren es Songs mit Inhalt, und die Interpretation war beeindruckend.

Aber nun schwieg diese Stimme, und Rick wollte auch derzeit keine Schallplatte von ihr hören. Ihm war es viel wichtiger, daß sie am Leben blieb und er ihre Zuneigung vielleicht doch noch ganz erringen konnte.

*

Dr. Wolf Deinert kam von der Klinik ausnahmsweise einmal früher nach Hause. Die beiden Kinder Inken und Jörg begrüßten ihren Papi freudig.

»Du hast es also auch schon erfahren«, platzte Doris unbedacht heraus.

»Was meinst du?« fragte er, ihr einen flüchtigen Kuß auf die Wange drückend, weil er solche Begrüßung überhaupt nicht mochte.

»Die Schlagzeile des Tages«, stieß sie hervor. »Sandra Christobal ist schwer erkrankt. Zusammengebrochen ist sie während eines Konzertes.«

»Bist du besorgt, daß sie nach mir rufen wird?« fragte er sarkastisch. »Wann wirst du diese dumme Eifersucht endlich wegschieben, Doris?«

»Das ist doch keine Eifersucht«, widersprach sie. »Es handelt sich immerhin um meine Schwester.«

»Gut, es handelt sich somit um meine Schwägerin, aber alles andere ist längst abgeschrieben. Ich weine ihr auch jetzt keine Träne nach. Zufrieden?«

Manchmal dachte Doris, daß er genau so karrieresüchtig war wie Sandra, denn ihn hatte es ja damals nur gestört, daß Sandra mit ihren Ambitionen seinen Ruf gefährden könnte. Eine Schlagersängerin hatte für ihn etwas Anrüchiges. Und dann hatte es ihn auch gewurmt, daß Sandra so schnell soviel Geld verdiente.

Aber Doris hatte Wolf von jeher geliebt, soweit sie starker Gefühle fähig war. Sie hatte Alexandra beneidet, als er sie bevorzugte, als sie sich verlobten. Und dann, nach dem die Verlobung auseinandergebrochen war, hatte sie sich um Wolf bemüht, bis sie ihn überzeugt hatte, welch eine tüchtige, brave, sparsame Ehefrau sie sein würde, und seine wie auch ihre Eltern hatten tüchtig mitgeholfen, weil sie das auch für die ideale Verbindung hielten. Freilich war Doris nicht so schön wie Sandra, aber sie war solide, feinsinnig, gebildet, damenhaft und eine überaus tüchtige Hausfrau und vorbildliche Mutter. Wolf fühlte sich wohl in dieser Ehe, die eigentlich ganz seinem Wesen entsprach, denn mit der temperamentvollen Sandra hatte es immer Spannungen gegeben.

Sie hatten ein schönes Haus, Doris hatte eine reiche Mitgift bekommen, inzwischen auch den Großvater und eine Großtante beerbt, die von Sandras leichtem Lebenswandel schockiert waren, und dabei keineswegs bedachten, daß sie ein viel härteres Leben führte, ständig im Streß war, und nur darauf bedacht, von niemandem abhängig zu sein. Aber alles wurde negativ gewertet. Nur Dorothea Schneider, die sich um so viel Romantik im Leben betrogen fühlte, hätte sich gern in Sandras Ruhm gesonnt, was ihr aber nicht vergönnt war, weil sie damit wiederum ihre Ehe aufs Spiel gesetzt hätte.

Sie hatte ihren Mann ganz vorsichtig gefragt, ob er schon Zeitungen gelesen hätte, als er aus dem Ministerium heimkam.

»Die Schlagzeilen sind ja wohl kaum zu übersehen, Dorothea«, erwiderte er, »und der Chef hat mich gefragt, ob das nicht meine Tochter sei. Er hätte doch so was in Erinnerung.«

»Und was hast du erwidert?« fragte sie bebend.

»Ich kann Sandra doch nicht verleugnen«, erwiderte er tonlos. »Ja, das ist sie«, habe ich gesagt, und er ist vor Mitgefühl zerflossen. Seine Kinder sind begeisterte Fans von ihr, und sie ist doch eine Klasse für sich, und er versteht gar nicht, daß ich mich nicht auch ein bißchen wenigstens in ihrem Ruhm sonne. Ja, so ein Talent müßte man unter den Kindern haben, dann hätte man ausgesorgt. Kannst du mir bitte schön sagen, was ich darauf erwidern soll?«

»Der Minister hat das ernst gemeint?« fragte Dorothea fassungslos.

»Und wie ernst. Geredet hat er über seine eigenen Kinder, die alles angefangen hätten, aber keinen Mumm in den Knochen hatten und keine Ausdauer, und außerdem wäre Sandra eine zauberhafte Frau. Seine eigene Frau, die bestimmt sehr kritisch sei, würde auch für sie schwärmen. Dorothea, wir waren dämlich anders kann ich es gar nicht sagen. Was meinst du, wie prominent wir wären, wenn wir uns anders benommen hätten.«

»Wolf hat doch damit angefangen, daß es seiner Karriere schaden würde«, sagte sie. »Er hat die Verlobung gelöst.«

»Er wäre für Sandra auch nicht der richtige Mann gewesen. Doris ist genau die Richtige«, murmelte Alexander Schneider. »Aber jetzt sollten wir uns lieber bemühen, herauszufinden, was wirklich mit Sandra ist und wo sie ärztlich behandelt wird. Ich habe mich bisher vergeblich bemüht, auch bei der Agentur, etwas zu erfahren. Ich werde mal mit Dr. Norden sprechen, vielleicht kann der mir einen Rat geben.«

Dorothea war so fassungslos über die Reaktion und Initiative ihres Mannes, daß sie gar nichts mehr sagte.

»Und jetzt will sie nichts mehr von uns wissen«, fuhr er düster fort. »Aber wir sind ja selber schuld. Sie hat es immer wieder versucht.«

»Aber wenn sie krank ist, wenn sie nicht mehr singen kann vielleicht, dann könnten wir ihr doch beweisen, daß sie unsere Tochter ist«, murmelte Dorothea.

»Unsere Tochter war sie immer, aber wir haben sie verleugnet, und sie hat ihren Stolz. Sie wird das nicht so leicht vergessen.«

Er wanderte im Zimmer auf und ab. »Ich fahre nachher zu Dr. Norden. Bei mir ist sowieso mal wieder eine Blutuntersuchung fällig.«

*

Aber Dr. Daniel Norden wußte ziemlich genau, daß der Ministerialdirektor Schneider nicht deswegen kam, denn er hatte beim Mittagessen schon ausführlich mit seiner Frau Fee über Sandra gesprochen, und auch die Kinder hatten mitgehalten, die Sandras Hits kannten, und die richtig traurig waren, weil sie nun krank war.

Er sah es Alexander Schneider auch an, daß er mit bedrücktem Gewissen kam.

»Mich hat es mächtig geschlaucht, als ich es las«, begann Schneider auch stockend. »Sie wissen es ja sicher auch schon, daß unsere Sandra zusammengeklappt ist. Aber wir haben noch nichts Genaues erfahren.«

Unsere Sandra, hatte er gesagt, und Dr. Norden staunte. »Die Reporter sind in solchen Fällen sehr schnell«, erklärte er. »Sandra wird Sie sicher benachrichtigen.«

»Ich weiß nicht, es ist nämlich so, daß da eine Spannung besteht, und ich gebe auch zu, daß wir die wohl verschuldet haben...«, er geriet schon wieder ins Stocken, aber Dr. Norden dachte sich sein Teil und fand es anerkennenswert, dieses Eingeständnis zu hören.

»Spannungen sind zu beheben«, sagte er.

»Aber wie, wenn wir nicht wissen, wo Sandra jetzt ist? Meine Frau würde ja sofort zu ihr fliegen. Können Sie uns nicht behilflich sein, Herr Dr. Norden?«

»Ich würde es gern tun, aber Amerika ist groß, und es gibt unendlich viele Kliniken, große gute Kliniken und Tausende von Ärzten. Wo sollte ich da ansetzen?«

»Aber wenn es in San Francisco passierte, wird man sie doch auch dort in eine Klinik gebracht haben«, sagte Alexander Schneider.

»Aber wenn sie nicht will, daß es public wird, wird die Schweigepflicht gewahrt, besonders bei V.I.P. Personen. Ich habe da auch meine Erfahrungen.«

»Ich mache mir solche Vorwürfe, Herr Dr. Norden. Wir haben uns völlig falsch verhalten, spießbürgerlich, engstirnig, beleidigt. Sie hat doch mehr erreicht als die übrige Familie zusammen, Wolf eingeschlossen.«

»Er ist ein sehr tüchtiger Neurochirurg, das sollten Sie nicht vergessen, Herr Schneider. Im Showgeschäft wird halt mehr Geld verdient und auch schneller, und wir können uns ja auch nicht so gut verkaufen wie Sänger und Schauspieler, aber auch bei denen gibt es arme Schlucker, die wir ja nun wirklich nicht sind, ich nicht, und Ihr Schwiegersohn auch nicht.«

»Aber es wäre alles anders gekommen, wenn er sich nicht so unfair verhalten und Sandra wie Abschaum behandelt hätte, als sie diesen Wettbewerb gewann. Deshalb waren wir ja so geschockt.«

»Seien Sie doch mal ganz ehrlich, Herr Schneider. Sie dachten doch auch, daß man mit den Fingern auf Sie zeigen würde«, sagte Dr. Norden. »Es ist eben anders gekommen, als Sie dachten. Sandra ist nicht in der Gosse gelandet, sondern ganz oben angekommen, und was immer nun auch geschieht, sie wird der Weltstar bleiben, zumindest in der Erinnerung und solange ihre Stimme im Radio und auf Schallplatten ertönt. Finanziell, das wage ich zu behaupten, hat sie bestimmt ausgesorgt. Sie war clever. Ich habe mit ihr gesprochen, bevor sie ihren ersten Vertrag unterschrieb. Sie hat mich gefragt, ob sie die Kondition hätte, den Streß durchzuhalten. Ich sagte ihr, jetzt schon, aber sie dürfe nichts übertreiben.«

»Aber jetzt ist sie krank«, sagte Alexander Schneider beklommen.

»Das braucht nicht vom Streß zu kommen. Sie kann einen Virus aufgeschnappt haben. Man wird sie bestimmt bestens versorgen. Sie ist doch schon so etwas wie eine Nationalheiligtum für dieAmerikaner.«

»Ja, für die schon, aber hierher kommt sie nicht.«

»Sie hat auch hier viele Freunde, eine Unmenge sogar, wenn man bedenkt, wie hier ihre Platten gefragt sind. Aber sie wurde von der Familie als unerwünscht betrachtet. Das wollen wir nicht verschweigen, Herr Schneider, auch von der Familie ihres Mannes, die zwar halbamerikanisch ist, aber der deutscheTeil sitzt ja auch hier in München und Umgebung.«

»Wir haben keinerlei Verbindung mit den Reimbolds, wir haben ja auch nichts über diese Ehe erfahren, als nur diese Gerüchte, daß sie Millionen geerbt hat, als er verunglückte.«

»Und warum hätte sie es nicht erben sollen? Immerhin waren sie ja ein paar Jahre verheiratet, und Skandale wurden nicht bekannt. Meine Frau hat mich eingehendst unterrichtet, deshalb weiß ich so gut Bescheid Herr Schneider, und sollte ich erfahren, wo sich Sandra befindet, werde ich Sie informieren.«

»Wofür wir sehr dankbar wären. Wir haben etwas gutzumachen, und es ist uns ernst damit, Herr Dr. Norden.«

Ob sie nicht doch auch an ein möglichst großes Erbe denken, falls Sandra stirbt, ging es Dr. Norden durch den Sinn, aber dann schalt er sich wegen dieser makabren Gedanken. Dennoch kamen sie wieder, weil es ja einige Menschen gab, die Sandra durchaus nicht wohlgesonnen waren.