Die Kräfte der Comyn - Marion Zimmer Bradley - E-Book

Die Kräfte der Comyn E-Book

Marion Zimmer Bradley

0,0

Beschreibung

Bestsellerautorin Marion Zimmer Bradley ("Die Nebel von Avalon") hat mit dem opulenten Darkover-Zyklus eine einzigartige Romanreihe geschaffen: Die fesselnde Geschichte einer geheimnisvollen fremden Welt und ihrer Bewohner ist Kult! Larry Montray, ein 16jähriger Erdenbürger, hat sich intensiv mit allem beschäftigt, was über Darkover, die ferne Welt unter der blutroten Sonne, geschrieben wurde. Als er schließlich mit seinem Vater nach Darkover kommt, hält man ihn, da er die Sprache perfekt beherrscht, für einen echten Darkoveraner. Er freundet sich mit dem gleichaltrigen Kennard Alton an, einem Jungen von Darkover. An dessen Seite lernt er die schillernde Welt dieses Planeten kenne, die voller Rätsel und Geheimnisse ist – und von den verborgenen Kräften der Comyn beeinflußt wird...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 281

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Marion Zimmer Bradley

Die Kräfte der Comyn

Ein Darkover Roman

Ins Deutsche übertragen von Rosemarie Hundertmarck und Joachim Körber

Marion Zimmer Bradley – Der “Darkover”-Romanzyklus bei EdeleBooks:

ISBN 978-3-95530-591-8Die LandungISBN 978-3-95530-598-7Herrin der StürmeISBN 978-3-95530-597-0Herrin der FalkenISBN 978-3-95530-609-0Der Untergang von NeskayaISBN 978-3-95530-608-3Zandrus SchmiedeISBN 978-3-95530-607-6Die Flamme von HaliISBN 978-3-95530-594-9Die Zeit der hundert KönigreicheISBN 978-3-95530-592-5Die Erben von HammerfellISBN 978-3-95530-593-2Die zerbrochene KetteISBN 978-3-95530-603-8Gildenhaus ThendaraISBN 978-3-95530-595-6Die schwarze SchwesternschaftISBN 978-3-95530-596-3An den Feuern von HasturISBN 978-3-95530-588-8Das ZauberschwertISBN 978-3-95530-599-4Der verbotene TurmISBN 978-3-95530-589-5Die Kräfte der ComynISBN 978-3-95530-586-4Die Winde von DarkoverISBN 978-3-95530-601-4Die blutige SonneISBN 978-3-95530-602-1Hasturs ErbeISBN 978-3-95530-585-7Retter des PlanetenISBN 978-3-95530-587-1Das Schwert des AldonesISBN 978-3-95530-600-7Sharras ExilISBN 978-3-95530-590-1Die WeltenzerstörerISBN 978-3-95530-604-5Asharas RückkehrISBN 978-3-95530-606-9Die SchattenmatrixISBN 978-3-95530-605-2Der Sohn des Verräters

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by Edel eBooks, einem Verlag der Edel Germany GmbH, Hamburg. Copyright © 1965 by Marion Zimmer Bradley 

Copyright First german Edition © 2001 by Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München.

Die Originalausgabe erschien 1965 unter dem Titel "Star of Danger"

Ins Deutsche übertragen von Rosemarie Hundertmarck und Joachim Körber

Trotz intensiver Recherche war es dem Verlag nicht möglich, den Rechteinhaber der Übersetzung (Rosemarie Hundertmarck) zu identifizieren bzw. einen Kontakt herzustellen. Wie bitten den Übersetzer bzw. seinen Nachfolger, sich ggf. beim Verlag zu melden.

Covergestaltung: Agentur bürosüd°, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-95530-589-5

edel.comfacebook.com/edel.ebooks

Ein Darkover-Roman

»Weit entfernt in der Galaxisungefähr 4000 Jahre in der Zukunftgibt es einen Planetenmit einer großen roten Sonneund vier Monden.Willst Du nicht mitkommenund ihn mit mir erforschen?«

Marion Zimmer Bradley

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

1

Es sah überhaupt nicht nach einem fremden Planeten aus. Larry Montray stand auf der langen Rampe, die von dem gigantischen Raumschiff nach unten führte, und die bittere Enttäuschung wehte ihn an wie ein kalter Hauch. Darkover. Hunderte Lichtjahre von der Erde entfernt, eine andere Welt unter einer anderen Sonne – und sie unterschied sich in nichts.

Es war Nacht. Reihen blauweißer Bogenlampen tauchten den Raumhafen unter ihm, diese enorme Fläche mit ihren Betonrampen und Gleitsteigen, fast in Tageshelle. Die verwischten Umrisse der riesigen Sternenschiffe schimmerten durch die Lichter. Treppen und Rampen führten nach oben zu den Hochstraßen und den dunklen Wolkenkratzern am Rand des Hafens. Aber Larry hatte Raumschiffe und Raumhäfen schon auf der Erde gesehen. Das war nichts Neues für einen Jungen, dessen Vater im Zivildienst des Terranischen Imperiums tätig war.

Larry wusste nicht recht, was er von der neuen Welt erwartet hatte – doch bestimmt nicht, dass es hier genau wie auf jedem Raumhafen der Erde aussehen würde!

Er hatte sich so viel zusammengeträumt ...

Natürlich war Larry von klein auf überzeugt gewesen, er werde eines Tages in den Raum gehen. Das Terranische Imperium hatte sich über tausend Welten ausgebreitet, die tausend Sonnen umkreisten, und kein Sohn Terras dachte daran, sein ganzes Leben zu Hause zu bleiben.

Allerdings hatte er sich damit abgefunden gehabt, zumindest noch ein paar Jahre warten zu müssen. In alter Zeit, ehe es Sternenreisen gab, konnte ein Sechzehnjähriger Schiffsjunge auf einem Windjammer werden und die Welt sehen. Und in den Anfängen der Raumfahrt, als die gewaltigen interstellaren Entfernungen Jahre und Jahre in den Abgründen zwischen den Sternen bedeuteten, bemannte man die Schiffe mit Knaben – damit am Ziel der Reise nicht alte Männer ankamen.

Doch diese Zeiten waren vorbei. Jetzt wurde ein Flug über hundert Lichtjahre in ebenso vielen Tagen zurückgelegt, und Männer, nicht Jungen taten auf den Schiffen und in den Handelsstädten des Terranischen Imperiums Dienst. Mit sechzehn war Larry darauf gefasst gewesen zu warten. Nicht glücklich darüber, aber darauf gefasst.

Und dann hatte er die Neuigkeit erfahren. Wade Montray, sein Vater, hatte seine Versetzung zum Zivildienst auf den Planeten Darkover beantragt, weit draußen am Rand der Milchstraße. Larrys Mutter war so früh gestorben, dass er sich nicht einmal mehr an sie erinnern konnte, und andere lebende Verwandte hatte er nicht. Deshalb sollte er seinen Vater begleiten.

Er hatte seine Schulbücherei und sämtliche Bibliotheken der Stadt geplündert, um etwas über Darkover herauszufinden. Viel erfuhr er nicht. Darkover war der vierte Planet eines mittelgroßen dunkelroten Sterns, der am Himmel der Erde unsichtbar und so trübe war, dass er nur in Sternenkatalogen einen Namen besaß. Die Welt war kleiner als die Erde, sie hatte vier Monde, und ihre Kultur war auf einer Stufe ohne viel Technologie oder Wissenschaft stehen geblieben. Die wichtigsten Exportartikel Darkovers waren medizinische Erden und biologische Drogen, Edelsteine, Feinmetalle für Präzisionswerkzeuge und ein paar Luxusgüter – Seide, Pelze, Weine.

Eine kurze Fußnote zu dieser Aufzählung hatte Larry in fast unerträgliche Spannung versetzt: Obwohl die Eingeborenen Darkovers menschlich sind, gibt es dort mehrere Kulturen intelligenter Nichtmenschen.

Nichtmenschen! Auf der Erde sah man sie nicht oft. Selten kam in der Nähe eines Raumhafens einmal ein Jupiterwesen in seinem Methangas-Atemtank vorbeigerollt; der Sauerstoff der Erde war für es genauso giftig wie das Gas für einen Erdenbewohner. Und hin und wieder mochte man einen erregenden Blick auf ein hoch gewachsenes, geflügeltes Menschen-Ding von einer der äußeren Welten erhaschen. Aber aus der Nähe bekam man sie nie zu sehen. Irgendwie gelang es einem nicht, sie sich als Leute zu denken.

Larry hatte seinem Vater so lange mit Fragen zugesetzt, bis dieser ärgerlich sagte: »Wie soll ich das wissen? Ich bin doch kein Nachschlagewerk! Ich weiß, dass Darkover eine rote Sonne, ein kaltes Klima und eine Sprache hat, die von den alten Erdsprachen abgeleitet sein soll. Ich weiß, Darkover hat vier Monde, und es gibt dort Nichtmenschen – und das ist alles! Deshalb warte ab, bis du dort bist, und finde es selbst heraus!«

Wenn Dad diesen Blick bekam, war es besser, keine Fragen mehr zu stellen. Deshalb behielt Larry die restlichen für sich. Aber eines Abends, als er in seinem Zimmer seine Besitztümer sortierte und sich entschloss, Stapel von Kinderbüchern, Spielsachen und Krimskrams, der sich in den letzten paar Jahren angesammelt hatte, wegzuwerfen, klopfte sein Vater an die Tür.

»Beschäftigt, Sohn?«

»Komm herein, Dad.«

Wade Montray trat ein und sah zu dem Haufen auf dem Bett hin. »Gute Idee. Auch heutzutage darf man nicht mehr als ein paar Pfund Gepäck mitnehmen. Ich habe hier etwas für dich – habe es im Transfer-Zentrum gefunden.« Er reichte Larry ein flaches Päckchen, und als Larry es umdrehte, entdeckte er, dass es ein Satz Bänder für seinen Recorder war.

»Sprachbänder«, erklärte sein Vater, »weil du doch so gern alles über Darkover lernen möchtest. Natürlich kämst du mit Standard ganz gut durch – rund um den Raumhafen und in der Handelsstadt spricht es jeder. Die meisten Leute, die nach Darkover gehen, machen sich die Mühe mit der Sprache nicht, aber ich dachte, du hättest vielleicht Interesse daran.«

»Danke, Dad. Ich fange noch heute Abend mit dem Lernen an.«

Sein Vater nickte. Er war ein ernster Mann, groß und ruhig mit dunklen Augen – Larry vermutete, sein eigenes rotes Haar und seine grauen Augen stammten von der Mutter her, an die er sich nicht mehr erinnern konnte –, und in letzter Zeit hatte er nicht oft gelächelt. Aber jetzt lächelte er Larry zu. »Es kann nie schaden. Ich habe festgestellt, dass es einem hilft, wenn man mit den Menschen in ihrer eigenen Sprache redet, statt sich darauf zu verlassen, dass sie unsere beherrschen.«

Er schob die Bänder zur Seite und setzte sich auf Larrys Bett. Das Lächeln verschwand, und er war wieder ernst.

»Sohn, macht es dir wirklich nichts aus, die Erde zu verlassen? Ich habe mir immer wieder gesagt, es sei nicht fair, wenn ich dich aus deiner Heimat wegreiße und an den Rand des Nichts bringe. Deswegen hätte ich fast darauf verzichtet, den Versetzungsantrag zu stellen. Noch jetzt ...« Er zögerte. »Larry, wenn du möchtest, kannst du immer noch hier bleiben. Ich lasse dich dann in ein paar Jahren nachkommen, sobald du mit Schule und College fertig bist.«

Larry wurde plötzlich die Kehle eng.

»Du willst mich zurücklassen? Auf der Erde?«

»Hier gibt es gute Schulen und Universitäten, Sohn. Niemand weiß, welche Art von Ausbildung du im Hauptquartier auf Darkover bekommen wirst.«

Larry starrte seinen Vater an, die Lippen fest zusammengepresst, damit sie nicht zitterten. »Dad, willst du mich nicht bei dir haben? Wenn du – wenn du mich loswerden willst, werde ich bestimmt kein Theater machen. Aber ...« Er verstummte und schluckte schwer.

»Sohn! Larry!« Sein Vater ergriff seine Hände und hielt sie eine Minute lang ganz fest. »Sag das nicht wieder, ja? Ich habe deiner Mutter versprochen, du würdest eine gute Ausbildung erhalten. Und nun zerre ich dich halbwegs durchs Universum, nehme dich mit auf ein verrücktes Abenteuer, nur weil mich die Ferne lockt und ich nicht wie ein vernünftiger Mensch hier bleiben will. Es ist selbstsüchtig von mir zu gehen, und noch schlimmer, dass ich dich mitnehmen möchte!«

Larry erklärte bedächtig: »Dann werde ich wohl mitkommen müssen, Dad. Denn ich will auch nicht wie so ein Mensch, den du vernünftig nennst, immer an einem Fleck bleiben. Dad, ich möchte mit. Konntest du dir das nicht denken? Ich habe mir nie im Leben etwas so sehr gewünscht!«

Wade Montray holte tief Atem. »Ich hoffte, du würdest es sagen – und wie ich es gehofft habe!« Er schob die Bänder in einen Stapel von Larrys Kleidern und stand auf.

»Gut, Sohn. Dann widme du dich der Sprache. Es muss mehr als eine Art von Ausbildung geben.«

Als Larry den Sprachbändern lauschte und seine Zunge in den merkwürdig fließenden Tönen der darkovanischen Redewendungen übte, wuchs seine Erregung. Diese Sprache enthielt fremdartige neue Konzepte und Gedanken und Andeutungen von Dingen, die ihn fesselten. Ein Sprichwort beflügelte seine Phantasie besonders: Es ist falsch, wenn du einen Drachen an die Kette legst, nur um Fleisch zu braten.

Gab es Drachen auf Darkover? Oder ging diese Redensart auf eine Sage zurück? Welche Bedeutung hatte sie? Dass es, wenn man einen Feuer speienden Drachen hatte, gefährlich sei, ihn für sich arbeiten zu lassen? Oder sollte damit ausgedrückt werden, es sei töricht, etwas Großes und Wichtiges für eine kleine, nebensächliche Arbeit einzusetzen? Larry war, als öffne sich ihm hier ein Spalt in eine neue Welt und er sehe wie durch einen Schimmer unbekannte Tiere, Farben und Vorstellungen.

Tag für Tag steigerten sich seine Erwartungen, bis sie die Fähre zu dem gewaltigen Raumhafen bestiegen und dann an Bord des Schiffes gingen. Das Sternenschiff war riesig und merkwürdig wie eine fremde Stadt, aber die Reise selbst war eine Enttäuschung gewesen. Sie unterschied sich nicht sehr von einer Kreuzfahrt auf einem Ozeandampfer, abgesehen davon, dass man keinen Ozean zu sehen bekam. Die meiste Zeit musste man in der Kabine oder in einem der überfüllten Aufenthaltsräume bleiben. Man bekam Spritzen und Immunisierungen gegen alles unter der Sonne – unter jeder Sonne, berichtigte Larry sich –, so dass er die ersten zwei Wochen mit einem schmerzenden Arm herumlief.

Interessant waren nur ein paar Stunden zu Beginn der Fahrt, gleich nachdem sie die Sonne der Erde hinter sich gelassen hatten. Da wurde für jeden, der nicht immer noch mit der Beschleunigungskrankheit kämpfte, eine Führung durch das Schiff veranstaltet. Die Mannschaftsunterkünfte, das hohe Navigationsdeck mit seinen Räumen voller stiller, brütender Computer, die Roboter, die hinter Bleiglasschilden alle notwendigen Reparaturen am Antrieb ausführten, hatten Larry fasziniert. Mittels einer Fernsehkamera hatte er sogar in die Antriebskammern selbst hineinsehen dürfen. Sie waren natürlich radioaktiv, und auch die Mitglieder der Besatzung betraten sie nur in den ernstesten Notfällen. Am schönsten von allem war der einzige ihm gewährte Blick von der Kapitänsbrücke gewesen – die Glaskuppel mit ihrem plötzlich erscheinenden Panorama von hundert Millionen glitzernden Sternen. Einen Moment fühlte sich Larry, der sich gegen das Glas drückte, verloren, sehr klein und allein in dieser Wildnis von gigantischen, flammenden Sonnen und Welten, die sich auf ewig vor der endlosen Dunkelheit drehten. Dann musste er den Nachfolgenden Platz machen und ging, benommen und mit schwimmenden Augen.

Der Rest der Fahrt war langweilig gewesen. Immer stärker hatte Larry sich Tagträumen über die neue Welt am Ende der Reise hingegeben. Schon der Name Darkover hatte seinen eigenen Zauber. Er sah vor sich eine riesige rote Sonne tief an einem trüben Himmel, dazu vier Monde in seltsamen Farben. Er dachte sich phantastische und unmögliche Gestalten für die geheimnisvollen Nichtmenschen aus, die sich bei der Landung um das Raumschiff drängen würden. Als es soweit war, dass sie in ihre Kabinen geschickt wurden, um sich für die lange Abbremsung anzuschnallen, fieberte er vor Erregung.

Er verfolgte die Landung auf dem Fernsehschirm. Sie näherten sich dem Planeten in seinem Schleier aus wirbelnden orangefarbenen Abendwolken, die dann in der Dunkelheit auf der Nachtseite verschwanden. Ein Prickeln überlief Larry, als einer der kleinen schillernden Monde in das Aufnahmefeld der Kamera schwamm. Welcher mochte es sein? Wahrscheinlich Kyrrdis, blaugrün schimmernd wie der Flügel eines Pfaus. Die Namen der Monde waren ein verzaubernder Sirenengesang: Kyrrdis, Idriel, Liriel, Mormallor.Wir sind da, dachte Larry, wir sind wirklich da.

Diszipliniert bei aller Ungeduld wartete er auf die Lautsprecherdurchsage, die den Passagieren erlaubte, die Gurte zu lösen, ihre Siebensachen einzusammeln und sich zum Ausgang zu begeben. Sein Vater neben ihm schwieg, und sein Gesicht verriet nichts. Larry fragte sich, wie jemand so gleichmütig sein könne, aber da er sich nicht durch kindisches Ungestüm blamieren wollte, hielt auch er den Mund. Seine Blicke hingen an der Metalltür, die sich auf die fremde Welt öffnen würde. Als der Mann in der schwarzen Lederuniform begann, die Verschlüsse zu öffnen, schüttelte es Larry geradezu vor Aufregung. Ein rötliches Glühen sickerte durch die erste Spalte der Tür. Die rote Sonne? Der Himmel Darkovers?

Doch hinter der Tür war es Nacht, und das rötliche Glühen kam von den Schweißapparaten der behelmten Arbeiter, die auf einem nahe gelegenen Landeplatz die Hülle eines anderen großen Schiffes reparierten. Larry trat auf die Rampe hinaus, und die Enttäuschung warf ihn beinahe um. Das war nichts als ein Raumhafen wie auf der Erde auch!

Sein Vater, hinter ihm auf der Rampe, berührte seine Schulter und schalt freundlich: »Nun bleib nicht gaffend stehen, Sohn, dein neuer Planet wird nicht weglaufen. Ich weiß, wie aufgeregt du sein musst, aber lass uns jetzt hinuntergehen.«

Mit einem tiefen Seufzer setzte Larry sich in Bewegung. Er hätte sich gleich denken können, dass es eine Enttäuschung werden würde, wie meistens, wenn man ein Phantasiegebäude errichtet hatte.

Später musste er über sich selbst lachen, wenn er an die Desillusionierung dieses Morgens dachte. Im Augenblick war die Enttäuschung jedoch so groß, dass er sie beinahe schmecken konnte. Der Beton fühlte sich nach Wochen der ungewissen Schwerkraft im Raumschiff hart und ungewohnt an. Ein bisschen schwankend, um das Gleichgewicht wieder zu finden, beobachtete Larry summende Frachtkarren, die auf dem Feld herumschwirrten, und Männer in schwarzen und gräulichen Leder-Uniformen mit den Insignien des Terranischen Imperiums, die das harte blaue Licht der Bogenlampen widerspiegelten. Hinter den Lichtern bildeten hohe Gebäude eine dunkle Linie.

Sein Vater zeigte in die Richtung. »Die terranische Handelsstadt. Wir haben Zimmer im Hauptquartier. Komm, wir stellen uns besser in der Schlange an; es ist eine Menge Papierkram zu erledigen.«

Larry fühlte sich nicht schläfrig – auf dem Sternenschiff mit seinem künstlichen Zeitzyklus war es Tag gewesen –, aber er gähnte, als sie endlich damit fertig waren, ihre Pässe und Beglaubigungsschreiben vorzuzeigen und ihr Gepäck vom Zoll abzuholen. Auf dem Rückweg von einem der Schalter blickte er zufällig nach oben – und hielt den Atem an. Die Dunkelheit hatte sich gelichtet. Der Himmel über ihnen, schwarz beim Verlassen des Raumschiffs, zeigte jetzt ein leuchtendes Perlgrau. Im Osten fächerten sich breite karminrote Streifen auf und tanzten durch die Gräue wie Nordlichter. Sie zitterten, als sähe man sie durch Eis. Dann erschien ein roter Rand am Horizont und wurde nach und nach zu einer gewaltigen, unmöglichen roten Sonne aufgeblasen. Blutrot. Riesig. Geschwollen. Sie wirkte überhaupt nicht wie eine Sonne, eher wie ein großes Neon-Zeichen. Die Farbe des Himmels durchlief von Grau über Rosa das Spektrum zu einem verblüffenden Lila-Blau. Unter dieser Beleuchtung sah der Raumhafen fremdartig und finster aus.

Mit zunehmender Helligkeit erkannte Larry hinter den Wolkenkratzern eine Bergkette – hohe, scharfzähnige Gipfel mit Klippen und Eisfällen, die rot in der Sonne leuchteten. Ein blassblauer Kristall von einem Mond hing noch auf der Schulter eines der Berge. Larry blinzelte, starrte, drehte sich immer wieder nach dieser unmöglichen Sonne um. Es war sehr kalt; man konnte sich nicht vorstellen, dass diese Sonne den Himmel erwärmte, wie es die Sonne der Erde tat. Und doch war sie eine große, rote Kohle, ein gewaltiges glühendes Feuer in der Farbe von ...

»Blut. Ja, es ist eine blutige Sonne«, sagte jemand in der Schlange hinter Larry. »Davon hat sie ihren Namen. Sie sieht ja auch ganz so aus.«

Larrys Vater wandte den Kopf und sagte ruhig: »Erzeugt einen düsteren Eindruck, ich weiß. Nun, mach dir nichts draus, in der Handelsstadt ist das Licht genau wie auf der Erde, und früher oder später wirst du dich daran gewöhnen.« Larry wollte protestieren, aber sein Vater gab ihm keine Zeit dazu. »Ich muss mich noch einmal anstellen. Du kannst ebenso gut dort drüben warten. Es hat keinen Sinn, dass du dir ebenfalls die Beine in den Bauch stehst.«

Gehorsam verließ Larry seinen Platz. Sie waren mittlerweile auf ihrem Weg von einem Schalter zum anderen mehrere Ebenen hochgestiegen und befanden sich weit oberhalb der Fläche, wo die Raumschiffe in ihren Gruben lagen. Etwa hundert Fuß von Larry entfernt war ein hoher offener Torbogen. Was mochte hinter dem Raumhafen liegen? Neugierig ging er darauf zu.

Der Torbogen öffnete sich auf einen weiten Platz, leer im roten Morgenlicht. Er war mit altertümlichen, ungleichmäßigen Steinen gepflastert. In der Mitte sprudelte eine schwach rosa angehauchte Fontäne. Am anderen Ende des Platzes erkannte Larry – und ein bisschen von der alten Aufregung durchzuckte ihn – eine Reihe von merkwürdig geformten Gebäuden mit geschwungenen Steinfassaden und hohen rautenförmigen Fenstern. Das Licht spielte merkwürdig über die Buntglas-Prismen, die in die Fenster eingelassen waren.

Ein Mann überquerte den Platz. Er war der erste Darkovaner, den Larry sah, ein gebeugter, grauhaariger Mann in weiten, beuteligen Hosen und einem gegürteten Überhemd, das mit Pelz gefüttert zu sein schien. Er warf einen missmutigen Blick auf den Raumhafen, ohne Larry wahrzunehmen, und schlurfte weiter.

Zwei oder drei weitere Männer kamen vorbei. Wahrscheinlich, so dachte Larry, waren es Arbeiter auf dem Weg zur Frühschicht. Zwei Frauen in langen, pelzbesetzten Kleidern traten aus einem der Häuser. Eine fegte das Kopfsteinpflaster des Bürgersteigs mit einem komischen flaumigen Besen. Die andere trug kleine Tische und Bänke nach draußen. Männer schlenderten heran. Einer setzte sich an einem der Tischchen nieder und gab einer der Frauen ein Zeichen. Nach einer Weile brachte sie ihm zwei Schüsseln, aus denen weißer Dampf in die frostige Luft stieg. Ein starker, angenehmer Geruch wie nach Bitterschokolade erinnerte Larry, dass er fror und Hunger hatte. Das Essen roch gut, und er wünschte sich, etwas darkovanisches Geld in der Tasche zu haben. Versuchsweise rief er sich Sätze aus der erlernten Sprache ins Gedächtnis. Bestimmt wäre er fähig, sich etwas zu essen zu bestellen. Der Mann an dem Tisch entnahm der einen Schüssel so etwas wie Makkaroni-Stücke, stippte sie in die andere Schüssel und aß sie sehr sauber mit den Fingern und einem Gerät, das wie ein einzelnes chinesisches Essstäbchen aussah.

»Was starrst du da an?«, fragte jemand. Larry fuhr zusammen, blickte hoch und sah einen Jungen vor sich stehen, der etwas jünger war als er selbst. »Woher kommst du, Tallo?«

Erst bei dem letzten Wort wurde Larry bewusst, dass der fremde Junge ihn in der darkovanischen Sprache angeredet hatte, die ihm durch die Bänder schon so vertraut war. Ich kann sie also verstehen! Tallo – das war das Wort für Kupfer; vermutlich bedeutete es Rotkopf. Der fremde Junge hatte ebenfalls rote Haare, sie flammten, gerade abgeschnitten, um ein hübsches, dunkles Gesicht. Er war nicht ganz so groß wie Larry. Seine Kleidung bestand aus einem rostfarbenen Hemd, einer Lederweste mit Verschnürung und kniehohen Lederstiefeln über einer eng sitzenden Hose. Mehr überraschte Larry die Tatsache, dass am Gürtel des Jungen in einer abgewetzten Lederscheide ein kurzer Stahldolch hing.

Endlich fragte Larry zögernd auf Darkovanisch: »Redest du mit mir?«

»Mit wem sonst?« Die Hände des Jungen, die in dicken dunklen Handschuhen steckten, wanderten wie in Gedanken zu dem Heft seines Messers. »Was starrst du da an?«

»Ich habe mir nur den Markt angesehen.«

»Und woher hast du diese lächerlichen Kleider?«

Larry ärgerte sich über die Grobheit. »Jetzt hör mal zu! Warum stellst du mir all diese Fragen? Ich trage die Sachen, die ich habe – und lächerlich sind höchstens deine«, setzte er kriegerisch hinzu. »Was willst du überhaupt von mir?«

Der fremde Junge blickte erschrocken drein. Er blinzelte. »Dann habe ich mich geirrt? Ich habe noch nie – wer bist du?«

»Mein Name ist Larry Montray.«

Der Junge mit dem Messer runzelte die Stirn. »Das begreife ich nicht. Entschuldige, aber – gehörst du zufällig zum Raumhafen? Ich will dich nicht beleidigen, nur ...«

»Ich bin gerade mit der Pantomime angekommen«, sagte Larry.

»Das erklärt es«, meinte der Fremde langsam. »Aber du sprichst die Sprache so gut, und du siehst aus wie – du musst meinen Fehler verzeihen, er war natürlich.« Eine volle Minute lang musterte er Larry. Dann brach plötzlich ein Damm: »Ich habe bisher noch nie mit einem Außenweltler gesprochen! Wie ist es, wenn man im Raum reist? Stimmt es, dass es viele Sonnen wie diese hier gibt? Wie sehen die anderen Welten aus?«

Bevor Larry antworten konnte, hörte er die scharf erhobene Stimme seines Vaters: »Larry! Wo steckst du?«

»Ich bin hier!« Larry merkte, dass er da, wo er stand, im Schatten des Torbogens versteckt war. »Nur eine Minute ...« Er wandte sich zu dem fremden Jungen zurück, aber überrascht und verärgert stellte er fest, dass der Darkovaner ihm den Rücken gedreht hatte und sich schnellen Schrittes entfernte. Er verschwand in der dunklen Öffnung einer engen Straße jenseits des Platzes. Larry sah ihm gedankenverloren nach.

Sein Vater trat rasch auf ihn zu.

»Was hast du gemacht? Dir nur den Platz angesehen? Das kann sicher nichts schaden, aber ...« Er schien erregt zu sein. »Mit wem hast du gesprochen? Mit einem der Eingeborenen?«

»Nur mit einem Jungen meines Alters«, antwortete Larry. »Dad, er glaubte ...«

»Das ist jetzt egal«, schnitt ihm sein Vater ziemlich heftig das Wort ab. »Wir müssen unser Quartier aufsuchen und uns einrichten. Du wirst Darkover früh genug kennen lernen. Komm jetzt.«

Larry folgte ihm, verwirrt und verletzt, dass sein Vater so kurz angebunden war. Es sah Dad gar nicht ähnlich. Doch seine erste Enttäuschung über Darkovers Farblosigkeit war plötzlich verschwunden.

Dieser Junge hat mich für einen Darkovaner gehalten. Und das trotz der Kleidung, die ich trage. An meiner Aussprache konnte er keinen Unterschied erkennen.

Er blickte beinahe sehnsüchtig auf das verschwindende Panorama Darkovers hinter dem verbotenen Tor zurück. Sie bogen jetzt in eine Straße mit Häusern ein, die genauso wie die auf der Erde waren, und Larrys Vater seufzte – vor Erleichterung?

»Ganz wie zu Hause. Wenigstens wirst du hier nicht allzu viel Heimweh bekommen.« Er überprüfte die Nummern auf einer Karte, die er in der Hand hielt, und schob eine Tür auf. »Unsere Zimmer sind in diesem Gebäude.«

Die Beleuchtung drinnen war so eingestellt wie auf der Erde zur Mittagszeit, und die Wohnung – fünf Räume im vierten Stock – hätte die sein können, die sie auf der Erde verlassen hatten. Die ganze Zeit, während sie auspackten, Essen an den Spendern wählten und die Zimmer erkundeten, war Larrys Kopf voll von neuen und seltsamen Gedanken.

Was hatte es für einen Sinn, auf einer fremden Welt zu leben, wenn man sein Möglichstes tat, sein Haus, die Möbel, sogar das Licht so zu gestalten wie daheim? Warum blieben Leute mit dieser Einstellung nicht auf der Erde?

Okay, wenn die anderen es so haben wollten, sollte es ihm recht sein. Er aber würde von Darkover mehr als das sehen.

Er würde sich ansehen, was jenseits des Tores lag. Die neue Welt war schön und fremd – und er konnte es kaum erwarten, sie zu entdecken.

Heimweh? Für was hielt Dad ihn?

2

Larry schob die schwere Stahltür von Block B des Hauptquartiers zurück und trat in den kalten, schneidenden Wind des Hofes zwischen den Gebäuden hinaus. Erschauernd blieb er stehen und blickte zum Himmel auf. Die große rote Sonne hing niedrig und senkte sich langsam auf den Horizont zu, wo dünne Eiswolken sich zu Bergen in Karmin und Scharlach und Purpur verdichteten.

Hinter ihm bibberte Rick Stewart hörbar und zog seinen Mantel enger zusammen. »Brrr, ich wünschte, es gäbe eine Passage zwischen den Blöcken! Und ich kann bei diesem Licht überhaupt nichts sehen. Lass uns hineingehen, Larry.« Er wartete ungeduldig. »Was starrst du da an?«

»Nichts.« Larry zuckte die Schultern und folgte dem anderen Jungen in Block A, dem Wohngebäude. Wie konnte er sagen, dass dieser kurze tägliche Gang zwischen Block B – wo die Schulen für den Raumhafen-Nachwuchs vom Kindergarten bis zu den Vorbereitungskursen auf die Universität untergebracht waren – und Block A seine einzige Chance darstellte, sich Darkover anzusehen?

Drinnen in der kühlen gelben Normalbeleuchtung entspannte Rick sich. »Du bist komisch«, meinte er im Aufzug zu ihrem Stockwerk. »Ich hätte gedacht, das Licht draußen würde deinen Augen wehtun.«

»Nein, mir gefällt es. Zu gern würde ich draußen Entdeckungen machen.«

»Sollen wir zum Raumhafen hinuntergehen?« Rick lachte. »Dort gibt es nichts zu sehen als Sternenschiffe, und für mich ist das ein alter Hut, aber ich nehme an, für dich sind sie immer noch interessant.«

Larry verdross Ricks überlegener, amüsierter Ton. Rick war drei Jahre auf Darkover – und gab offen zu, dass er den Raumhafen noch nie verlassen hatte. »Nein«, antwortete Larry ihm. »Ich möchte in die Stadt – feststellen, wie es da aussieht.« Seine aufgestaute Verärgerung machte sich plötzlich Luft. »Seit drei Wochen bin ich auf Darkover, und ich könnte ebenso gut noch auf der Erde sein. Sogar hier in der Schule lerne ich die gleichen Dinge wie zu Hause! Die Geschichte Terras, die Anfänge der Raumerkundung, Standard-Literatur, Mathematik ...«

»Na klar«, sagte Rick. »Du glaubst doch nicht, dass terranische Bürger hier bleiben würden, wenn ihre Kinder keine anständige Ausbildung bekämen? Eine, die sie zum Besuch jeder Universität des Imperiums berechtigt?«

»Das weiß ich. Aber wenn wir schon auf diesem Planeten leben, sollten wir ein bisschen über ihn wissen, oder nicht?«

Von neuem zuckte Rick die Schultern. »Ich wüsste wirklich nicht, warum.« Sie kamen in die Zimmer, die Larry mit seinem Vater teilte, und legten ihre Schulbücher und Mäntel ab. Larry trat an den Essensspender – das in der zentralen Küche zubereitete Essen wurde mittels Druckluft durch ein Rohr geschickt und ihr Konto mit der Rechnung belastet –, wählte für sich etwas zu trinken und einen Imbiss und fragte Rick, was er haben wolle. Die Jungen machten es sich gemütlich und aßen hungrig.

»Du bist wirklich komisch«, wiederholte Rick. »Was kümmert dich dieser Planet? Wir werden nicht das ganze Leben lang hier bleiben. Was soll es uns also nützen, wenn wir etwas über ihn lernen? Die Kenntnisse, die wir uns auf den Schulen des Terranischen Imperiums erwerben, werden auf jedem Imperiumsplaneten anerkannt, wohin man uns auch schicken mag. Was mich betrifft, werde ich in die Raum-Akademie eintreten, sobald ich achtzehn bin – und weiß der Himmel, das ist Grund genug, mich hinter Navigation und Mathe zu klemmen!«

Larry kaute einen Cracker. »Mir kommt es einfach albern vor«, verteidigte er entschlossen seine Meinung, »auf einer Welt wie dieser zu leben und nichts über sie zu erfahren. Warum bleiben die Leute nicht auf der Erde, wenn ihre Kultur die einzige ist, auf die es ankommt?«

Rick lachte nachsichtig. »Ist dies dein erster fremder Planet? Oh, das erklärt es. Wenn du ein paar mehr gesehen hast, wird dir aufgehen, dass es dort nichts gibt als einen Haufen Barbaren und Außenweltler. Warum soll sich jemand, der nicht gerade Archäologe oder Historiker werden will, den Kopf mit Einzelheiten vollstopfen?«

Larry konnte nicht antworten. Er versuchte es erst gar nicht. Stattdessen aß er seinen Cracker auf und öffnete sein Buch über Navigation. »Ist das hier die Stelle, bei der du Probleme hast?«

Doch während sie die Köpfe zusammensteckten, interstellare Umlaufbahnen berechneten und Kollisionskurven zeichneten, dachte Larry mit brennender Sehnsucht an die Welt da draußen – die Welt, die er, so wie es jetzt aussah, niemals kennen lernen würde.

Rick schien das nichts auszumachen. Keinem der Jungen hier in der Handelsstadt schien es etwas auszumachen. Sie waren Terraner, und alles außerhalb der Terranischen Zone war fremd – und nichts konnte sie weniger interessieren. Sie führten das gleiche Leben, wie sie es auf jedem Imperiumsplaneten geführt hätten, und sie wollten es gar nicht anders haben.

Sie waren sogar überrascht – nein, vom Donner gerührt – gewesen, als sie erfuhren, dass er die darkovanische Sprache gelernt hatte. Sie konnten sich nicht vorstellen, warum. Einer der Lehrer hatte eine Spur von Verständnis bewiesen; er hatte Larry gezeigt wie man die komplizierten Buchstaben des darkovanischen Alphabets schrieb, und ihm sogar ein paar Bücher in darkovanischer Sprache geliehen. Aber für so etwas war nicht viel Zeit. Größtenteils bekam Larry den gleichen Unterricht wie auf der Erde. Darkover, selbst das Licht von Darkovers roter Sonne, wurde von Mauern und gelber erdtypischer Beleuchtung ausgesperrt, und die Engstirnigkeit des Personals in der Terranischen Zone stellte eine noch stärkere Barriere dar.

Als Rick gegangen war, räumte Larry seine Bücher weg, setzte sich hin und dachte mit finsterem Gesicht nach, bis sein Vater hereinkam.

»Wie war’s heute, Dad?«

Die Arbeit seines Vaters faszinierte ihn, aber Wade Montray pflegte nicht viel darüber zu sprechen. Larry wusste, dass sein Vater im Zollbüro arbeitete und seine Aufgabe, allgemein gesprochen, darin bestand, darauf zu achten, dass keine Schmuggelware von Darkover in die Terranische Zone oder umgekehrt gebracht wurde. Für Larry klang das interessant, obwohl sein Vater betonte, es unterscheide sich nicht besonders von der Arbeit, die er auf der Erde getan habe.

Heute schien er jedoch etwas gesprächiger zu sein.

»Wie ist es, sollen wir uns etwas zum Abendessen wählen? Ich hatte heute zu viel zu tun, um eine Essenspause einzulegen. Wir hatten allerhand Aufregung im Büro. Einer der Stadt-Ältesten kam zu uns, wütend wie eine nasse Katze. Er behauptete, einer unserer Männer habe Waffen in die Stadt gebracht und wir müssten der Sache nachgehen. Und was war geschehen? Irgendein dummer Darkovaner Junge hatte einem der Raumhafen-Wachen eine Menge Geld dafür geboten, dass er ihm seine Pistole verkaufe und sie als verloren melde. Wie sich bei der Vernehmung des Mannes herausstellte, hatte er genau das auch getan. Natürlich verlor er seinen Dienstgrad und wird Darkover mit dem nächsten abgehenden Raumschiff verlassen. Dieser Vollidiot!«

»Warum, Dad?«

Wade Montray stützte das Kinn auf die Hände. »Du weißt nicht viel über die Geschichte Darkovers, nicht wahr? Sie haben da einen so genannten Vertrag, unterzeichnet vor Tausenden von Jahren. Er ächtet jede Waffe außer solchen, die den Mann, der sie benutzt, in die gleiche Gefahr bringt wie den Mann, den er damit angreift.«

»Ich glaube, das verstehe ich nicht ganz, Dad.«

»Dann pass auf. Wenn du ein Schwert oder ein Messer benutzen willst, musst du nahe an dein Opfer herangehen – und soviel du weißt, kann es ebenfalls ein Messer haben und in seinem Gebrauch geschickter sein als du. Aber Gewehre, Schocker, Laser, Atombomben – die kannst du ohne jedes Risiko, selbst verletzt zu werden, einsetzen. Jedenfalls schlossen die Darkovaner den Vertrag ab, und bevor sie erlaubten, dass das Terranische Imperium hier zu Handelszwecken einen Raumhafen baute, mussten wir ihnen gusseiserne Garantien geben, dass wir helfen würden, Schmuggelware von Darkover fern zu halten.«

»Das kann ich ihnen nicht verübeln«, sagte Larry. Er hatte von den frühen planetaren Kriegen auf der Erde erzählen gehört.

»Wie dem auch sei, der Bursche, der die Pistole von unserem Raumhafen-Wachmann kaufte, besitzt eine Sammlung seltener alter Waffen, und er schwört, er wollte mit dem Neuerwerb nichts weiter tun, als ihn dort einzureihen – aber sicher kann da niemand sein. Manchmal gelangt tatsächlich Schmuggelware über die Grenze, ganz gleich, wie aufmerksam wir sind. Jedenfalls hat es mir viel Mühe gemacht, die Pistole aufzuspüren. Dann musste ich die Reise von zwei Studenten unserer medizinischen Schulen ins Hinterland organisieren, wo sie Krankheiten studieren sollen. Wir wollen dafür ein paar Darkovaner bei uns ausbilden. Ihre medizinische Wissenschaft taugt nicht viel, und sie haben eine sehr hohe Meinung von unseren Ärzten. Einfach ist es trotzdem nicht. Die abergläubischeren Eingeborenen haben ein Vorurteil gegen alles Terranische. Und die Darkovaner der höheren Kasten wollen nichts mit uns zu tun haben, weil sie es für unter ihrer Würde halten, sich mit Fremden einzulassen. Sie betrachten uns als Barbaren. Ich habe heute mit einem ihrer Aristokraten gesprochen, und er benahm sich, als hätte ich einen üblen Geruch.« Wade Montray seufzte.

»Sie betrachten uns als Barbaren«, meinte Larry nachdenklich, »und wir hier in der Terranischen Zone betrachten sie als Barbaren.«

»So ist es. Und es scheint keine Lösung zu geben.«

Larry legte seine Gabel hin und platzte heraus: »Dad, wann bekomme ich eine Chance, etwas von Darkover zu sehen?« Er musste seiner Enttäuschung einmal Luft machen. »In dieser ganzen Zeit habe ich nichts gehabt als am ersten Tag den Blick durch das Tor des Raumhafens!«

Sein Vater lehnte sich zurück und betrachtete ihn forschend.

»Wünschst du es dir so sehr?«

Larry machte eine Untertreibung daraus. »Ja.«

Sein Vater seufzte. »Es ist nicht einfach. Den Darkovanern gefällt es nicht besonders, Terraner hier zu haben. Es wird von uns mehr oder weniger erwartet, dass wir uns auf unsere eigenen Handelsstädte beschränken.«

»Aber warum?«