Die Kresse tanzt Tango - Joanna Lisiak - E-Book

Die Kresse tanzt Tango E-Book

Joanna Lisiak

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Beschreibung

Konzentrierte Kürzestprosa, die mit wenigen Sätzen erstaunlich viel entlarvt und womöglich noch mehr andeutet. Die eigentümlichen Kapriolen bewegen sich zwischen absurd, grotesk und surreal. Die Zeit, in der wir leben, ist bekanntlich orientierungslos und aus den Fugen geraten. Diese Miniaturen verändern die Weltlage nicht. Womöglich machen sie das Orientierungslose auf ihre Weise umso sichtbarer.

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Seitenzahl: 60

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Statt eines Vorworts

Sie halten ein Buch mit Kürzestprosa in der Hand. Ein guter Entscheid. Kürzest, heißt es, und doch muss man die vorliegende Lektüre keineswegs überfliegen oder sich beeilen. Zeit ist bekanntlich Gold. Lassen Sie sich Zeit. Schenken Sie sich die Zeit, um einzutauchen. Schenken Sie sich dazu etwas Flüssiges ein, das sie beim Lesen begleiten darf. Eine Anleitung ist nicht vonnöten. Die Texte lassen sich nicht in Schwarz-Weiß- oder Gut-/Böse-Kategorien einteilen. Denn die sogenannte Dualität ist aufgehoben. Die Wahrheit liegt auch hier irgendwo dazwischen.

Das Gefühl von angenehmer Ohnmacht oder von erstaunter Ergriffenheit ist willkommen. Fragen dürfen sich nach der Lektüre einstellen. Die Suche nach klaren Botschaften kann sich ergeben.

Der Plot wird dem Eigentümlichen hintenangestellt. Die Aura des Absurden ist zugegen. Eine gewisse Subjektivität ist gegeben, was ganz und gar der realen Welt entspricht. Die innere Welt der Leserin, des Lesers, darf sich folglich öffnen. Was die Texte angeht, so werden sie vom Surrealen, Grotesken begleitet, gelegentlich poetisch unterstützt.

Die Zeit, in der wir leben, ist bekanntlich orientierungslos und aus den Fugen geraten. Diese Miniaturen verändern die Weltlage nicht. Womöglich machen sie das Orientierungslose auf ihre Weise umso sichtbarer. Was macht die Texte aus? Urteilen Sie selber. Suchen Sie nach dem Genuss dieser Lektüre den Ausgleich im Wesentlichen in Ihnen selbst und wenn es nicht anders geht, in der Ablenkung außerhalb.

Zur Autorin

Geboren 1971 in Polen, lebt seit 1981 in der Schweiz. Bisher sind seit dem Jahr 2000 33 eigenständige Publikationen erschienen. Zu den Büchern mit relativ hohem Humoranteil zählen die folgenden: Blempek ist ein Trick, der sich bewährt; Das Pünktchen trägt Strümpfe; Besonderlinge – Galerie der Existenzen I und II; Alles Brillenträger - Skandalöses aus der Welt der Promis; Spam Poetry – Lyrik aus Spam Emails; mir ist so taschembei, Lautpoesie; Von Paul B. und anderen rein zufällig lebenden Personen.

: Er neigt zu Ernsthaftigkeit. Vielleicht daher wünscht er sich einen Freund, der Bürstchen heißt. Er würde ab und zu vorbeikommen mit einem Sack geretteter Wörter. Er würde den Sack vor die Haustüre schütten. Damit man sich Reime darauf machen kann.

*

: Es ist ein Wunder, dass sie am Ende der Leitung ist. Er sieht ihr großes Ohr. Es ist nach außen gestülpt und entspricht ganz seinem Geschmack. Es ist gut, dass sie auch etwas zu sagen hat. Das ist doch das Eigentliche am Ganzen.

*

: Sie trägt eine Pralinenschachtel quer durch die Stadt spazieren. Im Café schlägt sie zum ersten Mal ein Fremdwort nach. Sie stellt fest: ihr Denken hat soeben erst begonnen. Im Park liegen abgesägte Apfelbaumäste. Sie machen sich nichts daraus und blühen. Warum nicht? Es ist Frühling. Zeit zu blühen.

*

: Die Schranktüre öffnet sich und du bist erstaunt wie vertraut dir alles vorkommt. Es ist nicht dein Schrank, aber einer, den man rühmen könnte. Die Frage ist nicht der Inhalt, sondern: Bin ich ein guter Mensch oder ein guter Jahrgang? Die Leinenhose dokumentiert den Tag. In der Wäschetrommel spielt die Bettwäsche Matroschka.

*

: Sie kämpft sich durchs Museum. Alles abstrakt. Alles Müll. Aber gut konzipiert, bestens besucht, von Herzen empfohlen. Es ist wichtig angetan zu sein. Es ist von Vorteil entzückt zu sein und in den Kanon der Komplimente einzustimmen. Sie sucht nach der magischen Stelle. Etwas, das innere Bilder evozieren könnte. Wenn bloß ein paar Töne aufstiegen. Dann würde es ein Kinderspiel sein sich von ihnen einnehmen zu lassen. Als sie endlich und erleichtert den Ausgang findet, beginnt die Welt auf sie einzustürzen.

*

: Im Café finden sich junge Mädchen ein. Sie sehen aus wie Blüten. Die Stühle verwandeln sich in Blumentöpfe. Da brüten sie und kichern unentwegt. Ihre Finger sind wie Zirkel und darin balancieren sie Zigaretten. Sie flirten mit sich selbst. Der Alte murmelt sein Mantra: Ich bin du bist so ist es. Wir sind wer seid ihr sie sind.

*

: Heute sah ich eine Frau. Sie trug einen Bart. Auf ihrer Hand. Sie war Maskenbildnerin. Wohin sie wohl ging? Wohin ihr Nieser verschwand, als sie ihn unterdrückte? Sie war beim Zahnarzt. Da demontierte sie zum Spaß Brecht: Ich sitze vor der Kirche. Ein Mann montiert die Zeiger des Kirchenturms ab. Zufällig bin ich hergekommen. Absichtlich werde ich wieder gehen. Warum schaue ich so gerne auf das blanke Ziffernblatt?

*

: Unsere Brieffreundschaft ist ein Dreigestirn. Du, ich, das Wort. Aber eigentlich ist das zu poetisch. Es ist nicht mehr, allerdings auch nicht weniger als eine gängige Pirouette. Das will etwas heißen. Mit anderen Worten: Die Peking-Ente neulich. Der Rosenlikör, du weißt schon. Der blumige Rülpser Stunden danach. Ich bin jedenfalls total aufgeräumt innen. Bin voller Erkenntnisse. Ich wünsche auch dir das Richtige.

*

: Seit ich mit dem Schreiben begonnen habe, weiß ich nicht mehr was für ein Tier ich bin. Es hat ein Tempo. Das haben nicht viele. Eine Geschichte lag im Ärmel der alten Jacke. Ich musste sie nur noch ausschütteln. Die Anfänge sind das Schönste. Aber die besten sind die flüchtigen, die ich nicht notiere. Das ist ein wenig traurig, aber die Disziplin fehlt eben. Immerhin besser, als wenn ich an Weihnachten nach Isidora Duncan tanzen müsste.

*

: Alles ist auf Augenhöhe. Sogar die Abstufung. Ich sitze in der Petrischale. Das Universum pulsiert wie ein tiefgestimmter Kontrabass. Ein Bindestrich irrt durch die Schreinerei. Er klettert ein Stuhlbein hoch. Er möchte Fisch sein. Er lässt sich nicht kursiv stellen. Auch der Punkt nicht. Ich verweile in diesem Zustand, bis jemand kommt. Ich denke an die Löcher vom Käse. Welcher Charakter! Wie tapfer sie sind, wenn einer kommt mit Schneidezähnen!

*

: Erst knöpfen sie sich die Jacken auf, dann musizieren sie. Danach legen sie sich das ungewürzte Essen auf den gepfeffert-gesalzenen Teller. Hier ist Pragmatismus hochgeschrieben. Über Musik sprechen sie nicht. Sie haben ganz andere Themen. Beispielsweise Austern.

*

: Anna Blume. Er kaufte ihren Katalog. Nostalgie, meine Liebe, ist das Stichwort. Von hinten wie von vorn. Anna. Du existierst und ich bin leicht beschwipst. Je länger ich quatsche, desto oberflächlicher werde ich. Bier vor Vier ist kritisch. Komm zu mir. Der Kühlschrank ist gefüllt. Ich habe Licht und Strom. Das Licht kann man farblich changieren. Weißt du: Dem Kleeblatt gelingt sein viertes Blatt. Mir die Hoffnung.

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: Seit er weiß, dass die Zeit fließt, sucht er den Ausgleich im Tun. Exerzieren, sagt er. Schaffen. Tun. Zu schöpfen ist zu hoch gegriffen. Er ist an der Dehnung der Zeit interessiert. Erwartet vom Leben, dass es ihn erwartet. Dass es sich vor ihm entfaltet. Die Mechanismen verhindern die Kreativität. Daher ab und zu der herabschauende Hund. Er sagt Arbeit. Auch wenn er mit der Leidenschaft eines Suchenden sammelt. Die Augen offen, das Herz wach. Er isoliert. Absorbiert alles Azurblaue, das ihm begegnet. Der Himmel, ein Buch, ein Knopf. Er ist anstrengend, jedoch ehrlich. In der leeren Glasvitrine: Ausatmen. Seele baumeln lassen.

*

: Als guter Bekannter des Verhörten muss er im Prozess aussagen. Der Kalender ist ausgebleicht. Es war August und die Sonne bleichte den möglichen Eintrag aus. Dies könnte mehr Vorteil sein als ein Vorsatz, dachte er. Doch das Urteil fiel zu Ungunsten des Angeklagten aus. Man kann darob ins Grübeln kommen. Er aber stieg in den übervollen Zug, wo Menschen nach Pferden riechen und Hunde sich wünschen keine Hunde zu sein.

*