Trauerrituale – in neuer Form verbunden - Joanna Lisiak - E-Book

Trauerrituale – in neuer Form verbunden E-Book

Joanna Lisiak

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Beschreibung

Wer einen geliebten Menschen verloren hat, trauert um ihn. Auch wenn die Trauer nicht mehr ganz so tief ist, und wenn man akzeptiert, dass der / die Verstorbene physisch nicht mehr da ist, spürt man trotzdem eine Verbindung. In Mexiko besuchen die Lebenden am »Tag der Toten« die Gräber ihrer Verstorbenen: Ein Ritual, das ihnen hilft, mit dem Verlust zurechtzukommen und das gleichzeitig die Verbindung zwischen Toten und Lebenden stärkt. Joanna Lisiak bietet 88 Trauerrituale an, von denen einige sehr einfach und ohne große Vorbereitungen durchzuführen sind, andere sind komplexer und nicht immer und überall umzusetzen. Aber jeder Mensch trauert anders und braucht eigene Formen, mit dem Verlust eines lieben Menschen umzugehen. »Rituale in der Trauer bringen die vorhandene lähmende Starre und Hilflosigkeit in Bewegung.« – Joanna Lisiak

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Joanna LisiakTrauerrituale – in neuer Form verbunden

Über dieses Buch

Dem kaum Begreifbaren etwas Greifbares entgegensetzen

Wer einen geliebten Menschen verloren hat, trauert um ihn. Auch wenn die Trauer nicht mehr ganz so tief ist, und wenn man akzeptiert, dass der / die Verstorbene physisch nicht mehr da ist, spürt man trotzdem eine Verbindung. In Mexiko besuchen die Lebenden am „Tag der Toten“ die Gräber ihrer Verstorbenen: Ein Ritual, das ihnen hilft, mit dem Verlust zurechtzukommen und das gleichzeitig die Verbindung zwischen Toten und Lebenden stärkt. 

Joanna Lisiak bietet 88 Trauerrituale an, von denen einige sehr einfach und ohne große Vorbereitungen durchzuführen sind, andere sind komplexer und nicht immer und überall umzusetzen. Aber jeder Mensch trauert anders und braucht eigene Formen, mit dem Verlust eines lieben Menschen umzugehen. 

„Rituale in der Trauer bringen die vorhandene lähmende Starre und Hilflosigkeit in Bewegung.“ – Joanna Lisiak

Joanna Lisiak, geboren in Polen, lebt seit 1981 in der Schweiz; seit 2000 zahlreiche Buch­veröffentlichungen. Sie schreibt u. a. Lyrik, Kurzprosa, Theaterstücke und Essays und ist Mitglied im PEN und bei den Autorinnen und Autoren der Schweiz (A*dS). Ihre intensive Beschäftigung mit Trauerritualen basiert auf eigenen Erfahrungen.

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2024

Coverbild: © Pansfun Images / Stocksy (AdobeStock)

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2024

ISBN der Printausgabe: 978-3-7495-0557-9

ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0558-6 (EPUB), 978-3-7495-0559-3 (PDF).

Hinweise

Bei einer stark ausgeprägten Trauer, ob sie sich physisch oder psychisch zeigt, können Rituale keine psychotherapeutische oder ärztliche Behandlung ersetzen. Die im Buch beschriebenen Rituale können keine Wunder bewirken, aber möglicherweise eine gewisse Milde in den inneren Prozess bringen. Es handelt sich um ein unterstützendes Angebot, um Ideen, aus denen man schöpfen kann. Es ist eine Einladung, sich darauf einzulassen, spielerisch und mit offenem Herzen auszuprobieren, was in einem resoniert, was einen anspricht oder was man mit dem verbinden kann, was man bereits selbst praktiziert.

Zugunsten einer besseren Lesbarkeit verwende ich an manchen Stellen nur die männliche Form. Frauen sind jedoch stets mitgemeint.

Warum Rituale für mich wichtig sind

Nach einem persönlichen Verlust suchte ich Wege, um auf möglichst verschiedene Weisen in Verbindung mit meinem geliebten Menschen zu sein. Ich fand viele Möglichkeiten, wobei die Rituale einen ganz besonderen Platz im Prozess einnahmen, wie ich nach und nach merkte. Rituale sind per se von einem bleibenden Wert. Sie sind zugänglich und durchführbar, wann immer ich es möchte. Es gibt keinen „Trauerprozess“, der sich in dieser oder jener Weise entwickeln könnte, sondern im Gegenteil: Rituale trotzen den Prozessen, sie sind etwas ganz und gar Eigenes. Sie verdeutlichen den sichtbaren und gangbaren Weg, um der Verbundenheit und der Liebe, die bleiben, Ausdruck zu verleihen. Einen Ausdruck, der zu einem neuen Eindruck wird und welcher sich fortsetzt.

Die Trauer bringt alles durcheinander. Alles ist anders. Nichts kann je wieder so sein, wie es war. Vieles ist infrage gestellt. Die Strukturen zerfallen. Die Zukunft sieht ohne den geliebten Menschen unwirklich und düster aus. Das Lebensgefühl ist das eines verlorenen Kampfes, einer persönlichen Niederlage. Man fühlt sich so allein wie der letzte Mensch auf Erden. Ein Mensch, der untröstlich bleibt und dem nichts und niemand helfen kann. Außer, wenn die Umkehrung des Unumkehrbaren sich vollzöge.

Das Fühlen ist in dieser Zeit ein diffuses Durcheinander. Das Denken verkommt zu purem Chaos. Man fühlt sich ohnmächtig und spürt in sich die Lethargie und die Leere wachsen. Wünsche und Hoffnungen werden zu Hohlkörpern und man wünscht sich irgendetwas, das einem eine Stütze sein könnte. Die Lyrikerin Hilde Domin sprach von einer „Rose als Stütze“. Auch wenn wir diese Rose noch nicht sehen können, sie vielleicht nicht zu wünschen wagen, so hoffen wir innerlich doch, irgendetwas zu fassen zu bekommen, egal wie klein und zart es auch ist: einen Halm, ein undeutliches Zeichen, ein bisschen Ordnung, ein Mü Hoffnung. Man wünscht sich, wieder zuversichtlich zu sein, denn genau das ist einem anscheinend durch die Trauer und den Verlust abhandengekommen.

Vor allem fehlt einem die geliebte Person so unermesslich und unendlich. Wir möchten mit ihr im Austausch sein, mit ihr teilen. Wir vermissen ihren Beistand, ihren Rat oder ihre wohlwollende Art, die uns Sicherheit gab. Dass der geliebte Mensch physisch nicht mehr ist, ist schier oder überhaupt unbegreiflich und in gewissen Momenten kaum auszuhalten. Hier kann ein Ritual, das physischer Natur und in sich etwas Abgeschlossenes ist, das sich in Raum und Zeit abspielt, entgegenwirken. Es kann mich aus meinen inneren Räumen entführen und in neue Räume überführen – die da sind, wenn ich sie öffne.

Ich fand viele Wege, die gut für meine Trauer waren und sind, die sich weiterhin bewähren und die ich nicht missen möchte: Gespräche, innere bewusste Reisen, Meditieren, das Schreiben in vielen Formen, ob literarisch, ob als Tagebuch, in Zusammenfassungen meiner spirituellen Erfahrungen oder durch das Verändern alter Gewohnheiten. Doch es entwickelte sich in mir auch der große Wunsch nach Ritualen, insbesondere an speziellen Tagen, die ich mehr hervorheben, als dass ich sie vorbeiziehen lassen wollte. Zunächst war mir nicht bewusst, dass es Rituale waren, die ich suchte. Ich wollte solche Tage dann aber gestalten, ihnen Form und Absicht verleihen, sie in einen Ablauf betten, sie mit einem bestimmten Gefühl, einer Sprache jenseits der Sprache verbinden. Ich wollte das, was ich ohnehin lebe – die Verbindung mit meinem geliebten Menschen zu pflegen –, zusätzlich in einer äußeren Form darlegen. Das heißt nichts anderes als die Verbindung zu leben, zu fühlen, zu intensivieren und durch das Gestaltungselement Ritual alles nochmalig steigern, leicht umwandeln, in eine neue Sichtweise rücken.

Die Rituale fanden mich nach und nach von selbst. Sie boten sich an, während ich meine innere Reise machte. Bald gab es mehr Rituale als Tage. Sie kamen wohl auch deswegen mit einem gewissen Tempo und einer Dringlichkeit, weil sie alle derselben Familie entstammen und weil sie vielleicht nicht mir allein galten, sondern auch anderen Trauernden respektive Liebenden helfen könnten.

Ich mag das Wort „Trauerarbeit“ nicht, und gerade die Rituale sind für mich nicht darunter einzugliedern. Sie haben hierfür einen zu eigenständigen und einen viel zu erhebenden Charakter. Sie sind auch nicht der Fluss, der strömt, sondern sie sind gewissermaßen der aufgestaute Fluss, in den man bewusst baden geht. Sie sind das, was man „Erinnern mit Form“, „Verbinden durch Gestaltung“ nennen könnte.

Rituale sind für mich persönlich Samen geworden, die ich gerne über eine große weite Wiese säe, die dann mehr und mehr erblüht, die zunehmend in immer weiteren Farben prächtig strahlt. Es ist eine geschaffene, eine neue Natur und auch eine Natur, die für sich und aus sich heraus lebt und weiterwächst. Ich bin an ihrer Entstehung beteiligt. Ich darf an ihrer Entwicklung und Entfaltung teilhaben. Ich kann ihr helfen, zu sein, so, wie mir diese Natur hilft, einen gewissen inneren Frieden zu finden. Bereits der Anblick ihrer Pracht ist ein Geschenk an mich. Das Wissen, dass sie als Ort existiert, besänftigt mich. Meine Saat ist mein Geschenk an diese Natur und sie gibt es mir auf ihre Weise in vielfacher Art zurück.

Ein Ritual kann die Hand sein, die unsichtbar nach einem greift und eine Richtung weist. So kurz ein Ritual auch immer währt, es kann eine erste kleine Oase sein, auf der man ausruhen darf. Ein Ritual ist eine Brücke, über die ich zum anderen Ufer gehen kann und die mich von meiner eigenen Uferseite nicht wegdrängt. Rituale sind temporäre, friedliche Zufluchtsorte. Sie sind Wunder, auch wenn sie die Trauer nicht abschaffen können. Doch sie setzen ihr etwas Feierliches entgegen. Sie laden zum Perspektivwechsel ein. Rituale lassen die Trauernden sich als Menschen wieder anders spüren: distanzierter und innerlicher in einem. Ein Ritual ist ein bewusster Akt und wer es ausführt, ist zumindest währenddessen aufgehoben und geschützt vor der aktuellen Wirrnis in seinem Leben; sie kann ihn nicht überwältigen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Rituale selbst einen nicht überwältigen können. Sie tun es durchaus. Aber auf wundersame Weise: liebevoll, heilend, harmonisch, kräftig.

Rituale in der Trauer bringen die vorhandene lähmende Starre und Hilflosigkeit in Bewegung. Diese äußere Bewegung hat eine Auswirkung auf das Innere der Trauernden. Ein Ritual konfrontiert den Menschen, was nicht ohne Wirkung bleibt. Es kann ein lichtvoller Türöffner zu anderen Wahrnehmungen sein und manchmal sogar in andere Welten entführen. Wir verlassen die Welt der Ratio, geben uns hin und lassen uns auf die Form ein: körperlich, geistig, seelisch. Oftmals kommt dabei eine Klarheit heraus, die man durch rein rationelles Denken nicht erreichen würde, die aber am Ende zu Teilen just in diese Ratio führt. Ein Ritual ist immer eine mehrdimensionale Reise.

Nicht nur vom Ereignis oder vom Alltag hebt sich ein Ritual ab; es verdeutlicht überhaupt, was alles zum Leben dazugehören kann. Woraus es sich zusammensetzt, gerade, wenn es zersplittert erscheint. Ein Ritual kann ein anderes Denken hervorbringen und auch die Empfindungen in andere Bahnen lenken. Es kann das Festgefahrene von innen her auflockern. Es lässt die Trauer, das Chaos, das Profane des Alltags hinter sich, um sich demütig und durch Zuwendung zum Moment hin zu erhöhen, zu steigern, zu vertiefen. Die Qualität von Ritualen lässt sich schwer bemessen, aber eine Wirkung haben sie, das ist Fakt.

Raum für Rituale zu schaffen bedeutet auch, mehr Raum für sich selbst zu schaffen. Wenn man sie mit und für den geliebten Menschen macht, heißt das im Folgeschluss nicht weniger, als in diesem Raum Zeit mit der geliebten Person zu verbringen und Zeit für sich zu gewinnen.

Auch wenn einige Rituale rein äußerlich verlaufen, so zeigen sie doch Wege ins Innere. Sie erleichtern den Druck des erlittenen Schmerzes, den man selbst vielleicht (noch) gar nicht wahrnimmt. Zudem sorgen bewusst ausgeführte Rituale für eine besondere Langsamkeit, die für sich genommen einen Genuss in sich trägt. Und Rituale schaffen noch etwas anderes: Der Gedankenballast und der „Overload“ der Gefühle können geradezu mühelos zur Seite gelegt werden, was mit bewusstem, sprich rationalem Arbeiten oftmals nicht gelingt.

Man führt in einem Ritual etwas zusammen, das auseinander zu liegen scheint, und Verklumptes zerlegt man in einzelne Stücke. Das Ergebnis ist nie klar einheitlich und absehbar. Es gibt keine Noten zu vergeben und keine Erfolge einzuheimsen. Wer jedoch aufrichtig und mit Offenheit an ein Ritual herangeht, wird am Ende etwas finden, das man mit Attributen wie „wirkungsvoll“ oder gar „heilsam“ versehen kann.

Wenn die Trauer nicht mehr so stark spürbar ist, sind Rituale, die man ausüben möchte, in einer Form aufgehoben, die die Verbundenheit mit dem geliebten Verstorbenen wieder intensiviert und gestaltend weiterträgt. Sie sind weder Fesseln, noch haben sie etwas mit dem allgemein gepredigten Loslassen zu tun. Und nichtsdestotrotz ist die Anbindung zum geliebten Menschen via Ritual ein Befreiungsschlag. Man merkt: Man muss hier nicht loslassen, was man nicht loslassen möchte. Man kann der geliebten Person im rituellen Rahmen nah sein. Man hat die Möglichkeit, sie auf andere Weise zu ehren und das, was einen mit ihr verbindet, kann man im Ritual hüten und wahren.

In Bezug auf Trauerarbeit hielt man es früher in der Psychotherapie für angemessen, die geliebten Menschen ziehen zu lassen. Das ist inzwischen richtigerweise nicht mehr so, denn das Herz möchte die Verbindung, die ja ohnehin ist und bleibt, beibehalten. Trauernde wollen und können nicht ziehen- und loslassen, was ja ist. Umso mehr gilt es, neue Formen der Beziehung zu finden, die Beziehung zu verlagern, weil sie 1:1 nicht mehr lebbar ist. Man darf diese neue Form innerlich, punktuell oder eben in den Ritualen ausleben. Das bedeutet, sie gedeihen zu lassen und den geliebten Menschen für sich auf neue Weise anders spürbar zu machen als zu Zeiten, wo er physisch da war. Dies ist zunächst nur subtil wahrnehmbar, und es ist auch ungewohnt, gleichwohl ist es innerlicher denn je.

Das mag paradox klingen, doch tendenziell ist das Leben eher widersprüchlich; es verläuft nicht unbedingt in dualistischen und logischen Bahnen und lässt sich nicht nach Ursache und Wirkung ordnen. Tatsächlich machen solche Einordnungen einem am Ende mehr etwas vor, als dass dadurch tatsächlich eine Ordnung entsteht. Von heute auf morgen kann die Welt bekanntlich eine andere sein und siehe da: Es ist wirklich so. Trauernde wissen das besonders. Der Mensch ist auf einmal nicht da. Und doch ist er hier. So sehe ich das. Physisch ist die Person nicht mehr zugegen, kann nicht mehr auf mich zukommen und mich umarmen. Doch sie ist umso anwesender in dieser vermeintlichen Abwesenheit – so meine persönliche Erfahrung. Der geliebte Mensch ist nicht mehr, aber die Liebe, die Verbindung, das Band und die Beziehung: Sie bleiben bestehen. Mehr noch: Sie können wachsen, sich entwickeln, sich fortsetzen. Das ist meine tiefe Überzeugung.

Ich habe das Entweder-oder-Prinzip schon lange abgelegt und es umso mehr auf das Sowohl-als-Auch verlegt. Ich habe mich dem Nicht-Wissen geöffnet, und ich bin bereit, mit offenem Herzen darauf zuzugehen. Die Erfahrung zeigt, dass ich dadurch beschenkt werde – von dem, was ich nicht hätte erwarten können, weil ich es nicht im Blick meines engen Horizonts hatte. Ich habe gelernt, dass es wohl besser ist, gute Fragen zu stellen, als zu rasch klug anmutende Antworten von sich zu geben oder sie stracks anzunehmen, weil man als Trauernde/r scheinbar kritiklos alles zu absorbieren hat, weil man gerade in der Seele so sehr verletzt ist. Aber selbst inmitten der Trauer kann man neue Stärken entwickeln, für sich einstehen, sich verteidigen, seine eigene Wahrheit suchen. Nicht zuletzt durch die Unterstützung just des Menschen, der physisch nicht mehr ist. Ich lasse vermehrt viele Fragen offenstehen. Ich akzeptiere, dass das nicht Erklärbare integraler und möglicherweise wesentlicher Bestandteil meines / unseres Daseins ist.

Ich bin mir sicher, dass man mit Ritualen, wie ich sie in diesem Buch beschreibe, etwas zusammenhalten kann, das sich im Lauf der Zeit verwässern könnte oder das beginnt, sich zu verfremden. Es stellen sich keine Fragen mehr und auch Antworten bleiben aus. Das vorliegende Angebot ist eine Einladung, dagegenzuhalten.

Ich habe erlebt, dass Rituale Erfüllung schaffen. Sie tilgen die Trauer nach und nach, zumindest temporär und zu einem Teil. Und wenn sie es tun, dann immer auf besonders schöne Weise. Rituale stützen, wenn wir gelegentlich wieder fallen. Sie geben Halt und Frieden in der Zerstreuung oder wenn Orientierungslosigkeit sich erneut breitmacht.

In ihrer Form sind die Rituale äußerlich und physisch, aber sie haben vor allem einen tiefen, inneren Charakter, der sich nicht sofort offenbart. Die physische Durchführung eines Rituals durchdringt durchaus die geistigen, seelischen, mentalen und emotionale Ebenen und schafft neue Verbindungen in diesen Bereichen.

Außerdem gibt es mitunter nichts Schöneres, als friedlich in der inneren Welt zu sein, wo auch der geliebte Mensch seinen Platz hat. Ob man ein Ritual gemeinsam macht oder allein: Man ist in diesem Raum mit und bei sich, und die Pflege dieses Inneren ist elementar wichtig für alles andere, was sich außerhalb dieser inneren Welt abspielt. So meine Überzeugung.

Für mich ist es wichtig, in Verbindung mit dem geliebten Menschen zu bleiben und das Nicht-Vergessen bewusst zu leben. Rituale helfen mir dabei, denn sie sind dafür da, die Liebe auch auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen. Sie öffnen Räume, um den geliebten Menschen zu feiern, zu ehren, ihn bewusst ins Leben zu integrieren, dort, wo er ist und seinen Platz hat. Es sind Zeitfenster, in denen es manchmal besonders weh tut, bevor die heilsame Wirkung einsetzt. Aber es sind Fenster, durch die man auch unter Tränen ins Unbekannte sehen und eine neue Wirklichkeit kreieren kann, die zu einem gehören darf. Die Rituale sind auch Anker, um so die neue Beziehungsform zu leben und sich seiner selbst und der Beziehung zum geliebten Menschen besonders bewusst zu werden.

Ich glaube nicht nur an die Kraft der Liebe, sondern auch an das Potenzial des klaren, reinen Bewusstseins. Ich bin mir gewiss, dass sich mit Ritualen andere Bewusstseinsformen öffnen, einem zugänglicher werden können und dass die Rituale hierfür relativ einfache Werkzeuge darstellen. Was auch immer das für Bewusstseinsformen sein mögen; ob wir vom Unter- oder Über-Bewusstsein sprechen oder ob von allerlei Zwischenformen: Das klare Bewusstsein zu leben bedeutet nicht zuletzt, eine innere Ruhe, eine Zufluchtsstätte, eine Kraftquelle zu haben. Es ist so, als hätte man eine Apotheke bei sich mit Mitteln gegen das, was einen belastet oder mit solchen, die stärkend auf den aktuellen Zustand einwirken, darauf, wo man derzeit im Leben mit sich und mit seinem geliebten Menschen steht.

Was ist das Besondere an Ritualen?

Rhetorische Frage: War die Gute-Nacht-Geschichte von damals deswegen so ein Highlight, weil die Story ein Kracher war? Oder war es das Regelmäßige, Vertraute daran, das uns die Geborgenheit gab und eine Verbindung zu der Person schuf, die diese Geschichte für uns vorlas und somit Vertrauen, Heimat in uns weckte?

Im Vergleich zu Routinen haftet Ritualen etwas Feierliches, Anmutiges, Weihevolles an. Auch wir werden anmutig, nehmen eine andere Haltung ein, wenn wir ein Ritual durchführen oder uns darauf vorbereiten. Rituale sind jedoch mehr als die reine Durchführung. Wichtig sind auch die Vorbereitung und die Zeit direkt danach, mitsamt dem, was ein Ritual vorher auslöst, wie es nachwirken kann und wie es sich während der Aktivität selbst anfühlt. Es ist mitunter die Schönheit dieser Trinität, die Rituale so besonders macht. Der Anfang, der Mittelteil und das Ende.

Diese Abgeschlossenheit bildet einen eigenen Zeitraum. Gleichwohl sind Rituale, die regelmäßig durchgeführt werden, ebenso in ein Kontinuum eingebunden. Diese beiden Aspekte, einerseits das Wesenhafte eines Rituals, das in sich ist und sich innerhalb des Durchgangs entfaltet, andererseits die Fortführung eines Rituals zu einem anderen Zeitpunkt, binden auch uns in die Reisen ein, auf denen wir uns jeweils befinden. Wir können im Ritual immer im Jetzt sein und auch in jenem Jetzt, das war oder das noch kommen wird, wenn wir das Ritual zu einem späteren Zeitpunkt durchführen.

Rituale sind keine Strukturen, die wir im Alltag benötigen. Sie sind gewissermaßen Extras. Innerhalb ihrer Abläufe haben sie aber allemal Struktur und je mehr solcher rituellen Ankerpunkte wir haben, können sie gar zur Struktur des Lebens beitragen. Rituale können also Bestandteil unseres Lebens und Teil dieser Lebensstruktur sein. Sie können auch jene schönen Orte sein, die wir ab und zu oder regelmäßig aufsuchen und die uns somit auf eine besondere Weise „gehören“.

Es ist wichtig zu unterscheiden, dass Rituale nicht Gewohnheiten oder Routinen sind. Sie sind gewissermaßen ihre Durchbrecher. Während Routinen oft unbewusst vonstattengehen, sind Rituale bewusste Akte. Sie geschehen nicht nebenbei, sondern in für sie vorgesehenen Zeiteinheiten und in bewusst für sie geschaffenen inneren / äußeren Räumen. Rituale sind die wahrgenommenen Pausen vom Fluss, der unsere Lebenszeit oftmals, um nicht zu sagen zumeist, unbewusst durchströmt.

Rituale sind etwas Ur-Menschliches. Ohne Ethnologin, Soziologin oder Historikerin zu sein, möchte ich behaupten, dass es in der menschlichen Entwicklung wohl nie eine Zeit ohne Rituale gab. Sie gehören zur Conditio humana. Man könnte sagen, sie sind in unserer DNA gespeichert und sie sind ebenso universell wie sie archaisch sind. Rituale sind Kulturgut, Teil unserer Gesellschaft und schaffen Ordnung, vermitteln ein gemeinschaftliches Gefühl. In bestimmten Kontexten sind sie ein gemeinsamer Nenner; sie verbinden uns miteinander und mit uns selbst.

Wie eine Fackel, die von Generation zu Generation weitergereicht wird, haben Rituale etwas Energetisches in sich, wie eine „ewige Flamme“, die nicht vergehen kann. Die Rituale in diesem Buch sind zunächst etwas individuell Erprobtes, sie sind Vorschläge von Mensch zu Mensch und subjektiver Herkunft. Sie erheben deshalb keinen universellen Anspruch. Und dennoch haben sie aufgrund ihrer Beschaffenheit, ihrer Absicht und ihres Aufbaus das Potenzial, über den persönlichen Rahmen hinauszuwachsen – wenn sie praktiziert und gelebt werden. Seit jeher werden Rituale übernommen; sie werden auseinandergenommen, neu zusammengefügt und am Ende weitergegeben. Nichts anderes wünsche ich mir für die Rituale in diesem Buch.

Ein Ritual ist stets eine Erfahrung. Erfahrungen sind aktiver Natur und deshalb ist es etwas komplett anderes, über Rituale nur zu lesen oder von ihnen gehört zu haben, als aktiv an ihnen beteiligt zu sein. Man kann in den blumigsten Worten nicht vorwegnehmen, was bei oder nach einem Ritual alles in Gang gesetzt, oder umgekehrt, was besänftigt wird.

In allererster Linie schaffen Rituale Zeitfenster und zwar solche, die sich bewusst öffnen. Es entsteht ein Rückzugsraum, der allein dem Ablauf eines Rituals vorbehalten ist. Indem man tut, was ein solcher Ablauf von einem gerade verlangt, nimmt man sich währenddessen selbst wahr, man spürt, dass man lebt. Dieser Fokus bringt, in Verbindung mit dem lieben Menschen, dem man sich zuwendet, eine Ruhe, in der ein anderes Denken und Fühlen möglich sind: Empfindungen und Wahrnehmungen, die man manchmal nicht in Worte übersetzen kann, mitunter, weil sie nur im Kontext der rituellen Handlung auftauchen.

Als physischer Akt und geistiger Raum schafft das Ritual eine Dringlichkeit, ergo eine Bedeutsamkeit. Gemeinsam ausgeführte Rituale wirken eher verbindend, allein durchgeführt können sie jedoch ein Öffner zu neuen inneren Ebenen sein. Rituale erzeugen Ruhe und Harmonie. Selbst diejenigen, die bereits ruhig und harmonisch im Einklang mit sich und der Welt sind, werden möglicherweise hier eine Erhöhung bzw. Vertiefung erfahren. In Verbindung mit einem Ritual entsteht oftmals eine größere Wertschätzung oder man ordnet Dinge bewusst neu ein. Das gilt für die hier vorliegenden Rituale, denn sie zeichnen sich ja durch die Liebe zu unseren geliebten Menschen aus.

Sich bewusst und wohlwollend eines Rituals anzunehmen bedeutet am Ende, sich von ihm einnehmen zu lassen. Seine Macht ist gerade im Mikrokosmos des Subtilen zu suchen und seine Kraft und somit auch alles, was ein Ritual uns schenkt, wächst im Tun und in der Wiederholung. Rituale können Energie kanalisieren und ebenso Energie spenden und freisetzen. Grundsätzlich kann jede Form des Rituals das Leben aufwerten und festigen, auch außerhalb der Ritualdurchführung. Im Ritual selbst aber erliegen wir manchmal der Illusion, die Welt überschauen und sie nach eigenen Regeln ordnen zu können. Diesen Unterschied dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

Während oder nach einem Ritual können vorher nicht zugängliche Sinnzusammenhänge und Klarheiten entstehen. Rituale können einen inneren Frieden schaffen und Halt geben, selbst dann, wenn die subjektive Erfahrung mehr im Bereich einer Ahnung liegt und man das, was man in der Tiefe seiner vielen Ebenen und zutiefst erlebt hat, nicht unbedingt ausformulieren kann. Rituale schaffen subtile, intime und harmonische Orte, wo Worte nicht greifen.

Und nicht zu vergessen ist, dass wir durch Rituale gestalten. Was? Das Leben. Einen Teil davon.

Bevor es losgeht

Grundlagen

Rituale finden in Räumen statt

Betrachte ein Ritual als einen Raum, der sich innerhalb eines Rahmens und der Rahmen sich wiederum innerhalb einer bestimmten Zeit abstecken lässt. Der Ort deines Rituals ist dort, wo du gestalten darfst, wo du dich mit einer Absicht, aber auch ganz offen einbringst. Wo du dich einfinden kannst, um nichts anderes zu erreichen, als durch diesen Ritual-Raum in einen anderen zu gelangen. Um von dem Ort aus, an dem du jetzt gerade bist, an einen anderen Ort zu kommen, der dieses „Jetzt“ ablöst und zu einem ewigen „Jetzt“ macht. Sprich, ein Ort, an dem sich Zeit und Raum auflösen können.

Atmosphäre

Atmosphäre ist wichtig. Sie ist Bestandteil deiner wohlwollenden Absicht, das Ritual aufrichtig und erwartungsfrei zu machen. Allein dadurch, dass du dir diese Zeit gibst und bereit bist dich einzulassen, entsteht Atmosphäre.

Du brauchst nicht unbedingt einen fürs Ritual eigens geschaffenen, also physisch vorhandenen Raum in der Wohnung. Mach dir deshalb keinen Druck, denn fast niemand hat so etwas. Man darf sich von den inzwischen klischeehaften Bildern, die man mit innerer Einkehr verbindet – Meditationskissen, Buddhastatuen, altarähnliche Gebilde und dergleichen –, gerne distanzieren. Auch ein Klangraum kann ein Raum sein, den man z. B. mit einer Klangschale gestaltet. Sie ist rund und hüllt dich in eben einen solchen runden Raum ein. Durch das Einläuten entsteht bereits der Raum, in dem das Ritual seinen Anfang nehmen darf. Ein Klang vor und nach dem Ritual macht das Vorhaben perfekt.

Zweifelsohne ist dies den buddhistischen Meditationspraktiken entlehnt, aber ich habe selbst sehr gute Erfahrungen mit diesem schwingenden, monotonen und angenehm einlullenden Ton gemacht, der zudem ein nachklingender Teppich ist, auf dem man atmen kann. Auf den man die Alltagsgedanken legen und zur Stille bringen kann, bevor man mit dem Ritual beginnt.

Du erkennst: Bereits die Vorbereitung fürs Ritual kann und soll kleine Rituale enthalten. Später im Buch werde ich dir noch mehr solcher Rahmenbedingungen vorstellen.

Zeitfenster

Verabrede dich zum Ritual. Lege eine Zeit fest, und wenn du das Ritual zeitlich begrenzen möchtest, sorge dafür, dass das gewählte Zeitfenster nicht zu eng ist. Wenn du dir z. B. zehn Minuten vornimmst, beim Durchführen aber merkst, dass du erst herunterkommst, wo der Alarm schon läutet, ist das sehr schade. Das unterbricht unnötig die sich aufbauende positive Energie.

Gute Daten für Rituale können diejenigen Tage und Stunden sein, die du ohnehin im Auge hast; freie Tage oder Momente, die schon immer dir allein gehört haben. Ich empfehle dir, im Kalender weitere gut geeignete Tage zu vermerken, die vielleicht für ausgiebigere Rituale reserviert werden können. Beispiele: Geburtstag der geliebten Person, Jahrestag des Kennenlernens oder des Heiratsantrags, Valentinstag, Hochzeitstag, Allerheiligen, Tag X, der schon immer besonders war, weil … usw. usf.

Wo es möglich ist, gebe ich an, wie viel Zeit du in etwa für ein Ritual benötigst. Oft liegt es aber an dir selbst, wie intensiv du es durchführen möchtest. Bei einigen Ritualen wirst du über einen längeren Zeitraum hinweg kleinere Einheiten ausführen und manche Rituale sind an Aktivitäten gebunden, die vermutlich ohnehin zu deinem Leben gehören, z. B. Spaziergänge machen oder Gäste einladen.

Ablenkung

Stell dein Handy auf Nacht- oder Flugmodus. Auch die Benachrichtigung für E-Mails auf deinem Computer sollte nicht aktiviert sein und nicht unnötig stören. Minimiere oder schalte auch andere Geräuschquellen aus. Vielleicht musst du dich bewusst abkapseln und abmelden. Tu dies und rechtfertige nicht, warum. Du bist von dann bis dann beschäftigt und basta.

Überlege zudem, was getan werden sollte, damit du eine gewisse innere Ruhe hast. Musst du vorher eingekauft, die Pflanzen gegossen, die E-Mails gecheckt haben? Könnte der Postbote kommen und an der Türe klingeln? Erledige, was zu tun ist gerne vorher, aber betreibe diese Tätigkeiten nicht derart exzessiv, bis du vor lauter Tun das Ritual auslassen musst, weil du danach zu erschöpft bist. Sei dir also bewusst, was das Allerwichtigste und Notwendigste ist, das dich in Gedanken nicht ablenken darf und hake das ab.

Fixiere nach diesen Erledigungen einen genauen Beginn für das Ritual. Sei dir im Klaren, was du bis dahin geschafft hast und dass der Rest später erledigt wird. Mach vor dem Ritual noch eine kurze Pause von maximal fünf oder zehn Minuten. Danach geh unmittelbar ins Ritual über. Denk daran: Ein Ritual zu machen ist kein Muss, es unterscheidet sich von den Aufgaben und Pflichten, die vorher und danach erfolgen. Ein Ritual braucht seine Zeit und gleichzeitig blockiert es dich zeitlich nicht übermäßig. Es hat eine etwas andere Zeitqualität, es ist gleichzeitig kurz und bündig und dehnbar.

Musik

Wenn du Musik als Hintergrund benötigst, dann achte darauf, dass sie dich nicht ablenkt, etwa, dass sie dich nicht verführt, mitzusingen oder mitzutanzen. Etwas anderes ist es, wenn du dich zur Einstimmung singend oder musizierend auf ein Ritual mental vorbereiten möchtest. Falls du Hintergrundmusik wünschst, empfehle ich etwas ganz Neues, das nur in Zusammenhang mit den Ritualen steht. Es kann auch eine reine Geräuschkulisse sein: die Wellen des Meers, meditative Musik oder das, was dich auf dem inzwischen riesigen Markt an Angeboten anspricht. Oder nimm etwas Passendes, das du bereits in deiner Mediathek hast und von dem du weißt, warum es der richtige Sound für dich ist.

Vorfreude

Wenn du ein Ritual ausgesucht hast und weißt, wann und wie du diesen Raum fürs Ritual schaffen kannst, und wenn du zudem auch zeitlich weißt, wann es stattfinden wird und dass nichts dich stören wird, dann erlaube dir, dich darauf zu freuen. So, wie du dich auf eine Feier freuen würdest oder darauf, jemanden bald zu sehen. Die Vorfreude bringt dich in eine harmonische, gute Stimmung, die dem Ritual von innen Schwung verleiht und das Vorhaben bereits im Vorfeld lebendig macht.

Konkrete Einstimmung

Wenn du das Obige gut vorbereitet und geplant hast und du dich auf das Ritual freust, sind die nachstehenden Abläufe weitere Möglichkeiten, um dich konkret einzustimmen, bevor du das Ritual angehst.

Äußere dein Wohlwollen

Bitte innerlich darum, deine Gedanken und Gefühle, die nicht mit dem Ritual zu tun haben, zur Seite legen zu dürfen. Halte hierfür einen imaginären Koffer oder einen Korb bereit, in dem du alles, was an ablenkenden Gedanken aufkommen möchte, verstauen kannst. Nach dem Ritual kannst du den Koffer oder Korb wieder hervorholen.

Sei mit deinem physischen Körper zugegen

Das mag zunächst paradox klingen, denn wir sind nun einmal im Körper. Es wird dich aber im Ritual stärker erden, wenn du dir des Körpers als Vehikel, als Adressat bewusst bist.

Was du hierfür tun kannst:

Klopfe aufs Herzchakra.

Öffne die Arme oder die Hände, strecke sie von dir und atme tief durch.

Nimm, wenn es das Ritual erlaubt, eine ganz bestimmte und für dich bequeme Position ein.

Falte gegebenenfalls deine Hände.

Schließ deine Augen, bevor das Ritual beginnt oder wenn es das Ritual erlaubt.

Du kannst auch beide Handflächen auf deine Augen legen, um die Dunkelheit und Energie in diesem Bereich zu verstärken.

Ritual-Duft

Träufle dir einen bestimmten Duft (z. B. ein Duftöl) auf bestimmte Körperstellen, zum Beispiel auf die Schläfen, auf die Unterseiten der Arme, aufs Kopf-Chakra. Auf diese Weise wirst du dein Ritual mit einer olfaktorischen Note versehen. Wenn du das regelmäßig tust und den Duft exklusiv für Rituale (bzw. für jedes einzelne Ritual einen bestimmten Duft) verwendest, wirst du die Rituale mit der Zeit mit diesem Duft auf der sinnlichen Ebene verbinden.

Du kannst auch einen Raumduft verwenden, z. B. in Form von Räucherstäbchen, Weihrauch, einer Duftkerze oder eines Energie-Sprays. Das Angebot ist vielfälltig. Wähle aus, was für dich passt und hülle dich oder den Raum beziehungsweise das Ritual in einen exklusiven Duft ein.

Wenn du keine Düfte magst, empfehle ich, falls das Ritual nicht draußen stattfindet, vorher bewusst zu lüften. Du kannst zum Beispiel Fenster um Fenster öffnen und sie dann nach und nach wieder schließen. Das bringt eine gewisse Energie in die Wohnung und lenkt auch dich von aktuellen Problemen oder Gedanken ab.

Bewusst beginnen

Beginne das Ritual, indem du laut oder leise zu dir selbst sagst:

„Schön, dass ich [Vorname] jetzt das Ritual [Name des Rituals] machen darf.“

Wenn du es gemeinsam mit anderen durchführst, sagst du:

„Schön, und Danke dafür, dass ich mit dir / euch jetzt das Ritual machen darf.“

Während des Rituals

Deine Gedanken und Probleme des Alltags hast du vor dem Ritual aus dem Kopf in den Koffer verbannt. Auch jede Form von Alltagsgespräch sollte, wenn es sprachliche Anteile in deinem Ritual gibt, außen vor sein. Bleib konzentriert, als würde es sich um etwas Zeremonielles, eine Art Auftritt handeln, wo das Geschwätzige eines Subjekts nicht zugelassen ist, sondern das Stück und die eingenommene Rolle im Fokus stehen.

Bewusst abschließen

Bedanke dich im Stillen oder verlautbare:

„Danke, dass ich [Vorname] dieses Ritual habe machen dürfen.“

Du kannst die Hände zum Dank falten und mit dieser Pose das Ende einläuten. Wie gesagt, ist auch der Klang einer Schale ein schönes „Schlusswort“.

Noch einige Anmerkungen

Ich duze dich, denn ich spreche zu dir. Wir sind in einer persönlichen Erfahrung unterwegs, vom Ich zum Du.

Auch für diejenigen, die an ein großes Ewiges bzw. Ganzes glauben: Ich spreche nicht vom Tod, weil ich das Wort problematisch finde und weil es aus meiner Sicht die Zäsur nur in der physischen Ausprägung gibt und alles fließender, transformativer Natur ist.

Ich spreche vom geliebten Menschen oder von der geliebten Person und meine damit alle Geschlechter, die ein Mensch haben kann – männlich, weiblich oder divers.

Das Buch ist auch offen gegenüber denjenigen, die eher skeptisch sind und die Wirkung von Ritualen infrage stellen. Vieles kann auf den ersten Blick allzu einfach anmuten oder den Anschein erwecken, rein symbolischen Charakter zu haben. Erlaube dir, wenn du besonders kritisch bist, dich dennoch einzulassen, vor allem Kategorien wie eben den Ausdruck „Symbolcharakter“ zur Seite zu legen. Das Potenzial der Rituale liegt nicht in einer konkreten Bewertung und theoretischen Zuordnung, sondern im Akt, in der wohlwollenden Handlung selbst und vor allem in der wertfreien Umsetzung.

Manchmal lese ich mehrere Bücher zu einem bestimmten Thema oder wälze mich durch hunderte von Seiten, um dann den einen Satz zu finden, der für mich wichtig ist. Eine Aussage, die in mir anklingt, die mir ein persönlicher, mir geltender Wegweiser ist oder eine Möglichkeit, innezuhalten, mich gegebenenfalls neu zu positionieren. Wenn in diesem Angebot von 88 Ritualen eines dabei ist, das mit dir resoniert, welches sich also gut anfühlt, wenn du es durchführst, dann habe ich geschafft, den Leserinnen und Lesern das zu schenken, was ich gerne weitergeben möchte.

Wenn du einen oder mehrere Orte des Friedens für dich schaffen und finden kannst, wenn neue weite Horizonte erkennbar werden und gar Erkenntnisse mit sich bringen, dann ist das mehr als sehr viel und du darfst dich glücklich schätzen. Vielleicht ist es am Anfang so, dass die Rituale lediglich Ruhe in dein Leben bringen. Aber auch diese kurzzeitige Zufriedenheit ist „nicht nichts“ und auf diesem „nicht nichts“ kannst du allemal Stück für Stück aufbauen.

Rituale haben etwas Reinigendes und sie können an Stellen Klarheit schaffen, an denen einem zuvor nicht einmal bewusst war, wie getrübt sie eigentlich waren oder dass es ein solches Thema überhaupt gab. Bei aller Bescheidenheit bin ich überzeugt, dass du in und durch die Rituale dein Fühlen und deine Bindung zu deiner lieben Person vertiefen kannst. Die Rituale werden etwas in Bewegung bringen, dich vermeintlich zurückwerfen, Wunden aufreißen. Sei geduldig und vertraue dem Prozess. Manchmal wandert man fünf Stunden, um den einen Anblick zu genießen, doch ist man oben angekommen, erwartet einen vielleicht ein Wolkenmeer, das die gewünschte Aussicht erstmals nicht zulässt. Aber vielleicht wartet eine umso schönere Perspektive auf dich, wenn du sagst: „Okay, ich komme wieder.“

Nimm dir zudem nicht zu viel auf einmal vor. Lass dich inspirieren. Lass dich einen Weg durch das Angebot finden. Geh dasjenige Ritual an, das dein Herz sofort anspricht. Schmökere und überlass es dem „Zufall“. Oder lese alles in Ruhe, lass nachwirken und komm zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurück, wenn es um die Umsetzung geht oder ein Datum heranrückt, das du rituell gestalten möchtest. Nichtsdestotrotz hat das Buch einen Aufbau: Die eher „leichteren“ Rituale sind vorne zu finden.

Es gibt bei der Durchführung kein Richtig oder Falsch. Es ist zudem wenig sinnvoll, dieses Buch als eine „To-Do-Liste“ anzusehen, die man abarbeiten könnte. Alles, was du hier lesen kannst, sind Vorschläge und Einladungen. Es wäre schön, wenn ich dich damit mitnehmen kann auf hoffentlich wunderschöne, innere Reisen, die mögliche Erwartungen übertreffen. Am besten ist es, wenn du dich spielerisch und frei von jeglichen Erwartungen darauf einlässt. Und bevor du ein Ritual durchführst, solltest du den jeweiligen Ablauf durchgelesen haben, damit du über alle notwendigen Informationen verfügst.

Es gibt bei Ritualen kein Mehr, sondern nur das für dich Richtige. Regelmäßigkeit ist dennoch gut, denn Rituale zeichnen sich just dadurch aus, dass sie wiederkehrend durchgeführt werden. Druck ist bei Ritualen weniger gut, wie man auch lieber entspannt meditiert oder überhaupt besser locker als verkrampft etwas ausübt. Wobei es bei Ritualen auch nicht darum geht, dass die Übung den Meister macht. Um beim Thema Meditation zu bleiben: Wer an einen Mönch denkt, der täglich meditiert, nicht etwa, weil er üben muss, sondern, um im Meditationskontinuum zu bleiben, und wer dann auch bei Ritualen eine solche „mönchische Haltung“ einnimmt, der bleibt am Ball. Dem werden die Rituale zu etwas Natürlichem werden. Was nicht bedeutet, dass sie dadurch an ihrer Besonderheit einbüßen.

Fühl dich frei, die vorliegenden Vorschläge nach deinem Gutdünken abzuändern, sie zu vermischen oder sie als Anregung zu nutzen, um ganz eigene Ideen umzusetzen. Am Ende des Buchs sind ein paar Seiten just hierfür reserviert: Dort kannst du deine ganz persönlichen Rituale notieren und auch solche, die du adaptiert hast. Oder du kannst diese Seiten nutzen, um die gemachten Erfahrungen, die du nicht missen möchtest, dort zu notieren.

Bleib spontan, bleib dir treu. Folge deiner Intuition und nimm die Sache nicht derart ernst, als dass du meinst, nur salbungs- und weihevoll dabei sein zu dürfen. Du kannst ebenso kopf- und orientierungslos dabei sein, wenn es dein momentaner Zustand nicht anders erlaubt. Ebenso darfst du dich darauf freuen, besonders hingebungsvoll und zeremoniell einem Ritual beizuwohnen. Etabliere deine Lieblingsrituale, wenn dir danach ist. Lass sie aber durchaus locker und in der Annäherung offen, wenn dir dies lieber ist und du dich nicht entscheiden möchtest. Probiere einfach aus, um dann weiterzusehen.

Einige Rituale beziehen Menschen aus deinem Umfeld mit ein. Selbstverständlich kannst du auch alle anderen mit einer vertrauten Person oder mit mehreren lieben Menschen durchführen. Manchmal ist das sogar schöner. Um gegebenenfalls den Druck rauszunehmen, macht vorher aus, nach dem Ritual das Geschehene, das Gefühlte nicht zu zerreden. Es sei denn, der Wunsch nach einem Austausch der Erfahrungen ist immens. Man darf nicht unterschätzen, dass nach einem aktiv durchgeführten Ritual auf die Wirkung oftmals eine Nachwirkung folgt. Vielleicht findet es mehr Anklang, wenn alle Beteiligten ihre Erfahrungen für sich niederschreiben oder ihnen innerlich nachspüren, statt in einen regen verbalen Austausch zu treten, in dem es oft darum geht, kognitiv zu erklären, was jenseits der kognitiven Begrenzung liegt. Es liegt außerdem nicht jedem und jeder, etwas innerlich Gefühltes gleich mit anderen zu teilen oder es zu verbalisieren.

Ich wünsche dir viel Freude und ganz besondere Erfahrungen mit den Ritualen. Mögen sie deine Trauer nicht nur lindern, sondern dich deinen geliebten Menschen, die physisch nicht mehr hier sind, auf neue Weise wieder näherbringen.

1. Rituale in der Natur

1.1 Ich gehe zu den Bäumen

In die Natur gehen, dort die Kraft, den Antrieb wieder finden. In die Natur, zur Quelle pilgern. Dahin, wo die Ruhe ist.

Gerade das fällt jedoch jenen nicht ganz so leicht, die nicht gewohnt sind, in der Natur zu spazieren oder für die solche Spaziergänge mit der geliebten Person verbunden sind, die physisch nicht mehr da ist. Man weiß, dass es einem gut tun würde und doch fehlt die Grundmotivation, diesen ersten Schritt ins Grüne zu unternehmen. Es ist, als müsste man sich dazu überwinden. Es gibt drei Gründe, es dennoch zu tun:

Du weißt vom Kopf her um diese Kraftquelle.

Immer mehr Menschen ermuntern dich, rauszugehen.

Die Bäume sind alle schon da und warten auf dich.

Wer keinen Hund oder keine Begleitung hat, wer keinen Sport im Wald treibt oder nicht im Waldbaden geübt ist, der macht sich vermutlich nicht einfach dorthin auf, weil irgendjemand meint, es sei eine gute Idee. Gerade in der Trauer tut man sich äußerst schwer damit. Und man dreht sich im Kreis. Weil man eigentlich weiß, dass der Wald in dieser Zeit heilsam wäre. Weil man zugleich spürt, dass man keine Kraft hat. Am Ende ist man frustriert, verunsichert, hat Angst. Immer wieder verschiebt man Pläne, rauszugehen, bis man sie vergisst.

Verabrede dich deshalb mit den Bäumen, wie du es mit Freunden tun würdest. Verabrede dich mit diesem einen besonderen, der heute dein Baum sein wird. Zieh los, um diesen einen zu finden. Wenn du vor diesem Baum stehst – und du wirst wissen, dass es dieser und kein anderer ist –, dann begrüße ihn ordentlich. Umarme den Baum, selbst, wenn er noch ganz klein ist, und sei dir bewusst: Das ist nicht nur ein Baum, es ist ein Lebewesen.

Ablauf

Wenn du dich überwinden musst, fixiere einen Tag in deinem Kalender und halte dich an den Termin. (Er)finde keine Ausrede, diesen Termin nicht einzuhalten. (Es sei denn, es besteht eine Gefahr, weil z. B. ein Unwetter, ein Sturm aufzieht. Das ist die einzige Ausnahme!) Fühl dich beglückt, wenn es nicht regnet. Sei gelassen, wenn es doch so ist. Du kleidest dich entsprechend, sprühst dich gegebenenfalls gegen Zecken ein und ziehst los. Du wirst von deinem geliebten Menschen begleitet und du willst nicht nur ganz allgemein etwas Kraft von den Bäumen bekommen, sondern du hast eine Mission: diesen einen Baum ganz offiziell zu begrüßen.

Schau dir an, was du auf dem Weg sehen kannst: Formen von Baumgruppen im Park, die Form des Waldes von Weitem, aber auch die Formen und Strukturen einzelner Pflanzen und Bäume. Halte immer wieder an und entdecke, was da ist. Betrachte die Blätter, lies Zapfen oder Äste auf, lass dich darauf ein. Im Hinterkopf denkst du gleichsam an diesen einen Baum, der da sein wird, um dich einzuladen. Du wirst ihn entdecken.

Umarme diesen Baum, wenn du magst. Hör hinein, schmieg dich an ihn an. Wenn andere Spaziergänger vorbeigehen, grüßt du höflich und nimmst ihnen den Wind aus den Segeln, sich über dich zu wundern. (Wobei das eher selten ist, da sich das Waldbaden und das Bäume-Umarmen inzwischen einigermaßen etabliert haben.) Fühl den Baum, den Ort, wo du stehst. Aber fühl unbedingt auch deine geliebte Person, die Teil dieses Kosmos ist. Lass dir Zeit und lass Gefühle zu, die in dir hochkommen. Vielleicht kommen auch Gedanken auf oder du erhältst Impulse. Oder du wirst von einem Eichhörnchen aus deinem Erlebnis gerissen und aufgemuntert. Spüre in dieser Anordnung von Natur, Ort und Verbindung zu deiner geliebten Person auch die Kraft in dir selbst. Fühl dich dankbar für dieses Da-Sein und spüre, dass dies im Moment der perfekte Ort ist, um alles, was gerade wichtig ist, in diesem Moment zu bergen.

Als Abschluss verabschiedest du dich von dieser Kraftquelle, von deinem Baum, indem du versuchst, ihn – oder einen anderen Baum oder Strauch in der Umgebung – mit deiner Haltung, mit deinen Gliedern nachzuahmen. Erlaube dir, dass deine geliebte Person diese Bewegungen mit dir macht oder dich dabei betrachtet. Vielleicht lächelt sie oder lacht sogar oder sie unterstützt dich moralisch bei dieser Unternehmung. Sei selbstironisch dabei, gerade dann, wenn andere Menschen vorbeigehen. Lass dich nicht ablenken und lass sie denken, was du sowieso nicht beeinflussen kannst. Nicht jetzt und grundsätzlich nie.

Du kannst dieses „Nachstellen“ des Baums auch nur vor deinem geistigen Auge vollziehen. Oder dieses physische Nachstellen mit nach innen nehmen und dieses Bild in dir abspeichern.

1.2 Der Mond und du und ich

Simpel, schlicht und schön. Immer wieder und jedes Mal anders. So, wie jeder Vollmond anders und nie wieder derselbe ist, so sind auch wir morgen wieder andere oder zumindest die, die wir nicht heute sind. Der Vollmond kehrt immer wieder. Er ist in seinem Zyklus. Er ist so fern wie nah. Er steht mit der Erde, mit uns in Verbindung. Wenn er sichtbar ist, übersieht man ihn nicht. Wer ihn spürt, der kann dieses Gefühl nicht aus sich herauslösen.

Es gibt viele Parallelen zwischen Vollmond und Trauer. Auch sie kehrt wieder und wenn sie da ist, kann sie nur vordergründig ignoriert werden. Möglicherweise taucht die Trauer mehr chaotisch als zyklisch auf, doch wer weiß: Am Ende steht sie doch in einem geordneten System, wo die Knöpfe in unserem Gefühlsapparat präzise und zu bestimmten Zwecken jeweils gedrückt werden. Die Trauer verändert uns unmerklich. Sie kommt auf uns zu, die wir heute sind und auf die, die wir morgen sein werden, derweil wir uns an Vollmondnächten entlanghangeln. An solchen, die schon waren und an jenen, die noch kommen werden.

Das Vollmond-Ritual ist banal einfach. Ein idealer Zeitpunkt dafür ist, wenn sich eine Vollmondnacht ankündigt und du möglicherweise etwas später zu Bett gehen kannst. Noch besser ist es, wenn der Mond gut sichtbar ist, damit du die runde Kugel visuell erfassen kannst. In einer solchen Vollmondnacht (wenn es früh dunkel wird, vielleicht auch schon abends) gehst du nach draußen, an einen friedlichen, ungestörten Ort, wo du dich dem Anblick des Vollmondes hingibst. Ist es wirklich jener Mond, der schon damals war, als meine geliebte Person physisch da war? Er ist es! Ist es derselbe Mond, der war, bevor ich überhaupt war? Ja. Es ist sogar derselbe Mond, der schon damals bei den Römern, den alten Ägyptern, den Griechen war … Und ist es derselbe, genau dieser Mond, der einst sein wird, wenn auch ich nicht mehr sein werde? So ist es.

Dies alles weißt du bereits. Aber sich diese Gewalt von Zeit, Planet und Raum vor Augen zu führen, die vielen Verbindungen all derer, die da waren, die sind oder die noch sein werden, zu diesem, eben diesem und keinem anderen Mond, und die ihn einst oder jetzt, so wie du gerade, ansehen, angesehen haben oder es noch in der Zukunft tun werden, kann zugleich überwältigen und klein machen. Was immer du spürst, lass dich darauf ein. Sei demütig, dankbar. Fühl dich klein, zerbrechlich, aber ebenso universell, über alle Zeiten hinweg verbunden und als Teil des größeren Bildes. Mit allen möglichen Konstellationen und Menschen, vor allem mit dir selbst und mit deiner geliebten Person.

Ablauf

Es ist Vollmondnacht und du erlaubst dir, an den Ort zu gehen, wo es für dich stimmt. Es ist ein Ort, an dem du dich sicher fühlst. Das kann eine Bank mitten in der Stadt sein oder ein Platz auf deinem Balkon. Es darf auch ein Ort sein, zu dem du mit dem Auto hinfahren kannst.

Lass dich in diesen simplen Anblick nach und nach verwickeln. Du kannst dir hierfür die unten folgenden Sätze sagen und sie nachwirken lassen. Schau, ob – und wenn ja, wie – sich die Sätze fortführen. Wenn nichts passiert, wiederholst du das Nachstehende für dich. Lass dir Zeit, gib dir Raum und denke immer wieder daran, dass dies derselbe Mond ist, der schon immer war. Er ist die sich verändernde Konstante. Er ist, was (erstmals) bleibt.

Diese Sätze sind ein Vorschlag für den Raum, der um deine eigenen Gedanken und andere Sätzen ergänzt werden möchte:

Ich. Ich schaue zum Mond.

Du bist der Mond. Der Mond, der schon immer war.

Die Zeit.

Die Menschen.

Der Menschen Geschichten.

Meine Geschichte.

Mein geliebter Mensch.

Auch er hat diesen Mond gesehen. Ihn gespürt. Sich Gedanken gemacht.

Wer weiß, vielleicht ist meine geliebte Person just auch zugegen. Ist bei mir. Schaut. Staunt.

So wie viele andere auch schauen.

Liebende. Leidende. Menschen.

Heute.

Ich hier.

Der Mond ist da.

Die Liebe.

Du.

Vielleicht wird dich dieses Ritual aufrütteln, vielleicht innerlich friedlich stimmen. Auf jeden Fall wird es eine gewisse Stimmung und Farbe mit sich bringen. Du wirst nach dieser kleinen Session anders herauskommen als du hineingegangen bist und dich darauf eingelassen hast. So subtil dieses Gefühl auch sein mag.

Du kannst dir diesen Text auch laut vorlesen oder ihn vorher aufnehmen. Und während du ihm zuhörst, kannst du dich einstimmen wie auf einen inneren Dialog.

1.3 Zwei Tickets fürs Wolkenkino, bitte

Wenn die Augen die Tore zur Seele sind, was ist dann der Blick? Und wenn ein solcher Blick, verbunden mit der Seele, ins Tor des Himmels schaut, in welcher Form sind wir zugegen? Wo sind wir abwesend, wo präsent oder gar außerhalb? Als Kinder, manchmal auch als Erwachsene, sehen wir in den Wolken auf einmal Gesichter, Tiere, seltsame Landschaften. Ein Wolkenmeer kann zu einem fantastischen Land werden. Eine Wolke kann sich mit Rüssel oder einem lachenden Gesicht zeigen, Kobolde hervorzaubern. Ob wir uns hinreißen lassen von diesen Strukturen oder nicht: Der Mensch hört nie auf, in den Himmel, zu den Wolken zu schauen. Es ist in uns, nach dort oben zu blicken.