Theatertexte, Hörspiele, Szenen, Dramolette Teil 2 - Joanna Lisiak - E-Book

Theatertexte, Hörspiele, Szenen, Dramolette Teil 2 E-Book

Joanna Lisiak

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Beschreibung

Leiser, hintersinniger, gelegentlich auch offenkundiger Humor durchzieht fast alle die hier vorliegenden Texte aus dem dramatischen Genre der Autorin Joanna Lisiak: Theaterstücke, Dramolette, Szenen, Sketche sowie Hörspiele. Oft entlarvenden Charakters reichen die Texte von amüsierenden Parodien bis hin zu ad absurdum geführten Stücken. Joanna Lisiak bricht mit Klischees, indem sie diese geradezu vorführt oder bei Gelegenheit auch mal die Reaktion der Zuschauer vorwegnimmt, wenn sie diese beispielsweise subtil in die Gesprächsebenen einbaut oder die Zuschauer selber ein Stück schauen lässt, wo sie zu Zuschauer-Beobachtern von Zuschauern werden, die wiederum ihrerseits ein Theaterstück schauen. So unterhaltsam manche Texte sind, so vermögen sie stellenweise nachdenklich zu stimmen. Insbesondere, wenn das Komische einem im Hals stecken bleibt, weil man sich ertappt über etwas zu lachen, das ebenso ernst gemeint hätte sein können. Wenn also die Tragik der Komik sachte die Hand reicht. Themen wie Kommunikation, menschliche Missverständnisse oder die Unvollkommenheit des Einzelnen sind wiederkehrende und verbindende Motive der Stücke. Die vorliegenden Texte entstanden in den Jahren 2003 bis 2016.

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Die vorliegenden Texte entstanden in den Jahren 2003 bis 2016.

Leiser, hintersinniger, gelegentlich auch offenkundiger Humor durchzieht fast alle die hier vorliegenden Texte aus dem dramatischen Genre der Autorin Joanna Lisiak: Theaterstücke, Dramolette, Szenen, Sketche sowie Hörspiele. Oft entlarvenden Charakters reichen die Texte von amüsierenden Parodien bis hin zu ad absurdum geführten Stücken. Joanna Lisiak bricht mit Klischees, indem sie diese geradezu vorführt oder bei Gelegenheit auch mal die Reaktion der Zuschauer vorwegnimmt, wenn sie diese beispielsweise subtil in die Gesprächsebenen einbaut oder die Zuschauer selber ein Stück schauen lässt, wo sie zu Zuschauer-Beobachtern von Zuschauern werden, die wiederum ihrerseits ein Theaterstück schauen. So unterhaltsam manche Texte sind, so vermögen sie stellenweise nachdenklich zu stimmen. Insbesondere, wenn das Komische einem im Hals stecken bleibt, weil man sich ertappt über etwas zu lachen, das ebenso ernst gemeint hätte sein können. Wenn also die Tragik der Komik sachte die Hand reicht. Themen wie Kommunikation, menschliche Missverständnisse oder die Unvollkommenheit des Einzelnen sind wiederkehrende und verbindende Motive der Stücke.

Joanna Lisiak wurde in Polen geboren. Sie kam 1981 in die Schweiz, wo sie mit 10 Jahren Deutsch lernte. Seit 2000 sind 29 eigenständige Bücher von ihr erschienen (Anthologien nicht mitgerechnet). Ihr Werk umfasst Lyrik, Kurz- und Kürzestprosa, Theaterstücke und Dramolette, Hörspiele und Essays. Lisiaks Publikationen wurden vom Präsidialdepartement der Stadt Zürich, vom Aargauer Kuratorium und vom Migros Kulturprozent unterstützt.

Inhalt

Das Hörspiel

Die Jazzsängerin und die Kakerlake

Die Sekretärin und die Kundin

Kaffee bei Muriel und George

Pizza Napoli

15 bis 17 Metallkisten

Abendessen im Restaurant

Drei Vorschläge

Mögliche Zugabe für Drei Vorschläge

An der Bar

Ausverkauf der Geschlechtsteile

Banane

Begegnung auf der Treppe

Begegnung im Wald

Beim Brezelstand

Briefschwund

Das Ausland-Telefonat

Das Geschenk

Das Telefongespräch

Das verhüllte Bild

Der Berg

Der Berufswunsch

Der Diplomat

Der Gegenstand der Betrachtung

Der Hunderter

Der Klavierstuhl

Der scheue Verehrer

Die Armut und der Reichtum

Die Aufführung

Die Bar: Verwechslung in zwei Durchgängen

Die Biografie

Die Nackte

Die Raubkopie

Die Schöne im Café

Die Sitzung

Die Verdächtigung

Eine mit

Einziehen möglich

Flirten, oder

Here’s my story

Identifikation

Ins Konzert

Interview

Hörspiele, Szenen, Sketche

Zum Stück „Das Hörspiel“

Eine Sie und ein Er, die sich über Hörspiele unterhalten. Sie liebt Hörspiele. Er hasst sie, sagt er. Doch je mehr die beiden über das Warum debattieren, umso mehr kristallisiert sich eine umgekehrte Meinung heraus. Ihre Hörspielliebe gebührt im Grunde ausschliesslich den „Drei???“, die sie schon als Kind gerne hörte. Die anderen Hörspiele versteht sie nämlich nie richtig, wo hingegen er immer zufällig an Hörspiele herankommt und an diesen zunehmend Gefallen findet.

Das HörspielHörspiel für 2 Personen

Personen

A vorzugsweise ein Mann, spricht gelangweilt, langsam

B vorzugsweise eine Frau, spricht lebendiger

A:

Ich mag keine Hörspiele.

B:

Ich verpasse sie blöderweise fast immer.

A:

Ich finde Hörspiele langweilig.

B:

Dabei habe ich so lange dafür gekämpft, dass man mehr Hörspiele im Radio bringt.

A:

Wenn sie nicht langweilig sind, sind sie kompliziert.

B:

Mich inspirieren sie. Die Stimmen, die Worte. Hörspiele sind anregend für die Bilder im Kopf.

A:

Ich mag Fernsehen.

B:

Jeder muss zugeben, dass er sich etwas oder jemanden vorstellt, wenn dieser jemand etwas sagt.

A:

Auf jeden Fall ist Fernsehen besser.

B:

Was über das Ohr zu mir dringt, vermag mich ganz toll zu packen. Es ist intensiv, deshalb mag ich Hörspiele so.

A:

Fernsehen ist mit Hörspielen nicht zu vergleichen.

B:

Dabei gibt es auch nicht intensive Hörspiele.

A:

Hörspiele sind für alte Leute.

B:

Trotzdem sind auch nicht intensive Hörspiele intensiv.

A:

In letzter Zeit ist Fernsehen aber auch langweilig geworden.

B:

Ich habe schon viele Hörspiele gehört. Alle sind so verschieden. Jedes ist anders.

A:

Als ich noch keine Beziehung hatte, dachte ich, ich verpasse die tollen Filme, wenn ich abends wegging.

B:

Angefangen hat bei mir ja alles mit den drei Fragezeichen.

A:

Jetzt habe ich eine Beziehung.

B:

Das war ein Erlebnis damals. Die drei Fragezeichen!

A:

Später dachte ich, dass ich die guten Sendungen tagsüber verpasste, wenn ich zur Arbeit musste.

B:

Meine Mutti las mir gerne etwas vor, aber wenn sie wüsste! Insgeheim mochte ich das gar nicht so, also verglichen mit den drei Fragezeichen, meine ich.

A:

Als ich sehr viel arbeitete und abends noch zur Abendschule ging, dachte ich mir: Scheisse, jetzt gehen Dir all die tollen Filme, die nachts laufen, durch die Lappen!

B:

Diese allerersten Hörspiele waren etwas ganz Besonderes.

A:

Die guten Filme kommen ja bekanntlich alle etwas später.

B:

Fast möchte ich sagen: die ersten Hörspiele sind die, die mich am meisten prägten.

A:

Dann wurde ich arbeitslos.

B:

So hat das bei mir angefangen. Und noch heute liebe ich diese gemütlichen

A:

Hörspielabende. Mit einer Tasse Gewürztee, Kerzenschein. Ich bin noch immer arbeitslos.

B:

Es gibt nichts Schöneres als an einem einsamen Abend einem Hörspiel zu lauschen.

A:

Ich guckte also fern.

B:

Was nicht heissen soll, ich sei in irgendeiner Form einsam oder so.

A:

Ich glotzte so lange, bis ich aussah wie ein Albino. Von morgens bis abends und von abends bis morgens habe ich in den TV geglotzt.

B:

Das ist wie mit dem Theater.

A:

Also 24 Stunden.

B:

Entweder man hasst es oder man liebt es.

A:

Ich konnte nicht anders. Ich habe gezappt und geglotzt. So war das. Zappen. Glotzen. Zappen. Glotzen.

B:

Oder Kunst! Oder Kultur!

A:

Ich installierte mich davor. Ich lag, ass, lebte vor dem Fernseher.

B:

Ich liebe es.

A:

Ich ging nicht mehr aus dem Haus, ich schlief sogar vor der Röhre.

B:

Ich glaube, jeder der Theater liebt, mag zwangsläufig auch Hörspiele gerne. Es ist ja schon sehr ähnlich, finde ich.

A:

Es gab nichts anderes für mich.

B:

Oder Kunst! Oder Kultur! Viele Parallelen. Sehr viele Parallelen.

A:

Ob ich fernsehsüchtig bin? Kaum.

B:

Warum verpasse ich aber die Hörspiele so häufig, wo ich sie doch so mag?!

A:

Schliesslich fand ich heraus: es gibt nicht DIE beste Fernsehzeit.

B:

Es gibt bestimmt Radioprogramme zum Nachlesen.

A:

Jede Tageszeit im Fernsehen ist gleich Scheisse.

B:

So eins müsste ich mir besorgen und dann die Hörspiele in meine Agenda eintragen.

A:

Ich finde Fernsehen langweilig.

B:

Es gibt verschiedene Hörspiele für verschiedene Ansprüche und verschiedene Menschen. Das ist mir schon klar.

A:

Ich hasse Hörspiele.

B:

Auch ich habe so meine Präferenzen.

A:

Ich frage mich, was das für komische Leute sind, die Hörspiele machen.

B:

Aber jeder sollte zumindest für sich herausfinden, welches das für ihn geeignete Hörspiel wäre.

A:

Bestimmt sind das frustrierte Regisseure, die keine Aufträge am Theater bekommen.

B:

Die Menschen sind ja schrecklich hörspielfeindlich.

A:

Oder verzweifelte Radio-Redakteure, die sich aus irgendeinem Grund einer eigenartigen Tradition verbunden fühlen.

B:

Dieser unbegründete Hass ist beängstigend.

A:

Oder schlechte Schauspieler, dazu noch hässliche und die keine Rollen kriegen. Die verstecken sich lieber hinter einem Hörspiel-Mikrophon.

B:

Ich bin ja zum Glück sehr vielseitig.

A:

Wer produziert heute noch Hörspiele?

B:

Was nicht heisst, ich hätte keine Ansprüche.

A:

Und rentabel sind sie bestimmt auch nicht.

B:

Ich kann mir jedes Hörspiel zu Ende anhören.

A:

Hörspiele sind von Bezweiflungen und Unlogik beherrscht.

B:

Warum bloss höre ich so viele Hörspiele wohl zu Ende, aber nie von Anfang an?

A:

Hörspiele sind ein Muss, das sich nur noch öffentliche Sender leisten könnten.

B:

Ich merke einfach nie, wenn es anfängt. Erst sind Nachrichten, dann die Moderation, schon habe ich den Einstieg verpasst.

A:

Ich habe gehört, dass die Moderatoren für die Zeit, wo sie ein Hörspiel laufen lassen, das Studio verlassen, um zu rauchen oder etwas zu essen.

B:

Es geht so schnell. Die Stimmen im Radio sind auch alle sehr ähnlich, wenn man nicht richtig zuhört.

A:

Oder sie quatschen im Gang. Oder telefonieren. Oder gehen aufs Klo.

B:

Also, wenn ich mich nicht hinsetze, dann ist’s geschehen. Einstieg verpasst.

A:

Deshalb mögen die Moderatoren die Hörspiele. Weil sie nicht hinhören müssen. Eigentlich nur deswegen.

B:

Es gibt schliesslich auch Hörspiele, in denen es um Nachrichten geht. Ich hab schon solche gehört!

A:

Aber kann man wirklich sagen, dass sie sie mögen? Nur, weil sie Zeit für anderes gewinnen?

B:

Ich muss unbedingt herausfinden, ob die Ausstrahlungen regelmässig erfolgen. Dann passiert mir das nicht mehr, dass ich den Anfang verpasse.

A:

Die Radio-Leute sind unehrlich. Sie kultivieren eine Doppelmoral.

B:

Ich wollte auch schon mal ein Hörspiel schreiben.

A:

Die Moderatoren halten sich für Künstler.

B:

Fast hätte ich es auch geschafft, aber dann kam immer was dazwischen.

A:

Dabei beissen sich diese Moderatoren fast die Zungen ab, wenn sie einmal kommentieren müssen.

B:

Ich habe sogar gute Ideen.

A:

Die Kommentare machen ja gewöhnlich eh die Journalisten. Aber die Moderatoren sind meistens keine Journalisten.

B:

Ich habe sogar sehr originelle Ideen.

A:

Wenn Moderatoren dann doch mal kommentieren, achten sie so sehr auf das Wie und die Art und Weise, auf die 3-Fach-Bassverstärkung, sodass sie am Ende gar keine Meinung haben. Oder zu feige sind eine zu haben. Der Programmchef sitzt ja immer im Nacken.

B:

Man sagt mir nach, ich hätte Talent.

A:

So ein Moderator kann eigentlich immer bei der Arbeit kontrolliert werden. Mann, ist das scheisse. Vielleicht sind sie deswegen so eitel.

B:

Ich werde es denen schon noch beweisen, was in mir steckt.

A:

Die meisten sind eitel, obschon sie nicht schön sind. Das ist prekär. Deshalb verstecken sie sich.

B:

Ich schriebe schöne Sätze, sagt man.

A:

Sie sind keine Künstler und das wissen sie.

B:

Vielleicht werde ich noch eine berühmte Hörspielautorin.

A:

Nur weil man kompliziert redet oder Worte aufschreibt oder ein Mikrophon vor der

Fresse stehen hat, macht das noch lange keine besseren Menschen. Oder Künstler. Alles Memmen, allesamt.

B:

Ich muss im Grunde nur noch anfangen. Dann läuft das schon fast wie von selbst.

A:

Ich halte es fast nicht mehr aus in Europa. Immer dieses Gequatsche. Überall. Selbst wenn man genug davon hat, muss man das psychologisch bequatschen. Alles hierzulande ist darauf ausgerichtet zu reden und reden und reden.

B:

Dann müsste ich nur noch zum Radio gehen und Schauspieler suchen.

A:

Ich mag gar nicht mehr reden. Aber die anderen faseln die ganze Zeit. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als zu hören. Braucht es da ernsthaft noch Hörspiele?

B:

Das wäre schön!

A:

Dieses Gelaber über Gelaber. Muss man das wirklich noch komponieren? Muss man das den Menschen wirklich zusätzlich antun? Wir haben eine Palaver-Verschmutzung! Merkt das denn keiner?

B:

Sobald ich eine gute Idee habe, werde ich sie aufschreiben.

A:

Ich bin ja an sich ein toleranter Mensch, aber was Schnee von gestern ist, ist nun mal Schnee von gestern.

B:

Ohne Hörspiele würde ich etwas missen.

A:

Hörspiele sind Schnee von gestern.

B:

Ich bin sehr froh, dass es noch Leute gibt, die für mich diese Hörspiele produzieren.

A:

Hörspiele sind altmodisch. Und sie tun nichts gegen den steigenden Analphabetismus.

B:

Ich glaube morgen ist wieder eins.

A:

Das ist verantwortungslos.

B:

Ob die das im Internet bekannt geben?

A:

Dabei sitze ich soviel im Auto. Wegen des Nebenverdienstes. Irgendwas muss man ja neben dem Fahren tun.

B:

Am besten ich guck mal im Internet nach und merke es mir im Kalender vor.

A:

Im Grunde könnte ich froh sein um das Bisschen gesprochene Abwechslung neben der Musik.

B:

Ich freu mich schon!

A:

Nichts gegen Musik, aber im Auto macht sie manchmal müde.

B:

Morgen Abend IST wieder Hörspielabend!

A:

Also höre ich Radio. Manchmal bis zu drei Stunden täglich.

B:

Morgen werde ich es schaffen MÜSSEN, das Hörspiel GANZ zu hören.

A:

Ich habe nicht wirklich etwas gegen Randgruppen. Ich mag Aussenseiter. Also kann ich gegen das Unkommerzielle auch nichts dagegen haben.

B:

Vielleicht bringen die danach eine Diskussion?

A:

Ich müsste DAFÜR sein.

B:

Dann könnte ich prüfen, ob ich alles richtig verstanden habe.

A:

Im Grunde ist es gegen mein Naturell. Ich kann gar nichts gegen Hörspiele haben.

B:

Manchmal geht es wirklich sehr schnell und plötzlich weiss man nicht mehr, wer wer ist in so einem Hörspiel.

A:

Vielleicht MAG ich Hörspiele sogar.

B:

Wenn nämlich mehrere Frauen und mehrere Männer in so einem Hörspiel reden, dann verliert man schon ein wenig den Überblick.

A:

Manchmal vertrage ich sie gut.

B:

Das kann so schnell gehen und schon ist einer verwechselt.

A:

Ein bisschen.

B:

Und dann noch einer.

A:

Manchmal.

B:

Sie können sich ja nicht immer mit den Namen ansprechen. Das verstehe ich ja. Aber es würde mir persönlich helfen durchzublicken.

A:

Selten, aber manchmal ein bisschen. Zugegeben.

B:

Und plötzlich nimmt die Geschichte ihren Lauf und alles ist durcheinander.

A:

Manchmal sind Hörspiele passabel.

B:

Es gibt ja auch moderne Hörspiele, die extra unlogisch gemacht sind, und wenn ich einen verwechselt habe, dann mache ich ein NORMALES Hörspiel zu einem MODERNEN.

A:

Kürzlich hörte ich ein sogar ein gutes Hörspiel.

B:

Eigentlich ist es stark, wenn es plötzlich diesen modernen Schwung bekommt.

A:

Sagen wir, es war nicht gut, aber passend.

B:

Das kann nicht jeder, so eine Verwechslung!

A:

Ausnahmsweise hat die Länge, die Sprecher, die Geschichte und Machart gepasst.

B:

Aber lieber mag ich es doch, wenn ich ein Hörspiel verstehe.

A:

Das war eine absolute Ausnahme.

B:

Bei den drei Fragezeichen ging es ja auch und das waren drei Kerle. Dann noch der

Sprecher und der Bösewicht war meistens auch noch ein Mann.

A:

So eine Ausnahme war reine Glückssache. Das kommt nie wieder vor.

B:

Damals war ich sogar jünger! Also an mir liegt es wohl nicht!

A:

Meinetwegen sollen sie Hörspiele bringen.

B:

Hörspiele sind schlechter geworden in den letzten Jahren. Das muss auch mal gesagt werden.

A:

Ich muss ja nicht hinhören, wenn ich nicht will.

B:

Man kann sich ja nicht nur von sich aus Mühe geben zu folgen. Manchmal müssen sich die Hörspielleute auch was einfallen lassen und auf die Zuhörer eingehen.

A:

Von mir aus kann man einen Sender machen, wo man nur Hörspiele ausstrahlt.

B:

Ich gebe es trotzdem nicht auf.

A:

Wer will, soll sich Hörspiele anhören. Mich stört’s nicht. Bin ein toleranter Mensch.

B:

Die Hörspielleute sind ja ganz nett und sie meinen es wirklich nur gut.

A:

Ich finde, auf jeden Fall sollen sie Hörspiele immer dann bringen, wenn Stau ist. Das wäre was.

B:

Jedenfalls mag ich Hörspiele sehr.

A:

Pro Stau ein Hörspiel. Sowas sollte möglich sein… Ich werde das beantragen.

*

Zum Hörspiel „Die Jazzsängerin und die Kakerlake“

Hörspiel für 2 Personen

Die persiflierte Studie einer Jazzsängerin. Das Hörspiel bietet einen ironischen Blick aufs komplex-komplizierte Sängerdasein. Das Hörspiel ist mit zahlreichen musikalischen Beispielen belegt.

Ist das Singen als Lolita wirkungsvoller denn als Vamp? Auf den Vibrato zu verzichten? Soll eine Sängerin in die Augen ihres Publikums schauen oder gekonnt an ihnen vorbeischielen? Wie lange sollten die Solis der Musiker sein? Ist eine kleine Combo einer Big Band vorzuziehen?

Die Jazzsängerin und die KakerlakeHörspiel für 2 Personen

Personen

Jazzsängerin, weiblich

Kakerlake, männlich

Jazzsängerin,

übend

:

Lalala….. Aaaaaah! (

Schrei)

Kakerlake:

Aaaaah! (

Schrei)

Jazzsängerin und Kakerlake zusammen:

Aaaaah!

Jazzsängerin:

Oh Gott! Oh Gott! Eine Kakerlake. Mach das das nicht wahr ist, lieber Gott. Uuuh – ich, ich schliesse jetzt die Augen, atme tief durch und wenn ich sie wieder öffne…..Aaah! …. Nein. Sie ist noch da. Oh Gottogott, bitte mach das sie weggeht. Oh nein. Sie redet zu mir… Ich habe eine Phobie, das ist nichts also Phobie. Oh, Gott aber warum? Was…willst du von mir?

Kakerlake:

Meine Güte. Nimm’s easy.

Jazzsängerin:

Aah! Was? Redet das Ding wirklich?

Kakerlake:

Keine Beleidigung, okay!? Und etwas weniger hysterisch, wenn’s geht.

Jazzsängerin:

Das, das… kann nicht wahr sein? Bist du oder bist du nicht?

Kakerlake:

Bist du oder bist du nicht? Ist das Shakespeare hier oder, was? Wir leben nicht seit gestern zusammen. Also nimm’s locker, ja?

Jazzsängerin:

Was heisst das? Wir leben zusammen?

Kakerlake:

Es ist gemütlich bei dir. Besser als unten.

Jazzsängerin:

Das, das ist ja unverschämt! Was fällt dir eigentlich ein?

Kakerlake:

Easy. Wir leben auf Kosten der anderen. Das schreibt unsere Kultur vor.

Jazzsängerin:

Kultur? Ich habe dich aber nicht eingeladen hier zu sein. Das ist meine Ego-Kultur! Miete bezahlst du schliesslich auch kaum!

Kakerlake:

Das würde gegen unsere Kultur verstossen.

Jazzsängerin:

Toll.

Kakerlake:

Echt wahr. Das ist nicht üblich bei uns.

Jazzsängerin:

Ich hasse Kakerlaken.

Kakerlaken:

Ich hasse Menschen. Aber nicht dich. Du wohnst schön, bist sauber. Nur dieses Singen…

Jazzsängerin:

Was meinst du damit?

Kakerlake:

Naja, ich beobachte dich schon lange. Und mir ist aufgefallen, dass du ständig übst anstatt zu singen.

Jazzsängerin:

Das ist nicht wahr. Ich übe überhaupt nicht.

Kakerlake:

Doch gerade eben hast du doch.

Jazzsängerin:

Das war nicht üben.

Kakerlake:

Was dann?

Jazzsängerin:

Jedenfalls war es keine dieser Übungen….

Kakerlake:

Du meinst Sachen wie: Lalalalala.

Jazzsängerin:

Genau. Oder solche wie: Minnie-minnieminnie…..

Kakerlake:

Oder so? Yippie!

Jazzsängerin:

Kennst du das? Ju-Ju-Ju-Ju-Ju-Ju.

Kakerlake:

Klar. Oder: Prrrr, prrr….

Jazzsängerin:

Das ist gut für das Zwerchfell. Was man ja auch braucht.

Kakerlake:

Aber was ist es dann, wenn es nicht üben ist?

Jazzsängerin:

Singen.

Kakerlake:

Vorher hast du nur das Ende gesungen.

Jazzsängerin:

Na und? Ich habe das Ende geübt.

Kakerlake:

Sag ich doch.

Jazzsängerin:

Aber ich habe nicht per se geübt. Sondern nur das Ende.

Kakerlake:

So oder so: du hast geübt.

Jazzsängerin:

Ich muss es ja ausprobieren. Es gibt schliesslich viele Möglichkeiten. Zum Beispiel:

……………. MISTY

(kurz)

oder ……………

(lang)

oder ……man kann sich mit der Band aussprechen. Ach, was weiss ich…

Kakerlake:

Es ist egal. Einfach gut muss es sein.

Jazzsängerin:

Du bist aber anspruchslos! Es muss nicht nur gut sein. Es muss passen.

Kakerlake:

Ich würde mich spontan entscheiden.

Jazzsängerin:

Das sehe ich anders. Ich muss ja vorbereitet sein. Vor allem, wenn ich schon nicht übe.

Kakerlake:

Hast du etwa ein schlechtes Gewissen, weil du nicht übst?

Jazzsängerin:

Als vielschichtiger Mensch entscheide ich mich schwer. Das ist alles.

Kakerlake:

Mach dich nicht wichtig.

Jazzsängerin:

Mach du dich nicht breit hier.

Kakerlake:

Fakt ist: du entscheidest dich gar nicht.

Jazzsängerin:

Du verstehst das nicht.

Kakerlake:

Nee.

Jazzsängerin:

Es ist wirklich schwer. Die vielen Ideen, die vielen Möglichkeiten…

Kakerlake:

Blabla.

Jazzsängerin:

Doch, doch. Du kannst ein beliebiges Stück nehmen. Schon stellt sich die Frage: Wie will ich es? Latin? Swing? ……. Langsam?

Schnell? Originaltonlage?................[THE LADY’S IN LOVE], oder Transponiert …………… Kleine Combo …………. [LULLABY OF BIRDLAND] oder Big Band …………. Oder? Oder…. Siehst du wies schwer es ist?!

Kakerlake:

Ich wüsste es.

Jazzsängerin:

Welches?

Kakerlake:

Alles ist gleich gut. Du musst dich nur entscheiden.

Jazzsängerin:

Du bist mir eine ganz tolle Hilfe, wirklich.

Kakerlake:

Es stimmt also doch, was die Leute sagen.

Jazzsängerin:

Welche Leute? Was sagen die Leute?

Kakerlake:

Dass Sängerinnen blöd seien.

Jazzsängerin:

Also das…?

Kakerlake:

Allgemein. Allgemein. Du bist anders.

Jazzsängerin:

Wie bin ich?

Kakerlake:

Du bist nicht blöd.

Jazzsängerin:

Danke.

Kakerlake:

Du bist fast ein wenig zu... zu kompliziert für diesen Beruf.

Jazzsängerin:

Na hör mal! Dass ich mir Gedanken mache, soll falsch sein? Soll ich mich dem Klischee anschliessen? Einfach entscheiden? Einfach so aus dem Bauch heraus oder wie?!

Kakerlake:

Normale Sängerinnen denken nicht so wie du.

Jazzsängerin:

Ich möchte meinen Kopf gebrauchen, wenn du erlaubst.

Kakerlake:

Deine Wahl. Aber du machst dir dein Leben damit schwer, hier herum zu üben und dich nicht zu entscheiden.

Jazzsängerin:

Du hast keine Ahnung, weißt du. Es ist nicht so einfach wie es ausschaut. Nicht die Sänger haben Klischees, die Leute haben

Klischees von den Sängern. Wir – wir haben es nur schwer.

Kakerlake:

Was Du nicht sagst…. Erlaubst du?...................................

(Zigarette)

Jazzsängerin:

Wusste gar nicht, dass Kakerlaken rauchen.

Kakerlake:

Oh doch! Wir tun viele Dinge. In Japan ist zurzeit Bungee-Jumping angesagt in und in New York gibt’s sogar Kakerlaken Big Bands. Ganz im Stil von Count Basie, übrigens.

Jazzsängerin:

Echt? Jedenfalls: die menschlichen Sängerinnen haben es sehr, sehr schwer. Nehmen wir mal das Aussehen. Wir sollten die Bühne im enganliegenden Korsettchen betreten und hochhackige Schühchen tragen. Dabei ist es das Falscheste, was man tun kann!

Kakerlake:

Wenn man den ganzen Abend angegafft wird, muss das wohl so sein…

Jazzsängerin:

Das ist ja nur ein Bruchteil. Aber wir arbeiten, auch mit Imagination. Das heisst, wenn ich im kleinen Schwarzen auf die Bühne trete, stelle ich mir gleichzeitig vor, ich wäre eine dicke Mamma im Trainingsanzug mit dem fettesten Arsch, den ich mir ausmalen kann. Dann muss ich den Kontakt zum Publikum herstellen. Das geht ja nur, wenn ich den Blickkontakt habe. Aber genau das ist tabu, weil es irritiert und verunsichern kann. Das heisst ich muss die ganze Zeit so tun als ob, also an den Leuten vorbeischielen, während ich auf meinen Riesen-Arsch konzentriert bin und mir die Füsse wehtun und dann sollte ich bestenfalls noch lächeln. Aber auch das ist nicht gut. Ich sollte mir entgegen meinem Lampenfieber vorstellen, ich sei ein Fisch. Ein anteilsloses, schlaff, nach unten hängendes Gesicht ist

von einem riesigen Vorteil. IN meinem innersten soll ich gähnen. Am besten permanent.

Kakerlake:

…… Übertreibst du nicht ein wenig?

Jazzsängerin:

Schau, so klingt es, wenn ich singe und dabei lieb lächle und einen kleinen Popo habe: …… [ALL OF ME]. Und so klingt der Fisch mit grossem Hintern…… [ALL OF ME]

Kakerlake:

Das bisschen Widerspruch wird dich nicht umbringen.

Jazzsängerin:

Bisschen ist gut. Es wimmelt nur so von Widersprüchen, wenn du eine Sängerin bist. Für gewisse hohe Töne ist es erforderlich, dass ich mir vorstelle, eine Fliege steigt in meiner Nase empor. Nase kräuseln oder niessen geht aber nicht. Oder ich stelle mir vor, ich habe ein Horn auf der Stirn und dadurch singe ich. Oder ich habe Flügel, durch die ich singe. Oder ich singe mit den Füssen – für die erdigen Töne. Gnade dem, der schizophren wird dabei.

Kakerlake:

Ich glaube du hast zu viel Phantasie.

Jazzsängerin: