Die Liebe ist ein hohes Gut - Toni Waidacher - E-Book

Die Liebe ist ein hohes Gut E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Monika Böhm hatte den Pass hinter sich gelassen und steuerte ihr Auto auf das idyllisch gelegene Bergdorf St. Johann zu. Die Einunddreißigjährige war auf dem Weg nach Innsbruck, um dort bei einer großen Im- und Exportfirma einen Job als Chefsekretärin anzunehmen. Das Autoradio lief und Monika summte das Lied, das gespielt wurde, leise mit; Summer of 69 von Bryan Adams. Sie war bester Laune. Oben, auf der Passhöhe, war sie auf dem Parkplatz ausgestiegen und hatte lange Zeit ins Wachnertal hinuntergeschaut. Es mutete Monika an wie die Landschaft einer Modelleisenbahn. Sie war begeistert, weil sie nichts erkennen konnte, was die Natürlichkeit und Ursprünglichkeit des Tales beeinträchtigte. ›In diesem Landstrich‹, hatte sie sich gesagt, ›ist der Zerstörer Mensch noch ziemlich zurückhaltend gewesen. ‹ Monika liebte die unberührte Natur, war Mitglied im Bund Naturschutz und spendete an Greenpeace. Die ersten Häuser von St. Johann tauchten im Blickfeld der jungen Frau auf. Sie wurden vom Zwiebelturm der Kirche, dessen mit Kupfer verkleidetes Dach eine grüne Patina angenommen hatte, überragt. Über allem spannte sich ein blauer Himmel, und in der Ferne, wo das Tal endete, erhoben sich bewaldete Berge vor dem Hintergrund des Hochgebirges. Ein Blick auf die Uhr im Armaturenbrett ihres Autos verriet Monika, dass es auf sechzehn Uhr zuging. Bis Innsbruck war es nicht mehr besonders weit. Sie hatte in einer Pension ein Zimmer gebucht, wollte sich aber so schnell wie möglich nach einer kleinen Wohnung umsehen. Monikas Lebensmittelpunkt war bisher Ansbach in Mittelfranken gewesen, aber dort war sie zutiefst enttäuscht worden, und darum wollte sie sämtliche Brücken hinter sich abbrechen und in Tirol neu beginnen. Die Marktgemeinde mit ihren im alpenländischen Stil erbauten Häusern rückte näher. Über den Dächern flirrte die Luft in der sommerlichen Hitze.

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Der Bergpfarrer – 485 –

Die Liebe ist ein hohes Gut

Unveröffentlichter Roman

Toni Waidacher

Monika Böhm hatte den Pass hinter sich gelassen und steuerte ihr Auto auf das idyllisch gelegene Bergdorf St. Johann zu. Die Einunddreißigjährige war auf dem Weg nach Innsbruck, um dort bei einer großen Im- und Exportfirma einen Job als Chefsekretärin anzunehmen.

Das Autoradio lief und Monika summte das Lied, das gespielt wurde, leise mit; Summer of 69 von Bryan Adams. Sie war bester Laune. Oben, auf der Passhöhe, war sie auf dem Parkplatz ausgestiegen und hatte lange Zeit ins Wachnertal hinuntergeschaut. Es mutete Monika an wie die Landschaft einer Modelleisenbahn. Sie war begeistert, weil sie nichts erkennen konnte, was die Natürlichkeit und Ursprünglichkeit des Tales beeinträchtigte. ›In diesem Landstrich‹, hatte sie sich gesagt, ›ist der Zerstörer Mensch noch ziemlich zurückhaltend gewesen.‹ Monika liebte die unberührte Natur, war Mitglied im Bund Naturschutz und spendete an Greenpeace.

Die ersten Häuser von St. Johann tauchten im Blickfeld der jungen Frau auf. Sie wurden vom Zwiebelturm der Kirche, dessen mit Kupfer verkleidetes Dach eine grüne Patina angenommen hatte, überragt. Über allem spannte sich ein blauer Himmel, und in der Ferne, wo das Tal endete, erhoben sich bewaldete Berge vor dem Hintergrund des Hochgebirges.

Ein Blick auf die Uhr im Armaturenbrett ihres Autos verriet Monika, dass es auf sechzehn Uhr zuging. Bis Innsbruck war es nicht mehr besonders weit. Sie hatte in einer Pension ein Zimmer gebucht, wollte sich aber so schnell wie möglich nach einer kleinen Wohnung umsehen. Monikas Lebensmittelpunkt war bisher Ansbach in Mittelfranken gewesen, aber dort war sie zutiefst enttäuscht worden, und darum wollte sie sämtliche Brücken hinter sich abbrechen und in Tirol neu beginnen.

Die Marktgemeinde mit ihren im alpenländischen Stil erbauten Häusern rückte näher. Über den Dächern flirrte die Luft in der sommerlichen Hitze. St. Johann bot einen idyllischen Anblick, und Monika überlegte, ob sie in dem Ort vielleicht eine Pause einlegen und einen Happen essen sollte.

Plötzlich begann ihr Auto zu schlingern und sie hatte Mühe, es auf der rechten Fahrbahnseite zu halten. Gleich darauf begann etwas zu schlagen und es rumpelte, als würde sie durch tiefe Schlaglöcher fahren. Das Geräusch übertönte den Motor. Erschreckt bremste Monika, der Wagen kam am Straßenrand mit den rechten Rädern auf dem Bankett zum Stehen, die Einunddreißigjährige stellte den Motor ab und stieg aus.

›Mist‹, fuhr es ihr durch den Kopf, als sie die Bescherung sah, und ein Anflug von Unmut prägte ihr hübsches, fraulich-reifes Gesicht. Der vordere linke Reifen war platt. ›Das hat mir gerade noch gefehlt!‹, sinnierte sie fast ein wenig verzweifelt und schaute in Richtung des Ortes, wo man in den Außenservicebereichen einiger Cafés und Eisdielen die Gäste sitzen sehen konnte. Monika schätzte, dass sie noch einen halben Kilometer vom Ortsrand entfernt war. Einige Autos fuhren vorbei, die einen in Richtung Ort, die anderen zum Pass. Das Auto und die Frau am Straßenrand fanden keinerlei Beachtung.

Guter Rat war teuer.

Monika öffnete den Kofferraum und suchte nach dem Reserverad. Sie hob ihr Gepäck heraus und fand es unter einem hochklappbaren Zwischenboden. Sie war erstaunt, weil es ganz anders aussah als die Räder an ihrem Auto. Da lag auch ein Warndreieck. Sie musste es aufstellen, eine Warnweste anziehen, und dann irgendwie versuchen, den Reifen zu wechseln. So etwas hatte sie noch nie gemacht. Wo befand sich der Wagenheber, wo der Schraubenschlüssel, mit dem sie die Radmuttern lockern und abschrauben konnte? Der Frust in Monikas Gemüt wuchs. ›Wieso passiert das ausgerechnet mir?‹, haderte sie.

Ein Traktor, der sich aus der Richtung näherte, aus der auch sie, Monika, gekommen war, erregte ihre Aufmerksamkeit. Er zog einen Anhänger voll Heu und ein Mann steuerte ihn. Er trug ein rot und weiß kariertes Hemd und auf seinem Kopf saß ein Hut. Das Gesicht lag im Schatten der Hutkrempe und so konnte die Einunddreißigjährige keine Einzelheiten erkennen.

Als hätte der geöffnete Kofferraumdeckel dem Traktorfahrer verraten, dass Monika ein Problem hatte, hielt er hinter dem defekten Fahrzeug an, stellte den Motor ab und sprang leichtfüßig vom Traktor. Jetzt konnte Monika auch sein Gesicht sehen. Es war ein männlich-markantes, von Wind, Regen und Sonne gegerbtes Gesicht mit einem kantigen Kinn, das Energie und einen starken Willen verriet.

Der Mann kam auf Monika zu, hielt zwei Schritte vor ihr an, lüftete den etwas abgegriffenen Hut und sagte: »Hallo.« Er lächelte. »Haben S‘ ein Problem, junge Frau? Um zu parken und sich die Umgebung anzuschauen wär‘ das nämlich net der richtige Platz.«

Monika schätzte ihn auf ungefähr vierzig Jahre. Sie fand ihn sympathisch, wenn sie von seinem letzten Hinweis auch ein wenig genervt war und entsprechend reagierte. »Ich will hier nicht parken«, stieß sie hervor. »Und die Gegend will ich mir von hier aus schon gar nicht ansehen. Ich hab‘ einen Platten gefahren. Nun steh‘ ich da und weiß mir nicht zu helfen. Gibt es in der Umgebung einen Abschleppdienst oder eine Reparaturwerkstatt, die einen Mechaniker schicken kann, der den Reifen wechselt?«

»Natürlich haben wir so was«, erwiderte der Bauer. Er ging um Monika herum zur linken vorderen Seite des Fahrzeugs und schaute sich den Schaden an. »Wenn S‘ ein Reserverad dabei haben, junge Frau, dann brauchen wir keinen Mechaniker. Das Rad wechsle ich Ihnen innerhalb einer Viertelstunde.«

»Das wär‘ nett«, entfuhr es Monika. »Den Reservereifen hab‘ ich im Kofferraum gefunden. Ein Wagenheber und Werkzeug müsst‘ sich da auch befinden.« Wenn sie anfangs hochdeutsch gesprochen hatte, war sie nun in ihren mittelfränkischen Dialekt verfallen. »Ich werd‘ das Warndreieck aufstellen«, fügte sie hinzu und endete lächelnd: »Wobei Ihr Traktorengespann kaum zu übersehen sein dürft‘.«

»Tun S‘ das«, sagte der Bauer. »Es ist Vorschrift. Wenn was passiert, und das Warndreieck hat net auf der Straße gestanden, haben S‘ mit Schwierigkeiten zu rechnen. Na schön, Frau …« Er brach ab und musterte Monika fragend. »Wie darf ich Sie denn anreden?«, erkundigte er sich.

»Ich heiße Böhm – Monika Böhm.«

»Und sie sind eine Fränkin«, ergänzte er grinsend. »Das können S‘ net abstreiten. Mein Name ist Traxler, Armin Traxler. Ich bewirtschaft‘ in der Nähe von St. Johann einen Bauernhof.« Er ging zum Kofferraum und hob das Reserverad heraus. »Sehen S‘«, sagte er, »da liegen auch der Wagenheber und das Werkzeug.«

»Ich hab‘ mich noch nie damit befasst«, gestand Monika, die das Warndreieck in den Händen hielt. »Das war wahrscheinlich ein Fehler.«

»Das kriegen wir schon«, knurrte Armin, und während Monika das Warndreieck nach hinten trug, um es in einer gewissen Entfernung hinter dem Traktor aufzustellen, nahm er den Wagenheber aus dem Kofferraum, setzte ihn vorne links an und pumpte insoweit hoch, bis er Widerstand spürte. Dann öffnete er mit einem passenden Steckschlüssel die Radmuttern, schraubte sie aber noch nicht völlig von den Bolzen, sondern pumpte mit dem Wagenheber das Auto höher, sodass der kaputte Reifen die Bodenhaftung verlor.

Monika kam zurück. »Das Warndreieck steht«, sagte sie und schaute zu, wie Armin die Radmuttern abschraubte. Dann hob er das defekte Rad von der Bremstrommel und steckte das Reserverad darauf. Die Muttern auf die Bolzen zu schrauben und bis zum Anschlag festzudrehen war die Angelegenheit weniger Minuten. Dann ließ Armin den Wagen nach unten, indem er den Druckzylinder des Wagenhebers öffnete. Das Reserverad berührte den Boden, und - es war genauso platt wie das Rad, das Armin eben ausgewechselt hatte. »Das darf doch net wahr sein!«, platzte es aus ihm heraus. »In dem Rad ist net so viel Luft …« Er zeigte einen kaum nennenswerten Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger. »Haben Sie denn das Reserverad nie kontrolliert?« Seine Hand war wieder nach unten gesunken. Geradezu ungläubig fixierte er Monikas Gesicht.

Die Einunddreißigjährige senkte fast schuldbewusst den Blick. »Nein, nie«, gab sie kleinlaut zu. »Ich war immer der Meinung, das kontrolliert die Werkstatt, wenn ich das Auto zum Kundendienst bring‘. Aber wie’s aussieht, hat sich da auch keiner drum gekümmert.«

Armin zuckte mit den Schultern. »Das war vergebliche Liebesmüh‘«, knurrte er und zog das Handy aus der seitlichen Beintasche seiner schwarzen Arbeitshose. »In Waldeck gibt es einen Abschleppdienst, in St. Johann eine Kfz-Reparaturwerkstatt. Ob Ihnen die heut‘ noch einen neuen Reifen aufziehen, ist fraglich. Wo wollten S‘ denn überhaupt hin, Frau Böhm? Falls St. Johann oder eine der anderen Gemeinden Ihr Ziel ist, dann ist das net so problematisch. Wenn net, und das Auto wird heut‘ nimmer repariert, dann werden S‘ sich nach einer Übernachtungsgelegenheit umsehen müssen.«

»Das sind ja schöne Aussichten«, murmelte Monika bedrückt. »Mein Ziel ist Innsbruck, ich will dort eine neue Arbeitsstelle antreten. Falls ich heut‘ meinen Weg nimmer fortsetzen kann, muss ich die Pension, in der ich ein Zimmer gebucht hab‘, anrufen und Bescheid sagen, dass ich erst morgen eintreffen werd‘.«

Armin suchte per Internet die Telefonnummer des Abschleppdienstes, fand sie und wählte sie an …

*

Das Fahrzeug wurde zur Kfz-Reparaturwerksstatt Wildenauer in St. Johann geschleppt. Dort wurde Monika erklärt, dass man keinen passenden Reifen auf Lager habe, einen solchen aber am folgenden Tag besorgen könne. Das Reserverad könne man zwar aufpumpen, es sei jedoch nur gestattet, damit bis zur nächsten Werkstatt, allenfalls achtzig Kilometer zu fahren. Bis Innsbruck seien es zwar etwa nur sechzig Kilometer, aber sicherer für Monika wäre es, wenn sie die Nacht in St. Johann verbringen und die Weiterreise erst am folgenden Tag nach erfolgreicher Reparatur des Autos antreten würde.

»Dann werd‘ ich mir wohl eine Unterkunft hier im Ort suchen müssen«, erklärte Monika ohne große Begeisterung.

»Das wird net einfach werden«, versetzte Stefan Wildenauer, der die Werkstatt betrieb. »Wir haben Hochsaison, und da müssen S‘ schon verdammtes Glück haben, wenn S‘ ein Zimmer ergattern möchten.«

Armin Traxler, der mit seinem Traktor dem Abschleppfahrzeug gefolgt war, weil er Monika nicht einfach sich selbst überlassen wollte, sagte: »Ich kann Ihnen auf meinem Hof für die kommende Nacht das Fremdenzimmer anbieten, Frau Böhm. Es ist mit einem kleinen Badezimmer ausgestattet. Wenn S‘ möchten, können S‘ es in Anspruch nehmen.«

Monika blickte skeptisch drein. Armin blieb es nicht verborgen und er sagte lachend: »Keine Sorge, Frau Böhm. Ich hab‘ keine Hintergedanken. Auf dem Hof leben meine Frau, meine Schwägerin und mein achtjähriger Sohn Timo. Sie können also beruhigt sein.«

Monika errötete leicht und wirkte verlegen. »Ich hab‘ net angenommen, dass Sie einen Hintergedanken verfolgen, Herr Traxler. Es war nur die Überraschung …«

Armin winkte ab. Er war jetzt wieder ernst. »Sie können mein Angebot annehmen, Sie können es auch ablehnen. Es liegt an Ihnen. Ich hab’s nur gut gemeint.«

»Im Ort werden S‘ schlecht ein Zimmer bekommen«, gab Stefan Wildenauer zu bedenken.

»Ich bin Ihnen dankbar, Herr Traxler«, erklärte Monika, »und freu‘ mich über Ihr Angebot. Natürlich nehm‘ ich’s an, und ich bitte Sie, mich nicht falsch zu verstehen.«

»Nein, nein, ein gewisses Maß an Misstrauen kann niemals schaden«, erwiderte Armin. »Wir werden Ihr Gepäck zu mir schaffen müssen. Auf dem Heuwagen will ich es net gerade befördern. Ich denk‘, ich bring die Ladung heim und Sie warten hier auf mich, bis ich Sie und Ihr Gepäck mit dem Auto abhole.«

In diesem Moment betrat Tina, die Tochter des Betriebsinhabers die Werkstatt. Sie kam aus einem Nebenraum. Bekleidet war sie mit einem Blaumann, auf ihrem Kopf saß eine rote Baseballmütze. Es handelte sich um eine junge, mittelgroße, schlanke und ausgesprochen hübsche Frau. Unter ihrer Mütze hingen einige blonde Haarsträhnen hervor.

»Ich glaub‘, das ist net nötig«, sagte Stefan Wildenauer. »Meine Tochter wird Sie zum Traxlerhof fahren, Frau Böhm. Das ist überhaupt kein Problem.« Tina war heran und schaute ihren Vater fragend an. Er erklärte ihr, dass Monika die Nacht auf dem Traxlerhof verbringen würde und sie, Tina, so gut sein möchte, Monika samt ihrem Gepäck dorthin zu bringen. Tina erklärte sich hierzu bereit. Stefan Wildenauer und Armin hoben die beiden Koffer aus dem Kofferraum des Ford Kuga und trugen sie zu Tinas Auto. Armin sagte: »Ich fahr‘ schon mal voraus und sag‘ meiner Schwägerin, dass sie das Zimmer lüften soll. Bis dann, Frau Böhm.«

»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, versetzte Monika. »So viel Gastfreundschaft erlebt man selten.«

»Keine Ursache«, erwiderte Armin. »Vielen Dank, Stefan, danke Tina.« Er hob die Hand zum Gruß. »Bis nachher«, sagte er zu Monika, dann wandte er sich ab und verließ die Werkstatt.

»Ich wasch‘ mir nur schnell die Hände«, sagte Tina, die bei ihrem Vater als Kfz-Mechatronikerin arbeitete. »Bis zum Traxlerhof sind es allenfalls fünf Minuten Fahrt.« Sie verschwand nach diesen Worten wieder durch die Tür, durch die sie eben die Werkstatt betreten hatte.

»Sie haben schon ein besonderes Pech«, sagte Stefan Wildenauer an Monika gewandt. »So kurz vorm Ziel diese Panne …« Stefan zuckte mit den Schultern. »Da steckt man halt net drin. Aber das kriegen wir schon wieder hin. Und wegen der kommenden Nacht brauchen S‘ sich auch keine Sorgen machen. Auf dem Traxlerhof sind S‘ gut aufgehoben. Morgen besorg‘ ich einen passenden Reifen in Garmisch-Partenkirchen, und spätestens am Mittag können S‘ ihre Fahrt fortsetzen.«

»Der Herr Traxler – scheint mir -, ist ein ausgesprochen hilfsbereiter Mensch«, murmelte Monika. »Er hat sofort angehalten, als er mich am Straßenrand stehen sah, und mir seine Hilfe angeboten.«

»Er ist ein feiner Kerl«, bestätigte der Werkstattinhaber. »Zu beneiden ist er allerdings net. Seine Frau ist schwer krank und bettlägerig. Ihre Heilungschancen sind gleich null. Sie hat Krebs und in der Klinik können s‘ nix mehr für sie tun. Also hat sie der Armin heimgeholt. Er und seine Schwägerin, eine Schwester seiner Frau, versorgen die Eleonore und den Buben.«

Monika schaute betroffen drein. »Seine Frau ist todkrank?«, entrang es sich ihr, und auch ihre Stimme klang ausgesprochen bestürzt. »Das – das ist ja furchtbar.«

»Ja, da ist es« pflichtete ihr Stefan Wildenauer bei. »Aber so spielt halt manchmal das Leben. Da steht man machtlos vis-à-vis.«

Jetzt kam Tina zurück. »Wir können!«, rief sie.

»Ich ruf‘ auf dem Traxlerhof an, wenn der Wagen repariert ist«, versprach Stefan Wildenauer.

»Besten Dank, und tschüss, bis morgen.« Monika folgte Tina zu deren Auto und wenig später waren sie unterwegs.

»Der Hof liegt ein paar hundert Meter außerhalb des Ortes«, gab Tina zu verstehen. »Da haben S‘ Glück gehabt, dass Sie ausgerechnet vom Armin Hilfe angeboten bekommen haben. Net jeder hat ein Fremdenzimmer parat.« Tina lachte in der ihr eigenen, herzerfrischenden Art. »Manchmal muss man halt einfach Glück haben.«

Nach wenigen Minuten bog sie von der Landstraße ab und befuhr eine befestigte Straße, die von Sträuchern gesäumt war, hinter denen sich landwirtschaftliche Nutzflächen erstreckten; Wiesen, Äcker und Felder. Am Ende dieses Zubringers erhoben sich die Gebäude eines Bauernhofes. »Gleich sind wir da«, erklärte Tina.

Tatsächlich fuhren sie wenig später auf den Hof des Anwesens. Der Traktor mit dem angehängten Heuwagen stand vor einer riesigen Scheune.

Tina lenkte ihr Auto vor das Wohnhaus, stellte den Motor ab, und die beiden jungen Frauen stiegen aus. Während Tina den Kofferraum öffnete, schaute sich Monika um. Das Wohnhaus besaß einen rundumlaufenden Balkon, an dem in hölzernen Kästen üppig blühende Geranien und Petunien eine wahre Farbenpracht boten. Alles war gepflegt und sauber. Neben dem im alpenländischen Stil erbauten Wohnhaus gab es einen weitläufigen Stall, die Scheune, eine Traktor- und zwei Autogaragen sowie mehrere Schuppen. Der Hof war geteert.

Nun kamen Armin und eine Frau, deren Alter zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahren liegen mochte, aus dem Wohnhaus. Während Armin lächelte, schaute seine Begleiterin ziemlich unwirsch drein. Monika sagte sich, dass es sich um Armins Schwägerin handelte, von der der Werkstattbesitzer gesprochen hatte. Sofort glaubte sie, spüren zu können, dass sie dieser Frau alles andere als willkommen war.

»Da bin ich«, sagte sie.

»Willkommen auf dem Traxlerhof«, stieß Armin lächelnd hervor. »Darf ich vorstellen: Das ist meine Schwägerin Simone. – Das, Simone, ist Frau Böhm, die wegen einer Panne in St. Johann nächtigen muss. Du weißt Bescheid.«

Monika hielt Simone die rechte Hand hin. Simone ergriff sie auch, aber ihr Händedruck war lasch und unpersönlich. Und ihre Miene wies nicht die Spur von Freundlichkeit auf, als sie murmelte: »Ja, ich weiß Bescheid. Ich zeig‘ Ihnen gleich das Zimmer. Ihre Koffer, denk‘ ich, bringt der Armin nach oben.«

»Natürlich«, erklärte der Bauer und warf Monika einen Blick zu, der zum Ausdruck brachte, wie peinlich ihm das reservierte Verhalten seiner Schwägerin war.

Tina Wildenauer hatte die Koffer auf dem Asphalt abgestellt und den Kofferraum geschlossen. »Ich fahr‘ dann mal wieder. Alles Gute, Frau Böhm. Bis morgen.«