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Machtkämpfe, Magnetismus und Affären: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe Berlin 1816: Karl August von Hardenberg, als preußischer Staatskanzler einer der angesehensten Männer seiner Zeit, trifft im Dämmerlicht einer Arztpraxis eine junge Frau, an der merkwürdige magnetische Heilverfahren ausprobiert werden, und verliebt sich in sie. In seinem neuen Buch erzählt Günter de Bruyn die Geschichte dieser ungewöhnlichen Liebe und entführt dabei wie in seinen vorangegangenen Büchern in das Spannungsfeld einer ganzen Epoche. Es geht um Machtkämpfe und Affären, um Romantik und Restauration. Vor allem aber geht es um die letzten, bewegten Lebensjahre eines Staatsmannes, der für seine junge Geliebte eine Scheinehe mit einem anderen arrangiert und als Reformpolitiker zunehmend an Macht verliert. Ein Meisterwerk historischer Erzählkunst.
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Seitenzahl: 129
Günter de Bruyn
Die Somnambule oder Des Staatskanzlers Tod
FISCHER E-Books
Die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe, die hier so wahrheitsgetreu wie möglich den spärlichen Überlieferungen nacherzählt wird, ereignete sich vor fast zweihundert Jahren in den obersten Rängen der Gesellschaft Berlins. Von ihrer weiblichen Hauptperson, die von den Zeitgenossen moralisch verurteilt wurde, weiß man nur wenig, während beim männlichen Personal dieser Affäre mancher gute Bekannte aus der Staats-, Geistes- und Literaturgeschichte zu finden ist. Der Älteste und Ranghöchste von ihnen war der mit Recht hochgeschätzte preußische Staatskanzler, der aber zum Zeitpunkt unserer Erzählung seine Großtat der Reformierung Preußens hinter sich hatte, auch schon den Titel Fürst tragen durfte, seinen politischen Einfluss jedoch mehr und mehr schwinden sah. Er war schon grauhaarig und schwerhörig, als er im Wien des Jahres 1815 dem jungen Arzt und Dichter David Ferdinand Koreff begegnete, mit dem wir unsere Erzählung beginnen müssen, weil über ihn und den von ihm praktizierten Mesmerismus der Weg zur letzten Geliebten des Staatskanzlers Karl August von Hardenberg führt.
Sie hieß Friederike Hähnel und war gerade vierundzwanzig Jahre alt geworden, als sie der sechsundsechzigjährige Staatskanzler im Februar 1816 zum ersten Mal erblickte und nicht nur von ihrer äußeren Erscheinung beeindruckt war. Sie hatte sich, vermutlich eines Nervenleidens wegen, in die Obhut eines mit Koreff befreundeten Arztes begeben, und dieser führte sie dem Staatskanzler als Beweis für die Wirksamkeit seiner neuartigen Heilmethode vor. Leicht bekleidet auf einem Sofa liegend, war sie vom Arzt in einen magnetischen Wachschlaf versetzt worden, der ihr angeblich auch hellseherische Fähigkeiten verlieh.
Hardenberg, der in seinem langen und erfolgreichen Politikerleben neben seinen drei Ehen auch immer wieder bei anderen Frauen Glück gesucht und gefunden hatte, war auch als schwerhöriger älterer Herr noch sehr ansehnlich. Er war schlank und groß, imponierte durch eine umfassende Bildung und wurde seiner liebenswürdigen Umgangsformen wegen von Leuten jeglichen Standes geschätzt. Noch 1822, nur wenige Wochen vor seinem Tode, wurde er als eine Erscheinung beschrieben, die »durch vornehme Haltung und verbindliche Formen das Bild eines schönen und kräftigen Greises bot«. Wenn er auf Reisen Weimar berührte, besuchte er oft auch Goethe, mit dem er schon als Student in Leipzig zusammengetroffen war. Geistig geformt hatte ihn die aristokratische Aufklärung des 18. Jahrhunderts, doch war ihm als Staatsmann auch das sensible Reagieren auf Veränderungen des Zeitgeistes gegeben, das ihn zur Reformierung Preußens veranlasst hatte und ihm auch noch in den letzten Jahren seines Lebens Antrieb für sein Bemühen um eine Verfassung für Preußen war.
Abb. 1: Staatskanzler von Hardenberg um 1810. Gemälde vermutlich von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein
Da seine geistige Regsamkeit auch immer die Fortschritte der Wissenschaften registriert hatte, war ihm in jüngeren Jahren sicher auch nicht entgangen, dass Franz Anton Mesmers neuartige Heilmethode bei ihrem ersten Bekanntwerden um 1780 sowohl gerühmt als auch geschmäht worden war. Revolution und Krieg hatten den Mesmerismus in seiner Entfaltung zeitweilig behindert, doch hatte er nach der Jahrhundertwende in Preußen und anderen europäischen Ländern unter der Bezeichnung animalischer oder tierischer Magnetismus eine Wiederauferstehung erlebt. Da einige Ärzte mit ihm erstaunliche Heilerfolge erzielten, wurde auch vom Staatskanzler erwogen, ihn gegen den Willen der Schulmedizin staatlich zu fördern, obwohl der Glaube an die rätselhafte Kraft, die angeblich die Heilerfolge bewirkte, seinem rationalistischen Denken eigentlich widersprach. Seine Aufgeschlossenheit für den Zeitgeist, die ihn auf politischem Gebiet zum Reformer gemacht hatte, trieb ihn hier in eine romantische Richtung, die vielleicht aber auch mit seiner nicht alternden Aufgeschlossenheit für weibliche Vorzüge zusammenhing.
Dem Mesmerismus lag die Vorstellung einer unsichtbaren Kraft zugrunde, die die Natur durchpulst, die menschlichen Körperfunktionen steuert und auf das magnetische Prinzip von Anziehung und Abstoßung reagiert. Diese geheimnisvollen, oft Fluidum genannten Lebensströme, die sich nach der Theorie Mesmers bei gesunden Menschen in ruhigem Fließen befinden, können, wenn sie ins Stocken oder in Unordnung geraten, Krankheiten erzeugen, die mit Magnetkraft zu heilen sind. Die mit solchen Kräften begabten Ärzte, die man auch Magnetiseure oder Magnetopathen nannte, glaubten die Lebensströme durch Handauflegen oder durch Luftstriche, die über den erkrankten Körperteilen ausgeführt wurden, wieder zum Fließen bringen zu können, und tatsächlich wurde so mancher Kranke auf diese Weise geheilt. Auch wurden mit Eisen und Wasser gefüllte Bottiche, Baquets genannt, die Magnetströme erzeugen sollten, zur gleichzeitigen Behandlung mehrerer Patienten benutzt. Die mit solchen Methoden manchmal erzielten Heilerfolge wurden bei einigen Patienten, den sogenannten Somnambulen, von Zuständen eines Wachschlafs begleitet, der ihnen bei ausgeschaltetem Ich-Bewusstsein angeblich auch die Fähigkeit zum Hellsehen verlieh.
Abb. 2: Magnetiseur und Patientin. Kupferstich von Daniel Chodowiecki
Wie man heute weiß, lagen diesen Heilungen, soweit sie nicht auf Betrug beruhten, nicht physische, sondern psychische Ursachen zugrunde, weshalb man den animalischen Magnetismus als Vorläufer der suggestiven, hypnotischen und psychoanalytischen Therapien bezeichnen kann. Die Theorie der teils stofflich, teils geistig verstandenen Lebensströme wurde auch von Dichtern und Philosophen aufgegriffen, und später, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, beriefen sich auch Parapsychologen und Spiritisten auf sie.
Magnetische Heilerfolge, die dem Staatskanzler in Wien zu Ohren gekommen waren, hatte auch der junge Arzt Koreff schon mehrfach erzielt. Er war 1783 als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Arztes in Breslau geboren worden, war schon in der Jugend durch seinen mit dem Magnetismus vertrauten Vater mit dessen Praktiken bekannt geworden und hatte sie, als er sich nach einem Medizinstudium in Halle 1803 in Berlin niedergelassen hatte, auch mit Erfolg angewandt. Als Dichter hatte er mit jungen Literaten wie Chamisso, Varnhagen und Hitzig zusammen im sogenannten Nordsternbund den romantischen Idealen des Novalis und der Brüder Schlegel nachgeeifert, bis er, um sich medizinisch weiterzubilden, nach Paris gegangen war. Dort war er mit vielen Geistesgrößen bekannt geworden, und sein verständnisvolles Eingehen auf die körperlichen und seelischen Leiden seiner Patienten hatte ihn bald zum Modearzt vornehmer Kreise werden lassen. Besonders die Damen hatten auch sein charmantes Auftreten und sein hübsches, südländisches Aussehen entzückt. Mit einer Patientin und Geliebten, einer Marquise de Custine zusammen hatte er sich von 1811 bis 1813 in der Schweiz und in Italien aufgehalten, bis ihn der Bruch mit ihr nach Wien getrieben hatte, wo er sich wieder als Arzt betätigte und in Caroline von Humboldt, die er von Herzkrämpfen befreien konnte, eine Verehrerin fand. In Briefen an ihren Mann, Wilhelm von Humboldt, kann man von Koreffs und ihrer gemeinsamen Lektüre antiker Dichtungen lesen, in Briefen an Rahel Levin, die wenig später Rahel Varnhagen wurde, steht aber auch das Geständnis: »Ich liebe ihn wie gewiss nie ein Mensch einen Menschen mehr geliebt hat.«
Dass diese Liebe erwidert wurde, ist unwahrscheinlich. Varnhagen, der Koreff gut kannte und später auch dessen Leben erstmalig beschreiben sollte, schrieb im April 1814 warnend an Frau von Humboldt: »Man sagt von der Poesie, sie sei eine schöne Lüge. Koreffs Prosa besteht auf diese Weise aus lauter Gedichten, denn er lügt nicht ohne Anmut und bis zur Wahrheit täuschend. Wir sind sehr gute Freunde, aber ich möchte doch lieber, dass Sie sich von mir als von ihm belügen ließen.«
Als Koreff in Wien die für ihn schicksalhafte Begegnung mit dem preußischen Staatskanzler hatte, wurde dort auch das Schicksal Europas entschieden, denn Hardenberg war des Kongresses wegen nach Wien gekommen, auf dem man nach dem Sieg über Napoleon vom September 1814 bis zum Juni 1815 über das künftige Schicksal unseres Erdteils beriet. Die Friedensordnung, die auf dem Kongress beschlossen wurde, war auf die Restaurierung der alten, vornapoleonischen Zustände gegründet, soweit das noch möglich war. Um die Stabilität des restaurierten Alten zu gewährleisten, mussten nun alle Veränderungsbestrebungen, die man pauschal mit den abschreckenden Begriffen Demagogie oder Jakobinismus belegte, durch rigorose Zensurmaßnahmen unterdrückt werden, so dass die Geistesfreiheit dabei auf der Strecke blieb. In Preußen hatte dieses Festhalten des Tradierten auch zur Folge, dass die restaurativen Kräfte in der Regierung erstarkten und der König, der die Einführung einer Verfassung mehrmals verheißen hatte, seine Versprechen nicht hielt. Hardenberg, der sich als Krönung seines Reformwerks auch weiterhin noch um die Verfassung bemühte, bekam immer stärkeren Widerstand aus der Umgebung des Königs zu spüren, so dass die Hoffnung auf den Erfolg seines Bemühens, dem preußischen Königreich doch noch eine Konstitution zu geben, immer mehr schwand.
Das aus Ministern, Beamten und Hilfskräften bestehende Gefolge des preußischen Staatskanzlers, das dieser nach Wien mitgebracht hatte, war so zahlreich, dass der Berliner Witz schon wissen wollte, Hardenberg habe den Sitz der preußischen Regierung an die Donau verlegt. Wien war kurzzeitig zu einer Art Hauptstadt Europas geworden, und so wie Varnhagen und Koreff konnten sich auch andere Berliner, die sich in Kriegszeiten aus den Augen verloren hatten, hier wiedersehen. Friedrich Gentz und Friedrich Schlegel, die in österreichische Dienste getreten waren, trafen hier wieder mit Wilhelm von Humboldt zusammen, der in Wien als preußischer Gesandter amtierte und bei den Verhandlungen des Kongresses dem schwerhörigen Staatskanzler zur Seite stand. Andere Frauen und Männer, die in ihren jungen Jahren in den jüdischen Salons Berlins verkehrt hatten, füllten nun die jüdischen Salons der Donaustadt.
Erst gegen Ende des Kongresses, den die hundert Tage von Napoleons Wiederkehr unterbrochen hatten, erfolgte das für Koreffs Zukunft so entscheidende Zusammentreffen mit dem Staatskanzler, das er wahrscheinlich Wilhelm von Humboldt zu danken hatte, der durch seine Frau Caroline auch zum Anhänger des Mesmerismus geworden war. Der Staatskanzler, der sich schon immer gern mit talentierten Männern umgeben hatte, die nicht die vorgeschriebene Beamtenkarriere durchlaufen, sondern sich anderswo im Leben bewährt hatten, versuchte den geistreichen Arzt, dem gute Heilerfolge nachgesagt wurden, für sich zu gewinnen, und da er ihm eine Professur an der 1810 gegründeten Berliner Universität in Aussicht stellte, war Koreff bereit, auf sein Angebot einzugehen. Der Staatskanzler, der bald nach dem Kongress in das von den verbündeten Armeen besetzte Paris reiste, brachte Koreff dort als Arzt im preußischen Armeehauptquartier unter, doch sollte das nur eine vorläufige Stellung sein.
In dieser zweiten Pariser Zeit Koreffs (später sollte es noch eine längere dritte geben) war er in den preußischen Lazaretten tätig, wofür er zwar mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde, sich vom Militär aber, wie er dem Staatskanzler klagte, nicht genügend gewürdigt sah. In Paris veröffentlichte er auch die einzige Sammlung seiner formvollendeten, aber wenig gehaltvollen Gedichte, und er schrieb an den Staatskanzler eine Art ausführlichen Bewerbungsschreibens, das sowohl von starkem Selbstbewusstsein als auch von Meisterschaft im Schmeicheln zeugt.
Die im Brief enthaltene Beschreibung des eignen Lebens ist verständlicherweise ganz dem Zweck der Bewerbung verpflichtet, betont aber die Opfer, die er angeblich schon für Preußen gebracht habe, gar zu sehr. Noch unangenehmer aber wirkt sein Anerbieten, gern auch als politischer Schreiber tätig zu werden, um »die höchst gefährliche Opposition« zu bekämpfen, »die wie in Frankreich über Brand und Leichname zu Macht und Glanz emporzuklimmen wünscht«. Zum Glück für den eigentlich liberal denkenden Schreiber war dann aber seine literarische Mithilfe an der geistigen Unterdrückung gar nicht gefragt.
Koreffs Kunst, sich angenehm zu machen, zeigt sich in dem Bewerbungsschreiben in voller Blüte, wenn er auf die Erwägung Hardenbergs, ihn zu seinem Leibarzt zu machen, zu sprechen kommt. Berlin, so heißt es da, habe nur einen einzigen Reiz für ihn, nämlich den, »über Ihr Leben und Ihre Gesundheit mit der zärtlichsten Liebe eines Sohnes und eines scharf beobachtenden Arztes zu wachen. Ich weiß es, dass ich schon damit dem Staate den wesentlichsten Dienst erwiese und mir dadurch die schönste Bürgerkrone verdiente; doch nicht bloß diese kalte Pflicht-Idee, sondern ein ganz andres lebendigeres Gefühl bestimmt mich dazu. Seit ich Sie das erste Mal sah, gehört Ihnen mein ganzes Herz an, und es hat Ihnen unwillkürlich Treue und Anhänglichkeit geschworen. Es wird diesen Schwur nicht brechen, solange es schlägt. … Doch damit dies Verhältnis auch den Charakter edler Freiheit und Würde behaupte, muss es notwendig von jedem Eigennutze frei bleiben, und ich würde es mir zur ausdrücklichen Bedingung machen, dass nie von irgendeiner Belohnung für dieses heilige Amt die Rede zwischen uns sei. Es gibt heilige Gegenden im Leben und im Herzen, worauf der Eigennutz seinen giftigen Nachtschatten nie werfen darf. Rein und sonnenhell müssen sie bleiben, sonst gedeiht darauf die zarte Pflanze heiligen Gefühles nicht. Dies ist ein solcher Fleck. Sie müssen mir dies versprechen, sonst lähmen Sie mich in meiner frommen Anhänglichkeit und entadeln meine schönste Freude. Denn nicht dem ruhmgekrönten Staatskanzler, nicht dem mächtigen Fürsten will ich dies sein – der findet Diener genug –, nur dem Mann, dessen hohe, edle Natur mich mit Bewunderung und Liebe erfüllt, nur diesem kann und will ich dies sein. So fühle ich es, und das ursprüngliche Gefühl hat immer Recht. Gern will ich von dem Amte leben, das mir der Staat anvertraut, doch das Verhältnis zu Ihnen muss von aller irdischen Nebenrücksicht rein und frei bleiben.«
Nachdem er geschickt eingestreut hatte, dass er auch Angebote aus Italien und vom Zaren habe, äußerte er dann auch seine Wünsche, die bescheiden wirken, misst man sie an der Stellung, die er dann tatsächlich bekam. Denn als Leibarzt Hardenbergs, der diesen ständig, auch auf allen seinen Reisen begleitete, bekam er auf das kulturelle Leben Preußens einigen Einfluss, der sich noch verstärkte, als er den Staatskanzler von einer schweren Erkrankung geheilt hatte, dieser ihn 1817 zum Geheimen Staatsrat beförderte und ihm die Leitung der wissenschaftlichen und künstlerischen Angelegenheiten im Staatskanzleramt übertrug. Hier konnte sich Koreff unter anderem bei der Gründung der Universität in Bonn bewähren, für die er auch August Wilhelm Schlegel gewinnen konnte, doch wuchs mit der Stärkung seiner Stellung auch die Zahl seiner Feinde und Neider, die gegen ihn auch den Judenhass aktivierten, der trotz des 1812 von Hardenberg erlassenen Edikts über die bürgerliche Gleichstellung der Juden noch weitverbreitet war. Im Staatsdienst konnte ein Jude nur angestellt werden, wenn er seinem Glauben abgeschworen hatte, also christlich getauft war.
Als Hardenberg seinem Schützling im Juni 1816 trotz des Protestes der Berliner Universität die versprochene Professur verschafft hatte, wurde gerüchtweise verbreitet, dass Koreff noch ungetauft sei. Hardenberg, der Koreff nie danach gefragt hatte, weil er auf dergleichen keinen Wert legte, reiste mit ihm gerade durch Sachsen, als er von diesem Gerücht hörte und von Koreff erfahren musste, dass es der Wahrheit entsprach. Um die Berufung nicht wieder rückgängig machen zu müssen, fiel dem wendigen Staatskanzler, der es in den Jahren zuvor vermocht hatte, Preußen durch seine schwerste Zeit zu steuern, auch gleich ein Ausweg ein. Wilhelm Dorow, ebenfalls ein von ihm protegierter Außenseiter, der im Befreiungskrieg als Leutnant im Freikorps Lützow gekämpft hatte und sich später als Archäologe im Rheinland auszeichnen sollte, wurde von ihm mit dieser heiklen Aufgabe betraut. Dorow und Koreff fuhren nach Meißen, wo sie am frühen Morgen einen evangelischen Pfarrer aus dem Bett holten und ihn dazu brachten, Koreff zu taufen und auf die Taufbescheinigung ein Datum zu setzen, das vor des Doktors Berufung zum Professor lag.