Die Vergangenheit soll ruhen - Toni Waidacher - E-Book

Die Vergangenheit soll ruhen E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Tobias Thalhofer trat aus dem Stall. Ein wenig verwundert schaute er auf den Wagen mit dem Münchener Kennzeichen, der auf den Hof gefahren kam. Was will der denn hier? dachte er, bevor die Autotür geöffnet wurde. Dann weiteten sich seine Augen. »Mich laust der Affe!« rief er. »Bist du's wirklich, oder träume ich?« Im selben Augenblick kam Hasso, der Hofhund, um die Ecke geschossen und sprang jaulend an dem Besucher empor. Wolfgang grinste breit und streichelte den Kopf des Tieres. »Grüß dich, großer Bruder«, sagte er und lief auf Tobias zu. Dann lagen sie sich in den Armen. »Mensch, warum hast' denn net angerufen und gesagt, daß du kommst?« fragte der junge Bauer. »Ich wollt' dich überraschen, und wie ich seh', ist's mir gelungen.« »Aber hundertprozentig. Los, komm mit rein. Die Christel wird Augen machen.« Christel Hornbacher war in der Küche mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt. Die alte Magd staunte nicht weniger als Tobias, als der mit seinem Bruder hereinkam. »Jesses, das ist aber ein seltener Besuch!« rief sie aus und schloß Wolfgang Thalhofer in die Arme. »Na, wie geht's dir?« wollte er wissen. »Was macht das Rheuma?« Christel winkte ab. »Das kommt und geht«, erwiderte sie. »Wenn's schlimm wird, dann holt sie sich eine Salbe vom Brandhuber«, lachte Tobias. »Und wenn die nix mehr hilft, dann muß der Doktor ran.« Die Magd hatte die restlichen Kartoffeln vom Vortag in Scheiben geschnitten und mit Speck und Zwiebeln knusprig braungebraten. Dazu gab es Spiegeleier und Gewürzgurken. Die beiden Männer tranken Bier dazu. »Schmeckt lecker!« sagte Wolfgang. »So richtige Hausmannskost ist doch was ganz and'res, als wenn ich

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Der Bergpfarrer –137–

Die Vergangenheit soll ruhen

Komm mit, in unsere gemeinsame Zukunft!

Roman von Toni Waidacher

Tobias Thalhofer trat aus dem Stall.

Ein wenig verwundert schaute er auf den Wagen mit dem Münchener Kennzeichen, der auf den Hof gefahren kam.

Was will der denn hier? dachte er, bevor die Autotür geöffnet wurde.

Dann weiteten sich seine Augen.

»Mich laust der Affe!« rief er. »Bist du’s wirklich, oder träume ich?«

Im selben Augenblick kam Hasso, der Hofhund, um die Ecke geschossen und sprang jaulend an dem Besucher empor.

Wolfgang grinste breit und streichelte den Kopf des Tieres.

»Grüß dich, großer Bruder«, sagte er und lief auf Tobias zu.

Dann lagen sie sich in den Armen.

»Mensch, warum hast’ denn net angerufen und gesagt, daß du kommst?« fragte der junge Bauer.

»Ich wollt’ dich überraschen, und wie ich seh’, ist’s mir gelungen.«

»Aber hundertprozentig. Los, komm mit rein. Die Christel wird Augen machen.«

Christel Hornbacher war in der Küche mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt. Die alte Magd staunte nicht weniger als Tobias, als der mit seinem Bruder hereinkam.

»Jesses, das ist aber ein seltener Besuch!« rief sie aus und schloß Wolfgang Thalhofer in die Arme.

»Na, wie geht’s dir?« wollte er wissen. »Was macht das Rheuma?«

Christel winkte ab. »Das kommt und geht«, erwiderte sie.

»Wenn’s schlimm wird, dann holt sie sich eine Salbe vom Brandhuber«, lachte Tobias. »Und wenn die nix mehr hilft, dann muß der Doktor ran.«

Die Magd hatte die restlichen Kartoffeln vom Vortag in Scheiben geschnitten und mit Speck und Zwiebeln knusprig braungebraten. Dazu gab es Spiegeleier und Gewürzgurken. Die beiden Männer tranken Bier dazu.

»Schmeckt lecker!« sagte Wolfgang. »So richtige Hausmannskost ist doch was ganz and’res, als wenn ich mir in meiner Junggesellenbude was zusammenkoche.«

»Da hat’s also keines der hübschen Münchener Madln geschafft, dein Herz zu erobern, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?« fragte Tobias.

Das letzte Mal, das war vor einem halben Jahr gewesen. Da hatte er den Bruder in München besucht. Wolfgang selbst war vor über zwei Jahren zuletzt auf dem Hof im Wachnertal zu Besuch.

»Du bist ja selbst noch net unter der Haube«, gab der junge Ingenieur zurück.«

»Dabei stehen die Madln Schlange, wenn er am Samstag zum Tanzen geht«, warf Christel ein.

»Na ja, die Richtige wird schon noch kommen«, meinte Tobias abwinkend. »So eilig hab’ ich’s damit net.«

Nach dem Abendessen spazierten die Brüder über den Hof. Tobias, als der Ältere, hatte ihn vom Vater übernommen und dem Bruder dessen Erbteil ausgezahlt. Finanziell war es keine Schwierigkeit gewesen, denn der Bauernhof stand wirtschaftlich auf gesunden Beinen, und Tobias hatte von jeher keine Neigung zur Landwirtschaft gezeigt. Schon von klein an hatte er sich für alles Technische interessiert und wußte schon früh, daß er einmal Bauingenieur werden wollte. Nach dem Abitur studierte er in München, wobei ihm das Geld aus dem Erbe eine große Hilfe war. Danach ging er für ein Jahr ins Ausland und arbeitete inzwischen bei einem Unternehmen, das weltweit Aufträge ausführte. Dort hatte Wolfgang Thalhofer eine führende Position inne, die ihn voll und ganz ausfüllte und so verhinderte, daß er so oft in der Heimat sein konnte, wie er gerne gewollt hätte.

Tobias hatte von Anfang an den Hof so weitergeführt, wie sein Vater es schon getan hatte. In der Saison arbeitete er mit Aushilfskräften, ansonsten kamen er und die Magd alleine zurecht. Im Stall standen ein paar Mastschweine, die Kühe wurden im Frühjahr auf die Kandereralm getrieben, wo sie bis zum Spätherbst in der Obhut des Senners blieben. Franz Thurecker machte aus der Milch den weithin bekannten Bergkäse, den Tobias und die anderen Bauern, deren Kühe ebenfalls auf der Alm standen, an Gastronomen und Feinkostläden verkauften. Hinzu kamen einige hundert Hektar Felder, auf denen Getreide angebaut wurde.

Stolz führte der junge Bauer seinen Bruder herum und zeigte ihm alles. Wolfgang erkundigte sich nach dem Senner und fragte, wie es Pfarrer Trenker gehe.

»Ich glaub’, die werden beide über hundert Jahr’ alt«, lachte Tobias. »Der Franz ist munter und fidel wie immer, und unser Bergpfarrer schaut zwanzig Jahre jünger aus, als er ist.«

»Ich werd’ ihm morgen mal guten Tag sagen«, meinte Wolfgang, »wenn ich zum Friedhof gehe.«

Sie hatten ihren Rundgang beendet und setzten sich auf die Bank vor dem Haus. Christel brachte ihnen zwei Flaschen Bier und setzte sich zu ihnen.

»Und wie geht’s den Nachbarn…?« wollte Wolfgang wissen, nachdem er getrunken hatte.

An der Miene, die sein Bruder machte, konnte er erkennen, daß sich nichts an dem Verhältnis zum Gruberbauern geändert hatte.

»Immer noch die alte Leier?« fragte er.

Tobias winkte ab und nickte.

»Der Hirsch, der damische, der wird doch net mehr gescheit!« rief er. »Genau wie sein Vater denkt er immer noch, daß unser Großvater dem Alten einen lahmen Ochsen als angeblichen Zuchtbullen untergejubelt hat.«

Wolfgang schüttelte den Kopf.

»Ich versteh’ das net«, sagte er. »Das geht jetzt schon über drei Generationen. Meinst’ net, daß es an der Zeit wär’, endlich mal einen Schlußstrich unter diese Angelegenheit zu ziehen?«

»Frag’ das net mich, sondern den Gruberbauern«, gab sein Bruder zurück. »Der ist doch derjenige, der immer wieder davon anfängt.«

Die Geschichte hatte sich angeblich vor über sechzig Jahren zugetragen und wurde immer wieder erzählt – natürlich entsprechend ausgeschmückt und mit weiteren Details versehen. Danach hatte der Vater des jetzigen Bauern vom Großvater der beiden Thalhoferbrüder einen Zuchtbullen kaufen wollen. Der habe ihm aber einen unfruchtbaren Ochsen angedreht. Die Sache ging damals vor Gericht, aber niemand erinnerte sich heute mehr daran, wer seinerzeit Recht bekommen hatte. Indes war die Angelegenheit nicht vergessen und vergeben, sondern sorgte auch heute noch immer wieder für Streitereien zwischen den Nachbarn.

Wolfgang gähnte verhalten. Erst vor zwei Tagen war er aus Afrika zurückgekehrt, wo er im Auftrag der Firma den Bau einer Brücke über einen Fluß überwacht hatte. Den verdienten Urlaub wollte er nutzen, um den Bruder zu besuchen und ein paar Tage in der Heimat zu weilen.

Christel hatte inzwischen das Bett in seinem alten Zimmer bezogen, und als der Ingenieur bald darauf das Licht löschte, fiel endlich die Anspannung von ihm ab.

*

Am nächsten Tag stand Wolfgang schon in aller Herrgottsfrühe wieder auf. Im Kleiderschrank hatte er ein paar alte Hosen und Hemden von sich gefunden und angezogen, ein paar Gummistiefel fanden sich auch, und so stand er kurz nach fünf neben seinem Bruder im Stall und half beim Ausmisten.

»Was gibt’s denn noch zu tun?« erkundigte er sich nach dem Frühstück.

»Net viel«, antwortete Tobias. »Ich fahr’ nachher mal zu den Feldern und schau, was das Getreide macht. Ansonsten gibt’s im Moment kaum was zu tun. Die Ernte geht erst in ein, zwei Wochen los. Morgen muß ich allerdings zum Franz hinauf, den Käse abholen. Da wirst’ doch sicher mitkommen wollen, oder?«

»Auf jeden Fall!« nickte Wolfgang. »Und wenn du sonst nix für mich zu tun hast, fahr’ ich nachher ins Dorf hinunter.«

Am Vormittag schnitt Christel Blumen im Garten ab, die sie zu einem Strauß zusammenband.

Wolfgang hatte geduscht und sich umgezogen. Er fuhr gemächlich nach St. Johann und stellte sein Auto an der Straße unterhalb der Kirche ab. Dann nahm er den Strauß und ging den Kiesweg hinauf. Durch die eiserne Pforte gelangte er auf den Friedhof. Das Familiengrab der Thalhofers lag im hinteren Teil, nahe der Hecke, die das Areal zum Pfarrhaus hin abgrenzte.

Der Besucher nahm die Grabvase, die hinter dem Stein lag, füllte sie mit Wasser und steckte die Blumen hinein. Nachdem er die Vase aufgestellt hatte, sprach er ein stummes Gebet.

Anschließend ging er zum Pfarrhaus hinüber und klingelte. Es dauerte einen Moment, ehe geöffnet wurde. Sophie Tappert schaute ihn fragend an.

»Ja, bitte?«

Wolfgang lächelte.

»Kennen S’ mich net mehr, Frau Tappert?« fragte er.

Die Haushälterin stutzte, und plötzlich lief ein Lächeln des Erkennens über ihr Gesicht.

»Der Thalhofer-Wolfgang! Ich glaub’s net! Komm herein. Hochwürden wird Augen machen«, rief sie.

Der junge Mann trat ein, und sie führte ins zum Arbeitszimmer des Geistlichen.

»Hochwürden, Besuch für Sie«, sagte Sophie Tappert geheimnisvoll.

Sebastian Trenker saß an seinem Schreibtisch und bearbeitete die Post, die am Morgen gekommen war. Er schaute auf.

»So? Wer ist’s denn?«

Wolfgang stand schon in der Tür.

»Ja! Lebst du auch noch?« rief der Bergpfarrer erfreut. »Grüß dich Gott, Wolfgang. Dein Besuch ist aber eine nette Überraschung!«

Er schüttelte dem Besucher die Hand und bat ihn, Platz zu nehmen.

»Kann ich dir was anbieten? Tee oder Kaffee?«

»Ein Glas Apfelsaft, vielleicht«, meinte Wolfgang. »Wenn Frau Tappert ihn noch immer selbst macht?«

»Das will ich meinen«, nickte die Haushälterin. »Das gekaufte Zeug kommt mir hier net auf den Tisch!«

Sie eilte in die Küche und kam kurz darauf mit einer Karaffe und zwei Gläsern wieder zurück.

»Jetzt erzähl’ aber«, forderte Sebastian den jungen Mann auf. »Wie geht’s dir? Was macht die Arbeit?«

»Dank’ schön, mir könnt’s net besser gehen«, antwortete Wolfgang Thalhofer. »Und was die Arbeit angeht –, am Dienstag war ich noch in Afrika und jetzt habe ich erst einmal Urlaub.«

»Den du in der Heimat verbringen willst«, nickte der Geistliche. »Das ist sehr vernünftig.«

»Ich muß gestehen, daß ich auch richtig Heimweh nach dem Wachnertal hatte«, schmunzelte der Bauingenieur.

»Dann hat der Tobias wohl net schlecht gestaunt, was? Oder wußte er, daß du kommst?«

Wolfgang schüttelte den Kopf.

»Nein, nein. Kein Sterbenswörtchen hab’ ich verraten.«

»Wie lang’ kannst’ denn bleiben?«

»Zwei Wochen, wenn ich net vorher einen Anruf bekomme, der mich zurückruft. Es gibt da ein Projekt, über das in der nächsten Zeit entschieden werden soll, ob uns’re Firma den Auftrag bekommt. Aber unter Umständen kann das auch noch dauern.«

»Na, dann werden wir uns auf jeden Fall noch ein paarmal sehen«, meinte der Bergpfarrer. »Den Tobias hab’ ich vor ein paar Wochen besucht, als ich vom Kogler kam. Da ging es ihm und der Christel gut. Ich hoffe, es ist immer noch so?«

»Den beiden könnt’s net besser gehen«, lachte Wolfgang. »Außer, daß der Tobias sich endlich mal eine Frau suchen sollte.«

»Na, an deiner Hand seh’ ich aber auch keinen Ehering«, entgegnete Sebastian.

»Kommt alles noch…«, antwortete der junge Mann vieldeutig.

»Ach, gibt’s denn da schon jemanden?« hakte Pfarrer Trenker sofort nach.

»Akut net«, gestand Wolfgang, »da geht’s mir wie meinem Bruder. Aber im Gegensatz zu mir hat er ein ruhiges Leben, während ich ständig auf Achse bin; heute hier, morgen dort. Ich weiß gar net, ob ich das einem Madl zumuten kann.«

»Na ja, wenn es dich aufrichtig liebt, wird es für dein unstetes Leben vielleicht Verständnis aufbringen. Aber auf die Dauer, das siehst du völlig richtig, hält eine Beziehung keine langen Trennungen aus.«

»Wenn es soweit ist, werd’ ich schauen, daß ich etwas and’res finde«, sagte Wolfgang. »Es gibt in meinem Beruf durchaus auch Stellungen, wo man net ständig irgendwo im Auslandseinsatz ist.«

Sebastian schmunzelte.

»Ich sehe, du hast dir da so deine Gedanken gemacht, Wolfgang. Das ist sehr gut.«

»Man wird eben net jünger und muß beizeiten darüber nachdenken, wie es weitergehen soll. Sonst bleibt man am End’ der ewige Junggeselle.«

»Der Tobias ist jetzt fünfunddreißig, net wahr? Dann bist du – achtundzwanzig? Ja, ich denk’ auch, daß es für euch Burschen an der Zeit ist, endlich in den Stand der Ehe zu treten.«

Wolfgang Thalhofer erhob sich lachend.

»Mal schauen«, meinte er, »vielleicht treff’ ich am Samstag im Löwen genau auf das Madl, das schon lang’ auf mich wartet.«

»Das wünsch’ ich dir, und dem Tobias auch«, nickte Sebastian und brachte den Besucher zur Tür. »Schöne Grüße zu Haus’.«

»Dank’ schön, werd’ ich ausrichten.«

Wolfgang war schon zwei Schritte gegangen, als er wieder kehrtmachte.

»Ach, was ich noch fragen wollte, Hochwürden«, sagte er, »gibt’s da eigentlich keine Möglichkeit, diesen unsinnigen Streit mit dem Alois Gruber beizulegen? Ich hab’ früher schon net verstanden, warum uns’re beiden Familien sich ständig bekriegen. Und der Tobias und ich, wir haben doch schon gar nix mehr damit zu tun.«

»Tja, Wolfgang, da sprichst du wirklich ein böses Thema an«, nickte der Bergpfarrer. »Leider haben alle meine Bemühungen nix gefruchtet. Dabei hab’ ich schon den Loisl und deinen Bruder hier bei mir an einem Tisch sitzen gehabt. Aber ohne Erfolg. Sie sind genauso unversöhnlich wieder gegangen, wie sie hergekommen sind. Ehrlich gesagt, hab’ ich’s aufgegeben, da vermitteln zu wollen. Ich kann nur noch einen Streit zwischen den beiden schlichten, wenn er akut werden sollte. Ansonsten hören sie net auf mich.«

»Eigentlich schade«, sagte Wolfgang. »Und völlig unnötig, daß man sich das Leben gegenseitig so schwer macht. Man sollte die Vergangenheit einfach ruhen lassen.«

»Da sprichst du ein wahres Wort«, nickte Sebastian Trenker. »Nur geht’s dir in dieser Angelegenheit wie mir –, es hört niemand drauf!«

*

Wolfgang Thalhofer schlenderte die Straße hinunter und betrat das kleine Einkaufszentrum. Es war das einzige Zugeständnis im Ort an die moderne Zeit. Ansonsten hatte man den Eindruck, in St. Johann wäre die Zeit stehengeblieben. Die Häuser, mit ihren typischen Lüftlmalereien, die Menschen, von denen nicht wenige tatsächlich in Dirndlkleidern und Trachtenanzügen gingen, und die hoch in den Himmel ragende Kirche mit ihrem Zwiebeltürmchen, vermittelten das typische Bild eines bayerischen Dorfes. Der junge Urlauber atmete tief durch und freute sich, wieder daheim zu sein. Es war etwas Wunderschönes, weiter herumzukommen und die Welt zu sehen, neue Menschen kennenzulernen und andere Eindrücke zu gewinnen. Die Erfahrungen, die man dabei machte, waren nicht mit Gold aufzuwiegen, aber die Heimat, das war etwas, das man für immer in seinem Herzen bewahrte und wohin man immer wieder zurückkehrte.