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Nachdem ihr untreuer Gatte sie für immer verlassen hat, gilt die ganze Sorge der Gräfin von Sontheim ihren hübschen Zwillingstöchtern Angela und Cornelia. Sie hofft inständig, dass die beiden - im Gegensatz zu ihr - den richtigen Partner fürs ganze Leben finden mögen.
Auf Gut Sontheim können sie schwerlich jemanden kennenlernen, und so schickt Gräfin Melanie die Komtessen für ein paar Wochen zu ihrer Cousine und deren Mann, die in der Kreisstadt ein offenes Haus führen. Tatsächlich lernen die Zwillingsschwestern dort zwei sympathische Männer kennen, die ihre Herzen höherschlagen lassen und für sie, wie es zunächst scheint, das große Glück bedeuten. Doch der Schein trügt, denn sie bringen den Komtessen nur unsägliches Leid, und Angela zerbricht daran ...
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Seitenzahl: 134
Cover
Die Komtessen von Sontheim
Vorschau
Impressum
Die Komtessen von Sontheim
Irrungen, Wirrungen und zarte Romanzen
Nachdem ihr untreuer Gatte sie für immer verlassen hat, gilt die ganze Sorge der Gräfin von Sontheim ihren hübschen Zwillingstöchtern Angela und Cornelia. Sie hofft inständig, dass die beiden – im Gegensatz zu ihr – den richtigen Partner fürs ganze Leben finden mögen.
Auf Gut Sontheim können sie schwerlich jemanden kennenlernen, und so schickt Gräfin Melanie die Komtessen für ein paar Wochen zu ihrer Cousine und deren Mann, die in der Kreisstadt ein offenes Haus führen. Tatsächlich lernen die Zwillingsschwestern dort zwei sympathische Männer kennen, die ihre Herzen höherschlagen lassen und für sie, wie es zunächst scheint, das große Glück bedeuten. Doch der Schein trügt, denn sie bringen den Komtessen nur unsägliches Leid, und Angela zerbricht daran ...
»Er ist nicht in seinem Zimmer, Mama!«
Befremdet sah Melanie Gräfin von Sontheim ihre Tochter Cornelia an. Ein wenig Angst flatterte in ihrem Blick, obwohl sie sich sehr beherrschte. Sie schaute mich an. Ich war Gast auf Gut Sontheim und hatte plötzlich das deutliche Empfinden, Zeuge eines Familiendramas zu werden.
»Vielleicht ist er schon sehr früh aufgestanden und fortgegangen«, sagte ich. »Männer haben manchmal solche Einfälle.«
Ich hatte Fred von Hagen immer nur als extravaganten Mann kennengelernt. Warum sollte er heute also nicht einer Laune gefolgt sein?
»Das kann nicht sein, Tante Angelika.« Cornelia schüttelte den Kopf. »Das Bett ist unberührt. Die Tür war nicht verschlossen wie sonst. Es sieht aus, als wäre Papa heute Nacht gar nicht zu Hause gewesen.«
Gräfin Melanie wandte sich ab, damit ihre Tochter nicht das Zucken ihres Mundes sah. Sie kämpfte mit den Tränen.
»Es lag ein Brief auf dem Schreibtisch«, fügte Cornelia leise hinzu.
»Ein Brief? Für mich?«
»Ja. Ein Brief von Papa.«
Melanie von Sontheim streckte die gepflegte Hand aus und nahm das Kuvert in Empfang. Sie schlitzte den Umschlag mit einem Brieföffner auf und zog den Briefbogen heraus.
Ich war dieser Szene mit Aufmerksamkeit gefolgt. Meine Jugendfreundin Melanie war stets sehr einsam gewesen. Ihr Mann hatte sich wenig um sie gekümmert.
Sehr schnell hatte ich diesmal wieder gemerkt, dass auf Sontheim nicht alles so war, wie es sein sollte. Offensichtlich hatten die beiden Gatten sich nichts zu sagen. Fred von Hagen war schon seit langen Wochen nicht mehr heimgekommen.
Melanie litt darunter, denn sie liebte ihn.
Sie sprach nicht über ihren Kummer. Dazu war sie viel zu gut erzogen und zu zurückhaltend. Nach ihrer Meinung waren das Dinge, die jeder mit sich selber abmachen musste.
Dann war er vor drei Tagen unvermutet zurückgekommen von seiner Reise. Ein eleganter Lebemann betrat sontheimschen Boden und bedachte uns alle – seine Frau, seine Töchter und mich – mit höflich-geringschätzigem Lächeln.
In diesen drei Tagen hatte er sich eigentlich nur zu den Mahlzeiten sehen lassen, die meiste Zeit in seinen Räumen verbracht und eifrig telefoniert.
Und nun war er verschwunden.
Ich konnte mir denken, was das bedeutete. Aber ich wollte nicht dabei sein, wenn Melanie diesen Brief öffnete. Wahrscheinlich würde der Inhalt sie tief treffen, und sie brauchte eine gewisse Zeit, um sich zu fassen.
Leise ging ich hinaus und gab Cornelia ein Zeichen mitzukommen.
Gerne hätte Cornelia mit der Ungeduld der Jugend sofort gewusst, was das alles bedeutete. Sie war jetzt einundzwanzig und damit offiziell erwachsen. Zwar war sie die jüngere der beiden sontheimschen Töchter, doch besaß sie mehr Besonnenheit und Geschick, mit den täglichen Anforderungen des Lebens fertig zu werden als ihre anders geartete Zwillingsschwester Angela, die eine Stunde vor ihr das Licht der Welt erblickt hatte.
Cornelia spürte, dass Fragen jetzt nicht am Platze waren. Allem Anschein nach war der Vater gegangen, um niemals wiederzukommen. Wenn auch das Verhältnis der beiden Gatten zueinander nicht gut gewesen war, so musste dies doch ein furchtbarer Schlag für Melanie von Sontheim sein.
Es war tatsächlich ein Wendepunkt in ihrer aller Leben. Mit diesem Tage begann die Geschichte der Komtessen von Sontheim, die ich heute meinen Leserinnen und Lesern erzählen will.
♥♥♥
Gräfin Melanie war allein zurückgeblieben.
Sie hatte sich in einen der zierlichen Empiresessel gesetzt und las nun die wenigen Zeilen, die über ihr Schicksal entschieden.
Liebe Melanie,
Du wirst es wohl schon geahnt haben, also trifft es Dich nicht ganz unvorbereitet: Ich gehe für immer fort. Schon lange war unsere Ehe keine rechte Ehe mehr. Andere Frauen bedeuteten mir mehr als Du. Ich weiß, dass ich damit ein Unrecht begangen habe, aber ich kann gegen meine Natur nicht an. Es blühen halt zu viele schöne Blumen in Gottes Garten. Wer kann da widerstehen? Du bist so streng. Wir passen nicht zusammen. Wir hätten nie heiraten sollen.
Mit der Scheidung kannst Du es halten, wie Du willst. Ich werde keine Schwierigkeiten machen. Zwar habe ich keinerlei Vermögen, aber ein Mann wie ich kommt immer durch.
An dieser Stelle des Briefes lächelte Gräfin Melanie bitter.
Sie war dem weltmännischen Reiz dieser eleganten Erscheinung einst als junges Mädchen erlegen. Nur zu gern hatte sie sich um diesen Mann beneiden lassen.
Fred von Hagen war ein mittelloser Offizier mit tadelloser Figur und sehr guten Manieren gewesen, mit einem verführerischen Charme, einem jungenhaften Lächeln und einem guten Schuss verzeihlichen Leichtsinns. Man lud ihn gern ein. Auf Bällen und Jagden war er ein gesuchter Gast. Es wurde ihm auf Grund seines Aussehens so leicht gemacht. Er brauchte nur zu wählen, welcher seiner vielen Verehrerinnen er den Vorzug geben wollte.
Er hatte sich für Melanie von Sontheim entschieden, denn sie war weitaus die Reichste.
Gut Sontheim war kein Majorat. Hier konnte auch eine Tochter die Erbfolge antreten, es musste nur jeweils die älteste sein. Melanie war die einzige. Seit Generationen war auf Sontheim kein männlicher Spross geboren worden.
Es fiel Melanie ein blühender Besitz mit reichem Jahresertrag zu. Sie selber war auch keineswegs zu verachten. Große veilchenblaue Augen bildeten wohl den stärksten Reiz des zierlichen braunhaarigen Mädchens, das Oberleutnant Fred von Hagen vor nunmehr zweiundzwanzig Jahren zum Traualtar geführt hatte.
Damals hatte Melanie sich glücklich geschätzt. Unter allen Damen ihrer Bekanntschaft hatte sie sich vom Schicksal bevorzugt gewähnt. Heute wusste sie, dass sie diesen Vorzug nur ihrem Besitz verdankte, der dem Lebemann Fred von Hagen ein sorgenloses Dasein bot.
Sie war nur eine Zugabe gewesen, eine ganz angenehme, solange sie keine Forderungen stellte – Forderungen an seine Aufmerksamkeit, Treue und Anständigkeit. Waren das nicht alles Dinge, die man von einem Familienvater ganz selbstverständlich verlangen konnte?
Gleich im ersten Ehejahr waren die Zwillinge geboren worden. Fred von Hagen hatte sich sehr über die reizenden kleinen Püppchen gefreut. Das war aber auch alles gewesen.
Er hatte Frau Melanie alleingelassen. Bald hatte sie nur noch für ihre Kinder gelebt. Er war von einem eleganten Badeort in den anderen gereist, hatte Rennplätze und Spielcasinos besucht und überall geflirtet. Er war mit dieser und jener Dame verschwunden, hatte geheimnisvolle Urlaubsreisen unternommen und war eigentlich nur Gast in seinem Hause gewesen.
Vergeblich hatte Melanie versucht, durch Aussprachen etwas zu ändern und ihn durch Tränen und Zärtlichkeit an das Haus und die Kinder zu binden. Alles vergebens. Er hatte sie nur ausgelacht.
Auf die Dauer war Melanie von Sontheim zu stolz gewesen, sich so demütigen zu lassen. Und daher waren für die Eheleute getrennte Zimmer eingerichtet worden. Auf einem langen Korridor im ersten Stockwerk von Schloss Sontheim lagen sie einander gegenüber, die Räume, die Frau Melanie bewohnte, und diejenigen, die ihr Mann benutzte, falls er anwesend war.
»Er hat recht«, murmelte sie. »Es ist schon lange keine rechte Ehe mehr gewesen. Eigentlich war ich jahrelang auf ein solches Ereignis vorbereitet.«
Dennoch traf sie der endgültige Bruch schwer, weil es nun gar keine Hoffnung mehr gab.
Gräfin Melanie schaute wieder auf die Zeilen und suchte deren Sinn zu verstehen.
Da ich Dir keinen festen Wohnsitz angeben kann, korrespondierst Du am besten in allen Angelegenheiten, die mich angehen, mit meinem Rechtsanwalt. Ich wünsche Dir und den Mädeln alles Gute.
Fred.
Das war alles. Für den Abschiedsbrief eines Gatten und Vaters ein bisschen wenig. Aber er hatte ja niemals Verantwortungsbewusstsein gehabt.
Seufzend faltete sie den Briefbogen zusammen und schob ihn in den Umschlag. Sie spürte nach diesem Schock leichte Stiche in der linken Brustseite. Ihr Herz klopfte unregelmäßig. Aber viel mehr als diese kleinen Beschwerden beschäftigte sie jetzt die Frage, wie die Kinder es aufnehmen würden, plötzlich ohne Vater zu sein.
Die Gräfin von Sontheim stand auf, ging zur Tür und öffnete sie.
»Cornelia! Angela!«, rief sie in den Flur hinaus. »Nun wollen wir aber endlich frühstücken.«
Sofort öffnete sich die Tür zur Bibliothek, und die beiden Töchter traten heraus.
♥♥♥
Angela und Cornelia folgten der Mutter in das Frühstückszimmer, das sich am Ende des Flurs befand und zum Garten hinausging. Das Zimmer hatte viele Fenster und war stets sonnendurchflutet. Es war mit hübschen rustikalen Bauernmöbeln eingerichtet.
Auf einem Servierwagen wurden der heiße Kaffee, die duftenden knusperigen Brötchen, die weich gekochten, warmen Eier, der köstliche Schinken, verschiedene Käsesorten und der goldgelbe Bienenhonig hereingefahren. Auf dem Tisch standen hübsche blaue Glockenblumen.
Sie setzten sich und bemühten sich während des Frühstücks um Gelassenheit. Von jeher war es einer der Erziehungsgrundsätze der Gräfin Melanie gewesen, dass man sich in der Hand haben und Herr seiner Empfindungen sein müsse.
»Ist Papa verreist?«, fragte schließlich Angela, die ältere der beiden Schwestern, die sich zum Verwechseln ähnlich sahen.
Sie hatten beide rotblondes Haar, grünblaue Augen, schmale, edle Gesichtszüge und schlanke, sportliche Figuren.
So ähnlich sich die beiden Mädchen äußerlich waren, so verschieden waren sie in ihrem Wesen.
Cornelia beschäftigte sich am liebsten mit der Wirtschaft und dem Garten. Sie züchtete Rosen genauso liebevoll, wie sie sämtliche Gemüsesorten zog. Wenn die Küken aus dem Ei schlüpften, war Cornelia behilflich. Sie zog die Lämmer auf und bewachte das Mästen der Schweine. Beim Schlachten und Wursten war sie so tüchtig wie beim Backen und Einwecken. Sie kochte prächtig, und die Wäscheschränke von Sontheim waren ihr ganzer Stolz.
»Der Mann, der dich einmal bekommt, heimst einen Schatz ein«, erkannte Angela neidlos an. Sie selber war ganz anders veranlagt.
Angela erfand reizende Frisuren, hatte stets neue Ideen für ein Make-up, kleidete sich mit besonderem Geschmack und konnte tanzen wie eine Göttin. Sie war auf allen Partys gern gesehen und eine begehrte Gesellschafterin. Sie spielte Klavier, sang reizend, besaß keinen Dünkel, sondern echte Herzlichkeit und glitt heiter durch das Leben, zur Freude und zum Glück eher geschaffen als zu ernster Arbeit.
Gräfin Melanie wartete, bis sie ihr Frühstück beendet hatten. Dann nahm sie den Brief aus der Tasche ihres Kleides und legte ihn auf den Tisch.
»Euer Vater hat uns verlassen«, erklärte sie ihren Kindern. »Er wird nicht wiederkommen. Sein Heim ist ihm zu eng. Ich langweile ihn. Stets haben ihn Abenteuer gelockt. Er wünscht die Scheidung.«
»Wirst du einwilligen?«, riefen sie beide wie aus einem Munde.
»Es hat ja keinen Zweck, einen Menschen festzuhalten, der mit allen Fasern fortstrebt«, erwiderte die Gräfin seufzend. »Ich werde ihm seine Freiheit geben. Wir sind allein, meine lieben Kinder. Wir müssen sehen, wie wir allein die Zukunft meistern.«
Cornelia sprang auf und legte den Arm um die Schultern der Mutter.
»Haben wir nicht schon immer alles allein gemacht, Mama? Papa war niemals eine Hilfe und Stütze. Wir brauchen ihn nicht.«
Melanie von Sontheim konnte nicht widersprechen, obwohl es ihr wehtat. Ihre Kinder hatten nie einen richtigen Vater gehabt, der für sie gesorgt hatte.
Angela stand ebenfalls auf, kam um den Tisch herum und hockte sich vor den Knien der Mutter nieder.
»Habe keine Angst, Mama!«, sagte sie. »Soviel ich weiß, steht es gut um Sontheim. Wir haben keine Sorgen. Was soll uns passieren?«
»So habe ich's auch nicht gemeint.« Gräfin Melanie lächelte. »Aber nun trage ich allein die Verantwortung dafür, dass ihr beide die richtige Bahn einschlagt. Du wirst Sontheim erben, und alles hängt davon ab, dass wir den richtigen Mann für dich finden, der dich glücklich macht und für Sontheim ein guter Herr ist. Das ist keine leichte Aufgabe.«
»Zumal ich so wenig geeignet bin!«, sagte Angela und blinzelte Cornelia an. »Es wäre viel besser, wenn du die Erstgeborene wärst. Dann wäre Sontheim in den richtigen Händen, und für mich brauchten wir nur noch einen Mann zu finden, der mir gefällt.«
»Aber so ist es nun einmal nicht.« Die Mutter schüttelte den Kopf. »Deswegen ist es ja so schwierig. Cornelia wiederum braucht einen Wirkungskreis, der ihrer Natur angemessen ist, oder sie muss ebenfalls heiraten. Auf Sontheim würde sie einem jungen Paar im Wege sein.«
»Das habe ich mir alles schon selber gesagt«, stellte Cornelia nüchtern fest. »Diese Probleme sind ja nicht plötzlich aufgetaucht. Und Papa hätte uns bestimmt nicht geholfen, sie zu lösen.«
»Damit hast du recht.«
Die Mutter lächelte ihrer Jüngsten zu. Der Ältesten, die vor ihr kniete, strich sie über den Kopf. Sie spürten alle drei, dass der Fortgang des Vaters sie noch enger miteinander verband. Sie fanden in der plötzlichen Verlassenheit Trost und Halt beieinander.
Aus dem Garten drangen Blumendüfte zu den weit geöffneten Fenstern herein. Der Dackel lief durch die offen stehende Glastür nach draußen und schnappte nach den träge summenden Fliegen. Obwohl es erst neun Uhr früh war, herrschte im Garten schon eine angenehme Wärme.
»Wir wollen so weiterleben, als wenn nichts geschehen wäre«, sagte die Gräfin. »Redet nicht zu den Dienstboten! Zu den Bekannten nur das Nötigste. Wir schweigen die Sache tot. Es ist nicht gerade vorteilhaft für euch, Töchter eines davongelaufenen Vaters zu sein. Ernsthafte Bewerber könnten daran Anstoß nehmen.«
»Aber dafür können wir doch nichts!«, protestierte Angela.
»Wir sind doch ganz anders«, wandte Cornelia ein.
»Die Menschen urteilen nach dem Schein, und ungeordnete Familienverhältnisse lassen nach der Meinung vieler Menschen Rückschlüsse auf den Charakter aller Beteiligten zu.«
»Ich bin entschlossen, eine glückliche Ehe zu führen!«, rief Angela lebhaft. »Alles, was wir zu Hause nicht hatten, das will ich nachholen!«
»Und ich denke genauso!«, sagte Cornelia energisch.
»Das hängt nicht immer allein von eurem Willen ab«, gab Gräfin Melanie zu bedenken. »Außerdem scheinen die Mädchen von Sontheim unter einem schlechten Stern geboren zu sein.«
»Wieso? Was heißt das?« Beide Töchter drängten mit Fragen.
»Es heißt, sie hätten kein Glück in der Liebe«, belehrte ihre Mutter sie. »Seht, ich habe wirklich kein Glück gehabt! Und meine Mutter war auch nicht glücklich. Seit drei Generationen gibt es nur Töchter auf Sontheim. Die männlichen Erben bleiben uns versagt. Vielleicht ist etwas daran, an diesem alten Aberglauben.«
»Nein, das lasse ich mir nicht einreden!«, widersprach Angela energisch. »Das Leben liegt vor uns mit all seinen Möglichkeiten. Du wirst sehen, Mama, ich werde eine glückliche Frau sein und eine Menge wilder Buben haben!«
»Gebe es Gott!«, sagte die Mutter leise und schaute ihr Kind sinnend an.
»Wir sollten ernsthaft daran gehen, für Angela den passenden Lebensgefährten zu suchen«, meinte Cornelia in ihrer vernünftigen Art. »Du bist nicht mehr die Jüngste, Mama. Sontheim bürdet dir eine große Last an Verantwortung auf. Ein junger Landwirt wäre das Richtige.«
»Puh, Landwirte sind hölzern und langweilig! Und so unelegant!« Angela rümpfte die feine Nase.
»Probier's mal in der Stadt! Angela müsste in der Stadt Feste besuchen und sich umschauen, Mama. Nachher kann sich immer noch herausstellen, ob ihr Auserwählter der rechte Herr für Sontheim ist oder nicht.«
»Vielleicht hat Cornelia recht. Vielleicht sollte ich euch beide in diesem Winter in die Stadt schicken, bis Gras über die Sache mit Vater gewachsen ist«, sagte Gräfin Melanie nachdenklich. »Tante Vera führt ein großes Haus in der Kreisstadt. Da wäret ihr gut aufgehoben. Ich werde einmal bei Tante Vera anfragen.«
»Oh fein! Das wäre herrlich! Der erste Schritt in die Selbstständigkeit! Mama, wir kommen gleich mit zwei Schwiegersöhnen wieder!«
Sie lachten und schwatzten durcheinander und hatten schon den Schock des heutigen Morgens vergessen. Die Jugend wird schnell fertig mit den Dingen.
Gräfin Melanie sah ihren Töchtern mit einem wehmütigen Lächeln nach, als sie in den Garten hinausgingen. Nun drehte sich in ihrem Leben alles nur noch um ihre Kinder, die Komtessen von Sontheim.
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Tante Vera war eine Cousine der Gräfin von Sontheim. Auch sie stammte aus begütertem Hause und hatte einen Fabrikanten geheiratet. In der Kreisstadt gehörten die Molls zu den ersten Familien. In ihrem Hause verkehrte, was Rang und Namen hatte.