Lore-Roman 179 - Gitta van Bergen - E-Book

Lore-Roman 179 E-Book

Gitta van Bergen

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Beschreibung

Friedrich Renken will seinem Mitbewerber klarmachen, dass eine Zusammenarbeit der beiden Firmen der beste Schutz gegen die übermächtige Konkurrenz des großen Weitzmann sei, doch Stahlberg lehnt ab. Die temperamentvolle Ilsemarie will ihrem Vater helfen, ehe die Firma Konkurs anmelden muss. Sie bewirbt sich inkognito bei Weitzmann, um den Juniorchef zu bezirzen. Auf elterlichen Befehl angelt sie sich einen Mann! Und tatsächlich wird sie zur Reisebegleiterin von Frank Weitzmann - Ilsemarie Renken, ein junges hübsches Mädchen mit weichen blonden Haaren und großen, lebhaft blitzenden blauen Augen. Sie strahlt Frische und Lebendigkeit aus, die ansteckend wirkt. Sie ist tüchtig, und während der ersten gemeinsamen Geschäftsreise hat sie ihren Chef ganz und gar eingefangen. Wie ein guter Stern hat ihre Gegenwart selbst aussichtslos erscheinende Rücksprachen günstig beeinflusst, und trotzdem kann Frank Weitzmann das Gefühl nicht loswerden, dass die Arbeit für sie nur ein Spaß und ihre wirklichen Ziele in eine ganz anderen Richtung gehen. Unrecht hat er nicht, hat sich Ilsemarie doch beworben, um ihn zu erobern. Aber nun will sie ihn nicht mehr. Sie will einen anderen Mann. Einen Pianisten, dessen Musik ihr Herz berührt ...


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Inhalt

Cover

Ilsemaries wundervolle Geschäftsreise

Vorschau

Impressum

Ilsemaries wundervolle Geschäftsreise

Meisterwerk um die Allmacht der Liebe

Von Gitta van Bergen

Friedrich Renken will seinem Mitbewerber klarmachen, dass eine Zusammenarbeit der beiden Firmen der beste Schutz gegen die übermächtige Konkurrenz des großen Weitzmann sei, doch Stahlberg lehnt ab. Die temperamentvolle Ilsemarie will ihrem Vater helfen, ehe die Firma Konkurs anmelden muss. Sie bewirbt sich inkognito bei Weitzmann, um den Juniorchef zu bezirzen. Auf elterlichen Befehl angelt sie sich einen Mann! Und tatsächlich wird sie zur Reisebegleiterin von Frank Weitzmann – Ilsemarie Renken, ein junges hübsches Mädchen mit weichen blonden Haaren und großen, lebhaft blitzenden blauen Augen. Sie strahlt Frische und Lebendigkeit aus, die ansteckend wirkt. Sie ist tüchtig, und während der ersten gemeinsamen Geschäftsreise hat sie ihren Chef ganz und gar eingefangen. Wie ein guter Stern hat ihre Gegenwart selbst aussichtslos erscheinende Rücksprachen günstig beeinflusst, und trotzdem kann Frank Weitzmann das Gefühl nicht loswerden, dass die Arbeit für sie nur ein Spaß und ihre wirklichen Ziele in eine ganz anderen Richtung gehen. Unrecht hat er nicht, hat sich Ilsemarie doch beworben, um ihn zu erobern. Aber nun will sie ihn nicht mehr. Sie will einen anderen Mann. Einen Pianisten, dessen Musik ihr Herz berührt ...

Verärgert warf Friedrich Renken seinen Hut auf die Ablage und stampfte an dem verblüfften Hausmädchen vorbei in den Salon.

Frau Agnes saß in dem tiefen, mit kostbarem Gobelin überzogenen Sessel und lauschte versunken dem Gesang der glockenreinen Mädchenstimme, die aus dem angrenzenden Musikzimmer herüberklang. Beim Eintritt ihres Mannes hob sie überrascht den Kopf. »Du bist schon zurück?«, fragte sie und sah sofort an seiner finsteren Miene, wie die Unterredung ausgefallen war. »Stahlberg hat also abgelehnt!«, stellte sie fest.

»Unbegreiflicherweise ja«, bestätigte Renken und warf sich in einen Sessel. »Da versucht man nun, seinem Konkurrenten klarzumachen, dass eine Zusammenarbeit unserer beiden Firmen der beste Schutz gegen die übermächtige Konkurrenz des großen Weitzmann ist, aber Stahlbergs Angst vor mir ist größer. Er will lieber bei Weitzmann zu Kreuze kriechen.«

»Und nun?«

»Nun geht es hart auf hart«, erklärte Renken bitter. »Mir bleibt keine andere Wahl.«

Das Klavierspiel im Musikzimmer brach ab. Ilsemarie hatte die Eltern sprechen hören und kam in den Salon.

»Ist etwas?«, fragte sie verwundert.

»Setz dich zu uns, Ilsemarie«, forderte Frau Agnes die Tochter auf. »Heute fehlt ein wenig die Stimmung zum Zuhören.«

Ilsemaries blaue Augen blickten bestürzt auf das sorgenschwere Gesicht des Vaters. »Ärger im Geschäft?«

Der Vater nickte. »Stahlberg war nicht zum Verhandeln bereit. Nun beginnt das Ausscheidungsspiel.«

»Mit dem möchte ich mich mal unterhalten«, brauste Ilsemarie temperamentvoll auf. »Sehr schmeichelhaft ist meine Meinung über ihn nicht. Weiß er überhaupt, worum es geht?«

»Ihm geht es darum, dass ich endlich meine Tore schließen muss«, antwortete der Vater schulterzuckend, »und dafür ist ihm anscheinend jeder Preis recht. Er will Weitzmann seine Firma anbieten.«

»Mit anderen Worten: Er will sich aufkaufen lassen?«, fragte Ilsemarie. »Wie kann jemand so dumm sein! Weitzmann haut ihn doch bestimmt übers Ohr.«

»Ilsemarie!«, tadelte die Mutter. »Was sind das für Ausdrücke!«

»Sie hat nicht ganz unrecht«, sagte der Vater und winkte begütigend ab. »Wenn Stahlberg nicht sehr vorsichtig ist, wird er seinen Wunsch nach meinem Ruin selber teuer bezahlen müssen.«

»Willst du dir das einfach gefallen lassen, Papa?«, ereiferte sich Ilsemarie. »Oh, wenn ich den Namen Stahlberg schon höre! Immer dieser Ärger mit ihm. Er soll Konkurs gehen, nicht du! Wir können unsere schöne Fabrik nicht vor die Hunde gehen lassen, bloß weil dieser Mensch so widerborstig ist!«

Wider Willen musste Friedrich Renken über seine temperamentvolle Tochter lächeln, wurde aber sogleich wieder ernst.

»Vielleicht könntest du mir helfen«, schlug er vor. »Wie ich Weitzmann beurteile, wird er auf rein sachlicher Basis zu keinem Entgegenkommen bereit sein. Eine Annäherung wird nur auf Umwegen möglich sein. Es wäre zwar ein etwas ungewöhnlicher Umweg, aber in meinen Augen der einzige, der mir eine Chance lässt.«

»Ich könnte dir helfen? Natürlich, Papa! In ungewöhnlichen Dingen bin ich besonders talentiert!«, rief Ilsemarie sofort hell begeistert. »Wollen wir Stahlberg eins auswischen? Klasse! Ich bin mit von der Partie!«

»Hör mich erst einmal an«, meinte Renken bedächtig. »Bist du übrigens — hm — ich meine, hast du eigentlich einen Freund?«

»Du bist urkomisch, Papa«, lachte Ilsemarie unbefangen. »Ich habe leider keinen Freund. Warum? Soll ich mir schnell einen anschaffen, oder willst du mich etwa verheiraten?«

»Nein, nein, versteh mich nicht falsch«, wehrte der Vater leicht verlegen ab. »Ich könnte mir nur vorstellen, dass Weitzmann den Vater seiner Schwiegertochter gern als Partner sieht. Die kleine Firma Renken dagegen lohnt die Mühe nicht. Sie wird einfach verschluckt.«

Während Ilsemarie darüber nachdachte, was Papa mit dem Vater seiner Schwiegertochter meinte, warf die Mutter erregt ein: »Wie kannst du solche Späße machen, Friedrich! Willst du deine Tochter verkuppeln?«

Ilsemarie horchte auf. »Verkuppeln? Aha, so ist das. Weitzmann hat einen Sohn, der noch ledig ist, und ich soll ...«

»Nichts sollst du«, unterbrach der Vater sie. »Natürlich ist der Vorschlag ein bisschen absurd, aber warum sollte er sich nicht trotzdem verwirklichen lassen? Es ist durchaus möglich, dass Frank Weitzmann dir gefällt — und du ihm. Was ist daran so empörend?« Er versuchte, überzeugend zu sprechen, aber man hörte heraus, dass er sich unbehaglich fühlte.

»Das werde ich nie zulassen!«, widersprach Frau Agnes. In ihrer mütterlich besorgten Fantasie sah sie Ilsemarie bereits todunglücklich an der Seite eines kaltherzigen Geschäftsmannes. »Ich bin zu jedem Opfer bereit, doch Ilsemarie gebe ich nicht her! Lieber will ich trocken Brot essen, anstatt mein eigenes Kind zu — zu ...« Der Mutter fehlten die Worte, um ihr Entsetzen auszudrücken.

»Zu verschachern?«, lachte Ilsemarie unbekümmert dazwischen. »Mama, warum bist du so aufgeregt? Soll ich eine alte Jungfer werden? Mit meinen zweiundzwanzig Lenzen müsste ich sowieso langsam nach dem Richtigen Ausschau halten. Ich finde Papas Vorschlag einzigartig!« Sie sprang auf und tänzelte durch das Zimmer. »Das wird ein Mordsspaß! Auf elterlichen Befehl angele ich mir einen Mann — einen Weitzmann!«

»An einen Spaß habe ich nicht direkt gedacht«, dämpfte der Vater ihren Übermut. »Der Entschluss, eine Ehe einzugehen, bedarf eines gewissen Ernstes. Dein Verhalten ist in der Tat befremdend, Ilsemarie. Ich hätte dir etwas mehr Verständnis für meine Sorgen zugetraut und weniger Naivität.«

Betroffen setzte Ilsemarie sich wieder.

»Was habt ihr?«, fragte sie gekränkt. »Ich bin bereit, meine ganze Person zur Rettung unserer Fabrik einzusetzen, und ihr macht mir Vorwürfe? Mit Heulen und Zähneklappern lässt sich nichts ändern, das hat Papa vorhin selbst gesagt. Ihr solltet daher stolz sein auf eure einsichtige Tochter, die den Dingen mutig ins Auge sieht.«

Die Mutter seufzte und schwieg. Ilsemaries Unbekümmertheit war eher beängstigend als beruhigend.

Der Vater rollte den Barwagen näher zu sich heran und stellte drei Gläser auf den Tisch.

»Dann schlage ich vor, dass wir auf unsere einsichtige Tochter anstoßen«, sagte er.

***

Etwa um die gleiche Zeit waren Stahlberg Vater und Sohn in ein nicht minder schwerwiegendes Gespräch vertieft.

»Nach dieser unerfreulichen Unterredung mit Renken rief ich natürlich Weitzmann an«, berichtete Hans Stahlberg. »Und weißt du, wie er reagiert hat?«

»Nun?«, fragte Rüdiger Stahlberg gespannt.

»Noch unerfreulicher! Er war zwar zu vornehm, um mich auszulachen, aber er hat rundheraus erklärt, er sei an meiner Firma nicht interessiert. Wenn er einen Partner haben wollte, würde er selbst wissen, was zu tun sei.«

»Weitzmann scheint ein eiskalter Geschäftsmann zu sein«, meinte Rüdiger, nicht ganz ohne Bewunderung. »Sogar mit Renken würdest du einen schweren Stand gegen ihn haben.«

»In Gemeinschaft mit Renken?«, tobte der Vater. »Eher drucke ich Falschgeld, um kapitalkräftig zu werden!«

»Was hast du eigentlich gegen Renken?«, wunderte sich Rüdiger. »Ist er wirklich so unsympathisch, wie du behauptest?«

»Er ist nicht im Geringsten unsympathisch. Ich kann ihn nur nicht ausstehen. Das ist alles.«

»Und warum nicht?«

»Die Eintragungen unserer Firmen ins Handelsregister erfolgten am gleichen Tage«, brummte Hans Stahlberg, »und deshalb mag ich ihn nicht und er mich nicht, und damit basta.«

»Bist du sicher, dass er dich nicht mag? Immerhin versuchte er eine Annäherung«, wandte Rüdiger ein.

»Annäherung hin — Annäherung her — das steht nicht zur Debatte«, lehnte der Vater jede weitere Erörterung über eine Einigung mit Renken ab. »Ich muss eine andere Lösung finden.« Stahlberg fuhr sich mit beiden Händen durch das bereits spärlich werdende Haar. »Ich wüsste einen Weg, der zu Weitzmann führt. Allerdings hängt es von dir ab, ob er begehbar ist.«

»Welcher wäre das?«, fragte Rüdiger.

»Weitzmanns Tochter Aglaja soll eine attraktive junge Dame sein«, erklärte der Vater eindeutig.

»Aglaja? Das klingt nach Musik.« Rüdiger trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Nein, tut mir leid, Vater. Ich eigne mich nicht zum Heiratsschwindler.«

»Wer spricht von Heiratsschwindel? Du sollst dich richtiggehend um sie bewerben.«

»Gestatten, gnädiges Fräulein, dass ich mit Ihrer gütigen Hilfe Ihren Herrn Vater überrumple?«, spottete Rüdiger. »Seit wann erfindest du Märchen, Vater? Ich dachte, du seiest ein Geschäftsmann?«

»Eben weil ich Geschäftsmann bin, darf ich keine Möglichkeit außer Acht lassen«, entgegnete Stahlberg würdevoll. »Immerhin könntest du dir die Sache durch den Kopf gehen lassen. Warum solltest du dich nicht in Aglaja Weitzmann verlieben können? Ich will dich absolut nicht zwingen, außerdem weiß ich nicht, wie sie sich zu dir stellt, aber wäre dir unsere Existenz nicht einige Mühe wert?«

»Du machst mir ganz im Ernst einen derartigen Vorschlag?«, vergewisserte sich Rüdiger ungläubig. »Wie hast du dir das vorgestellt? Sobald sie meinen Namen hört, wird sie stutzig werden, und dann wird der Herr Papa das nötige Machtwort sprechen. Oder soll ich mich als Prinz von Sowieso bei ihr einschleichen?«

»Nicht unbedingt als Prinz, aber möglichst auch nicht als Rüdiger Stahlberg.«

Rüdigers Skepsis wuchs. »Sondern?«

»Du wolltest einmal Künstler werden«, erinnerte der Vater vielsagend. »Hinterher hast du zwar eingesehen, dass es nicht zu dem große Klaviervirtuosen reichte, den du erträumtest, und du hast dich voll und ganz unserer Fabrik gewidmet, aber einen Künstlernamen hattest du dir bereits ausgedacht. Du könntest ihn vorübergehend benutzen, so lange, bis du weißt, ob aus Aglaja und dir ein Paar werden könnte.«

»Nein, Vater, das mache ich nicht mit«, wies Rüdiger das Ansinnen schroff zurück. »In einem ehrlichen Kampf werde ich dir immer zur Seite stehen. Du kannst jedoch nicht von mir verlangen, dass ich jemanden aus dem Hinterhalt angreife.«

»Bausche die Sache doch nicht auf«, sagte Stahlberg, ebenfalls schärfer werdend. »Heiratsschwindel — Hinterhalt — das sind Ausdrücke, die ich überhört haben möchte. Du weißt genau, dass es um uns nicht zum Besten steht und wir einen Ausweg suchen müssen. Seit wann ist es unehrenhaft, sich um ein junges Mädchen zu bemühen? Du könntest sie dir wenigstens anschauen. Es gibt hundert Möglichkeiten, ihr irgendwo zufällig zu begegnen und ihre Bekanntschaft zu machen. Im Falle einer Zuneigung dürfte sich der Umweg über ein Pseudonym von selbst auflösen.«

»Und wenn sich herausstellt, dass wir nicht zueinander passen?«, fragte Rüdiger, bereits ablenkend.

»Eines nach dem anderen«, entgegnete Stahlberg, zufrieden lächelnd. Er hatte gewusst, dass der Sohn ihn nicht im Stich lassen würde. »Darüber werden wir uns ein andermal den Kopf zerbrechen.«

Rüdiger erhob sich. »Also gut, Vater, ich werde es mir überlegen. Eine überstürzte Entscheidung ist hoffentlich nicht notwendig?«

Hans Stahlberg verschwieg seinem Sohn, dass er mit Renken eine Art Wette abgeschlossen hatte, die doch nichts weiter war als ein aus einer Weinlaune heraus geäußerter Scherz.

»Wichtige Entscheidungen trifft man niemals überstürzt«, philosophierte er tiefsinnig. »Ziehe aus, dein Glück zu suchen.«

Über Rüdigers finstere Miene huschte ein Lächeln.

»Mir scheint, du glaubst doch noch an Märchen, Vater. Hoffentlich ist das Glück derselben Ansicht wie du.«

Aufrecht verließ er die Bibliothek. Hans Stahlberg blickte der schlanken Gestalt stolz nach.

»Er ist ein Teufelskerl, und er hat Schneid«, murmelte er vor sich hin. »Aglaja Weitzmann wird ihn genauso unwiderstehlich finden wie viele andere vor ihr.«

***

»Du machst ein Gesicht, als ob du gern wissen möchtest, wer den Käse zum Bahnhof gerollt hat«, stellte Thaddäus Burkhard gemütvoll fest. »Wo brennt es, Rüdiger? Wieso bist du nachmittags um drei Uhr nicht mehr im Büro?«

Lässig lehnte er sich in dem breiten Korbsessel zurück und schlug die Beine übereinander. Seine Pfeife, ohne die man ihn kaum kannte, nahm er auch beim Sprechen nicht aus dem Mund.

»Schwere Sorgen treiben mich ruhelos durch die Gegend«, erwiderte Rüdiger Stahlberg, nur zum Teil auf den scherzhaften Ton des Freundes eingehend. »So schön es hier auf deiner ländlich sonnigen Terrasse mit dem Blick auf Park und Scholle ist, hätte ich doch eine Bitte: Könntest du deinen bequemen Sessel für ein paar Minuten verlassen und für mich in der Musikhalle anrufen?«

Der junge Gutsherr richtete sich überrascht auf.

»Mein angeborenes Taktgefühl verbietet mir zwar neugierige Fragen«, brummte er, »aber interessehalber hätte ich gern gewusst, warum und weshalb.«

»Melde dich mit Frank Weitzmann, frage, ob deine Schwester schon Karten für den Liederabend vorbestellt hat, und wenn ja, dann erkundigst du dich nach den Plätzen«, verlangte Rüdiger. »Das Weitere erkläre ich dir später.«

»Sonst hast du keine Wünsche?«, fragte Thaddäus und lehnte sich tiefer in seinen Sessel.

»Doch. Wenn du die Plätze weißt, bestellst du die beiden daneben liegenden und holst die Karten nachher ab.«

»Zugegeben, dass ich als Landwirt langsamer denke als du, der gewiegte Kaufmann. Deshalb lasse ich mich aber noch lange nicht für blöd verkaufen«, weigerte sich Thaddäus störrisch. »Was soll der Unfug? Willst du jemanden in eine Falle locken?«

Rüdiger lachte humorlos auf. »So kann man es nennen, obwohl im Grunde völlig lautere Absichten mich um deine Hilfe bitten lassen. Also, hör zu, es geht um Folgendes.«

Erst zögernd, dann nach und nach freier werdend, berichtete er dem amüsiert lauschenden Freund über den harten Konkurrenzkampf, über das Gespräch mit seinem Vater und schließlich seine Überlegung, dem launischen Schicksalsrad ein wenig in die Speichen zu greifen.

Thaddäus Burkhard lachte schallend auf. »Ein Liebesroman in Fortsetzungen, das ist gelungen! Noch weiß der Autor nicht, wie er die Geschichte zum glücklichen Ende führen soll! Reizend von dir, dass ich mitspielen darf. Bekomme ich zur Belohnung die Kammerzofe?«

»So komisch finde ich das Ganze nun wirklich nicht«, erboste sich Rüdiger. »Du brauchst nicht gerade vor Ergriffenheit in Tränen auszubrechen, aber ein bisschen Mitgefühl könntest du ruhig haben.«

»Habe ich, habe ich, werter Freund«, behauptete Thaddäus vergnügt. »Ich stürze bereits ans Telefon, um die ersten Schicksalsfäden zu spinnen. Frank Weitzmann heiße ich also, und meine Schwester Aglaja. Hm, der Name zergeht auf der Zunge!«

Betont umständlich legte er seine Pfeife in den Aschenbecher und verließ die Terrasse mit Riesenschritten.

Zweifelnd sah Rüdiger ihm nach. Hoffentlich würde der allzeit zu Späßen aufgelegte Thaddäus das Telefonfräulein überzeugend ausfragen können!

Schon nach wenigen Minuten kehrte der junge Gutsherr grinsend zurück.

»War kein Problem«, sagte er selbstgefällig. »Aglaja sitzt mit dem Herrn Papa in der vierten Reihe. Die reizende Dame an der Vorverkaufskasse fragte mich nur, ob ich meine Geschäftsreise verschoben hätte, was ich eiligst bejahte. Weitzmann muss man also heißen, wenn man gut behandelt werden will. Ich werde es mir merken. Übrigens, woher wusstest du eigentlich, dass sie zu dem Liederabend gehen würden?«

»Nichts wusste ich«, erwiderte Rüdiger, »ich hoffte es nur. Herr Weitzmann soll ein ganz großer Musikfreund sein, und daraus zog ich meine Schlüsse. Hältst du es für ein gutes Zeichen, dass der erste Anlauf so reibungslos funktioniert hat?«

Thaddäus pfiff durch die Zähne.

»Das kann ich dir erst sagen, wenn ich neben dir in der Musikhalle sitze und statt auf die Bühne unentwegt nach rechts starre, wo Fräulein Aglaja nebst Papa der Kunst huldigt«, bemerkte er trocken.

»Hüte dich, nach rechts zu starren. Deine Rolle beschränkt sich darauf, dass du mich vernehmlich mit Herr Ferromonti anredest und mich fragst, ob ich bald ein Klavierkonzert geben werde«, erinnerte Rüdiger den Freund. »Hatte ich das nicht deutlich genug klargelegt?«

»Keine Sorge, ich falle nicht aus der Rolle«, beruhigte Thaddäus ihn lachend. »Sobald der Kontakt hergestellt ist, verschwinde ich in der Versenkung. Die Frau meines Lebens werde ich sowieso nicht in der Musikhalle treffen, dazu bin ich zu unmusikalisch.«

***

Als Thaddäus aber Aglaja Weitzmann sah, wusste er sofort, dass er zu viel versprochen hatte. Während er Rüdiger auf seinen Platz folgte, verharrte sein Blick wie gebannt auf dem kindlich zarten Gesicht des dunkellockigen Mädchens, und zum ersten Mal in seinem Leben bereute er, jemandem sein Wort gegeben zu haben.

Die Freunde, beide groß und elegant, erregten unwillkürlich Aufsehen. Aglaja war nicht die Einzige, die die Herren unauffällig musterte. Der Dunkelhaarige mit den verträumten braunen Augen und dem schmalen Gesicht erinnerte sie an einen Künstler, der Blonde mit der Borstenfrisur und den blitzenden blauen Augen an einen Landwirt.

Plötzlich entdeckte Aglaja, dass das Blitzen der blauen Augen ihr galt. Errötend beugte sie sich über ihr Programmheft und blätterte darin. Ihre Bewegung war zu hastig gewesen, das Heft rutschte ihr aus der Hand, machte eine Trudelbewegung und landete über Papas Knie hinweg genau vor den Füßen des blonden Riesen. Er bückte sich und reichte ihr das Programm zurück, und in seinen Augen leuchtete ein ganz feines Lächeln.

Herr Weitzmann, der sich für die beiden Herren bisher nicht interessiert hatte, blickte nun endlich auch nach links und murmelte höflich: »Danke schön.«

Thaddäus, eingedenk seiner Aufgabe, nutzte die Situation und fragte gleich darauf seinen Nachbarn zur Rechten: »Wann wird Ihr erstes Konzert in Deutschland stattfinden, Herr Ferromonti?«

»Ich werde in Deutschland vorläufig nicht auftreten«, antwortete Rüdiger leise, aber doch laut genug, dass Weitzmann ihn verstehen musste. »Mein Können reicht nicht aus, und ein Künstler darf sein Publikum nicht enttäuschen.«

»Aber Sie traten doch in England bereits auf?«, fragte Thaddäus weiter.

»Nur bei Konzerten, die vom Konservatorium veranstaltet wurden«, erläuterte Rüdiger bescheiden und unterbrach sich selbst mit einer leichten Handbewegung.