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»Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise.« Leo Tolstoi, Anna Karenina Mit der ersten Familie beginnt die Menschheit. Die folgenden Familien machen Geschichte und ihre Dynastien formen – bis heute – die Weltgeschichte. Weltbestsellerautor Simon Sebag Montefiore entfaltet ein welt- und kulturenumspannendes Panoramavon Familien, Sippen, Clans und Dynastien durch alle Zeiten und auf allen Kontinenten. Noch nie wurde die Familien-Weltgeschichte so vielschichtig entfaltet, so mitreißend erzählt. Die Geschichte der Menschheit beginnt in diesem historischen Epos mit einem Strandspaziergang einer Familie vor 950.000 Jahren. Diese Weltgeschichte erzählt Simon Sebag Montefiore als Familien- und Gesellschaftsdrama von den Neandertalern bis zu den Königen der Saud, von Cäsar bis zu den Kennedys und Xi Jinping. In 23 Akten spielt sich die Weltgeschichte der Menschheit von ihren Anfängen bis heute vor unseren Augen als ein großes Welttheater ab: begeisternd, verzweifelt, verträumt, brutal, erbarmungslos, realistisch, einfallsreich – als ergreifendes Drama, unglaubliche Komödie und erschütternde Tragödie. Familien lieben und hassen sich, sie feiern ihre Erfolge und erleiden gemeinsam ihre Niederlagen und ihren Niedergang. Meisterhaft veranschaulicht Montefiore, in seiner Menschheitsgeschichte, wie sich Weltgeschichte durch dieses epische Panorama für immer verschieben wird. Dramatisch, ungeschönt, ergreifend, lässt Simon Montefiore seine Leser Weltgeschichte intensiv erleben – großartig als überwältigende Vision, intim in den seltenen Augenblicken, an denen die Geschichte stillzustehen scheint. »Brillant. Selbst den gebildetsten Lesern werden neue und tiefe Einsichten eröffnet.«Henry Kissinger »Es ist leicht über ein Königreich zu herrschen, aber schwer, die eigene Familie zu regieren.« Aus China
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Seitenzahl: 3785
Simon Sebag Montefiore
Die Welt
Eine Familiengeschichte der Menschheit
Aus dem Englischen von Jens Hagestedt, Karin Laue, Hans-Peter Remmler, Thomas Stauder, Andreas Thomsen, Maria Zettner
Klett-Cotta
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Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.
Klett-Cotta
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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »The World. A Family History« im Verlag Weidenfeld & Nicolson,
The Orion Publishing Group Ltd, London 2022
© Simon Sebag Montefiore 2022
Für die deutsche Ausgabe
© 2023 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg
Nach einem Entwurf von © Studio Helen/OrionBooks
Karten: © Mike Hall
Gesetzt von Dörlemann Satz, Lemförde
Gedruckt und gebunden von Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-608-98354-8
E-Book ISBN 978-3-608-12192-6
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Vorwort
Einführung
Redaktionelle Anmerkung zur deutschen Ausgabe
Zitate
Erster Akt
Von Pharaonen und Akkadern
Prinzessin und allererste Dichterin: Enheduanna
Kubaba, die erste Königin
Die Erbauer der Pyramiden: Cheops und seine Mutter
Sargon: Der Zerschmetterer von Königen
Enheduannas Rache
Seqenenre, der Tapfere
Hatschepsut: Vornehme Frau und erster Pharao
Streitwagenfahrer, Bogenschütze und Pferdeflüsterer
Große kleine Herrin Ägyptens: Teje
Hethiter und Ramses
Sonnenwahn: Nofretete und der König der Hethiter
Nofretete und Tutanchamun – Mann, Frau und ein hethitischer Prinz
Kampf der Wagenlenker
Kriegsköniginnen: Fu Hao, Puduhepa und Nefertari
Nubier und Assyrer
Drei Königinnen: Isebel, Semiramis und Atalja
Assyrer erobern die Welt
Kusch: Das erste afrikanische Großreich
Afrika gegen Assyrien
Ein trübsinniger König begeht Brudermord
Das Machtduett von Großmutter und Enkelsohn
Zweiter Akt
Perser, Babylonier und Athener
Nebukadnezar und die Hure Babylon
Vom Eroberer zum Trinkgefäß: Kyros und Tomyris
Dareios, Buddha und das Rad des Gesetzes
Argeaden und Achämeniden
Königin Amestris verstümmelt ihre Widersacherin
Perikles, Aspasia und die Pest in Athen
Alkibiades und Sokrates
Persischer Giftwettkampf und makedonische Mundgeruchverschwörung
Der einäugige Philipp und die Königin Olympias
Persisches Roulette: Dareios und Alexander
Alexander, Roxane, Chandragupta: Weltkönig, baktrische Königin, indischer König
Tod in Babylon: Das Morden beginnt
Maurya und Qin
Seleukos in Indien: Der Aufstieg des Chandragupta
Ashoka: Der König, der das Rad dreht
Mit dem Herzen eines Tigers und eines Wolfes: Aufstieg der Qin
Barkiden und Scipionen
Liebe unter Ptolemäern
Afrikanischer Blitz und Menschenopfer: Barkas von Karthago
Für und gegen Karthago: Scipio, Hannibal und Massinissa
Demetrios, König der Inder
Der verrottende Fisch von Qin: Aufstieg des kleinen Gauners
Mütterliches Monster: »Hier ist das menschliche Schwein«
Judas und Mithridates: Judäischer Hammer und parthischer Schuss
Africanus der Jüngere und der König von Numidien: Tod der großen Städte
Dritter Akt
Han und Cäsaren
König Dickbauch, sein Sohn und die Kleopatras
Harmonische Verwandtschaft, Bluthochzeit: Eine Prinzessin unter Nomaden
Der König, der nicht vergiftet werden konnte
Der entmannte Geschichtsschreiber und Kaiser Wu
Kahler Hurenbock und ägyptische Königin: Caesar und Kleopatra
Crassus
’
Kopf und eine Million tote Gallier
Kleopatra, Caesar und Marcus Antonius
Alexanders Nase und Kleopatras Schlange
Augustus, Julia und die Einäugige von Kusch
Fliegende Schwalbe, die Liebe und ein abgeschnittener Ärmel
Das Reptil von Capri
Wenn Rom nur einen Hals hätte: Caligula und seine Schwestern
Römer und Maya
Messalinas Putsch
Herrschaft der Freigelassenen: Agrippinas Hochzeit
Mütter, Brüder und Schwestern: Nero, Agrippina und die Bans
Begabte Geschwister: Zwei Schriftgelehrte und ein Feldherr
Sternenkriege, durchstochene Penisse, Sexsklaven und Dampfbäder
Der verliebte Hadrian: Tod im Nil
Arabische Dynastien
Die Eunuchen, der kaiserliche Philosoph und die Pandemie
Das Monster des Philosophen: Commodus
Eunuchenmord und Größenwahn
Elagabals Verwandlung: Afrikanischer Kaiser und arabische Kaiserinnen
Der Schah und der ausgestopfte Kaiser
Zenobia und Konstantin
Vierter Akt
Die Dynastien des Konstantin, Sassan und Speerwerfer-Eule
Der Ehefrauenmörder und der dreizehnte Apostel
Der gekrönte Embryo und der heidnische Kaiser
Erstes Krokodil und der Hunne Rugila
Attila und Kaiserin Placidia
Attilas Bluthochzeit und Justinians Braut
Qusaiy und Justinian: Von Konstantinopel nach Mekka
»Salomo, dich habe ich übertroffen«
Justinians Pandemie und die Mördervögel von Mekka
Fünfter Akt
Mohammeds Dynastie
Familienfehde
»Ein Kaiser, der kräht und bellt«: Justins Wahnsinn
»Lies! Ich kann nicht! Lies!« Mohammeds Offenbarung
Tang und Sassan
Tödlicher Jäger, Löwe des Ostens: Der Größenwahn Chosraus
Taizong und der König von Tibet
Xuanzangs Reisen: Die Öffnung der Indosphäre
Die Familie Mohammeds
»Beschneidet die Männer!« Eroberungen Mohammeds und seiner Familie
Bezaubernde Wu: »Die Kaiserin hat mein Kind ermordet«
Sechster Akt
Die Familien Mohammeds und Karls des Großen
Der arabische Caesar und der Yazid des Weins, der Hurerei und der Affen
Die Zähne und Klauen der Kaiserin Wu Zetian
Der Fliegentöter von Damaskus und die Tang-Kaiserinnen
Der Hammer und die Orgien des Kalifen
Blutvergießer und Riesenbaby: Aufstieg des Abbas und Fall der Tang
Der Falke und die gekrönten Tauben: Abd ar-Rahman und Karl der Große
Tod den Dämonen: Karls Schwert
Karls Kaiserkrönung, Haruns Hochzeit
Tausendundeine Nacht:
Der Kalif und die Sängerinnen von Bagdad
»Bring mir Jafars Kopf«
Die Amsel von Córdoba
Rurikiden und die makedonische Dynastie
Rurik und die Wikinger
Konstantinopel und Rom: Pferdeflüsterer und
Senatrix
Heidnische Konvertiten: Wladimir und Rollo
Der Kalif von Córdoba
Ghanas
und Fatimiden
Afrikanische Macht: Die Herren von Wagadu und von Kairo
Al-Misks Düfte, Jawars Fisch und der jüdische Wesir: Die Fatimiden
Der Despot von Kairo, die Herrin des Reiches und der Bulgarentöter
Die Blauzähne erobern England: Der Unberatene, Eisenseite, Gabelbart und Hasenfuß
Die Amerikaner: Freydis und Gefiederte Schlange
Siebter Akt
Song, Fujiwara und Chola
Die kultivierten Staatenlenker der Song: Schießpulver, Papiergeld, Dichtung
Zwei Schriftstellerinnen: Murasaki und die Dichterin
Seldschuken, Komnenen und Hautevilles
Der wilde Löwe Arslan und die alterslose Zoë
Wilhelm Eisenarm, Schlaukopf Robert und die amazonenhafte Sikelgaita
Die dichtende Prinzessin und der eitle Löwe
Rogers Flatulenz, Zaynabs Magie und El Cids Schwert
Kreuzritter: Der Riese und die Tochter des Kaisers
Achter Akt
Dschingis und Söhne
Aufstieg und Fall des Khans
Der Fall Temüdschins
Tamar, Vorkämpferin des Messias
Temüdschin kommt wieder auf die Beine
Verführer und Rächer: Die Zähne des Andronikos und die Augen des Dogen
Dschingis, goldenes Leben und der Schwarze Tod
Dschingis und Söhne: »Was ist die größte Freude für einen Mann?«
Khmer, Hohenstaufen und Polos
Jayavarman von Angkor und das Wunder der Welt
Dschingis und Friedrich der Staufer: Machtprobe am Sterbebett
Als Frauen die Welt regierten: Sorkhatani und Raziah
Alexander Newski und Möngke Khan: Noch eine Eroberung der Welt
Hülegü und Saadi
Ich wünschte, ich wäre Staub: Der Sklavenkönig und der letzte Hauteville
Kublai und die Polo-Brüder
Die Keïtas von Mali und die Habsburger Österreichs
Der habgierige Rudolf und Marco Milione
Kublais Überfall auf Japan
Die Flucht der Polos und der Historiograph der Il-Khane
Sundiata, der Löwenkönig: Die
Mansas
von Mali und die Mexica der Inselstadt
Der reichste Mann der Welt: Musa in Kairo
Der zerstörerische Tod: Vier Schriftsteller inmitten des Großen Sterbens
Neunter Akt
Timuriden, Ming und
Obas
von Benin
Osmanen kommen in Europa an: Zwei Burgen und eine Hochzeit
Kopftürme: Timur und der Dichter Hafis
Timur nimmt Delhi ein: Bayezid in einem Käfig
Kaiser der Welt: Timur in Samarkand
Der Bettelkaiser und seine Foltermethoden
Auf chinesische Art: Der Eunuch-Admiral und Timurs Grab
Massaker unter Konkubinen
Der Leopardenkönig und João der Bastard
Zehnter Akt
Medici und Mexica, Osmanen und Avis
Henrique der Seefahrer: Sklaven, Zucker und Gold
Cosimo und der Piratenpapst: Im Namen Gottes und der guten Geschäfte
Der Fall von Konstantinopel
Die Mexica von Itzcóatl: Menschen, die für ihren Gott sterben
Inkas, Trastámaras und Rurikiden
Der Erderschütterer und der Impotente
Das Zweite und Dritte Rom: Cäsar Mehmed und Sophia von Moskau
Ein missglückter Mordanschlag und Auftritt Leonardo da Vinci
Sophias Kreml, Skanderbegs Albanien, Bellinis Porträt
Manikongos
, Borgias und Kolumbusse
Isabella und Ferdinand: Bezwinger des Islam, Geißel der Juden
Die
Manikongos
vom Kongo und
el Hombre
von Portugal
Anacaona, der Admiral und die Königin
Fegefeuer der Eitelkeiten: Papst Alexander VI. und die Kastanienorgie der Borgias
Habsburger und Osmanen
Eine Erzschlafmütze und eine Wahnsinnige
Julius, Michelangelo und Raffael: Zwei
Terribili
und ein Mann mit Stil
Luther und Leo: Die Exkremente des Teufels und der Elefant des Papstes
Manuels Marodeure im Osten: Da Gama und Albuquerque
Elfter Akt
Timuriden und Mexica, Osmanen und Safawiden
Babur nimmt Delhi ein
Selim: Versunken in Blut
Der Alexander-Jesus von Persien strebt die Weltherrschaft an
Roxelane und Süleyman: Die Freudvolle und der Prächtige
Karl und der
Manikongo
Cortés, Malinche und Moctezuma II.
Isabel Moctezuma: Die letzte Kaiserin und der Untergang der Mexica
Inkas, Habsburger und Medici
Le Grand Nez
und die Nelkenkaiserin
Der Inka und der Konquistador
Der Mohr, Michelangelo und der
Sacco di Roma
Das Jüngste Gericht:
Michelangelo in der Sixtina
Süleymans Favoriten: Roxelane und Ibrahim
Timuriden und Rurikiden, Osmanen und Mendes
Morde und Seeschlachten: Die Barbarossa-Brüder und die Piratenkönigin
Habsburger-Brüder und ihre Konquistadoren
Die osmanische Kaiserin, die Glückliche Laus und Doña Gracia
Der umsichtige Herrscher und drei englische Königinnen
»
Hoyda
, blutrünstige wilde Bestie!«
Blonder Sultan, jüdischer Herzog, serbischer Wesir
Valois und Saadier, Habsburger und Rurikiden
La Serpente:
Eine Medici als französische Königin
Philipps geißelnder Sohn und sein draufgängerischer Bruder
Bluthochzeit: Der Bengelkönig, die Krokodilkönigin und der schreckliche Iwan
Sohnesmord: Der König der Hermaphroditen und der Zar von Sibirien
Die Schlacht der toten Könige: Sebastião der Schlafende und Mansur der Goldene
König Bayano, Drake und Diego
Zwei Armadas: Philipp und Hideyoshi
Der verrückte Kaiser von Prag: Rudolf II.
Zwölfter Akt
Dahomeys, Stuarts und Villiers, Timuriden und Osmanen
König der Hexen: James in Love, Shakespeare bei Hofe
Zwei Herrscherinnen: Licht der Welt und Schöner Mond
Im freien Fall: Der Prinz der Finsternis und ein kotbeschmierter Kaisersohn
Mord durch Einlauf: Die Favoriten von König James I.
Mord auf Befehl: Kösem, schillernde Regentin des Osmanischen Reichs
Die Smiths, der König der Welt und zwei Künstler
Die Heiligen von Amerika: Cromwell, Warwick und Winthrop
Taj Mahal: Mumtaz
’
Tochter und Kösems wahnsinniger Sohn
Drei Könige Afrikas:
Manikongo
Garcia, Nzinga und
Ahosu
Houegbadja
Zumbas und Oranier, Cromwells und Villiers
Neunzehn Gentlemen von Amsterdam und ein Piratenprinz von Neu-Amsterdam
Heilige und Kavaliere: Charles I., Henrietta Maria und Cromwell
Killerkönige: Dachse und Hetmane, Zuckerstückchen und Bogensehnen
Unvergängliche Krone und Prachtvolle Mutter
Christi Eingeweide: Protektor Oliver und Prinz Dick
Ganga Zumba: Der König von Palmares
Die Beherrscher der Welt: Shivaji, Aurangzeb und die Dichterin Zebunnissa
»Queen Dick«
Mandschu und Shivajis, Bourbonen, Stuarts und Villiers
Die Wahrnehmung und Ordnung der Wirklichkeit: Velázquez, Bernini und Artemisia
Unterwegs zum Absolutismus: Anna und Mazarin
Sex, Gift und Krieg am Hofe des Sonnenkönigs
Die fröhlichen Brüder und die Afrikakompanie
Minette, Barbara und die Kannibalisierung der de Witts
Kampf um Unabhängigkeit: Der Qing, der Großmogul und der
Chhatrapati
Afscharen und Mandschu, Hohenzollern und Habsburger
Leopold die Unterlippe, »Schießpulver« Sobieski und Königin Cleopatra
Der Wechselbalg, die Unterwäsche des Königs und die Oranier
Titanen auf dem Sterbebett: Carlos II., Alamgir, Louis XIV., Kangxi
Cock Robin, das preußische Monstrum und der polnische Herkules
Der Philosophenprinz, der Philosoph und die Marquise
Wollust, Eroberer, Diamant und Kurtisane: Nader, Rangila, Friedrich
Maria Theresia: Mutter, Kaiserin, Kriegsherrin
Was ist ein Vater? Was ein Sohn? Der Wahn von Nader
Durranis und Saids, Hemings und Toussaints
Afghanische Eroberer, arabische Könige: Durranis, Sauds und Omaner
Das Monster von Jamaika und Agadja, der Vizekönig von Sahé
Drei amerikanische Familien: Hemings, Jefferson, Toussaint
Mimi und Isabella: »Dein erzenglisches Arscherl«
Romanows und Durranis, Pitts, Komantschen und Kamehameha
Pitts Krieg: Der Große Bürgerliche
Indische Kriegsherren: Durrani und Clive
Erbauer von Imperien: Krieger der Komantschen und Pitt die Schlange
Katharina die Große und Potemkin, der Exzentriker
Durranis Maden: Imperium in Indien
Radikale: Jefferson und Hemings, die dänische Königin und ihr Arzt
Marie Antoinette und Louis: Intime Empfehlungen in Versailles
»Schieße deinen Pfeil ab«: Kamehameha und Cook
Die Intervention: Marie Antoinette und Fersen
Mozart, Joseph und die Erotik des Rokoko
Dreizehnter Akt
Arkwrights und Krupps, Habsburger, Bourbonen und Sansons
Der eisenvernarrte Titan, der König der Kanäle und Moll Hackabout
Sally Hemings und Marie Antoinette: Diamanten und ein Kind der Liebe
Saint-Georges, gefährliche Liebschaften und die Abolitionisten
Requiem: Joseph II. und Mozart
Marie Antoinette, der Scharfrichter und Dr. Guillotin
Revolutionen in Haiti und Paris: Cécile und Toussaint, Robespierre und Danton
Vierzehnter Akt
Bonapartes und Albaner, Wellesleys und Rothschilds
Marie Antoinette, Joséphine und das nationale Rasiermesser
Der Schwarze Spartakus und der Tugendtyrann
Ein Haufen Augäpfel: Tiger Tipu, die Wellesleys und die Rache des Eunuchen
Ägyptische Potentaten: Bonaparte und Mehmed Ali
Zwei Generäle: Toussaint und Napoleon
Ein Kaiser und fünf Königreiche
Könige des Kapitals: Die Rothschilds
Zulu und Sauds, Christophes, Kamehamehas und Astors
Tropische Monarchen: Die Könige von Haiti und Brasilien
Frauen der Eroberer Kamehameha und Napoleon
Wellesleys, Rothschilds und die Frau auf dem scharlachroten Tier
Arabische Eroberungen: Mehmed Ali und die Sauds
Napoleon, Marie-Louise und Moskau
Waterloo: Das britische Jahrhundert, Napoleon II. und die Rothschilds
Shaka Zulu, Moshoeshoe und Dona Francisca
Reichsgründer in Ostafrika: Mehmed Ali und Said
Fünfzehnter Akt
Braganças und Zulu, Albaner, Dahomeaner und Vanderbilts
Die Befreier: Bolívar und Pedro
Der Große Herr von Paraguay: Das ethnische Experiment des Dr. Francia
Manuela, der Befreier und König Baumwolle
Romantik und moderne Nation: Lord Byrons Abenteuer und Beethovens
Neunte
»Erstecht ihr
mich
, den König der Welt?«: Bolívar und Shaka
Revolution: Pedro und Domitília
Quamina und Sir John Gladstone: Sklavenrebellen, Sklavenhalter
Lord Cupid und die Schirmherrinnen
»Lieber sterben als versklavt leben«: Daddy Sharpe und die Abolition
Kriegerinnen von Dahomey, Kalif von Sokoto und Kommandant Pretorius
Der Napoleon des Ostens: Mehmed Alis Schachzug und die Löwin vom Punjab
Kriegsherren der USA: Jacksons Kugeln und Santa Annas Bein
Zum Pazifik! König von Hawaii, Königin Emma, Commodore Vanderbilt
Sechzehnter Akt
Bonapartes und Mandschu, Habsburger und Komantschen
Revolutionen und Politik für die Massen: Louis Napoleon und Lola Montez
Der Erotomane und
Das Kapital
: Louis Napoleon und Marx
Glanz und Elend der Kurtisanen
Eliza Lynch und Königin Victoria: Zwei weibliche Potentaten
Rebellion: Die letzten Timuriden und die ersten Nehrus
Verletzend und zerstörerisch: Die Briten holen sich Indien zurück
Hinkender Drache, eisenköpfige Ratte und der Kleine An: Der Aufstieg Cixis
Notfalls den Kaiser verführen: Napoleon III., die Herzdame und das
Risorgimento
»Verdreschen wir sie morgen«: Ulysses und Abraham
Cynthia Ann Parker liebt Peta Nocona, Franz Joseph heiratet Sisi
Amerikanische Kriege: Pedro und López, Charlotte Augusta und Eliza
»Wir sind alle Amerikaner«: Lincoln und Grant
Siebzehnter Akt
Hohenzollern und Krupps, Albaner und Lakota
Ein verrückter Junker, ein Kanonenkönig: Wettstreit im modernen Machtgefüge
Ismail der Prächtige und Eugénie: Das Kaiserreich ist ein altes Weib
In der Mausefalle: Das Debakel von Napoleon dem Kleinen
Ku-Klux-Klan und Little Bighorn: Ulysses Grant und Sitting Bull
Der eiserne Kanzler und Dizzy
Achtzehnter Akt
Salomo und Asante, Habsburg und Sachsen-Coburg
Salama, Prinzessin von Sansibar, und ein König, der sich »Leichen« nannte
Ismail und Tewodros: Der Kampf um Ostafrika
Cetshwayos Sieg und der letzte Napoleon
Schlächter Leopold, Henker Peters, irrer Kapitän Voulet
Rudolf und Mary in Mayerling, Inspektor Hiedler und Adolf Hitler in Braunau
Moderne Monarchen: Franz Ferdinand, Pedro, Isabella, Liebchen Wilhelm
Hohenzollern und Roosevelts, Salomo und Mandschu
Sonnenaufgang im Osten: Kaiserin Cixi, Königin Min und Sun Yat-sen
Königin Lili
’
uokalani und Teddy Roosevelt: Fülle und Raffinesse Amerikas
Roosevelt und die
Rough Riders
Abd al-Aziz: Die Rückkehr der Sauds
Rhodes, das Maxim und Lobengula
Menelik und Kaiserin Taytu: Afrikanischer Triumph
Gandhi, Churchill und die Sudan-Maschine
Zwei betagte Kaiserinnen: Cixi und Victoria
Du Bois, Washington und Roosevelt
Franklin, Eleanor und Hirohito
Neunzehnter Akt
Hohenzollern, Krupps, Osmanen, Tennos und Songs
Süßer, Harfner, Tutu und Concettina: Wilhelm II. und seine Freunde
Ende oder Wende in Wien? Franz Ferdinand, Freud, Klimt
»Ich will meine Mami«: Kindkaiser, Sun Yat-sen und die Song-Schwestern
Familienhochzeit: König, Kaiser und drei Paschas
Hohenzollern, Habsburger und Haschemiten
»So heißt man also seine Gäste willkommen«: Der Thronfolger in Sarajevo
Ein Gefreiter an der Westfront: Massentötung im Massenzeitalter
Des Kaisers Skrotum und Hindenburg als Diktator
Ein König in Arabien, ein Bolschewik in Petrograd
Der Niedergang der Kaiser
Tiger, Ziegenbock, Jesus Christus
Niemanden hassen, sich niemals fürchten: Gandhi und Nehru
Das Gehirn, der tumbe Holländer und Lucky Luciano
Vorfühlen mit Bajonetten: Die Könige von München, Syrien und Irak
Pahlavis und Songs, Roosevelts, Kennedys und die Mafia
Vater der Türken, Licht der Perser und das größte Genie: Atatürk, Reza, Lenin
Die Song-Schwestern: Sun, Chiang und Mao
Jazz und die
Roaring Twenties
: Roosevelt, Josephine Baker und Lucky Luciano
Rin Tin Tin: Kennedy, Klein-Cäsar und Roosevelt
Der Feldmarschall und der »böhmische Gefreite«
Lange Messer, Großer Terror: Die ultimativen Machtmenschen Hitler und Stalin
Äthiopien mit oder ohne Äthiopier: Haile Selassie und Mussolini
Zwanzigster Akt
Roosevelts, Suns, Krupps, Pahlavis und Sauds
Hirohitos Invasion in China
Ölkönige – Die Eroberung Arabiens: Abd al-Aziz und Reza
»So wird das gemacht« – Hitlers Plan
Der deutsche Diktator und der junge König
Hitlers Vernichtungskrieg und Hirohitos Vabanquespiel
Totale Ausrottung: Hitler und der Holocaust
Moderne Sklavenhalter: Krupp
Hitlers Kampf ums Öl
Mao und die Schauspielerin aus Shanghai
Die Zukunft der Menschheit: Roosevelt, Stalin und Jack Kennedy
Roosevelt und die drei Könige
»Noch können wir gewinnen« – Hirohitos Offensive
Einundzwanzigster Akt
Nehrus, Maos und Suns, Mafiosi, Haschemiten und Albaner
»Das Strahlen von tausend Sonnen«: Truman und das amerikanische Jahrhundert
Das Ende des einzigen Indien: Nehru, Jinnah und die Vizekönigin
Faruk und Abdullah: Zwei Könige teilen Palästina auf
Mao, Jiang Qing und die rote Schwester Song
Tiger Kim und Stalins Stellvertreterkrieg
Meyer Lanskys Hotel Nacional und Fidel Castros gescheiterte Revolution
Nasser und der Schah ergreifen die Macht
Norodoms und Kennedys, Castros, Kenyattas und Obamas
Der junge König von Kambodscha
Ein Israeli in Paris
Bergmann trifft Schwimmer: Chruschtschow und Mao
Ausgeweidet in Bagdad: Der
Rais
und der letzte König des Irak
La Grandeur
: de Gaulle und Houphouët
Brennende Speere: Kenyatta, Nkrumah und Barack Obama sen.
Nikita und Jack, Mimi und Marilyn
Der Löwe von Juda und der afrikanische Pimpernell
Ungleiche Brüder und ihre Clans: Die Castros und die Kennedys
Atomwaffen in Kuba: Die Hure des Millionärs und der unmoralische Gangster
Sihanouk und der Schah
Nach Kennedy: Lyndon B. Johnson und Martin Luther King
Haschemiten und Kennedys, Maos, Nehrus und Assads
Ljonja, die Ballerina: Breschnew an der Macht
Stich des Skorpions und Sturz der Kleinen Kanone: Mao lässt Jiang Qing los
Nasser und der König: Sechstagekrieg im Juni
Die Attentate: Robert F. Kennedy, Martin Luther King, Tom Mboya
Das Aphrodisiakum der Macht: Kissingers und Nixons Dreiecksspiel
Die Ermordung von B-52: Mao und Pol Pot
Die »blöde Puppe«: Indira beherrscht Indien
Der amerikanische Metternich und der Philosophenkönig von China: Kissinger und Mao
Salomon und Bush, Bourbon, Pahlavi und Castro
Wilde Bestien und Löwen: Die Assads von Damaskus
Kaiserliche Pfaue: Das satanische Fest und der Engel
»Ist König David zurückgetreten?« Der
Neguse Negest
und Major Mengistu
Mao, Bruder Nr. 1 und die Viererbande
Der Kreuzzügler und der Prinz: Europäische Tyrannen und Demokraten
Indira Gandhi und Sohn
Kleine Kanone, die Acht Unsterblichen und die Bande des Skorpions
Castros Afrika
Der Herr der Spione: Andropow und sein Schützling Gorbatschow
Der Imam, der Schah und Saddam
Jerry John Rawlings von Ghana und Sadat in Jerusalem
Operation Storm-
333 in Kabul
Poppy, Osama und W: Bin Laden und die beiden Bushs
Maggie und Indira
Die Nehruvianer: Die dritte Generation
Zweiundzwanzigster Akt
Jelzins, Nehruvianer und Assads, Bin Ladens, Kims und Obamas
Aufstieg und Fall von Weltmächten: Deng und Gorbatschow
Der Fall der Mauer und das neue Afrika: Jelzin und Mandela
Die Familia: Boris, Tatjana und die Oligarchen
Die Ritter von Damaskus, marxistische Monsterfilme und die Datenkönige
Der Sturz der Türme, die Finanzkrise und »
Yes we can
«
Baschar, das Bajonett und die Mona Lisa von Indien: Gaddafi und Mubarak gehen unter, Modi kommt
Wo Löwen und Geparden lauern: Trump kapert die Bühne
Die Tötung von Geronimo: Osama wird liquidiert
Dreiundzwanzigster Akt
Trumps und Xis, Sauds, Assads und Kims
Das Kalifat und die Krim
Die Familien, die Dynasten, die Weltreiche
Ein Kaiser, ein Zar und ein Schauspieler: Xi, Putin und Selenskyj
Schlussbemerkung
Zitate
Anhang
Karten
Dank
Ausgewählte Literatur und Quellen
Stimmen zu diesem Buch
Ortsregister
Personenregister
Für meinen geliebten Sohn
Sasha
***
In Erinnerung an meine Eltern
Stephen & April
Die vorliegende Weltgeschichte ist in bedrohlichen Zeiten, während pandemiebedingter Lockdowns und dem russischen Überfall auf die Ukraine, entstanden. Es gibt unzählige Möglichkeiten, eine Universalgeschichte zu schreiben. Seit der Antike haben es Hunderte Historiker versucht, jeder auf seine Weise. An vielen Universitäten gibt es mittlerweile Lehrstühle für Globalgeschichte, und Dutzende Weltgeschichten werden jedes Jahr veröffentlicht. Einige von ihnen sind wirklich brillant, und ich habe versucht, sie alle zu lesen. Kein Buch ist leicht zu schreiben, und für eine Weltgeschichte gilt das ganz besonders. »Worte und Ideen ergießen sich aus meinem Kopf wie Rahm in ein Butterfass«, schrieb Ibn Chaldun in seiner Universalgeschichte.
Ich wollte immer schon eine Geschichte wie diese schreiben, die einen eher intimen Blick auf die Menschheit wirft. Einerseits ist es ein neuer Ansatz, der sich andererseits auf alte Traditionen berufen kann. Vor allem jedoch ist er die Quintessenz meines Lebens voller Studien und Reisen. Ich hatte das Glück, viele Orte zu besuchen, an denen sich Geschichten dieser Geschichte ereignet haben. Einige der Kriege und Putsche, von denen sie handelt, habe ich selbst miterlebt. Und ich hatte das Privileg, persönliche Gespräche mit einigen globalen Hauptakteuren führen zu dürfen, von denen ich Informationen aus erster Hand erhielt.
Mein Vater war ein Arzt, der sich über vieles Gedanken gemacht hat. Als ich elf Jahre alt war, schenkte er mir eine gekürzte Ausgabe von Arnold Toynbees The Study of History (Der Gang der Weltgeschichte) – ein Werk, das heute als überholt gilt. »Vielleicht schreibst du eines Tages ja auch einmal so etwas«, sagte er. Ich konnte mich gar nicht mehr losreißen von all diesen Geschichten über Orte und Zeiten, die in meinem von Tudors und Nazis beherrschten Schulunterricht nicht vorkamen.
Dieses Buch zu schreiben, hat mir die größte Befriedigung meines bisherigen Schriftstellerlebens verschafft, stellte mich aber auch vor die bislang größte Herausforderung. Allerdings habe ich viel weniger gelitten als andere Historiker. Ibn Chaldun etwa musste mitansehen, wie seine Eltern an der Pest starben. Sir Walter Raleigh schrieb an seiner History of the World, während er auf seine Hinrichtung wartete, was ihm eine einzigartige Perspektive auf das Weltgeschehen eröffnet haben dürfte. Nur wurde er vor der Fertigstellung enthauptet – eine grauenvolle Vorstellung. Geschichte besitzt die geradezu mystische Kraft, die Gegenwart zu formen oder – bei missbräuchlicher Anwendung – zu verzerren. Das macht die Geschichtsschreibung zu einem ebenso unverzichtbaren und edlen wie gefährlichen Metier. Als man den um 145 v. Chr. geborenen chinesischen Historiographen Sima Qian(1) beschuldigte, er habe den Kaiser verunglimpft, hatte er die Wahl zwischen Hinrichtung und Kastration. Um seine Geschichte vollenden zu können, entschied er sich dafür, verschnitten zu werden: »Aber bevor ich mein Rohmanuskript fertig hatte, traf ich auf dieses Unglück. … Wenn es an Menschen weitergegeben werden darf, die es schätzen und bis in die Dörfer und großen Städte vordringen, was sollte ich dann bereuen, obwohl ich tausend Verstümmelungen erleiden würde?« Ich dachte oft an Sima Qian(2), während ich an diesem Buch arbeitete …
Simon Sebag Montefiore
London
Die Flut strömte zurück. Fußabdrücke tauchten auf. Es waren die Spuren einer Familie, die am Strand von Happisburgh in Ostengland entlanggegangen war. Hinterlassen haben sie fünf Menschen vor etwa 850 000 bis 950 000 Jahren, Erwachsene und Kinder, von denen das größte Individuum wahrscheinlich ein Mann war. Die Fußspuren, die 2013 entdeckt wurden, sind nicht die ältesten. Diese wurden in Afrika gefunden, wo die Geschichte der Menschheit ihren Anfang nahm. Aber jene Strandspuren sind die ältesten einer Familie. Und sie haben mich zu dieser Weltgeschichte inspiriert.
Viele Globalgeschichten sind schon geschrieben worden. Diese hier verfolgt einen bisher nie erprobten Ansatz: Um einer lebendigeren Perspektive willen habe ich meine Weltgeschichte in die Erzählungen von Familien eingebettet. Auf diese Weise lassen sich die großen Ereignisse der Weltgeschichte, von den ersten Homininen bis heute und vom Steinwerkzeug bis zum Smartphone, mit den Dramen einzelner Menschen verknüpfen.
Weltgeschichte ist ein Elixier für bewegte Zeiten, schließlich schärft sie unseren Blick für Verhältnismäßigkeiten. Meistens ist es jedoch ein distanzierter Blick, geht es in den herkömmlichen Weltgeschichten doch häufig um Themen und nicht um Menschen, während Biographien üblicherweise von Menschen, aber nicht von Themen handeln. Die Familie ist der Urstoff der menschlichen Existenz – so war es schon immer, und so wird es auch in einem von Künstlicher Intelligenz und galaktischer Kriegsführung geprägten Zeitalter bleiben. Ich habe ein historisches Netz über die Welt geworfen, in das ich Parallelgeschichten von Familien aller Kontinente und aller Epochen verwoben habe, um dadurch die Entwicklung der Menschheit herauszuarbeiten: Es ist die Biographie vieler Menschen statt einer einzelnen Person. Ungeachtet der globalen Reichweite dieser Familien mangelt es ihren Dramen nicht an Intimität, denn auch ihr Leben wird von Geburt, Heirat und Tod bestimmt. Sie lieben, hassen, steigen auf, fallen, steigen erneut auf, treten ab und treten wieder auf. Jedes Familiendrama hat unzählige Akte. Genau das meinte Samuel Johnson, als er sagte, jedes Königreich sei eine Familie und jede Familie ein kleines Königreich.
Anders als die meisten Geschichtsbücher, mit denen ich aufgewachsen bin, ist meine Weltgeschichte ausgewogen, denn sie widmet sich nicht mehr vordringlich dem Geschehen in Großbritannien und Europa, sondern schenkt Asien, Afrika und Amerika die gebotene Aufmerksamkeit. Durch den familiären Blickwinkel lässt sich auch das Leben von Frauen und Kindern, die in den Darstellungen aus meiner Schulzeit meist sträflich vernachlässigt wurden, angemessen beachten. Ihre Rollen verändern sich im Laufe der Geschichte ebenso wie die Form der Familie selbst. Wie die Schädelplatten der Geschichte zusammengewachsen sind, genau dies möchte ich hier nachzeichnen.
Das Wort »Familie« steht für Geborgenheit und Zuneigung, obwohl Familien im wirklichen Leben Gespinste aus Kampf und Grausamkeit sein können. Die meisten Familien, von denen ich erzähle, waren Machtverbände, in denen es zwar durchaus Intimität und Wärme gab, Erziehung und Liebe, die zugleich aber auch den eigentümlichen, unerbittlichen Dynamiken der Politik unterworfen waren. Gerade in mächtigen Familien birgt Vertrautheit Gefahr. »Unheil«, warnte der chinesische Philosoph Han Fei seinen Herrscher im 3. Jahrhundert v. Chr., »kommt von denen, die du liebst.«
Bei vielen dieser Familien handelt es sich um Herrscherdynastien: »Geschichte ist etwas, das eine kleine Minderheit tut«, so Yuval Noah Harari, »während die anderen Äcker pflügen und Wasser schleppen.« Neben den Macht ausübenden Familien kommen in diesem Buch auch Sklaven, Ärzte, Maler, Schriftsteller, Henker, Generäle, Historiographen, Priester, Scharlatane, Wissenschaftler, Tycoons, Kriminelle – und Liebende vor. Sogar ein paar Götter.
Einige Familien und Familiengeschichten werden Ihnen als Leserinnen und Leser bekannt vorkommen, viele aber auch ganz unbekannt sein. Wir folgen den Ming in China, den Medici in Florenz und den Habsburgern in Österreich, aber auch den Dynastien von Mali, Mutapa, Dahomey, Oman, Afghanistan, Kambodscha, Brasilien, Iran, Haiti und Hawaii. Und wir berichten über Dschingis Khan, Sundiata Keïta, Kaiserin Wu, Ewuare den Großen, Iwan den Schrecklichen, Kim Jong-un, Itzcóatl, Andrew Jackson, König Henri von Haiti, Ganga Zumba, Kaiser Wilhelm II., Indira Gandhi, Pachacútec Inka und Hitler, über die Kenyattas, Castros, Assads, Sauds, Roosevelts, Rothschilds, Rockefellers und Trumps, über Kleopatra, de Gaulle, Khomeini, Gorbatschow, Marie Antoinette, Jefferson, Nader Schah, Mao und Obama, über Mozart, Balzac und Michelangelo ebenso wie über die Cäsaren, Moguln und Osmanen.
Das Grässliche und das Heimelige bestehen nebeneinander. Und so gibt es viele liebende Väter und Mütter, aber eben auch Ptolemaios VIII., den »Dickbauch«, der seinen Sohn zerstückelte und die Körperteile an die Mutter des Kindes schickte, oder Nader Schah, der wie Iris, die Kaiserin des IS, den eigenen Sohn blenden ließ. Königin Isabella folterte ihre Tochter, und Karl der Große soll mit seiner Tochter geschlafen haben. Die mächtige Osmanin Kösem ließ ihren Sohn erwürgen und wurde ihrerseits auf Befehl ihres Enkels getötet. Bei der Hochzeit ihrer Tochter inszenierte Katharina de’ Medici ein Massaker und duldete deren Verführung, womöglich sogar die Vergewaltigung durch ihre Söhne. Nero schlief mit seiner Mutter und ermordete sie später. Nachdem Shaka Zulu seine Mutter getötet hatte, nahm er dies zum Vorwand für ein Massaker. Saddam Hussein sorgte dafür, dass seine Söhne gegen seine Schwiegersöhne vorgingen. Brüder zu töten, ist auch heute noch in Machtfamilien endemisch. Kim Jong-un etwa ließ seinen Bruder auf sehr moderne Weise aus dem Weg räumen und dessen Ermordung mit einem Nervengift wie eine Fernsehshow als Scherz mit versteckter Kamera inszenieren.
Wir betrachten die Tragödien, die jugendlichen Töchtern widerfuhren, wenn sie von ihren kaltherzigen Eltern in ferne Länder geschickt wurden, wo sie Fremde heiraten mussten, um dann bei der Niederkunft zu sterben: Manchmal erleichterten ihre Ehen die Beziehungen zwischen den Staaten, häufiger aber bewirkten die Leiden der Frauen wenig, weil die Interessen des Staates Vorrang vor den familiären Bindungen hatten – ein Aspekt, den wir ebenfalls in den Blick nehmen. Darüber hinaus beleuchten wir auch die Triumphe versklavter Frauen – wie die von Kösem –, die zu Herrscherinnen über ganze Reiche aufstiegen. Erinnert sei an Sally Hemings, die versklavte Halbschwester von Thomas Jeffersons Frau, die dem Präsidenten heimlich Kinder gebar, oder an Raziah aus dem Sultanat von Delhi, die als Sultanin die Macht ergriff, aber dann wegen ihrer Affäre mit einem afrikanischen General ins Verderben stürzte, oder an die Kalifentochter Wallada, die sich in al-Andalus einen Ruf als Dichterin und Freigeist erwarb. Wir werden unsere Familien durch Pandemien, Kriege, Überschwemmungen und Aufschwünge begleiten und das Los der Frauen verfolgen, das sie vom Dorf bis auf den Thron und von der Fabrik bis ins Amt der Premierministerin führte, und wir werden über katastrophale Müttersterblichkeit und rechtliche Ohnmacht über das Wahlrecht bis hin zu Abtreibung und Empfängnisverhütung sprechen. Wir werden uns auch mit dem Schicksal der Kinder auseinandersetzen, von der entsetzlichen Kindersterblichkeit und Kinderarbeit früherer Zeiten bis hin zu den verwöhnten Stars der modernen Gesellschaft.
Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen einzelne Menschen, Familien und Herrschaftscliquen. Tatsächlich gibt es viele Wege, die Geschichte der Welt zu erzählen. Als Historiker interessieren mich besonders die Mechanismen der Macht und der Geopolitik. Die meiste Zeit meines Berufslebens habe ich über russische Machthaber geforscht und geschrieben, denn sie verkörpern die Art von Geschichte, die ich selbst immer gern gelesen habe. Es ist eine Geschichte voller Leidenschaft, Phantasie und Sinnlichkeit, eine Geschichte über Menschen, die von Furien gejagt werden oder einfach unter den Härten des gewöhnlichen Lebens zu leiden haben. Und das hat die reine Wirtschafts- oder Politikgeschichte nun einmal nicht zu bieten. Dieser menschliche Blickwinkel auf die Weltgeschichte hat den großen Vorteil, dass er nicht nur politische, wirtschaftliche und technische Veränderungen, sondern auch familiäre Entwicklungen sichtbar macht. Dieses Buch zeigt, wie Menschen seit jeher in einem System um ihre Handlungsfähigkeit rangen und sich gegen die unpersönlichen, das Dasein bestimmenden Kräfte stemmten. Und doch schließen diese beiden so gegensätzlichen Dimensionen einander nicht zwingend aus. »Die Menschen machen ihre eigene Geschichte«, schrieb Karl Marx, »aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.« Oftmals wird Geschichte so dargestellt, als wären Ereignisse, Revolutionen und Paradigmen stakkatoartig aufeinandergefolgt, erlebt von Menschen, die sich ordentlich kategorisieren, definieren und zuordnen lassen. Die Geschichte der Familien offenbart jedoch etwas ganz anderes: Sie öffnet den Blick auf idiosynkratische, einzigartige Menschen, die über Jahrzehnte und Jahrhunderte in einer vielschichtigen, hybriden, kaleidoskopischen, liminalen, das heißt, in einer im Schwellenzustand befindlichen Welt leben, lachen und lieben. Und genau diese Welt entzieht sich all unseren Versuchen, sie zu kategorisieren oder mit bestimmten Identitäten zu versehen.
Die Familien und Menschen, denen ich in diesem Buch nachspüre, ragen als Herrscher oder Künstler in der Regel zwar aus der Masse heraus, verraten dessen ungeachtet aber viel über ihre Zeit und über die Orte, an denen sie lebten. Auf diese Weise lässt sich neben der Entwicklung von Königreichen und Staaten und der Vernetzung von Völkern ebenso untersuchen, wie unterschiedliche Gesellschaften Außenseiter integrieren oder zusammenbringen. Das vorliegende Buch ist ein vielschichtiges Drama synchroner Erzählstränge, die an unterschiedlichen Orten spielen, aber letztlich zu ein und derselben Geschichte gehören. Dadurch fange ich hoffentlich etwas von der chaotischen Zufälligkeit und Unvorhersehbarkeit des wahren Lebens und von dem Gefühl ein, dass vieles an anderen Orten in ganz anderen Bahnen verläuft.
Eines der übergreifenden Themen dieses Buches ist die Staatenbildung durch Migration. Dazu betrachten wir ebenso ortsgebundene wie in Bewegung befindliche oder durch Bewegung geformte Familien, denn es sind die großen Massenmigrationen von Familien – Wanderungen und Eroberungen –, die beinahe jede Ethnie und jede Nation erschaffen haben.
So wie wir die Kernfamilien beleuchten, folgen wir auch den großen, sich häufig zu Clans und Stämmen auswachsenden Machtfamilien. Die Kernfamilie ist für uns alle eine biologische Tatsache, die für die meisten von uns mit elterlicher Fürsorge verbunden ist, wie gut oder schlecht sie im Einzelfall auch ausgeprägt sein mag. Dynastien dagegen sind Konstrukte aus Vertrauen und Abstammung, die dazu dienen, Macht und Reichtum zu erhalten, und die vor Gefahren schützen sollen. Beides ist fest in unseren Instinkten verankert, denn in vielerlei Hinsicht sind wir alle Mitglieder von Dynastien, und das macht diese Familiengeschichte zu einer Chronik über uns alle. Nur stehen herrschenden Familien ganz andere Mittel zur Verfügung; bei ihren Machtspielen geht es oftmals buchstäblich um Leben und Tod.
In Europa und den USA neigen wir dazu, die Familie als kleine Einheit zu betrachten, die im Zeitalter von Individualismus, Massenpolitik, Industrialisierung und Hochtechnologie ihre politische Bedeutung verloren hat. Wir glauben, dass wir die Familien nicht mehr so wie früher benötigen. Daran ist durchaus etwas Wahres, erhielt doch die Familie im Laufe der Zeit einen anderen Stellenwert. Auch in Zeiten, in denen sich keine prominenten Familien hervorgetan haben, stütze ich mich bei meinen komplexen Narrativen auf die Charakterzüge und Verbindungen der Menschen. Denn wie sich zeigt, hat sich das Konzept der Dynastie in unserer individualistischen, vermeintlich rationalen Welt zwar weiterentwickelt, ist aber keineswegs verschwunden. Ganz im Gegenteil.
»Ein erblicher Herrscher ist ebenso widersinnig als ein erblicher Doktor«, betonte Thomas Paine während der Amerikanischen Revolution. Und er musste es wissen, schließlich wurde damals, wie so viele Professionen, auch der Arztberuf vererbt. Ein wesentlicher Grund dafür, dass Herrschaft weitervererbt wurde, war die Religion, denn man glaubte fest daran, dass Herrscher als Vertreter oder sogar Verkörperung des göttlichen Willens agierten. Ihre Heiligkeit, die daraus resultierte, schloss auch die Herrscherfamilien ein und ließ die Erbfolge als etwas Natürliches erscheinen, weil sich darin die auf Abstammung beruhende natürliche Gesellschaftsordnung spiegelte. Nach 1789 entwickelte sich eine Theologie der geheiligten Dynastien, um neuen nationalen, populären Paradigmen und nach 1848 der Massenpolitik zu entsprechen. Die traditionelle Religion mit ihrem Weihrauch und Glockengeläut ist heute weniger präsent, doch unsere sogenannten säkularen Gesellschaften sind nicht weniger religiös als die unserer Vorfahren, und unsere heutigen Orthodoxien sind nicht weniger starr und absurd als die alten Religionen. Der Menschheit scheint nämlich ein starkes Bedürfnis, dass alle Menschen durch den Glauben erlöst werden mögen, innezuwohnen, das jeden Einzelnen, jede Familie und jede Nation nach einer gerechten Mission suchen lässt, die der Existenz Gestalt und Sinn verleiht. »Wer ein Warum zum Leben hat«, sagt Nietzsche, »erträgt fast jedes Wie.« Deshalb ist die Religiosität ein wichtiges Thema dieses Buches.
Unsere heutigen liberalen Demokratien rühmen sich gerne ihrer rein rationalen Politik, in der Sippen, Verwandtschaft und Beziehungen keine große Bedeutung mehr zukommt. Das stimmt insofern, als die Familie in ihnen eine vergleichsweise geringe Rolle einnimmt. Dennoch geht es in der Politik nach wie vor eher darum, jemanden zu begünstigen, als um Inhalte. Selbst moderne Staaten wie die Demokratien in Nordamerika und Westeuropa sind komplexer und längst nicht so rational, wie wir uns gerne einreden, denn formale Institutionen, zu denen auch die Familie gehört, werden oftmals durch informelle Netzwerke und Interessengemeinschaften umgangen. Man denke nur an mächtige Familiendynastien wie die Kennedys und Bushs, die Kenyattas und Khamas, die Bhuttos, Lees und Nehrus, die in vielen Demokratien oder Semidemokratien für Sicherheit und Kontinuität stehen, aber erst gewählt werden müssen (und folglich auch bei den Wahlen durchfallen können). Untersuchungen in den USA, Indien und Japan haben gezeigt, dass die Mitglieder großer Familiendynastien dort bis heute immer wieder in den Parlamenten und im Staatsdienst auftauchen. Und dann ist da noch die wachsende Zahl erblicher Herrscher in Asien und Afrika, die – hinter republikanischen Institutionen verborgen – in Wirklichkeit Monarchen sind.
»Verwandtschaft und Familie bleiben eine Macht, mit der man rechnen muss«, schrieb Jeroen Duindam, der Altmeister der Dynastieforschung. »Personalisierte und dauerhafte Formen der Führung in Politik und Wirtschaft neigen auch heute noch dazu, halb dynastische Züge anzunehmen.«
Familie und Macht sind also wandelbar und können im Laufe der Zeit unterschiedliche Formen annehmen. Daneben existiert ein diesen beiden Faktoren entgegengesetztes, zugleich jedoch eng mit ihnen verbundenes Phänomen: die Sklaverei. Durch Haussklaven war sie von Anfang an in den Familien der Sklavenhalter präsent, während sie die Familien der Versklavten zerstörte. Das macht die Sklaverei zu einer Art Anti-Familien-Institution. Wie die Konkubinen in islamischen Harems oder die Geschichte von Sally Hemings und Thomas Jefferson im Sklaven haltenden Amerika zeigen, konnten Sklaven zwar als Mitglieder in die Familien ihrer Besitzer integriert sein, doch hatten sie niemals irgendeine Wahl, denn ihr Dasein war unverhohlen von Zwang oder sogar ungehemmt von Vergewaltigung geprägt. Familie war und ist für viele Menschen also keine Selbstverständlichkeit.
Dieses Buch spiegelt eine Reihe neuer, längst überfälliger Entwicklungen in der Geschichtsschreibung wider, schließlich widmet es sich ausführlich den Völkern Asiens und Afrikas sowie der Frage, wie politische Ordnungen, Sprachen und Kulturen miteinander verflochten sind und welche Rolle Frauen und die ethnische Vielfalt spielen. Doch die Geschichte ist zu einem Feuerrad geworden, das sich beständig dreht und die Flammen des Wissens und des Unwissens gleichermaßen entfacht. Man muss sich nur die verwüsteten Informationslandschaften auf Twitter oder Facebook mit ihrem Geblubber aus Vorurteilen und Verschwörungstheorien ansehen, um zu erkennen, wie sich die Geschichte durch digitale Verzerrung immer mehr zersplittert. Geschichte war schon immer wichtig, schließlich sorgt eine wie auch immer imaginierte goldene, mit Heldenepen angereicherte Vergangenheit nicht nur für Legitimität und Authentizität, ihr wohnt auch eine tief im menschlichen Wesen verwurzelte Heiligkeit inne, die oftmals in den Geschichten von Familien und Nationen zum Ausdruck kommt. Jede Ideologie, jede Religion und jedes Imperium ist bestrebt, diese sakrosankte Vergangenheit zu kontrollieren, um ihr Handeln in der Gegenwart zu legitimieren. Bis heute mangelt es auf der Welt nicht an Versuchen, die Geschichte in ein ideologisches Korsett zu zwängen.
Die alten kindlichen Kategorien von »Gut« und »Böse« haben wieder Konjunktur, wenn auch unter veränderten Vorzeichen. Doch wie James Baldwin schon sagte: »Eine erfundene Vergangenheit kann niemals verwendet werden. Sie bricht und bröckelt unter dem Druck des Lebens wie Ton in einer Dürrezeit.« Ein ideologisch geprägter Jargon, der laut Foucault in der Regel auf eine Zwangsideologie hindeutet, die »dazu tendiert, auf die anderen Diskurse Druck und Zwang auszuüben«, bestätigt eine solche Klitterung am deutlichsten. Ein solcher Jargon verschleiert nämlich das Fehlen einer faktischen Grundlage, schüchtert Andersdenkende ein und erlaubt es Kollaborateuren, ihre tugendhafte Konventionalität zur Schau zu stellen. »Was ist dann«, so Foucault weiter, »im Willen zur Wahrheit, im Willen, den ›wahren‹ Diskurs zu sagen, am Werk – wenn nicht das Begehren und die Macht?« Und Baldwin warnte: »Niemand ist gefährlicher als derjenige, der sich einbildet, reinen Herzens zu sein, denn seine Reinheit ist per definitionem unangreifbar.« Geschichtsideologien überleben nur selten den Kontakt mit der Unordnung, den Zwischentönen und der Komplexität des wirklichen Lebens: »Das Individuum, das die Macht konstituiert hat«, so Foucault, »ist zugleich ihr Vehikel.«
Der Schwerpunkt in diesem Buch muss zwangsläufig auf dunklen Aspekten der Geschichte wie Krieg, Verbrechen, Gewalt, Sklaverei und Unterdrückung liegen, weil sie nicht nur Bestandteile des Lebens, sondern oftmals auch Antriebskräfte des Wandels sind. Die Geschichte ist, wie Hegel schrieb, als »Schlachtbank« zu betrachten, »auf welcher das Glück der Völker … zum Opfer gebracht worden« ist. Der Krieg ist demnach immer ein Brandbeschleuniger: »Das Schwert verkündet mehr Wahrheiten als Bücher, denn seine Schneide trennt Weisheit von Eitelkeit«, meinte Abu Tammam Habib ibn Aus, ein irakischer Dichter aus dem 9. Jahrhundert. »Wissen findet man im Funkeln der Lanzen.« Und jedes Heer, so Leo Trotzki, »ist ein Abbild der Gesellschaft und leidet an allen ihren Krankheiten, meistens mit erhöhter Temperatur.« Imperien, also Staaten mit zentralisierter Herrschaft und kontinentalen Ausmaßen, die über verschiedene Völker gebieten, können vielerlei Gestalt annehmen. Eine Erscheinungsform sind die Steppenreiche der Reiternomaden, die sesshafte Gesellschaften über viele Jahrtausende bedrohten, eine völlig andere die transozeanischen europäischen Reiche, die die Welt zwischen 1500 und 1960 beherrschten. Heutzutage konkurrieren »Imperien« wie China, Amerika und Russland miteinander, die von einer nationalen Vision mit kontinentaler Reichweite getragen werden. In Moskau etwa kontrollieren Imperialisten, die durch einen neuen Ultranationalismus gestärkt sind, das flächenmäßig größte nationale Imperium der Welt – mit tödlichen Folgen. Der Wettstreit der Weltmächte – Papst Julius II. nannte es »das Weltspiel« – erweist sich als unerbittlich, denn Erfolge sind von vorübergehender Natur, und der Preis, den die Menschen dafür zahlen, ist immer zu hoch.
Viele marginalisierte und verschwiegene Verbrechen müssen noch vollständig aufgeklärt werden. Ziel dieses Buches ist eine differenzierte Darstellung, die die Menschen und ihre Gemeinschaften so zeigen soll, wie sie nun einmal sind: kompliziert und mit Fehlern behaftet, aber eben auch inspirierend. Das beste Mittel gegen die Verbrechen der Vergangenheit besteht darin, sie möglichst hell zu beleuchten. Wenn sie schon nicht mehr bestraft werden können, sollten wir sie zumindest nicht unter den Teppich kehren, denn das ist die einzige Form der Wiedergutmachung, die zu leisten wir noch imstande sind. Dieses Buch soll daher ein Scheinwerfer sein, der Errungenschaften und Untaten ins Licht rückt, ganz gleich, wer sie zu verantworten hat. Ich werde versuchen, die Geschichten so vieler unschuldig zu Tode gekommener, versklavter und unterdrückter Menschen zu erzählen, wie ich nur kann. Denn jeder Einzelne zählt.
Heute verfügen wir über wissenschaftliche Methoden wie die Radiokarbondatierung, die DNA-Analyse oder die Glottochronologie, die uns tiefere Einblicke in die Vergangenheit ermöglichen und die Schäden aufzeigen, die der Mensch seiner Erde durch Erderwärmung und Umweltzerstörung zufügt. Doch ungeachtet aller neuen Mess- und Forschungsmethoden geht es in der Geschichte letztlich immer um Menschen. Meine letzte Reise, bevor ich diese Zeilen zu Papier brachte, führte mich nach Ägypten. Als ich dort die wunderschönen Fayum-Porträts sah, fiel mir auf, wie ähnlich uns diese Menschen aus dem 1. Jahrhundert sehen. Sie und ihre Familien haben vieles mit uns gemeinsam, obwohl es selbstverständlich auch immense Unterschiede gibt. In unserem eigenen Leben verstehen wir oftmals kaum die Menschen, die wir gut zu kennen glauben. Umso mehr muss man sich in der Geschichtsforschung darüber im Klaren sein, dass wir im Grunde nur sehr wenig über die Menschen aus der Vergangenheit oder die Funktionsweise ihrer Familien wissen. Und schon gar nicht können wir sagen, was in ihren Köpfen vorging.
Historiker laufen stets Gefahr, in eine teleologische Sichtweise zu verfallen, also Ereignisse so darzustellen, als habe ihr Ausgang von Anfang an festgestanden. Und wer nur eine Zukunft vorhersagen kann, die bereits passiert ist, taugt als Prophet nicht viel. Das liegt daran, dass Historiker oftmals gar nicht so sehr die Vergangenheit dokumentieren oder die Zukunft prophezeien, sondern vielmehr ihre eigene Gegenwart abbilden. Um die Vergangenheit wirklich verstehen zu können, muss man jedoch in der Lage sein, die Gegenwart abzuschütteln. Die Aufgabe eines Historikers ist es, sich das Leben in der Vergangenheit in seiner gesamten Bandbreite vorzustellen und dabei alles einzubeziehen, was er weiß.
Ein Welthistoriker ist, wie al-Masudi im 10. Jahrhundert zu Papier brachte, »ein Mann, der Perlen aller Art und Farben gefunden hat, sie zu einer Halskette zusammenfasst und zu einem Ornament macht, das sein Besitzer mit großer Sorgfalt bewacht.« Genau diese Art Weltgeschichte wollte ich schreiben.
Die Fußstapfen der Familie am Strand von Happisburgh wurden bald nach ihrer Entdeckung 2013 von den Gezeiten überspült und ausgelöscht. Nachdem sie damals entstanden waren, sollte es noch Hunderttausende Jahre dauern, bis das begann, was wir Geschichte nennen.
Die vorliegende Weltgeschichte aus der Sicht von Familien führt Sie in alle Weltregionen, in zahlreiche Länder mit ihren Städten, Steppen und Wüsten. Sie entfaltet das Innenleben so vieler Clans, Sippen und Dynastien, dass dem Redaktionsteam – Übersetzerinnen und Übersetzern, Lektorinnen, Korrektorin und Verlag – eine Vorbemerkung angebracht scheint, um die Lektüre zu erleichtern:
Viele historische Persönlichkeiten treten auf, ungezählte Namen werden erwähnt. Daher haben wir uns entschieden, die Namen weitgehend in ihrer Landessprache zu belassen, um die immer noch praktizierte ›Germanisierung‹ zu vermeiden. So nennen wir den portugiesischen König Dom Pedro I. nicht wie früher üblich Peter I. Englische Könige werden etwa Henry, französische Herrscher Henri und deutsche Könige und Kaiser Heinrich genannt. Ludwig XIV., im deutschsprachigen Raum als »Sonnenkönig« bekannt, firmiert unter der französischen Schreibweise Louis XIV.
Ausnahmen bestätigen die Regel, so auch in diesem Buch: Marie Antoinette ist im deutschen Sprachraum nur unter diesem Namen und in dieser Schreibweise vertraut, sodass in diesem Fall nicht auf die Schreibweisen Antoinette oder Maria Antonia zurückgegriffen wurde. Jekaterina Welikaja bezeichnet im Russischen Katharina II., die Große, und Pjotr I Welikij ist im Deutschen als Peter I., der Große, geläufig: In diesen und weiteren Fällen haben wir uns entschieden, die im deutschen Sprachraum übliche Verwendung beizubehalten, ebenfalls bei Wilhelm dem Eroberer, Karl V. und weiteren Namen.
Bevor der Lesetext eines jeden Kapitels beginnt, haben wir unter der Rubrik »Mitwirkende« die wichtigsten historischen Persönlichkeiten mit ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer Funktion und oft auch ihrem familiären Bezug versammelt, um eine zeitliche und dynastische Orientierung zu ermöglichen.
Bei den Jahresangaben vor- und frühgeschichtlicher Zeit haben wir uns analog zur englischen Ausgabe The World. A Family History an der im englischen Sprachraum geläufigen Einteilung der Epochen und Regierungszeiten orientiert. Für die Zeiten danach gilt die hierzulande übliche Handhabe.
Sämtliche Angaben wurden von der Redaktion sorgfältig geprüft. Sollten bei der Fülle der Namen, Länder, Orte, der Ereignisse, der Jahreszahlen und weiterer Details dennoch Ungenauigkeiten stehengeblieben sein, bitten wir dies zu entschuldigen. Es sollte den Gesamteindruck dieser weit ausgreifenden und überwältigenden Weltgeschichte als einer Geschichte der Familien und Dynastien nicht schmälern.
In dem Buch sind zahlreiche Zitate enthalten, die nicht in Gänze recherchiert werden konnten. Wir haben uns entschieden, Zitate von deutschsprachigen historischen Personen oder deutschen Autoren, deren Aussagen schriftlich greifbar sind, zu belegen. Die Quellen finden sich im Anhang aufgelistet. Alle anderen Zitate wurden der englischen Fassung des Buches entnommen und ins Deutsche übertragen. Für weitergehende Lektüren haben wir eine Auswahlbiographie angefügt; die ausführliche Literaturliste kann auf der Homepage des Verlages heruntergeladen werden (siehe dazu den Hinweis auf Seite 4).
In Bezug auf die Formalia gelten Kursivierungen allein fremdsprachigen Ausdrücken, die wir in vielen Fällen der Verständlichkeit wegen durch einen Einschub erklären. Anführungszeichen wiederum sind der Auszeichnung von Zitaten und Wortübersetzungen und Spitznamen, Übernamen etc. vorbehalten. Was fremdsprachige Namen betrifft, haben wir aus Gründen der Lesefreundlichkeit weitestgehend auf Sonderzeichen verzichtet.
Entstandene Abweichungen des Textes vom englischen Original sind einer redaktionellen Bearbeitung geschuldet, die großen Wert auf die Lesefreundlichkeit für das deutschsprachige Publikum legt. Dies hat an einigen Stellen Glättungen oder geringfügige Kürzungen notwendig gemacht.
Last but not least haben wir auf diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch Wert gelegt. In Anlehnung an derzeit gängige sprachliche Übereinkünfte verzichten wir auf abwertende Wortwahl, es sei denn, es handelt sich um historische Zitate, die in ihrem jeweiligen zeitlichen Kontext verstanden werden müssen und auch als solche kenntlich gemacht sind.
Stuttgart, im Oktober 2023
Wenn ein Königreich eine große Familie darstellt, so ist andererseits auch die Familie ein kleines Königreich, zerrissen durch Parteien und Empörungen ausgesetzt.
Samuel Johnson
Die Welt ist ein Berg, und alles, was man je von ihr zurückbekommt, ist der Widerhall der eigenen Stimme.
Rumi
Solange die Löwen nicht ihre eigenen Historiker haben, werden die Jagdgeschichten weiter die Jäger verherrlichen.
Chinua Achebe
Die Wahrheit ist noch nie tot auf die Straße gefallen; sie hat eine solche Affinität zur Seele des Menschen, dass der Same, wie auch immer er ausgestreut wird, irgendwo hängen bleibt und sich hundertfach entfaltet.
Theodore Parker
So viele Kriege sind auf dem Erdkreis; so viele Gestalten des Verbrechens; … auf dem ganzen Erdkreis wütet der verruchte Mars: wie Renngespanne, die aus dem Zwinger losschießen, Sprungweite zulegen …
Vergil
Die ganze Frage der Kontrolle läuft darauf hinaus, wer wen kontrolliert.
Lenin
Wer glaubt, sich durch das Studium einzelner Geschichten ein einigermaßen gerechtes Bild von der Geschichte als Ganzes machen zu können, gleicht dem Menschen, der, nachdem er die abgetrennten Gliedmaßen eines einst lebendigen und schönen Tieres betrachtet hat, meint, das Geschöpf in seiner ganzen Lebendigkeit und Anmut gesehen zu haben … Nur durch das Studium des Zusammenhangs aller Einzelheiten, ihrer Ähnlichkeiten und Unterschiede, sind wir in der Tat in der Lage, uns wenigstens einen allgemeinen Überblick zu verschaffen und so aus der Geschichte sowohl Nutzen als auch Vergnügen zu ziehen.
Polybios
Es war in unseres Lebensweges Mitte,
Als ich mich fand in einem dunklen Walde;
Denn abgeirrt war ich vom rechten Wege.
Dante Alighieri
Weltbevölkerung 150 000 bis 50 Millionen
Ahmose I., altägypt. Pharao, Nachfolger von Seqenenre (um 1560–um 1525 v. Chr.)(1)
Amenophis II., altägypt. Pharao († 1400 v. Chr.) (1)
Asarhaddon, assyrischer König, Vater von Assurbanipal (reg. 680–† 669 v. Chr.)(1)
Assurbanipal, assyrischer König (reg. 669–627, † 631 v. Chr.)(1)
Cheops, altägypt. Pharao, Erbauer der größten Pyramide (reg. 2589–† 2566 v. Chr.)(1)
Echnaton, Amenophis IV., altägypt. Pharao, Vater von Tutanchamun (1372–1336 v. Chr.)(1)
Enheduanna, akkadische Hohepriesterin, Prinzessin, erste historisch bekannte Schriftstellerpersönlichkeit (2286–2251 v. Chr.)(1)
Hatschepsut, altägypt. Königin (reg. um 1479–† 1458 v. Chr.)(1)
Hattusili III., hethitischer Großkönig († 1236 v. Chr.)(1)
Isebel, phönizische Prinzessin († 825 v. Chr.)(1)
Kubaba, sumerische Königin von Kisch (um 2500 v. Chr.)(1)
Nofretete, Nefertiti, Hauptgemahlin, Mitregentin und Nachfolgerin König Echnatons (um 1370–1330 v. Chr.)(1)
Puduhepa, hethitische Großkönigin, Gemahlin und Mitregentin von Hattusili III. (1289–1200 v. Chr.)(1)
Ramses II., der Große, altägypt. Pharao (um 1303–1213 v. Chr.)(1)
Sanherib, assyrischer König, Sohn Sargons II. (705–681 v. Chr.)(1)
Sargon von Akkad, König in Mesopotamien, Vater von Enheduanna (vor 2356–2300 v. Chr.)(1)
Seqenenre Taa, »der Tapfere«, altägypt. König von Theben (reg. um 1554–1545 v. Chr.)(1)
Suppiluliuma I., hethitischer Großkönig († 1322 v. Chr.)(1)
Teje, altägypt. »Große königliche Gemahlin« und Mitregentin von Amenophis III., Mutter von Echnaton und Großmutter von Tutanchamun (1398–1338 v. Chr.)(1)
Thutmosis II., altägypt. König, Bruder und Ehemann von Hatschepsut († 1479 v. Chr.)(1)
Tutanchamun, Pharao der 18. Dynastie (1341–1322 v. Chr.)(1)
Wu Ding, chin. König der Shang-Dynastie (reg. um 1324–† 1266 v. Chr.)(1)
Als Prinzessin Enheduannas(2) Glanz ihren Höhepunkt erreicht hatte, überfiel ein Verbrecher die Stadt und vergewaltigte sie. Enheduanna überlebte. Sie wurde sogar wieder in ihre Ämter als Priesterin eingesetzt. Und sie entschloss sich, die erlittene Qual aufzuschreiben. Enheduanna – die vor über 4000 Jahren lebte – ist die erste Frau, deren Worte uns überliefert sind. Sie ist die erste vergewaltigte Frau, die uns ihre Erlebnisse mitteilt. Mehr noch – Enheduanna(3) ist die erste Schriftstellerpersönlichkeit in der Menschheitsgeschichte: Sie teilt uns ihren Namen mit und gibt etwas von sich preis.
Enheduanna führte als weibliches Mitglied einer der ersten mesopotamischen Dynastien ein ausgesprochen privilegiertes Leben. Sie(4) war Prinzessin des Reiches von Akkad(1), Hohepriesterin des Mondgottes Nanna (Sin) und Lieblingstochter von Sargon(2), dem Begründer des ersten Großreiches der Geschichte. Ihre herausgehobene Stellung beruhte auf ebender Macht und Gewalt, deren Opfer sie selbst wurde. Denn als Sargons Reich ins Wanken geriet, erlitt sie als Frau diesen Niedergang in Form von sexueller Gewalt.
Zu jener Zeit war sie(5) vermutlich in ihren Dreißigern und als langjährige Hohepriesterin des Nanna und Oberherrin der Stadt Ur(1) politisch erfahren und immer noch jung genug, um Kinder zu gebären. Enheduanna wuchs am Hof ihres Vaters Sargon(3) von Akkad(2) auf, dem »König der Vier Weltgegenden«, die vom Mittelmeer(1) bis an den Persischen Golf(1) reichten, und war die Tochter seiner Lieblingsfrau Taslultum(1).
Leidenschaftlich hing sie dem Mondgott und Inanna, der Schutzgöttin ihrer Familie, an und genoss den Luxus, der ihr als Mitglied der Königsfamilie zustand: Im Faltengewand mit Kopfbedeckung und geflochtenen Haaren sieht man sie auf dem sogenannten Disk of Enheduanna,(6) wie sie im Begriff ist, ein Tempelritual auszuführen. Sie gebot über einen umfangreichen Mitarbeiterstab, zu dem etwa »Adda, Gutsverwalter von Enheduanna(7)« und »Sagadu, der Schreiber« gehörten. Ihr Erscheinungsbild muss für eine Prinzessin wichtig gewesen sein, denn ein weiteres Siegel nennt »Ilum Palilis, Friseur von Enheduanna, Kind des Sargon(4)«. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie Enheduanna(8) sich von Ilum Palilis, dem ersten namentlich bekannten Stylisten der Geschichte, im Tempel das Haar richten ließ, während sie Sagadu Gedichte und Anweisungen diktierte, die ihre eigenen Ländereien oder die Herden des Tempels betrafen. In ihren Hymnen preist sie die Göttin Inanna – »wenn sie spricht, erbebt der Himmel« – und natürlich ihren Vater, der mit seinem Großreich etwas erschaffen hatte, »was noch nie zuvor erschaffen wurde«.
(1)Nach Sargons(5) Tod versuchten seine Söhne und Enkel, das Reich zusammenzuhalten, bis der oben erwähnte Verbrecher, der als (1)Lugal-Ane bekannt war, einen Staatsstreich inszenierte und Enheduanna(9) gefangen nahm. Die Königstochter war für ihn eine Schlüsselfigur seiner Machtübernahme, denn sollte es ihm gelingen, mit ihr ein Kind zu zeugen, wäre die Dynastie, die er zu begründen beabsichtigte, durch das Blut Sargons(6) des Großen legitimiert.
Die Priesterin-Prinzessin wusste, was ihr bevorstand: »Oh Mondgott Sin, ist dieser Lugal mein Schicksal?«, schrieb sie. »Sag dem Himmel, er soll mich von ihm befreien!« Das klingt, als hätte der Emporkömmling sie vergewaltigt: »Dieser Mann hat die vom heiligen Himmel bestimmten Riten geschändet … Er hat es gewagt, sich mir in seiner Begierde als ein Ebenbürtiger zu nähern.« Wie jede Frau, der solche Gewalt widerfahren ist, kann sie das Schreckliche nicht vergessen: »Eine schmierige Hand verschloss meinen honigsüßen Mund«. Danach vertrieb der Täter sie aus ihrem geliebten Tempel: »Als Lugal an der Spitze stand, jagte er mich aus dem Tempel, wie eine Schwalbe aus dem Fenster«.
Aber sie hatte Glück – das Imperium schlug zurück. Ihr Bruder, möglicherweise auch ihr Neffe, besiegte (2)Lugal-Ane, eroberte das Reich von Akkad(3) zurück und setzte die befreite Enheduanna(10) wieder als Hohepriesterin ein. Und was tat sie, um das Erlebte zu verarbeiten? Was Schriftsteller tun: Sie schrieb darüber. Und in ihren Worten schwingt Stolz mit: »Ich bin Enheduanna, lasst mich zu Euch sprechen! Meine Gebete, meine Tränen fließen wie ein süßes Rauschmittel. Ich schritt auf den Schatten zu. Er hüllte mich in wirbelnden Staub.«
Der genaue Zeitpunkt und die Einzelheiten dieses Geschehens sind unklar, immerhin steht fest, dass Enheduanna(11) eine historische Person war, der es bis auf den heutigen Tag gelingt, sich Gehör zu verschaffen. Als Autorin, Herrscherin und vergewaltigte Frau vereinigt sie in sich Erfahrungen, die so viele Frauen während der gesamten Menschheitsgeschichte erdulden mussten. Sie überlebte wie eine Göttin »im königlichen Gewand … auf angeleinten Löwen reitend« und »ihre Feinde in Stücke hackend«. Dieses Bild aus der Vorstellungswelt des 23. Jahrhunderts v. Chr. drückt weibliche Selbstermächtigung aus, die erstaunlich modern anmutet.
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Enheduanna(12) lebte vor langer Zeit; die Spezies Mensch war damals jedoch bereits erstaunlich alt. Uns ist nicht bekannt, wie der Mensch sich genau entwickelt hat. Wir werden es wohl auch niemals erfahren. Aber wir wissen, dass die Menschheit ihren Ursprung in Afrika(1) hatte und es eines Verbundes namens Familie bedurfte, um Kinder aufzuziehen. Die Menschheitsgeschichte war von Anfang an ein ebenso spannendes wie kompliziertes Drama, das hat sich bis heute nicht geändert. Historiker sind seit Langem uneins darüber, wann die Geschichte eigentlich begonnen hat. War es mit den ersten menschlichen Fußabdrücken, den ersten Steinwerkzeugen oder den ersten Mauern? In diesem Buch möchte ich die Geschichte sinnvollerweise dort beginnen lassen, wo Krieg, Nahrungserwerb und Schrift zusammenkamen und ein – in der Regel männlicher, bisweilen auch weiblicher – Machthaber den eigenen Kindern zum Erfolg verhalf, um durch sie seine Macht zu sichern.
Vergleichsweise spät erscheint der Mensch auf unserem 4,6 Milliarden Jahre alten Planeten. Heute sind bereits sieben bis zehn Millionen Jahre seit jener Phase wiederkehrender Eiszeiten vergangen, in der sich die Entwicklungslinien der Homininen und Schimpansen voneinander trennten. Vor etwa zwei Millionen Jahren entwickelte sich dann in Ostafrika(1) ein aufrecht gehendes Lebewesen, ein Jäger und Sammler, der als Homo erectus den umfangreichsten Zeitraum menschlicher Existenz überdauern sollte. Einige dieser Homines erecti wanderten schon bald von Afrika bis nach Europa und Asien, wo sie sich den neuen klimatischen Bedingungen anpassten und zu unterschiedlichen Linien, wie dem Homo antecessor und dem Homo heidelbergensis, verzweigten. DNA-Funde deuten darauf hin, dass die meisten von ihnen dunkelhäutig waren und dunkle Augen hatten. Bereits vor 500 000 Jahren beherrschten sie das Feuer, benutzten Steinwerkzeuge und jagten in Südafrika(1) wie in China(1) große Tiere. Überdies scheinen sie von Anfang an ebenso fürsorglich wie gewalttätig gewesen zu sein. Selbst Menschen mit Behinderungen konnten ein hohes Alter erreichen; hingegen weisen Schädel, die in einer nordspanischen(1) Höhle gefunden wurden, schwere Verletzungen auf, die den Opfern wohl vor 430 000 Jahren von Artgenossen zugefügt worden waren – Mord begleitet den Menschen also seit dem Beginn seiner Geschichte. Vor etwa 300 000 Jahren begannen Menschen dann, bewusst Feuer zu legen, um die Landschaft zu verändern, und benutzten Holzspeere und Fallen für die Jagd.