… doch ihr Herz weinte - Patricia Vandenberg - E-Book

… doch ihr Herz weinte E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Janine Körner war mit einem tüchtigen Schnupfen zu Dr. Norden gekommen. Ihr feines Näschen war rot, und die Augen tränten. Ein bisschen deprimiert erschien sie dem Arzt auch, der sie ja immer fröhlich und keineswegs wehleidig kannte. Ernstlich krank war sie allerdings auch noch nie gewesen, seit er sie kannte, und das waren nun immerhin schon fünf Jahre. »Ja, diesmal hat es Sie aber erwischt«, sagte er mit einem aufmunternden Lächeln. »Ein paar Tage zu Hause bleiben und …« »Nein, nein, das geht nicht«, fiel sie ihm gleich ins Wort. »Der Chef braucht mich, wenn die Italiener kommen. Es geht um ein großes Geschäft, da muss man ganz wachsam sein, und jeder braucht auch nicht zu wissen, worum es geht.« »Es ist ja schön und gut, wenn Sie das absolute Vertrauen des hohen Chefs genießen, Janine, aber wenn Sie durch die Gegend niesen, ist das auch nicht gerade angenehm«, sagte Dr. Norden. »Deshalb muss ich bis Montag fit sein, und Sie müssen mir helfen. Sie haben doch so gute Mittel, die einen nicht gleich schlapp machen.« »Ihr Vertrauen ehrt mich, aber Garantie kann ich nicht übernehmen«, erwiderte er. »Ich bin ja auch nicht für Radikalkuren, mit Tee und Öl muss man halt ein bisschen mehr Geduld haben.

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Dr. Norden Bestseller – 246 –

… doch ihr Herz weinte

Warum muss Janine traurig sein?

Patricia Vandenberg

Janine Körner war mit einem tüchtigen Schnupfen zu Dr. Norden gekommen. Ihr feines Näschen war rot, und die Augen tränten. Ein bisschen deprimiert erschien sie dem Arzt auch, der sie ja immer fröhlich und keineswegs wehleidig kannte. Ernstlich krank war sie allerdings auch noch nie gewesen, seit er sie kannte, und das waren nun immerhin schon fünf Jahre.

»Ja, diesmal hat es Sie aber erwischt«, sagte er mit einem aufmunternden Lächeln. »Ein paar Tage zu Hause bleiben und …«

»Nein, nein, das geht nicht«, fiel sie ihm gleich ins Wort. »Der Chef braucht mich, wenn die Italiener kommen. Es geht um ein großes Geschäft, da muss man ganz wachsam sein, und jeder braucht auch nicht zu wissen, worum es geht.«

»Es ist ja schön und gut, wenn Sie das absolute Vertrauen des hohen Chefs genießen, Janine, aber wenn Sie durch die Gegend niesen, ist das auch nicht gerade angenehm«, sagte Dr. Norden.

»Deshalb muss ich bis Montag fit sein, und Sie müssen mir helfen. Sie haben doch so gute Mittel, die einen nicht gleich schlapp machen.«

»Ihr Vertrauen ehrt mich, aber Garantie kann ich nicht übernehmen«, erwiderte er. »Ich bin ja auch nicht für Radikalkuren, mit Tee und Öl muss man halt ein bisschen mehr Geduld haben. Aber jetzt wollen wir doch erst einmal sehen, ob nicht noch was Ernsteres dahintersteckt.«

»Bestimmt nicht«, widersprach Janine. »Ein bisschen Kopfweh, aber das ist ja kein Wunder, und die sibirische Kälte beißt auch ganz hübsch. Aber das Wetter soll ja gesund sein.«

»Ist es auch, wenn man nicht schon was aufgefangen hat«, stellte Dr. Norden lächelnd fest. Er maß den Blutdruck, lauschte die Lunge ab, schaute ihr in den Rachen und konnte sich wieder einmal über ihre makellosen Zähne freuen. Die Zunge war etwas belegt, aber die Mandeln waren nicht geschwollen. Und auch mit weit offenem Mund und verschnupftem Gesicht bot Janine immer noch einen hübschen Anblick. Sie war so natürlich, wie man selten Mädchen ihres Alters noch fand. Dreiundzwanzig war sie und nicht nur bildhübsch, sondern auch sehr tüchtig. Zum Studium hatte es bei den häuslichen Verhältnissen nicht gelangt, wie Dr. Norden auch bekannt war, also hatte sie das Bestmögliche aus ihrem Wissen gemacht, und das war recht umfangreich. Sie hatte es tatsächlich geschafft, mit dreiundzwanzig Jahren Chefsekretärin bei dem großen Combrey, den man auch den Warenhauskönig nannte, zu werden. Dabei war Matthias Combrey als sehr eigenwillig und schwierig bekannt gewesen, was Janine aber absolut nicht geschreckt hatte. Sie mochte energische Menschen, die ihren Willen durchsetzen konnten und bei aller Strenge gerecht waren. Ihr Vater war leider ganz anders gewesen, und darunter hatte sie sehr gelitten.

Für sie war es fast als Glück zu bezeichnen gewesen, dass er starb, bevor sie sich intensiv auf einen Beruf vorbereitet hatte, denn er hätte dauernd genörgelt, und nichts hätte ihm gepasst, und er hätte immer wieder gesagt, dass sie sich einen gut verdienenden Mann suchen solle, denn eine Frau gehöre ins Haus, und diese Emanzipation sei geradezu eine Gotteslästerung.

Janine hatte darüber zwar nur den Kopf schütteln können, wie auch über andere manchmal bigotte Ansichten ihres Vaters, aber seine angebliche Gottergebenheit hatten ihm sein Leiden nicht erleichtert. Er hatte die Mutter tyrannisiert, und diese hatte nicht einen so starken Charakter wie Janine. Sie war eine zarte, empfindsame Frau.

Dr. Norden kannte die Verhältnisse genau, und er hatte sich sehr gefreut, dass Janine sich so durchzusetzen verstand.

»Sie verstehen sich gut mit dem strengen Chef?«, fragte er.

»Zu mir ist er nicht streng«, erwiderte sie leise. »Zu mir ist er sehr großzügig. Ich wünschte, ich hätte solchen Vater gehabt. So reich und mächtig hätte er nicht zu sein brauchen, aber so gerecht und verständnisvoll. Er weiß eben nur zu unterscheiden, wem er Vertrauen entgegenbringen kann, und ich bin sehr stolz und glücklich, dass ich dazugehöre. «

Wie sie es sagte, zeugte es nicht nur von ihrer Zufriedenheit, sondern auch von ihrem Selbstbewusstsein. Ja, Janine Körner wusste auch, wie sie sich selbst einzuschätzen hatte, und es war keine Überheblichkeit dabei.

»Ich kann ihn nicht im Stich lassen«, sagte sie. »Ich muss am Montag fit sein, und ich werde es sein. «

»Es würde mich sehr freuen«, sagte Dr. Norden, »aber Ihnen ist ja alles zuzutrauen, Janine.«

»Nur nichts mieses«, sagte sie heiser.

»Darauf würde ich nie kommen. Also, hier ist der gute Tee von Schwiegerpapa Cornelius, dann das Öl, mit dem Sie aber sparsam umgehen sollten, damit es die Schleimhäute nicht so sehr erwischt, nur den Nacken und die Drüsen betupfen. Vorher nehmen Sie ein Schwitzbad mit Lindenblüten, dann warm einwickeln und huschhusch ins Bett. Eine etwaige Verabredung sollte abgesagt werden.«

»Sie brauchen mich nicht zu ermahnen. Ich treffe keine Verabredungen. Ich hätte mich höchstens mit Mama vor den Fernseher gesetzt, weil heute Abend eine Quizsendung kommt. Da kann ich immer ausprobieren, was ich noch nicht weiß, und dann kann ich was dazulernen.«

So war sie. Immer lernen. Alles Wissen in sich hineinstopfen, was nur möglich war, sich selbst fordern und alles abverlangen.

Hoffentlich vergisst sie darüber das beglückende Leben nicht, dachte Dr. Norden, als sie sich ver­abschiedete. Von ihrer Jugend hatte Janine wahrhaftig nicht besonders viel gehabt.

Ihr Vater war Studienrat gewesen, aber wegen einer schleichenden Krankheit früh pensioniert worden. Er hatte an Muskelschwund gelitten. Gewiss war er als Beamter gut versichert, aber störrisch wie er war, musste für ihn nur das Beste auf den Tisch kommen. Das Haus war noch nicht abbezahlt, Johanna Körner musste das Geld einteilen. Sie hatte nicht viel mit in die Ehe gebracht, das hielt er ihr dann tagtäglich vor. Da sie ihn aber pflegen musste, konnte sie auch keine Stellung annehmen, und sie hätte alles getan, um nur etwas dazuzuverdienen. Aber das hätte er dann auch nicht geduldet, weil es seinem Prestige geschadet hätte.

Solche Worte hörten sie immer wieder von ihm, obgleich sich ja niemand um Johanna und Janine kümmerte, und um ihn auch nicht.

Er bestand auch darauf, dass Janine das Abitur machte, obgleich sie von sich aus sagte, dass es doch besser sei, sie würde nach der Mittleren Reife gleich eine Handelsschule besuchen, um schneller Geld zu verdienen. Da war dann schon erstmals die Rede gewesen, dass sie lieber nach einem Mann Ausschau halten solle, natürlich nach einem Akademiker, und der würde auch erwarten, dass seine Frau zumindest das Abitur hätte. So verbohrt war Friedbert Körner gewesen. Seinen Vornamen hatte er durchaus keine Ehre gemacht, da er alles andere als friedfertig war. Johanna hätte schon bald nach der Heirat ein Liedchen davon singen können, aber sie war eine geduldige, stille, keineswegs streitsüchtige Frau, und sie war glücklich, dass sie dann bald das Kind bekam, dem sie alle Liebe geben konnte.

Und Janines Kraft hatte auch ihr Kraft gegeben. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie es tatsächlich geschafft, eine Stellung zu finden in dem Beruf, den sie erlernt hatte als Buchhändlerin. Und sie war mit der Zeit noch einmal aufgeblüht, hatte Freude am Leben und war glücklich, dass sie Janine auch das Sprachstudium ermöglichen konnte. Die Begabung brachte Janine mit. Innerhalb von zwei Jahren beherrschte sie französisch, italienisch und spanisch perfekt. Englisch hatte sie schon in der Schule so rasch gelernt, dass sie ihren Lehrer manchmal in Verlegenheit gebracht hatte. Friedbert Körner hätte wahrhaftig keinen Grund gehabt, dauernd zu nörgeln, aber das brachte wohl auch seine Krankheit mit sich, wie Johanna und Janine sich dann gegenseitig trösteten.

Nach seinem Willen war die Tochter auf den Namen Immaculata getauft worden, aber Johanna hatte es dann doch durchgesetzt, dass sie als Zweitnamen Janine bekam. Es war von ihr eine Sentimentalität gewesen. Sie hatte einen Roman gelesen, in dem eine Janine so bezaubernd geschildert worden war und sich im Leben so tüchtig behauptete, dass sie sich von Herzen wünschte, ihre Tochter möge auch so werden. Und dieser Wunsch war ihr erfüllt worden. Welch ein Glück empfand sie, da sie auf so vieles hatte verzichten müssen, was sie sich auch erträumt hatte.

Sehr besorgt betrachtete sie ihre Tochter, als sie aus dem Geschäft kam. Janine hatte schon eine Suppe aufgesetzt und einen Tee aufgebrüht.

»Das schaut aber nicht gut aus, Janine«, sagte Johanna Körner. »Du gehörst ins Bett.«

»Wird auch bald geschehen, Mamachen, aber erst wird gegessen. Der Hunger ist mir nämlich nicht vergangen, nur richtig abschmecken kann ich nicht, das musst du machen. Aber Nudelsuppe mit Huhn können wir beide vertragen, und das wärmt auch auf. Ich bin bloß froh, dass wir vor Weihnachten noch Öl gekauft haben. Jetzt ist es ja sprunghaft teuer geworden.«

»Es war auch so teuer genug«, meinte Johanna.

»Nun seufze man nicht gleich«, sagte Janine. »Ich habe Gehaltserhöhung bekommen, diesmal gleich dreihundert Euro.«

»Oh, gleich so viel?«

»Der Chef weiß mich zu schätzen«, erklärte Janine mit einem schelmischen Lächeln. »Deshalb kann ich ihn auch nicht im Stich lassen. Am Montag muss ich ganz fit sein.«

Johanna würzte die Suppe nach, und sie richtete als Vorspeise noch Lachstoast her.

»He, das geht aber vornehm zu«, staunte Janine. »Hast du auch Gehaltserhöhung bekommen?«

»Das nicht, aber Frau Lindner hat mir die Lachsseite gebracht. Sie ist so dankbar, dass ich für ihren Schwiegersohn immer so gute Bücher heraussuche, denn er denkt ja, dass sie seinen Geschmack so gut trifft und selbst so belesen ist.« Johanna lachte leise. »Sie ist eine goldige Frau, aber eben Geschäftsfrau, und wenn sie am Abend den Laden schließt, ist sie rechtschaffen müde und kommt gar nicht mehr zum Lesen. Da gebe ich ihr dann immer eine kurze Inhaltsangabe, und sie kann mitreden. Wenn man halt einen so intellektuellen Schwiegersohn bekommt, muss man sich anstrengen, meint sie. Aber sie mag ihn auch sehr, und er mag sie. Ulla hat wirklich Glück gehabt.«

»Sie ist auch ein überaus nettes Mädchen, ich gönne es ihr.«

»Und ich bin ganz froh, dass dein Chef schon über fünfzig ist«, sagte Johanna ganz beiläufig. »Oder hegt er Absichten?« Ihre Stimme klang ein bisschen gepresst.

Janine lachte auf. Es krächzte ein bisschen wegen der Heiserkeit. »Er ist ein ganz feiner Mensch, Mama, und er ist sogar schon über sechzig und hat zwei erwachsene Kinder. Aber wenn ich überhaupt ans Heiraten denken würde, solchen Mann möchte ich haben.«

Sie setzten sich an den Tisch.

Mit großem Appetit aß Janine gleich zwei Lachstoasts, und das beruhigte Johanna, denn so schlimm krank konnte sie dann wirklich nicht sein, und Janine war ja auch zäh.

»Und was gefällt dir so an ihm?«, fragte Johanna beiläufig.

»Am Boss? Oh, der Mann selbst. Er ist eine imponierende Erscheinung, eine starke Persönlichkeit. Er ist klug und weitsichtig, und er ist überaus korrekt.«

»Das war dein Vater auch, Janine«, sagte Johanna leise.

»Bestreite ich ja gar nicht, aber Papa hat anderen Menschen kaum Spielraum gelassen. Er war hart zu seinen Schülern, und er war hart zu uns. Pietät hin, Pietät her, Mama, wir brauchen ihm jetzt kein Denkmal zu setzen. Du kannst dich ja erst jetzt entfalten, und mit Verlaub gesagt, du siehst jetzt zehn Jahre jünger aus.«

»Er ist durch die Krankheit so eigen geworden. Aber ich gebe zu, dass ich mich freier fühle. Ich verdiene mein Geld und kann damit machen, was ich will.«

»Aber bitte spare es nicht für mich, ich verdiene bereits das Doppelte, Mamachen, und es wird noch mehr werden, worauf du dich verlassen kannst. Aber dabei musst du bestimmt genauso viel leisten wie ich auch.«

»Ach, mein Kleines, darüber denke ich gar nicht nach. Ich gönne dir doch alles von Herzen, und ich weiß, wie tüchtig und ehrgeizig du bist, aber ich möchte es dir nochmals sagen: Ich möchte niemals, dass du für mich mitsorgen musst, auch nicht, dass du Rücksicht auf mich nimmst, wenn dir ein Mann so gefällt, dass du ja sagen möchtest, auch wenn er dich dann anderswo mit hinnehmen will.«

»Halt ein, Mama, mir gefällt es in München so gut, dass ich woanders gar nicht leben möchte. Ja, mal reisen, aber das kann ich mittlerweile auch schon mit dem Chef, aber mein Zuhause, meine Heimat ist hier, und wenn mir wirklich mal ein Mann gefallen sollte, dann muss er dich auch in Kauf nehmen, was anderes gibt es nicht, es sei denn, du findest auch noch einen netten, liebevollen Mann.«

»Gott bewahre, ich bin froh, dass ich meine Ruhe habe.« Sie errötete. »Das hätte ich wohl nicht sagen sollen. «

»O doch, Mama, Ehrlichkeit zu sich selbst ist die beste Hilfe zur Bewältigung von Problemen.«

»Du bist mir die beste Hilfe gewesen, Janine«, erwiderte Johanna zärtlich. »Ich wünsche so sehr, dass du das Glück findest, das du verdienst.«

Janine lachte wieder auf. »Ich kann dir nur sagen, dass ich derzeit wunschlos glücklich bin, ohne nach einem Mann zu schielen.«

Dann nahm sie ihr Schwitzbad, trank noch eine Tasse Tee, tupfte das Öl, das Dr. Norden ihr gegeben hatte, genau an den bestimmten Stellen ein, und Johanna wickelte ihre Tochter in ein großes Laken.

»Wenn das keine Gewaltkur ist«, murmelte sie besorgt.

»Aber auf Naturbasis, Mama, und ich bin jetzt nur müde.«

Sie schlief auch gleich ein, und Johanna betrachtete sie noch eine Weile, dann ging sie leise hinaus, schaute sich noch eine aktuelle Sendung im Fernsehen an und sah dann noch mal nach Janine, bevor sie sich selbst zu Bett begab.

Vor Weihnachten hatten sie das alte Schlafzimmer ausgeräumt. Sie hatte es auch noch ganz gut verkaufen können. Fünfhundert Euro hatte sie dafür bekommen, aber nun hatte sie ein modernes Bett und einen großen Wandschrank, in dem viel Platz war. Für Janine hatte sie vorher schon ein ähnliches Zimmer angeschafft, aber das hatte Janine sich selbst aussuchen dürfen. Immer war sie an erster Stelle bei Johanna gekommen, aber als es dann an Johannas Zimmer ging, da hatte Janine dafür gesorgt, dass es hübsch eingerichtet wurde. Zweckmäßig natürlich, da sie gegen Hausstaub allergisch waren.

Helle Tapeten, luftige Gardinen, das war wichtig gewesen, denn Friedbert Körner hatte alles Schwere bevorzugt, auch Tapeten in dumpfen Farben.

Wenn sich Johanna in ihrem Bett dehnte, fühlte sie sich so richtig wohl. Sie brauchte nicht mehr zu springen, weil ihr Mann bestimmt noch ein paar Stunden dies und jenes haben wollte, sie konnte lesen, ohne zu hören, dass das Licht ihn störe, sie konnte auch Radio hören, wenn ihr der Sinn danach stand, und brauchte nicht über finanzielle Sorgen nachzudenken.

Sie stellte tatsächlich das Radio an und konnte dann sogar etwas hören, was sie unheimlich interessierte. Wäre Janine nicht krank gewesen, hätte sie ihre Tochter auch ganz schnell geweckt, denn es wurde ein Interview mit Matthias Combrey gesendet.

Wie er die Wirtschaftslage beurteile, wurde er gefragt. »Man muss flexibel sein«, erwiderte er, und seine tiefe, ruhige Stimme, die Johanna zum ersten Mal hörte, gefiel ihr. »Man muss investieren, wenn man verkaufen will. Selbstverständlich darf man das nicht am Markt vorbei tun, Experimente sind derzeit nicht angebracht, aber eine echte Marktlücke sollte man sofort auszufüllen versuchen.«

»Sie leiten Ihre Unternehmensgruppe allein?«, wurde er gefragt.

»Aber davon kann doch gar nicht die Rede sein. Ich zeichne nur verantwortlich. Ich brauche natürlich verantwortungsbewusste Mitarbeiter. Und alles kann ich auch nicht im Kopf haben. Dafür sorgt meine Sekretärin. Sie denkt für mich mit. «

»Sie ist sicher schon lange Ihre Mitarbeiterin?«

»Erst seit einem Jahr. Sie ist noch jung, erst dreiundzwanzig, aber wenn sich an ihr mehr junge Leute ein Beispiel nehmen würden, würde es in manchem Chefzimmer besser aussehen.«

»Das klingt ja nahezu begeistert. Sicher ist diese Chefsekretärin auch sehr hübsch«, wurde er anzüglich gefragt, und da bekam Johanna das Kribbeln.

»Ja, sie ist sehr attraktiv«, erwiderte Matthias Combrey mit einem ironischen Unterton, »aber leider bin ich zu alt für sie, falls Sie das hören möchten, und dieses Thema möchte ich auch beenden. Ich wollte damit nur sagen, dass es nicht vom Alter abhängt, was ein Mensch zu leisten vermag. Mein kaufmännischer Direktor ist auch erst dreißig Jahre alt, und ich hoffe, dass er mir erhalten bleibt.«

»Namen wollen Sie jedoch nicht nennen, Herr Generaldirektor?«