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Pauline kann es nicht fassen, als bei dem Klassentreffen plötzlich Fernando vor ihr steht. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hat, waren sie gerade elf Jahre alt. Damals hat er ihr im verborgenen Dickicht eines goldgelben Rapsfeldes einen ersten unschuldigen Kuss gegeben, den Pauline nie vergessen hat.
Siebzehn Jahre haben sie sich seitdem nicht gesehen, denn Fernando musste kurz darauf mit seinen Eltern nach Kiel umziehen. Und nun steht er plötzlich vor ihr!
Paulines Herz schlägt ihr bis zum Hals, sie fühlt sich von dem attraktiven Mann magisch angezogen. Als er sie darum bittet, mit ihr Essen zu gehen, kann sie gar nicht anders, als Ja zu sagen. Ihrem Freund Benedikt erzählt sie davon jedoch nichts. Fernando ist mittlerweile sowieso verheiratet und hat zwei Kinder - was kann ein gemeinsames Abendessen also schon bedeuten?
Doch es bleibt nicht bei diesem Abendessen. Dr. Frank wird besorgt Zeuge, wie die junge Frau mit ihrem ehemaligen Schwarm in einem Hotel verschwindet. Der Grünwalder Arzt macht sich Sorgen um die Beziehung von Pauline und ihrem Freund Benedikt. Beide leiden an Multipler Sklerose und sind Stammpatienten in seiner Praxis. Er findet, dass die zwei ein bezauberndes Paar abgeben, aber Pauline gesteht ihrem Arzt, dass Fernando ungeahnte Gefühle in ihr weckt und dass sie dieser Leidenschaft nachgeben will. Mehr als eine harmlose Affäre wird daraus schon nicht entstehen ...
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Seitenzahl: 117
Cover
Impressum
Lass uns mit dem Feuer spielen …
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: iStockphoto/kupicoo
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-3578-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Lass uns mit dem Feuer spielen …
Es war nur als Affäre geplant, doch dann erwachten die Gefühle
Pauline kann es nicht fassen, als bei dem Klassentreffen plötzlich Fernando vor ihr steht. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hat, waren sie gerade elf Jahre alt. Damals hat er ihr im verborgenen Dickicht eines goldgelben Rapsfeldes einen ersten unschuldigen Kuss gegeben, den Pauline nie vergessen hat.
Siebzehn Jahre haben sie sich seitdem nicht gesehen, denn Fernando musste kurz darauf mit seinen Eltern nach Kiel umziehen. Und nun steht er plötzlich vor ihr!
Paulines Herz schlägt ihr bis zum Hals, sie fühlt sich von dem attraktiven Mann magisch angezogen. Als er sie darum bittet, mit ihr Essen zu gehen, kann sie gar nicht anders, als Ja zu sagen. Ihrem Freund Benedikt erzählt sie davon jedoch nichts. Fernando ist mittlerweile sowieso verheiratet und hat zwei Kinder – was kann ein gemeinsames Abendessen also schon bedeuten?
Doch es bleibt nicht bei diesem Abendessen. Dr. Frank wird besorgt Zeuge, wie die junge Frau mit ihrem ehemaligen Schwarm in einem Hotel verschwindet. Der Grünwalder Arzt macht sich Sorgen um die Beziehung von Pauline und ihrem Freund Benedikt. Beide leiden an Multipler Sklerose und sind Stammpatienten in seiner Praxis. Er findet, dass die zwei ein bezauberndes Paar abgeben, aber Pauline gesteht ihrem Arzt, dass Fernando ungeahnte Gefühle in ihr weckt und dass sie dieser Leidenschaft nachgeben will. Mehr als eine harmlose Affäre wird daraus schon nicht entstehen …
Pauline Schaad ließ lauwarmes Wasser über ihre Hände fließen, und die flüssige Seife verwandelte sich in luftigen Schaum. Von dem Glas Sekt war ihr angenehm schwindelig, und die Aufregung hatte eine sanfte Röte in ihr sonst so blasses Gesicht gezaubert.
Ja, der Abend war einfach nur perfekt, und die junge Kosmetikerin hatte sich lediglich rasch auf die Damentoilette zurückgezogen, um sich ein wenig frisch zu machen.
Es war das erste Klassentreffen ihrer alten Grundschule, und die Achtundzwanzigjährige war erstaunt, wie sehr sie das Wiedersehen mit den ehemaligen Mitschülern genoss.
Den meisten von ihnen war sie seit gefühlten Lichtjahren nicht mehr begegnet. Nach der vierten Klasse hatten etliche von ihnen aufs Gymnasium gewechselt, ein Teil der Klasse war auf die Realschule gegangen, ein anderer auf die Hauptschule.
Die ein oder andere Schulfreundin hatte Pauline auch noch während ihrer Berufsausbildung getroffen. Aber im Lauf der Zeit hatte man sich auseinandergelebt, und inzwischen gab es in Paulines Alltag sowieso ganz andere Themen. Die Schulzeit lag eine gefühlte Ewigkeit zurück, und der Ernst des Lebens hatte Einzug gehalten.
Vor drei Jahren war bei der hübschen und lebenslustigen jungen Frau Multiple Sklerose diagnostiziert worden, und das hatte von heute auf morgen alles auf den Kopf gestellt. Die Erkenntnis, dass sie an einer lebensbedrohenden, unheilbaren Erkrankung des zentralen Nervensystems litt, hatte Pauline jegliche Unbeschwertheit und Sorglosigkeit genommen.
Es hatte mit einem sehr schweren Schub begonnen, drei Wochen lang war Pauline damals im Krankenhaus behandelt worden. Inzwischen ging es ihr zum Glück wieder verhältnismäßig gut. Sie konnte ihren Job im Beautysalon eines Hotels zur vollsten Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten ausüben und war seit einem Jahr außerdem mit einem großartigen Partner zusammen.
Benedikts und ihr Weg hatten sich gekreuzt, weil Benedikt das gleiche traurige Schicksal mit Pauline teilte. Auch er litt an Multipler Sklerose, wenn auch mit einem weitaus schlimmeren Verlauf als bei ihr.
Während es bei Pauline seit dem ersten Aufflackern der Krankheit zu keinem vergleichbar schweren Schub mehr gekommen war, hatte Benedikt bereits mehrere dramatische Schübe durchlaufen. Sie beide hatten sich über das Selbsthilfe-Forum kennengelernt, das Pauline wenige Monate nach ihrem erschütternden Befund gegründet hatte.
Sie hatte damals kein Interesse gehabt, den Schutzraum ihres kleinen Grünwalder Appartements zu verlassen und zu einer der Münchner Selbsthilfegruppen zu gehen. Nein, in der Zeit ihrer Krankschreibung war Paulines Welt vor allem das Internet gewesen. Sie hatte eine virtuelle MS-Gruppe gegründet, die sich vor allem an jüngere Betroffene richtete, und wo sich Mitglieder online austauschen konnten.
Die Teilnehmer gaben einander Buchtipps, empfahlen sich gegenseitig fähige Ärzte, berichteten über neue Behandlungsmethoden oder tauschten sich einfach nur über ihre Ängste, Sorgen und Hoffnungen aus. Einmal im Jahr gab es ein Mitgliedertreffen, bei dem sich die Teilnehmer des Forums persönlich kennenlernen konnten. Bei exakt dieser Gelegenheit war Pauline vor einem Jahr Benedikt begegnet.
Der charmante und witzige Radiosprecher war alleine zum Jahrestreffen der Gruppe gekommen, und es hatte auf Anhieb zwischen ihm und Pauline Schaad gefunkt. In der Folgezeit hatten sie sich ein paarmal fürs Kino und zum Abendessen verabredet, und irgendwann hatte Benedikt Pauline dann endlich seine Liebe gestanden.
Da sie sich ebenfalls vom Fleck weg in den Mann mit den rotblonden Locken und der unfassbar eindringlichen Stimme verliebt hatte, hatte Pauline das Geständnis unsagbar glücklich aufgenommen.
Inzwischen waren sie beide ein vertrautes Paar, und Benedikt unterstützte Pauline mit allen Kräften bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit. Pauline wiederum hing Tag und Nacht am Radio, in der Hoffnung, einen Beitrag ihres Liebsten zu hören. Denn regelmäßig sprach Benedikt Hörspiele ein oder moderierte seine eigene Talkshow.
Ja, ihre Beziehung hatte sich in Windeseile zu einer sehr ernsten Angelegenheit entwickelt, und nie zuvor hatte sich die junge Kosmetikerin in einer Partnerschaft derart geborgen und geliebt gefühlt. All ihre bisherigen Beziehungen kamen ihr im Rückblick kindisch und unreif vor. Der Kontakt zu Benedikt besaß eine Tiefe und Ernsthaftigkeit, die Pauline sich niemals zuvor hatte vorstellen können.
Umgekehrt schien es genauso zu sein, denn Benedikt sprach in letzter Zeit immer mal wieder das Thema „Zusammenleben“ an. Mit seinen dreißig Jahren hatte er sich bislang erfolgreich geweigert, seine kleine, hübsche Einzimmerwohnung in der Nähe des Münchner Marienplatzes aufzugeben.
Für Pauline war er bereit, diesen Schritt zu tun, und wie es aussah, würden sie sich wirklich demnächst eine gemeinsame Wohnung suchen.
Wenn Paulines Verdacht stimmte, würde Benedikt ihr außerdem bald einen Heiratsantrag machen. Sie hatte bei ihrem letzten Besuch in seiner Wohnung unbeabsichtigt eine kleine Schatulle mit einem wunderschönen Ring entdeckt. Und sie hegte keinen Zweifel daran, dass dies ihr Verlobungsring werden würde.
Ja … Pauline schien trotz ihrer schweren Krankheit vom Glück verfolgt. Und sie freute sich darauf, zu Benedikts Antrag begeistert Ja zu sagen.
Sie drehte den Wasserhahn wieder zu und kehrte endlich zurück zu der Feiergesellschaft.
Irgendetwas war während ihrer kurzen Abwesenheit passiert, denn es erwartete Pauline eine spürbar aufgeregte Stimmung.
„… wirklich eine Überraschung!“, hörte die junge Frau eine pausbäckige Klassenkollegin flüstern.
„Damit hätte ja wohl niemand gerechnet! Und dann sieht der auch noch so blendend aus!“, erwiderte ein Schulkollege, der seit ihrer letzten Begegnung eine Halbglatze bekommen hatte.
Pauline drängte sich durch die aufgelöst tuschelnden Grüppchen und blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Für einen Moment stand die Welt um sie herum still. Die Wortfetzen drangen nicht mehr zu ihr vor, die Musik im Hintergrund verebbte. Sie vernahm keine einzige Bewegung im Raum, als wären alle plötzlich zu Stein erstarrt.
Alle Aufmerksamkeit von Pauline war auf einen einzigen Menschen gerichtet. Denn in der Mitte des Festsaals stand Fernando.
Pauline hatte den vorlauten und abenteuerlustigen Fernando zum letzten Mal an ihrem elften Geburtstag gesehen. Aber sie hatte keinen Zweifel: Er war es! Fernando, ihre erste große Liebe! Fernando, mit dem sie damals im Zeltlager gewesen war und der ihr versteckt im blühenden Rapsfeld einen ersten unschuldigen Kuss gegeben hatte.
Noch heute, siebzehn Jahre später, spürte sie den sanften Druck seiner Lippen auf ihren. Sie roch das duftende, goldgelbe Feld. Und sie vernahm das Kitzeln der Sonnenstrahlen auf ihrem Nacken. Sie war damals wie benommen zurück zu den anderen Ferienkindern getaumelt und hatte ihr Herz für immer an den draufgängerischen Jungen mit den tiefbraunen Augen verloren.
Nach den Sommerferien war Fernando mit seinen Eltern nach Kiel gezogen, und seitdem hatte Pauline nie mehr etwas von ihrer ersten großen Liebe gehört.
Aber gedacht hatte sie an ihn, wieder und wieder. Pauline hatte sich immer wieder ausgemalt, zu welchem Typ Mann der dunkelhaarige Junge mit dem glutäugigen Blick wohl herangewachsen war. Sie hatte sich gefragt, ob er inzwischen geheiratet hatte oder vielleicht sogar Familienvater war. Sie hatte überlegt, ob er hin und wieder an sie und diesen ersten, verstohlenen Kuss im Rapsfeld dachte.
Und nun stand er auf einmal vor ihr, als hätte der Himmel ihn geschickt. Er stand da, in lässige Designer-Jeans gekleidet, ein ledernes Armband um das Handgelenk, das dichte dunkelbraune Haar modisch nach hinten gestrichen. Sein weißes Hemd war aufgeknöpft, und man konnte einen durchtrainierten Körper darunter erahnen.
Pauline war wie hypnotisiert. Sie hatte das Gefühl, jeden Moment ohnmächtig zu werden. Die Stimme versagte ihr, ihre Augen waren ungläubig auf Fernando gerichtet.
Endlich hob er seinen Kopf, und ihre Blicke bohrten sich ineinander. Ein angedeutetes Lächeln entstand in seinem schönen Gesicht. Es war der Anflug eines plötzlichen Wiedererkennens.
Er beendete das Gespräch mit seinem ehemaligen Lehrer und trat Pauline langsam gegenüber.
„So sieht man sich wieder …“, murmelte er, als wären seit ihrem unschuldigen Kuss nicht fast zwei Jahrzehnte ins Land gestrichen.
„Ja, so sieht man sich wieder …“ Paulines Stimme klang stockend und rau. Sie konnte ihren Blick nicht von Fernando lösen.
„Paula, oder?“, fragte der alte Schulkamerad. Freundschaftlich zog er Pauline zur Begrüßung an sich. Für einen Augenblick raubte der Duft seines herben Parfüms ihr den Atem. Sie spürte den muskulösen Oberkörper an ihren gepresst. Die Hand, die auf ihrer Schulter lag, übte einen sanften Druck aus, der ein Feuerwerk an Empfindungen durch Paulines Körper schickte.
Sie löste sich benommen aus der Umarmung und versuchte, sich ihre Verwirrung und Aufgeregtheit nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Sie hatte schließlich einen Freund! Sie hatte einen Freund, der ihr sicherlich bald die Frage aller Fragen stellen würde. Und Fernando selbst war bestimmt ebenfalls längst vergeben. Ein Mann wie er blieb definitiv nicht allein.
„Pauline …“, verbesserte die Kosmetikerin endlich. Sie fand es nicht schlimm, dass Fernando sich falsch an ihren Namen erinnerte. Solche Kleinigkeiten zählten doch nicht. Was zählte, war die Erinnerung an ihre Geschichte. Eine süße, rauschhafte Erinnerung an einen zärtlichen Kuss und eine Liebe, die vorzeitig beendet worden war, weil die Eltern andere Pläne für ihren Sohn gehabt hatten.
Wie sehr hatte Pauline damals geweint! Sie hatte den Verlust ihrer ersten großen Liebe überhaupt nicht fassen können.
„Natürlich …“ Fernando klang eindringlich und ein wenig verwegen. „Pauline … Wie konnte ich das nur vergessen?“ Einen Moment lang sagte keiner von beiden etwas. Sie standen sich lediglich gegenüber, in den Anblick des jeweils anderen versunken. „Du siehst unglaublich gut aus …“, durchbrach Fernando schließlich das Schweigen. „Aber schon damals zu Schulzeiten warst du unfassbar hübsch!“
Pauline errötete. Es gefiel ihr, dass Fernando so offensichtlich mit ihr flirtete. So war er schon früher als Junge gewesen. Er hatte hemmungslos allen Mädchen schöne Augen gemacht und großzügig mit Komplimenten um sich geschmissen. Aber Pauline hatte er ernsthaft geliebt, da war sich die junge Frau absolut sicher.
„Wie es scheint, ist es dir in der Zwischenzeit sehr gut ergangen …“, fuhr Fernando fort. Sein Blick wanderte über Paulines Hand, an der kein Ring auf eine feste Bindung hindeutete. Auch Paulines Blick streifte Fernandos Hand. Er trug einen goldenen Ehering am Finger.
„Ja … nein. Ich meine …“ Eine sonderbare Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung stieg in ihr auf. Wie schaffte es dieser Mann, sie derart aus der Fassung zu bringen? Er seinerseits schien ihre Verwirrung durchaus zu spüren, denn er betrachtete sie amüsiert.
Pauline gab sich alle Mühe, sich zusammenzureißen.
„Ja, mir ist es sehr gut ergangen!“, gab sie endlich eine vernünftige Antwort. „Ich habe nach der Schule eine Ausbildung zur Kosmetikerin gemacht. Seit fünf Jahren arbeite ich im Schönheitssalon eines großen Hotels. Nicht hier in München, sondern auf dem Land, Richtung Erding.“
„Kosmetikerin? Bestimmt siehst du auch ungeschminkt umwerfend aus!“, nahm Fernando den Flirt sofort wieder auf und schenkte ihr ein eindringliches Lächeln. Sein Blick wanderte über die Träger ihres Sommerkleids und blieb sehnsüchtig auf der sanften Erhebung ihres Schlüsselbeins haften.
Pauline hatte das Gefühl, als würde er sie mit seinem Blick sanft entkleiden. Aber nicht auf eine plumpe Art. Seine Augen verrieten tiefes Begehren. Paulines Beine fühlten sich an wie Pudding. Sie bekam eine Gänsehaut und zuckte unwillkürlich zusammen. Die Luft zwischen ihnen beiden brannte.
Peggy, eine pausbäckige ehemalige Mitschülerin, trat zwischen sie.
„Na, ihr zwei Turteltauben! Ihr wart doch damals schon ein eingeschworenes Team, oder? Wie es scheint, konnte die Zeit eurer damaligen Vertrautheit nichts anhaben!“ Sie lachte schallend auf. Freundlich fielen Pauline und Fernando in das Gelächter mit ein, aber immer noch konnten sie die Augen nicht voneinander lösen.
Später gingen sie gemeinsam an die Bar, und Fernando spendierte ihr einen Wodka-Campari. Es fühlte sich seltsam an, dass sie zwei auf einmal erwachsen waren.
Sie redeten lange über ihre Berufe, Fernandos Zeit in Kiel und seine Rückkehr nach München.
Pauline sparte ihren Freund Benedikt bis auf wenige Sätze aus ihren Erzählungen aus, und Fernando sprach ebenfalls nur ansatzweise von der Ehefrau und den zwei Kindern. Auch das Thema „Multiple Sklerose“ schnitt Pauline nicht an. Sie wollte nicht, dass Fernando Mitleid mit ihr und ihrem Schicksal hatte.
Als sich die letzten Gäste nachts um halb drei auf den Heimweg machten, tauschten Pauline und Fernando Telefonnummern aus.
„Wir sollten mal in aller Ruhe zusammen Essen gehen!“, sagte Fernando zum Abschied.
„Ja!“, beteuerte Pauline. „Das sollten wir!“
***
Dr. Frank lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte das ihm gegenübersitzende Pärchen lächelnd. Er mochte Tilda und Franz Prasch, die seit vielen Jahren treue Patienten waren. Obwohl die Eheleute schon längst nicht mehr in Grünwald wohnten, kamen sie immer wieder in seiner Praxis vorbei. Und Dr. Frank beobachtete den Lebensweg der beiden Rentner mit großem Interesse.
„Sie wissen ja, dass mein Mann immer leicht kränklich ist …“, sagte Tilda liebevoll-spöttisch. „Wenn es nicht die Zähne sind, dann ist es eben die Dauererkältung!“
„Tilda!“ Kopfschüttelnd sah Franz seine Ehefrau an. „Ich bin ernsthaft krank. Das kannst du doch nicht abstreiten, oder?“
Ein sanftes Lächeln umspielte das Gesicht der Sechsundsechzigjährigen. Sie war es gewohnt, dass ihr Mann zahlreiche Beschwerden hatte. Und sie war es gewohnt, dass er hoffnungslos übertrieb. Also war sie mit dem eingebildeten Kranken heute Vormittag nach Grünwald gefahren. Dr. Frank hatte Franz ausgiebig untersucht.