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ACHTUNG - Aus rechtlichen Gründen hat sich der Titel geändert, es handelt sich um den 9. Drachenband! Der Inhalt bleibt gleich!
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Ein letztes Mal begibt sich Marek auf eine Reise, nicht bis nach Hastadoom zum Thing, nein, nur zum Konzil der Geschichtenbewahrer. Die halbtägige Reise zu Pferd ist für den betagten Steppenreiter schon anstrengend genug, ein mehrwöchiger Ritt zum Gefährtentreffen, daran ist gar nicht zu denken. Marek hat bereits vor Jahrzehnten mit der Tatsache seinen Frieden gemacht, dass er allein bleiben und wohl nie den für ihn bestimmten Drachen finden wird.
Jerzy fliegt gezwungenermaßen zum Konzil nach Aquadoom, denn der Drachenkönig hat es ihm befohlen und man befolgt die Order seines Oberhauptes. Wenn der zudem auch noch der eigene Großvater ist, widersetzt man sich als Jungdrache nicht. Frust macht sich in ihm breit, weil er den Zweck hinter diesem Befehl nicht versteht. Fehlt ihm doch vollständig die Lebenserfahrung, um die Geschichten der Bewahrer wirklich würdigen zu können.
Doch wie das Schicksal so spielt, treffen Marek und Jerzy beim Konzil aufeinander und entdecken, dass das Schicksal auch vor einem gewaltigen Altersunterschied nicht halt macht. Sie gehören zusammen und müssen eine Möglichkeit finden, wie sie gemeinsam ihren Lebensweg beschreiten können.
Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist nur für volljährige und aufgeschlossene Leser geeignet.
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Weitere Bände der Drachenreihe:
Band 1: Drachenfeuer – Liebe ist universell
Band 2: Drachenglut – Liebe bedeutet Freiheit
Band 3: Drachenhitze – Liebe überwindet alles
Band 4: Drachensiegel – Liebe findet ihren Weg
Band 5: Drachenmagie – Von Liebe erweckt
Band 6: Drachengefährten
Band 7: Drachensohn – Liebe bracht ihre Zeit
Band 8: Drachenzauber – Die Liebe des Magiers
Bonusbände: Drachenreise und Perlen für den Drachen (kostenlos bei BookRix lesen)
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Sämtliche Personen dieser Geschichte sind frei erfunden und Ähnlichkeiten daher nur zufällig.
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Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und für homophobe Menschen nicht geeignet. Im wahren Leben gilt ein verantwortungsbewusster Umgang miteinander und Safer‐Sex!
Alle Drachenbände in chronologischer Reihenfolge:
Band 1: Drachenfeuer – Liebe ist universell
Band 2: Drachenglut – Liebe bedeutet Freiheit
Band 3: Drachenhitze – Liebe überwindet alles
Band 4: Drachensiegel – Liebe findet ihren Weg
Band 5: Drachenmagie – Von Liebe erweckt
Band 6: Drachengefährten
Band 7: Drachensohn – Liebe bracht ihre Zeit
Band 8: Drachenzauber – Die Liebe des Magiers
Band 9: Drachengeliebter – Die Liebe des Bewahrers
Bonusbände: Drachenreise und Perlen für den Drachen (kostenlos bei BookRix lesen)
Sorgfältig zurrte Marek sein Gepäck hinter seinem Sattel fest. Der Rappe stand ruhig und abwartend auf der Stelle und machte es seinem Reiter so leicht wie möglich. Lächelnd streichelte der betagte Steppenreiter sein Pferd und dankte ihm stumm für seine Rücksicht. Mit seinen zweiundsechzig Jahren konnte er nur noch schwer ein aufmüpfiges Reittier bändigen und doch hatte er sich entschlossen, dem Konzil in Aquadoom beizuwohnen. Alle fünfzig Jahre lud der Bürgermeister der großen Flusslandstadt die Geschichtenbewahrer der Steppenreiter ein, um deren Erzählungen und Historien für die Nachwelt auf Papier festzuhalten.
Dass es bei den anderen Völkern keine Geschichtenbewahrer gab, begründete sich mit ihrer längst vergangenen Geschichte. Erst vor gut drei Generationen änderten die Steppenreiter ihr Leben, aus Nomaden wurden sesshafte Hirten. Für ein wanderndes Volk gab es natürlich keine Möglichkeit zum Anlegen einer Bibliothek, aber da sie schon immer einen regen Kontakt zu den Flussland-Bewohnern pflegten, übernahmen diese das Aufschreiben und Archivieren ihrer Geschichten und Legenden. Die Flussländer interessierten sich allgemein für Geschichte und Historie, alles wurde erfasst und chronologisch in die Annalen übertragen. In Aquadoom fand man nach längerem Suchen jede benötigte Information, vorausgesetzt man verlor nicht die Geduld.
Vor fast fünfzig Jahren, also nach dem letzten Konzil, wurde Marek zum nächsten Geschichtenbewahrer. Eigentlich hatte er bis zu seinem zwanzigsten Geburtstag heiraten und eine Familie gründen sollen, doch diese Möglichkeit zerschlug sich, als er im Zuge der ersten Erweckung ein Drachensiegel erhielt. Als Sohn des Reiterfürsten gedachte man ihm aber mehr zu, als ein einfaches Leben als Reiterhirte. Alle hatten erwartet, dass Marek nach dem ersten Thing nicht mehr in die Heimat zurückkehrte, da er dort seinen Drachen finden würde. Doch dies passierte nicht. Der junge Steppenreiter hielt sich zusammen mit seinen beiden anderen gezeichneten, aber noch nicht gebundenen Geschwistern, die vollen vier Wochen in Hastadoom auf, doch nur seine Schwestern fanden ihre Gefährten. Er ging leer aus.
Das Angebot des alten Bewahrers der Geschichte stellte somit eine logische Konsequenz dar. Vermutlich würde Marek erst beim nächsten Thing, also dann in fünfundzwanzig Jahren, auf seine Gefährtin oder seinen Gefährten treffen und konnte sich daher auf diese Aufgabe konzentrieren.
Die Position des Bewahrers war perfekt für Marek, da er gleichzeitig als Botschafter für die Fürstenfamilie diente und dem Anführer als Berater zur Seite stand. Nikolay stützte sich oft auf den Rat seines jüngeren Bruders, denn der hatte durch seine Reisen im Laufe der Jahre unzählige Erfahrungen gesammelt und sein Augenmerk lag vorwiegend auf dem Ausbau seiner Bildung und seines Wissens. Marek hatte natürlich im Zuge seiner Ausbildung schreiben und lesen gelernt, doch mittlerweile beherrschte er zudem die Sprache der Drachen und der Magier in Schrift und Wort. So standen ihm alle Bibliotheken ihrer Welt offen und er besuchte in seinen jungen Jahren regelmäßig Palato und Hadar, um in der Eisfeste Wissen zu erwerben. Als er zu alt wurde, um solche Reisen zu unternehmen, schickte ihm Palato regelmäßig Lesematerial, um ihn auf dem Laufenden zu halten. Der weiße Drache hatte sich angewöhnt, für Marek Zusammenfassungen zu schreiben und erwartete dessen Kommentare immer sehnsüchtig. Die drei Männer verband mittlerweile eine tiefe und innige Freundschaft, geschmiedet durch ihre geteilte Wissbegierde.
Mit Mitte Vierzig reiste Marek erneut zum Thing. Wieder hielt er sich die komplette Zeit in der Nordlandstadt auf, doch fündig wurde er auch diesmal nicht. Frust und Wut machten sich in ihm breit. Auf der Rückreise in seine Heimat haderte er schwer mit seinem Schicksal, zumal er davon ausging, dass er in fünfundzwanzig Jahren für eine erneute Reise zur Versammlung zu alt war. Natürlich wusste er, dass er nur leer ausging, weil sein Drache vermutlich noch gar nicht geboren oder vor dem ersten Thing verstorben war. Diese Erkenntnis belastete ihn anfangs schwer, denn es bedeutete im besten Fall, dass er noch lange auf das Erscheinen seines Feuerspuckers warten musste. Im schlechtesten Fall hatte ihn das Schicksal ausgebootet und er ging leer aus. Erst im Laufe der Jahrzehnte gab Marek die Hoffnung gänzlich auf und verlagerte sein Interesse vollkommen ins Akademische. Mittlerweile nutzte ihn sogar der Drachenkönig als menschlichen Berater, wenn er Informationen oder Unterstützung brauchte. Zumindest das konnte er für die Geschicke ihres Reiches tun. Viele neue Geschäftsbeziehungen fußten auf Mareks Einfluss und gutem Ruf. Wenn er einen Handelspartner vorschlug, wurde das Geschäft meist auch abgeschlossen, denn Marek wog gewissenhaft ab, bevor er eine Empfehlung aussprach. Dies machte ihn zu einem guten Ratgeber und Schlichter. Auch bei Streitigkeiten in den kompletten Südlanden wurde er zu Hilfe gerufen. Stolz blickte der Steppenreiter auf sein Leben zurück. Die Traurigkeit über sein Alleinsein hatte er schon vor Jahren abgelegt, daher fiel ihm auch die Entscheidung nicht schwer, dieses Thing ausfallen zu lassen. Seine Zeit, ein guter Gefährte zu sein, war vorbei. In seinem Alter neigte man zum Eingefahrensein und zeigte sich wenig flexibel. Da der entsprechende Drache nicht vermisste, was er nicht kannte, würde es für ihn auch keinen sonderlichen Verlust darstellen. Außerdem wäre eine so lange Reise nicht sonderlich zuträglich in seinem Alter.
Die Tagesreise nach Aquadoom konnte er aber noch schaffen, also trat er sie gut gelaunt an. Jetzt, mit Anfang Sechzig, hatte Marek alles gesehen, was man in der Steppe erleben und erfahren konnte. Er hatte die Süd- und Nordlande bereist und hatte seinen Bruder auch einmal im Magierland besucht, als dieser zusammen mit seinem Gefährten dort stationiert war. Selbst die Drachenfeste hatte er zeitweise sein Heim nennen können. Rundum betrachtet hatte er ein gutes Leben gehabt, nur fehlte ihm viele Jahrzehnte die Zweisamkeit einer Beziehung. Gerne wäre er zusammen mit einer Partnerin alt geworden, selbst die normalen Zwistigkeiten einer Ehe hätte er in Kauf genommen, wenn ihn denn nur eine Frau hätte nehmen wollen. Doch mit dem Siegel auf der Haut wagte sich keine Menschenfrau an ihn heran. Jede ging davon aus, dass er ihr jederzeit von einem Drachen unter der Nase weggeschnappt werden konnte. Ebenso schreckte die meisten Frauen die Tatsache ab, dass sie mit ihm keine Kinder haben konnten. Drachengefährten konnten nur mit ihren Feuerspuckern Nachwuchs zeugen. Trotzdem war Marek nicht unzufrieden. Sein Leben neigte sich dem Ende entgegen und er trat sein letztes Abenteuer an.
Jerzy marschierte zügig durch die große Halle der Drachenfeste. Wie üblich trug der junge Drache nur eine Lederhose, selbst seine Füße zierten keine Schuhe, da er den Schutz nicht brauchte.
Stelgard stand neben der großen Tür und unterhielt sich mit Steven über das anstehende Thing. Der gebürtige Mensch aus der Anderswelt hatte sich bereit erklärt, für die Drachen die Organisation der Zusammenfindung zu übernehmen. Wen Pirin, der gewählte König der Nord- und Südlande, schicken würde, wussten sie noch nicht, aber im Grunde spielte es auch nur eine untergeordnete Rolle. Lächelnd begrüßte Stelgard seinen Sohn und stellte ihm dem kleineren Steven vor. „Jerzy, das ist Roomers Gefährte, er stammt aus der Anderswelt. Steven, das ist mein Sohn Jerzy.“
Jerzy nickte dem kleinen Menschen kurz zu und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf seinen Vater.
In Stevens Richtung ergänzte Stelgard: „Jerzy reist nach Aquadoom zur Versammlung der Geschichtenbewahrer. Es ist eine gute Möglichkeit, sich über die Geschichte der Flusslande und der Steppenreiter zu informieren.“
Innerlich ließ Jerzy die Schultern sinken, er hatte gehofft, etwas Spannenderes machen zu können, bis er in acht Wochen zum Thing aufbrach, um nach seinem Gefährten zu suchen. Er verstand das Aufheben vieler älterer Drachen um dieses Thema nicht, denn er vermisste in keinster Weise jemanden an seiner Seite. Obwohl er immer die Zweisamkeit seiner Eltern vor Augen hatte, brauchte er dies für sich selbst noch nicht so schnell. Aber er war gerade mal zweiundzwanzig Jahre alt und kannte diese Sehnsüchte noch nicht. Einsamkeit stellte für ihn kein Thema dar, zumal er viele Freunde hatte, mit denen er seine Freizeit verbringen konnte.
Thoreen näherte sich den drei Männern, legte Jerzy die Hand auf die Schulter und lächelte seinen Ziehsohn aufmunternd an. Der gerade einmal fünfundfünfzigjährige Drache verstand Jerzys latente Abneigung gegen diese Verpflichtungen. Nicht nur, dass er verpflichtet war zum Thing zu reisen, nun musste er auch noch im Namen der Drachen zum Bewahrertreffen nach Aquadoom. Es gefiel Thoreen nicht, dass man dem jungen Drachen so viel Verantwortung aufbürdete. In diesem Alter sollte er eigentlich noch spielen und sich amüsieren. Nun ja, kein Drache konnte seine Jugend so ausleben, wie es Thoreen seinerzeit möglich war, aber nichtsdestotrotz hielt er es für falsch.
Neugierig sah Steven zwischen diesen so unterschiedlichen und doch ähnlichen Männern hin und her. Thoreen und Stelgard waren beide blond mit blauen Augen und man konnte das innige Verhältnis zwischen ihnen deutlich sehen. Auch erkannte man ihre Liebe für ihren Nachwuchs. Jerzy kam optisch ganz nach Stelgard. Er hatte die gleiche großgewachsene drahtige Statur und auch dessen Gesichtszüge. Doch sein dunkelrotes Haar und die grünen Augen hatte er definitiv woanders her. Aus den Büchern wusste Steven, dass Drachenweibchen ihre überzähligen Eier zur Verfügung stellten, damit reine Männerpaare ebenfalls Nachwuchs haben konnten. Impulsiv sprudelte es aus ihm heraus: „Woher hast du deine roten Haare?“ Kaum hatte er es ausgesprochen, schlug er schon die Hand vor den Mund. So eine Frage konnte auch hier nur ungebührlich sein.
Ein leises tiefes Lachen hinter ihnen kündigte Roomer an. Der große Drache umschloss seinen schlanken Gefährten von hinten mit seinen muskelbepackten Armen und flüsterte ihm ins Ohr: „Riannar hat das Ei zur Verfügung gestellt. Somit ist Jerzy sowohl Thoreens Sohn als auch sein Bruder.“
Verwirrt sah Steven hinauf in das grinsende Gesicht seines Drachen und machte nur große Augen.
Nun lachten auch Thoreen und Stelgard und letzter erklärte: „Wir fanden es schön, dass alles in der Familie bleibt, daher haben wir Riannar um ein Ei gebeten. Sie hat damals auch Einar geholfen, damit Thoreen vom Erbgut her auch nach Killian kommt und nicht nur nach ihm. Wir haben im Grunde denselben Weg gewählt. Auch optisch kommt er nach Riannar, was für Jerzy kein Schaden ist.“
Jerzy wiederum lachte vergnügt: „Nein, es ist toll, wenn beide Erzeuger wirklich zu dir gehören und nicht nur unbekannte Spender sind. Riannar hat in meiner Kindheit oft auf mich aufgepasst und ich liebe meine Tante über alles.“
Thoreen gluckste nun ebenfalls: „Geht mir genauso. Riannar sollte ebenfalls langsam ihren Gefährten oder ihre Gefährtin finden, damit auch sie ihr Glück findet.“ Sein Blick glitt dabei durch die Halle, aber besagte Drachendame befand sich nicht im Raum.
„Vielleicht beim Thing“, meinte Roomer in aufgeräumtem Ton.
Steven und Stelgard hatten dabei Jerzy im Auge. In dessen Gesicht spiegelten sich nacheinander einige sehr unterschiedliche Emotionen. „Was denkst du?“, fragte Steven den jungen Drachen leise.
Seufzend zuckte Jerzy mit den Schultern: „Riannar ist noch recht jung für einen Feuerspucker. Sie hat vielleicht noch gar nicht das Bedürfnis, sich dauerhaft zu binden. Mir geht es zumindest so. Bei vielen Drachen kommt dieser Wunsch selbst im hohen Alter nicht auf, wir fühlen einfach anders.“ Entschuldigend sah er zu seinen Eltern und ergänzte: „Nur Gebundene wissen, was uns entgeht. Wir können keine Sehnsucht nach etwas empfinden, das wir gar nicht kennen und daher auch nicht vermissen.“
Stelgard seufzte leise und fragte seinen Sohn: „Sehe ich das richtig, dass du, wenn du könntest, dem Thing fern bleiben würdest? Was ist mit der Reise nach Aquadoom?“
Ertappt zog Jerzy seine Schultern nach oben und biss sich auf die Unterlippe, doch dann fasste er den Mut, um zu antworten: „Ich würde beides ausfallen lassen, wenn es ginge. Aber es ist mir bewusst, dass das Thing für alle Ungebundenen verpflichtend ist und ich werde selbstverständlich hingehen. Aquadoom ist mir eigentlich nur lästig, aber ich komme meinen Aufgaben nach. Mach dir keine Sorgen.“
„Ich mache mir keine Sorgen, Jerzy. Ich bin einfach nur etwas enttäuscht. Wenn du früher über deine Gefühle gesprochen hättest, hätten wir jemand anderen ins Flussland schicken können, jetzt ist es dafür aber zu spät“, erklärte Stelgard in ruhigem Ton, dabei sah er seinen Nachkommen aufmerksam an.
Nickend blickte dieser ihm in die Augen. „Ich verspreche, in Zukunft mehr mit euch zu reden. Es tut mir leid. Ich habe mich etwas darüber geärgert, es aber als Muss angesehen. Ich werde euch nie wieder im Dunkeln lassen“, versprach Jerzy.
Thoreen zog den großgewachsenen Mann fest an sich und drückte ihn kurz. Dabei verband er kurz seine Energie mit der seines Ziehsohnes. Wärme, Liebe und Geborgenheit floss zwischen ihnen hin und her und Jerzy fühlte sich genauso wohl wie in seiner Kindheit, wenn Thoreen ihm abends im Bett eine Geschichte vorgelesen hatte. Diese Erinnerung brachte ihn zum Lächeln und er flüsterte Thoreen zu: „Vielleicht ist es ja wie in meiner Kindheit. Ich suche mir ein bequemes Plätzchen, mache es mir gemütlich und lasse mich von den vielen Geschichten einlullen. Hoffentlich erzählen die Steppenreiter so gute und spannende Geschichten wie ihr zwei.“
Darüber mussten nun seine Eltern beide lachen. Es gefiel ihnen, dass ihr Zögling es mit so viel Humor und Anstand nahm. Sie konnten stolz auf ihn sein.
Das gebundene Paar betrachtete die kleine Familie und Steven streckte sich nach oben, um Roomer etwas zuflüstern zu können. Die Reaktion des Drachen war sehr bezeichnend. Der packte nämlich seinen kleinen Gefährten und schleppte ihn wie Beutegut aus der Halle.
Viele Augen folgten dem Abgang und amüsierten sich über die deutlich sichtbare Liebe zwischen diesen so unterschiedlichen Wesen.
Der Ritt von Mareks Heimat nach Aquadoom dauerte für einen guten und jungen Steppenreiter maximal vier Stunden, doch der betagte Geschichtenbewahrer brach am frühen Morgen auf und rechnete erst mit einer Ankunft am frühen Abend. In seinem Alter hetzte er nicht mehr im vollen Galopp über die Grasflächen, sondern ließ es langsamer angehen. Auch sein Hengst zählte eher zu den betagten Tieren. Mit fast zwanzig Jahren wurde er aus dem Hütedienst genommen und nur noch den Alten und Gebrechlichen als Reittier zur Verfügung gestellt. Marek liebte den Hengst, denn er spiegelte seine eigene Persönlichkeit fast perfekt wieder. In Würde gealtert, benahm er sich ruhig und gesittet. Nichts brachte das Tier aus der Ruhe und er nahm alles mit stoischer Gelassenheit hin. Trotzdem zeigte er eine fast schon abnormale Anhänglichkeit zu seinem Reiter. Seit etwa zwei Jahren pflegte, fütterte und ritt Marek jetzt den Hengst und dieser dankte ihm das fast täglich.
Vor einigen Wochen ritt Marek zu einem Hirten hinaus, um ihm das Abendessen zu bringen, weil der Mann nicht zum Lager zurückkehren konnte, da man Wölfe gesichtet hatte. Die Herden wurden bei Gefahr Tag und Nacht bewacht und die eingeteilten Hirten wurden durch Boten mit Proviant versorgt und alle zwei Tage abgelöst. Als Marek am Rastplatz des Hirten vom Pferd absaß, stieß ihn der Hengst regelrecht zur Seite, bevor er auf die Hinterhand stieg und mit lautem Gewieher mit den Vorderhufen nach etwas schlug. Erst nach mehreren dieser Attacken beruhigte sich das wütende Tier und tänzelte elegant von der Stelle weg. Mit Schrecken fand Marek genau dort eine zertretene Schlange, eine Fleckennatter, eines der giftigsten Tiere der Steppe. Dankbar tätschelte er dem Hengst den Hals und schwor sich, das Pferd von nun an exklusiv für sich zu beanspruchen. Grinsend beschloss er, dies mit seinem Alter zu begründen, denn den Alten ließ man exzentrisches Verhalten durchgehen.
Gemütlich trabte er nun in nördliche Richtung und bestaunte erneut die veränderte Landschaft. In seiner Heimat wogte das Gras über die Ebene bis zum Horizont, hier wurde die Landschaft von schmalen Bachläufen geteilt, die mit jedem zurückgelegten Schritt breiter und wasserreicher wurden. Alles Regenwasser aus der Steppe floss hier nach der Regenzeit zusammen und speiste über Sommer die Wasserläufe der Flusslande. Bis zum Herbst trockneten zwar die kleinen Rinnsale und Bäche in den Randgebieten der Reitersteppe aus, dafür führten die großen Ströme dann aber Schmelzwasser aus den Gebirgen und sorgten für genug Nachschub. Der Wasserstand an den großen Flüssen blieb relativ konstant, er schwankte höchstens um zwei bis drei Ellen.
Bald würde er rasten und seinen Proviant auspacken. Auch für seinen Hengst hatte er etwas Hafer im Gepäck, denn er sollte ja nicht darben.
Zusammen mit Riannar flog Jerzy über die hügelige Landschaft der Nordlande. Für ihre Reise nach Aquadoom würden sie einmal übernachten müssen, daher hatten sie beschlossen, in Hastadoom zu rasten. Dort wollten sie Rotaran und Wanja besuchen und kämen trotzdem noch rechtzeitig zum Treffen der Geschichtenbewahrer an ihrem Ziel an.
Riannar hatte sich noch nicht entschieden, ob sie in Hastadoom bleiben würde oder ob sie Jerzy weiter begleitete. Im Moment haderte sie etwas mit ihrem Schicksal. Mittlerweile hatten alle Drachen ihres Bekanntenkreises Gefährten gefunden und ihr wurde immer bewusster, was sie hatten und ihr fehlte. Zwar vermisste sie nicht wirklich diese berühmt-berüchtigte Liebe, denn die kannte sie nur im Zusammenhang mit ihrer Familie, aber dieses Gefühl der Zugehörigkeit, das hätte sie auch gerne. Zu wissen, dass jemand auf einen wartete, stellte sie sich toll vor.
Am Horizont kam Hastadoom in Sicht und sie setzten zum Sinkflug an. Ihre roten Schuppen variierten nur im Farbton und auch ihre Größe unterschied sich nur minimal. Für jeden Beobachter war schon an der Drachengestalt erkennbar, dass hier Mutter und Sohn anreisten, auch wenn sie so ein Verhältnis nicht zueinander hatten. Die familiäre Bande bestand natürlich, aber nicht so intensiv oder eng.
Als die Sonne sich gemächlich dem Horizont näherte, erreichte Marek gerade die Außenbezirke der großen Flussstadt. Hier wurde das von Wasserläufen zerschnittene Grasland durch Ansammlungen von Mangrovenhainen aufgelockert. Die großen Bäume mit den monströsen Stelzwurzeln bildeten höhlenartige Unterstände, die bei Hochwasser komplett versumpften und überfluteten. Doch jetzt, kurz vor der einsetzenden Schmelzwasserflut, lag dieses Gebiet trocken. Der Steppenreiter hatte mittlerweile die dritte oder vierte auf dem Trockenen liegende Floßfähre passiert und nährte sich der Holzrampe.
Die Konstruktion hatte ihn schon vor vierzig Jahren beeindruckt, als er das letzte Mal hier zu Besuch war. Das untere Ende der Rampe mündete in einen breiten Holzsteg, der im Falle von Hochwasser schwamm. Hier legten auch die nun unbrauchbaren Fähren an, wenn die Stadt komplett von Wasser umschlossen war. Jetzt, während der Niedrigwasserperiode, konnte man zu Fuß oder auch per Pferd einfach hinaufsteigen. Der Anstieg war steil, aber für jedes Tier passierbar. Auch Ziegen und Kühe wurden so in die Stadt gebracht. Es wurde hier wenig Vieh gehalten, denn ihre Fäkalien mussten ja auf demselben Weg entsorgt werden. Die Flusslandbewohner hatten sich schon vor Ewigkeiten von der schlechten Angewohnheit getrennt, ihre Abfälle einfach im Fluss zu entsorgen. Rund um die Stadt gab es in gebührendem Abstand große Kompost- und Verwertungsanlagen. Hier entstand wertvoller Humus, der dann in die getreideanbauenden Gebiete der Südlande transportiert wurde. Als Entlohnung enthielten die Flusslandstädte dafür Weizen, Roggen und Hafer. Von diesem Geschäft profitierten alle gleichermaßen.
Auf dem Landesteg stieg Marek aus dem Sattel und nahm den Hengst an den Zügeln. Mit genügend Abstand begann er vor dem Tier die Rampe hinaufzusteigen. Geschickt setzte der Rappe seine Hufe auf die querverlaufenden Holzlatten, um nicht abzurutschen. Grinsend betrachtete der Reiter das Verhalten seines Pferdes und fühlte einen gehörigen Stolz wegen dessen Klugheit. Großzügig tätschelte er den Hals und flüsterte dem Rappen Koseworte ins Ohr. Kaum auf der Plattform angekommen, begrüßte ihn bereits ein junger Mann in der typischen Flusslandkluft, die aus einer langen weiten Hose und einem taillenlangen durchgeknöpften Hemd bestand. Die Hose musste umschlagbar sein und die halblangen Ärmel hatten einen elastischen Bund, damit man sie hoch schieben konnte und sie nicht herunterrutschten. Diese Kleidung hatte sich in der Wasserregion bewährt, denn man konnte nicht ständig die Kleider wechseln, falls man einmal durch den Fluss waten musste. Dazu trugen die Menschen hier breitrandige Strohhüte, um für ausreichenden Sonnenschutz zu sorgen.
Automatisch verglich Marek diese Aufmachung mit der seiner eigenen Leute. Die Steppenreiter trugen eher enge Beinkleider, damit diese beim Reiten keine Falten schlagen konnten, an denen man sich sonst wund rieb. Ihre meist hellen Hemden wurden langärmelig getragen und darüber eine Lederweste. Beides diente als Schutz dafür, dass wenn man vom Pferd fiel, möglichst wenige Verletzungen davongetragen wurden. Auf dem Kopf trugen die Steppenreiter Lederkappen, die sowohl gegen Zugluft, Sonneneinstrahlung und auch bei Stürzen schützten. Während die Flussleute barfuß oder in Zehensandalen gingen, trugen die Reiter feste Stiefel, die etwa in der halben Wade endeten. Entsprechend der eigenen Ausstattung wählte der Reiter das passende Schuhwerk. Marek trug glatte Schaftstiefel, die auf der Außenseite mit Hilfe von Holzknöpfen verschnürt wurden, denn sein Sattel verfügte über Steigbügel. Die bügellosen Reiter trugen meist vorne geschnürte Stiefel, da diese leichter anzuziehen waren.
Höflich begrüßte nun Marek seinerseits den jungen Mann, der ihn in Empfang nahm: „Danke für eure Gastfreundschaft. Auch ich wünsche dir gutes Wetter und Wind in den Haaren.“ Bei den letzten Worten handelte es sich um den typischen Steppengruß, den der Flusslandbewohner mit einem freudigen Nicken kommentierte. Die Bewohner beider Regionen pflegten schon eine Ewigkeit gute Beziehungen. Sie trieben Handel miteinander und es fanden regelmäßig Hochzeiten untereinander statt.
Mittlerweile dachten der Ältestenrat und die Führerschaft der Flusslandestädte darüber nach, das Konzil zur Wahrung der Geschichte öfter als nur alle fünfzig Jahre abzuhalten. Trotz der guten Gesundheit der Steppenreiter passierte es, dass der eine oder andere Geschichtenbewahrer verstarb, bevor seine Erfahrungen und Erzählungen niedergeschrieben werden konnte. Natürlich gab der Bewahrer der Historie sein Wissen an seinen Nachfolger weiter, aber es gingen dabei immer Fakten verloren oder wurden auf Grund von Missverständnissen verfälscht. Auch Marek begrüßte eine Intensivierung dieser Tradition. Seiner Meinung nach sollte das Konzil zusammen mit dem Thing stattfinden, nicht zum selben Zeitpunkt, aber im selben Jahr. Dies würde es leichter machen, den Termin im Gedächtnis zu behalten.
„Ich bin Marek vom südlichen Stamm, mein Vater war Sergeij, der Tolerante. Es ist mir eine Ehre hier zu sein“, meinte Marek in aufgeräumtem Ton. „Was steht heute noch an?“
Der junge Mann lächelte und erwiderte: „Ich bin Smilos und für dich zuständig. Ich kümmere mich während deines Aufenthaltes um dein Wohlergehen und begleite dich überall hin.“
Zweifelnd sah Marek den anderen Mann von der Seite an. Hielten sie ihn für tatterig und vergesslich? Da er alleine angereist war, sollte den Flussländern klar sein, dass er keinen Betreuer brauchte.
„Natürlich werde ich dich nicht rund um die Uhr überwachen. Meine Aufgabe besteht darin, dich zu unterstützen. Du musst oft von einer Stelle zur nächsten wechseln und es ist einfach bequemer, wenn man dabei jemanden hat, der sich vor Ort auskennt und zudem den Kram schleppt, damit man für die üblichen Begrüßungen die Hände frei hat. Ich hole dich morgens bei deiner Unterkunft ab und verabschiede mich abends wieder dort von dir. Was du in der Zwischenzeit machst, bleibt dir überlassen.“ Natürlich hatte Smilos erkannt, dass sich der ältere Mann angegriffen fühlte. Hatte er seine Bedenken zerstreuen können?
Lächelnd nickte Marek und beschloss, für die Dienste des jungen Mannes dankbar zu sein. Daher legte er seine schwielige Hand auf die Schulter seines Begleiters und drückte diese kurz zustimmend. „So und wo kann ich jetzt meinen Hengst hier unterstellen?“
Lachend deutete Smilos: „Hier entlang. Ich hab ein schönes Plätzchen für dein Tier vorbereiten lassen. Wir dachten, wir stellen alle Pferde der Steppenreiter zusammen in einen Stall. Ist das eine gute Idee?“ Fragend sah er Marek an.
Dieser nickte und erklärte: „Pferde sind Herdentiere und fühlen sich in der Gesellschaft von Artgenossen am wohlsten. Ja, es ist eine gute Idee.“ Wenn dieser Auftakt hier bezeichnend für seinen Aufenthalt in Aquadoom war, würde er hier eine sehr angenehme Zeit verbringen, ein schöner Abschluss für ein erfülltes Leben.