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Was soll man tun, wenn man als erwachsener Mann vom Schicksal einen Drachen als Gefährten zugewiesen bekommt, der gerade einmal vier Jahre alt ist? Ganz besonders schwierig macht die Sache, dass der kleine Drache Thoreen der Enkelsohn des Menschenkönigs ist und zugleich der Ziehsohn des Drachenkönigs.
Stelgard steht vor der Herausforderung seines Lebens und ihm fehlen vollkommen die Voraussetzungen dazu, dies zu schaffen. All seine Gefühle und all sein Streben sind auf Thoreen konzentriert, doch dieser sieht in dem erwachsenen Krieger nur einen Freund und Beschützer. Ob dies die Zeit noch ändern wird?
Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und für homophobe Menschen nicht geeignet.
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Sämtliche Personen dieser Geschichte sind frei erfunden und Ähnlichkeiten daher nur zufällig.
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Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und für homophobe Menschen nicht geeignet. Im wahren Leben gilt ein verantwortungsbewusster Umgang miteinander und Safer‐Sex!
Weitere Bände der Drachengefährtenreihe:
Band 1: Drachenfeuer – Liebe ist universell
Band 2: Drachenglut - Liebe bedeutet Freiheit
Band 3: Drachenhitze - Liebe überwindet alles
Band 4: Drachensiegel - Liebe findet ihren Weg
Band 5: Drachenmagie - Von Liebe erweckt
Band 6: Drachengefährten
(Bonusband: Drachenherz – Kostenlos bei BookRix lesen!)
Stelgard stand in der großen Halle in der Drachenfestung gemütlich an die Wand gelehnt. Zwischen ihm und dem großen Holzpodest befand sich der komplette Saal. Heute sollte die Verbindung zwischen Iradine, Venecs und Loreanas Tochter, und ihrem menschlichen Gefährten Thurston gefeiert werden. Wehmütig dachte Stelgard an das letzte große Zeremoniell in dieser Halle zurück. Dies lag nun fünfundzwanzig Jahre zurück und damals wurden Prinzessin Loreana und ihr Noch-Ehemann geschieden, im selben Zuge hatte Uralen seinen ehemaligen Tochtermann an Sohnesstatt angenommen, um die Stabilität im Reich aufrechtzuerhalten. Kurze Zeit später waren sie alle zum Thing aufgebrochen, der Zusammenkunft zwischen Drachen und ihren potentiellen Gefährten. Die Erweckung, eine Zusammenkunft der Drachen, bei der sie durch Zuhilfenahme ihres inneren Feuers, ein Symbol auf der Haut eines jeden Menschen erschienen ließen, welcher ein Seelenverwandter einer Flugechse war, fand immer drei Monate vor dem Thing statt. Auch Stelgard, der ein goldenes Drachensiegel auf dem Handgelenk trug, reiste damals nach Hastadoom und hatte tatsächlich das Glück oder auch Pech auf seinen Drachen zu treffen.
Wieder glitt sein Blick zu dem glücklichen Paar. Iradine strahlte vor Glück und Thurston hielt sie fest umfangen, behütete sie und beschützte sie. Die einzige Parallele zwischen diesen Beiden und ihm und seinem Drachen war der Altersunterschied. Auch Stelgard war zwanzig Jahre älter als sein Drache. Meist banden sich ältere Drachen an Menschen, doch das Schicksal wählte immer den kompatiblen Gegenpart, daher konnte es auch so ausgehen, wie bei Iradine und Thoreen. Sie erhielten Partner, die viel älter waren als sie selbst. Für die Tochter von Venec, dem Ältesten, stellte dies kein Problem dar, da sie ihn erst vor wenigen Monaten kennengelernt hatte und selbst bereits fast vierundzwanzig Jahre alt war. Eine Beziehung zwischen einer Zwanzigjährigen und einem Mann Anfang vierzig akzeptierte die Gesellschaft und es hatte auch nichts Anstößiges. Zumal Thurstons Alterung mit dem Bluttausch nicht nur gestoppt, sondern auch umgekehrt wurde, in zwanzig Jahren würde er wieder aussehen wie Mitte zwanzig. Nicht, dass Stelgard undankbar über seine Gefährten war, aber es kostete doch unheimliche Kraft, so lange zu warten. Stelgards Gedanken trifteten wieder in die Vergangenheit, zum letzten Thing in Hastadoom.
Killian, der Drachenkönig, und Einar, sein menschlicher Gefährte und gleichzeitig auch der Menschenprinz, entdeckten Stelgard und Thoreen am Rande des großen Platzes in Hastadoom, zwischen zwei Holzbuden. Thoreen kauerte wimmernd in Drachengestalt auf dem Schoß des jungen Soldaten und ließ sich sacht, tröstend hin und her wiegen. Der kleine Drache brauchte Stelgards Vergebung und Nachsicht, hatte er ihn doch gerade eben so fest gebissen, dass Blut noch immer aus der Wunde am Unterschenkel des jungen Menschen sickerte und doch erschien diesem im Moment nichts wichtiger, als dem kleinen Feuerspucker Trost zu spenden.
Einar und Killian betrachteten das Ganze und Killian zog sofort den korrekten Schluss: Gefährten!
Seit diesem Tag gehörte Stelgard fest zu Thoreens Leben und er wollte auch keine Minute davon missen, auch wenn manche Momente extrem schmerzhaft waren und sich der Mensch oft wünschte, dass Thoreen ihm gegenüber mehr Rücksicht nahm. Doch dieser Umstand hatte Stelgard selbst verschuldet, einerseits weil er Thoreen nicht mit dem unnötigen Wissen belasten wollte, dass sein menschlicher Gefährte unter der Vernachlässigung litt und andererseits, weil es für ihn selbst einfacher war, wenn Thoreen ihn nur für seine Custos hielt. In früheren Zeiten erhielten die Drachen, die vom König abstammten, immer einen Beschützer und als die Drachen anfingen, ihn so zu nennen, wehrte sich Stelgard nicht dagegen, denn es erklärte seine Nähe zu Thoreen, ohne dass er ständig zu langatmigen Stellungnahmen ausholen musste. Da Thoreen zu klein gewesen war, um selbst zu bemerken, dass Stelgard viel mehr als ein Beschützer war und ihn auch später niemand darauf hinwies, verfestigte sich sein Glaube, dass Stelgard genau dies und nichts anderes war. Er genoss daher ungehemmt seine Freiheit als junger und leider auch potenter Mann und Stelgard musste dabei zusehen.
Stelgard konzentrierte sich wieder auf die Zeremonie und freute sich für das junge Paar. Unwillkürlich glitt sein Blick zur Seite des Podestes, dort standen Einar und Killian und neben ihnen natürlich ihr Sohn Thoreen. Schmerzlich zog sich Stelgards Herz zusammen und er beschloss nun endlich, etwas gegen diese seelische Qual zu unternehmen. Er musste seinem Drachen sagen, dass er nicht sein Custos, sondern sein Gefährte war. Egal wie Thoreen im Endeffekt damit umging, schlimmer konnte es nicht werden.
Killian trat vor das frisch verbundene Paar und gratulierte den Beiden, danach setzte der Strom der Gratulanten ein und Stelgard erkannte, dass er sich ebenfalls den Bund fürs Leben wünschte, mit Thoreen, auch wenn dieser gar nicht ahnte, was auf ihn zukam. Stelgard beschloss es ruhig und langsam anzugehen. Er hatte jetzt fünfundzwanzig Jahre gewartet, was waren da noch ein paar Tage.
Nach der Zeremonie stand der Drachenkönig mit seiner Familie zusammen. Einar hatte seinen Daumen in Killians Hosenbund gehakt und seine große Hand lag fest auf dem Hintern seines Drachen, während er sich zeitgleich angeregt mit seiner Schwester Loreana unterhielt. Venec hielt seine Gefährtin dabei zärtlich im Arm und lauschte aufmerksam den Gesprächen, da er selbst nicht sprechen konnte, übermittelte er alles, was er sagen wollte entweder seiner Frau oder dem Drachenkönig, der einer der begabtesten Telepathen der Welt war. Dass Venec und Loreana telepathisch kommunizieren konnten, verdankten sie alleine Killians Hartnäckigkeit. Denn dieser bestand darauf, dass sie zu Palato reisten, der über noch größere Fähigkeiten im Bereich der Telepathie verfügte. Dieser knüpfte ein mentales Band zwischen Loreana und Venec und seither konnten sie sich problemlos per Telepathie verständigen.
Thoreen stand neben Stelgard und unterhielt sich angeregt mit Iradine und deren Gefährten Thurston. Stelgard schwieg die meiste Zeit und hört nur aufmerksam zu. In den vergangenen Jahren hatte er sich dieses Verhalten angewöhnt, da sein blonder großer Drache über ein sehr einnehmendes Wesen verfügte und meist die Gespräche an sich riss. Der Mensch störte sich daran nicht, es gefiel ihm, dass er nicht im Mittelpunkt stand, so hatte er seine Ruhe und konnte ungeniert seinen Drachen bestaunen, da dieser in diesen Momenten abgelenkt und anderweitig beschäftig war. Fest drückte Thoreen erst die junge Drachendame an seine muskulöse Brust und dann klopfte er Thurston aufmunternd auf die Schultern. Die Beiden brachen in Thurstons Heimat auf. Er hatte noch Verpflichtungen aus seinem Menschenleben und diese wollten sie gemeinsam erfüllen. Thurston hatte in jungen Jahren, direkt nach dem letzen Thing, eine Witwe geheiratet und mit ihr zusammen deren zwei Kinder aufgezogen. Nach dem Tod der Mutter vor über einem Jahr brauchten diese jungen Menschen noch etwas Zuwendung und Fürsorge, bevor man sie ins Erwachsenenleben entlassen konnte. Da sich Iradine sehr gut mit Thurstons Ziehkindern verstand freute sie sich auf diesen neuen Lebensabschnitt. Mit einem gewissen Bedauern hatte die Drachenlady akzeptieren müssen, dass sie beide diese jungen Menschen überleben würden. Doch Thurston hatte dies wieder relativiert, als er seine Geliebte darauf aufmerksam machte, dass sie für sehr lange Zeit über deren Kinder und Kindeskinder wachen konnten. Nur wenige Menschen wussten, dass sie bis zum Lebensende und auch ihre Nachfahren noch behütet und beschützt werden würden.
Wehmütig sah Thoreen den Zweien hinterher und sagte laut und deutlich: „Das will ich auch!“ Dann sah er Stelgard auffordernd an.
Doch dieser hatte keine Ahnung, wie er jetzt reagieren sollte. Wollte er ebenfalls eine Beziehung führen? Ja, er selbst wollte das auch, doch er ging nicht davon aus, dass Thoreen über ihre Verbindung gesprochen hatte. Wer weiß, was jetzt kam? Stelgard wedelte einmal kurz mit der Hand, forderte Thoreen stumm zum Weitersprechen auf, doch dieser sah wehmütig dem Paar hinterher.
Sowohl Einar, als auch Killian hatten diese Erklärung vernommen und ahnten ebenfalls Übles, daher näherten sie sich den Beiden schnell.
„Was genau willst du?“, erkundigte sich Stelgard und wappnete sich für die Antwort.
Thoreens Blick ruhte noch immer auf der Ausgangstür, durch die das Drachenpaar verschwunden war, und erklärte: „Ich will ebenfalls meine Gefährtin finden. Ich werde zum Thing fliegen.“
Es fühlte sich an, als hätte jemand Stelgard mit einem Eimer eiskalten Wassers übergossen. Alle Wärme sickerte aus seinen Knochen und es blieb nur eine dumpfe Leere zurück. Nur seine jahrelange Disziplin sorge dafür, dass seine Gesichtszüge nicht entgleisten und er nicht offen zeigte, wie es ihm im Moment ging.
Tröstend legte Einar seine warme Hand in Stelgards Rücken, zeitgleich kontaktierte Killian auf geistigem Wege den Gefährten des jungen Drachen: <Sagst du es ihm gleich oder begleitest du ihn erst zum Thing und sagst es ihm dort. Ein neutralerer Rahmen als euer gemeinsames Quartier wäre vielleicht ratsam.>
Stelgard nickte auf die Frage, dies entging Thoreen nicht und er fragte natürlich nach: „Was kocht ihr wieder ohne mein Wissen aus?“ Dem blonden Drachen war bewusst, dass viele Entscheidungen, die ihn betrafen, zwischen seinen Eltern und seinem Custos getroffen wurden und er im Endeffekt nur das Ergebnis präsentiert bekam. In seiner Kindheit und Jugend war dies in Ordnung gewesen, doch heute wollte er mit einbezogen werden. Alles andere empfand er einfach als respektlos ihm gegenüber.
Der Mensch sah seinen Drachen direkt an und erklärte: „Ich begleite dich nach Hastadoom, das war alles, was Killian wissen wollte.“
Thoreen zuckte nur mit der Schulter und erwiderte: „Natürlich begleitest du mich zum Thing, schließlich müssen alle ungebundenen Drachen sich im Laufe der vier Wochen dort einfinden.“ Eine leichte Irritation klang in diesem Satz mit.
Killian hatte per Gesetz bestimmt, dass jeder ungebundene Drache beim Thing nach seiner Seelenverwandten oder seinem Seelenverwandten suchen musste. Da die Drachen den Menschen das Drachensiegel aufgezwungen hatten, konnten diese nicht mehr die Augen davor verschließen, wenn ein Mann oder ein Frau unumstößlich für einen Feuerspucker bestimmt war. Das Siegel auf der Haut des Menschen offenbarte dies unumstößlich und gab gleichzeitig auch einen Hinweis auf die Identität des Drachen. Die Farbe des Siegels verriet einiges über den Drachen, entsprach es doch in der Farbe der des Feuerspuckers. Einar trug ein schwarzes Mal und Killian hatte schwarze Schuppen. Loreanas Siegel schimmerte ebenholzfarben mit grünem Schimmer und dieselbe Tönung wiesen Venecs Schuppen auf. Diese Aufzählung konnte man stundenlang fortführen und fände doch keine Abweichung, daher hatte der Mensch eine höhere Chance seinen Drachen zu finden, da sich die Farben auch in der menschlichen Gestalt wiederholten, so hatte Killian und auch Venec schwarzes Haar, aber die Augen des Ältesten leuchteten grün, wohingegen der Drachenkönig schwarze Iriden hatte. Da der Drache sofort am Geruch und anhand der entfesselten Gefühle wusste, wer der Gefährte war, brauchten sie keinen solchen Indikator.
Doch bei Thoreen verhielt es sich anders. Feuerspucker lebten von Natur aus sehr gefühlsarm, sie empfanden zwar Freude und Leid, konnten auch Freundschaften pflegen, aber im Prinzip kannten sie keine innigen Gefühle wie Zorn, Wut oder auch Liebe. Dies änderte sich erst, wenn der Feuerspucker mit seinem Gefährten zusammenkam und zwar schlagartig. Gefühle überschwemmten ihn, Liebe explodierte in ihm oder ihr und der Drache wusste ganz genau, wen er da vor sich hatte. Thoreens Gefühlsleben wurde durch Stelgard bereits in dessen früher Kindheit erweckt, beim letzten Thing, vor fast fünfundzwanzig Jahren, daher verfügt er über eine intakte Gefühlsstruktur, ganz wie ein Mensch. Zwar war sich Einars Sohn über die Umstände nicht im Klaren, doch mit den Konsequenzen lebte er seither. Er kannte es nicht anders, das einzige was ihm fehlte, war das innige Verhältnis und die unabdingbare Liebe zu seiner Gefährtin, wie zumindest er glaubte. Stelgard wusste es besser und er beschloss, den Drachen nun aufzuklären, am besten bei der ersten Rast auf dem Weg zum Thing. Thoreen ging einfach von falschen Voraussetzungen aus.
„Wann wollt ihr los?“, erkundigte sich Einar und riss damit seinen Sohn und dessen Gefährten aus seinen Überlegungen.
Thoreen kannte es nicht anders und blickte daher fragend zu Stelgard und dieser antwortete: „Du willst sicher mit leichtem Gepäck reisen!“
Zu dieser Feststellung erhielt er von dem blonden Drachen ein eindringliches Kopfnicken.
Stelgard sah wieder Einar an und ergänzte: „Dann reisen wir gleich ab. Wir schaffen heute etwa die Hälfte der Strecke und kommen morgen im Laufe des Vormittags in Hastadoom an.“
Killian nickte und gab den beiden noch eine Anweisung mit: „Dieses Thing organisiert Halftan für die Menschen und Halit für die Drachen. Ich denke, dass die beiden für etwas Unterstützung dankbar sind. Geht ihnen bitte zur Hand.“ Mit diesen Worten schickte sie der Drachenkönig ihrer Wege und die Beiden verließen gemeinsam die große Halle.
Auf dem großen Rundhof entledigten sich die beiden ihrer Kleidung und wandelten ihre Gestalt. Thoreen und Stelgard sahen sich als Drachen verdammt ähnlich. Sie hatten eine vergleichbare Größe und ihre Rückenschuppen schimmerten matt in dunklem Gold. Stelgards Beine und seine Schwanz-, Bauch- und Halsunterseite hatten einen erdigen hellbrauen Ton, ebenso seine Augen. Bei Thoreen hingegen variierte die Farbe nur zu einem helleren Bernstein und seine Iriden schimmerten in einem hellen sanften grün. Beide nickten kurz Einar und Killian zu, die ihnen nach draußen gefolgt waren und dann hoben sie ab. Auch hier wirkten sie wie ein eingespieltes Team. Synchron gewannen sie an Höhe, wobei Stelgard immer etwas vor Thoreen flog. Dies lag aber eher an der Gewohnheit und stellte keine Notwendigkeit dar. Mit gleichmäßigen Flügelschlägen flogen sie in Richtung Westen.
Stelgards Gedanken drifteten wieder in die Vergangenheit.
Einar hatte ihm bereits kurz nach ihrer Bindung einen Großteil der Verantwortung für Thoreen übertragen. Nicht, weil er ihn los sein wollte, sondern, weil es Stelgard geschmerzt hätte, ausgeschlossen zu werden. Einar sagte damals: „Thoreen gehört zu dir, wie er auch zu mir gehört. Nichts in Bezug auf meinen Sohn wird mehr ohne dein Mitwirken beschlossen.“ Damals empfand er dafür nur Dankbarkeit, doch im Nachhinein erkannte er, dass er dabei auch viele Fehler gemacht hatte. Nicht bei der direkten Erziehung des lebhaften Drachen, sondern bei den Entscheidungen, die er bezüglich ihrer Beziehung getroffen hatte. Seit fünfundzwanzig Jahren lebte Stelgard zölibatär, zumindest wenn es um Sex mit jemand anderem ging. Da er als Mensch zu allen Gefühlen fähig war, befriedigte er sich durchaus selbst, wenn der Druck zu groß wurde, aber niemals betrog er seinen Gefährten. Doch seine dummen Entscheidungen hatten es zugelassen, dass Thoreen ihn betrog, wenn auch unwissentlich.
Als Thoreen gerade sechzehn Jahre alt geworden war, kam Stelgard am frühen Abend in ihr gemeinsames Quartier und überraschte den jungen Drachen dabei, wie er gerade eine junge Frau küsste. Diese schmiegte sich fest an den Sohn des Menschenprinzen und kroch fast in ihn hinein. Im ersten Moment stand Stelgard wie erstarrt da und glotzte nur. Sein Herz schlug schmerzhaft in seiner Brust und er hatte das unbändige Bedürfnis, das Weib zu packen und rauszuwerfen. Doch krampfhaft unterband er diese Anwandlung und versuchte das Ganze rationell zu beurteilen. Er wusste, dass er selbst den Grundstein für diese Episode gelegt hatte, da er Thoreen ganz bewusst verschwiegen hatte, wie sie wirklich zueinander standen. Die mindestens fünfundzwanzigjährige Frau versuchte regelrecht aggressiv, den jungen Burschen vor sich zu verführen. Es grenzte fast an Kindesmissbrauch und aufgrund dieser Beurteilung handelt Stelgard dann. Energisch packte er die Frau unter den Achseln und zerrte sie aus dem Zimmer. Mit einem festen Stoß schickte er sie ihrer Wege und gab ihr noch einen kostenfreien und eiskalt hervorgebrachten Rat mit auf den Weg: „Wenn du eine Eroberung machen willst, dann such dir jemand in deinem Alter, Weib. Kindesmissbrauch wird bei den Drachen mit dem Tode geahndet.“ Diesen Standard hatte Gordun, ein Drachengefährte und ehemaliger Sklave, vor Jahrzehnten festgelegt und Killian hatte ihn nahtlos übernommen. Niemand vergriff sich im Beisein von Drachen an unschuldigen Kindern oder Jugendlichen.
Thoreen saß geplättet auf seinem Bett und sah Stelgard an, der zurück ins Quartier kam. Seine Hose wies eine beträchtliche Beule auf und seine wundgeküssten Lippen zeugten von dem eben beendeten Zwischenspiel. Fragend sah er Stelgard an: „Warum?“
Stelgard seufzte, kniete sich vor Thoreen und stütze seine Hände links und rechts von dessen Hüften ab. Mitfühlend klärte er: „Ich verstehe dein Bedürfnis nach körperlicher Nähe, aber diese Frau hatte dabei nur ein Ziel: Sie wollte den Sohn des Prinzen einfangen. Dass sie nicht einmal eine Gefährtin ist, war ihr egal. Du bist ein lohnendes Objekt für Habgierige. Denke daran immer, wenn du deine Bettgenossen wählst.“ Stelgards Herz zog sich bei jedem Wort schmerzhaft zusammen, denn damit gab er Thoreen die Freiheit, genau das zu tun. Mit einer einfachen Erklärung könnte er es unterbinden, doch er wollte ihm die Möglichkeit geben, eine unbeschwerte Jugend zu erleben. Doch dann kam der Dolchstoß und Stelgard hatte nicht damit gerechnet.
„Custos, ich reagiere nur auf Frauen, ich werde wohl eine Gefährtin bekommen“, erklärte Thoreen im Brustton der Überzeugung. Dass auch sein eigener Vater nur Liebe mit Frauen praktiziert hatte, ließ der junge Drache dabei vollkommen außer Acht. Der Kontakt zum Gefährten konnte so manches ändern.
Stelgard blinzelt und rang nach Worten, Gott, tat das weh. „Warte es ab. Nichts ist in Stein gemeißelt.“ Doch als Reaktion erhielt er ein energisches Kopfschütteln.
Nachdrücklich schob Stelgard diese Erinnerung bei Seite und konzentriert sich auf die Landschaft unter sich. Als Beschützer, der er trotz allem war, gehörte es zu seinen Aufgaben nach Gefahren Ausschau zu halten und dies tat er nun ausgiebig.
Thoreen flog mit gleichmäßigen und kraftvollen Flügelschlägen hinter seinem Custos. Dem längsten und auch ältesten Freund den er hatte, dachte er. In Wirklichkeit hatte er Stelgard nie gefragt, wie alt er wirklich war, sein ruhiges und ausgeglichenes Wesen vermittelten aber den Eindruck von Weisheit und für einen Drachen spielte es überhaupt keine Rolle, ob er vier- oder fünfhundert Jahre alt war. Seufzend glitt sein Blick wieder einmal über den geschuppten Leib seines Freundes und er verpasste sich zumindest in seinem Inneren eine deftige Maulschelle. Dies ging nun schon seit Jahren so und er verstand sich selbst nicht. Thoreen wusste, dass er anders als andere Drachen war, schon immer und keiner wusste warum. Wobei, wirklich nachgeforscht hatte er nicht und auch nie energisch nach Antworten verlangt. Killian oder Venec hätten vielleicht etwas gewusst oder herausfinden können. Doch er hatte es einfach als gegeben hingenommen und als Gunst des Schicksals akzeptiert. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie es war, so gefühlskalt zu sein, wie all die anderen Feuerspucker, bevor sie ihre Gefährten kennen lernten. Iradine hatte sich immens verändert, seit sie Thurston kennengelernt hatte und zwar zum Besseren. Was ihn quälte, war die latente Anziehung, die Stelgard auf ihn ausübte. Drachen banden sich an Menschen und niemals aneinander. Diese Möglichkeit bestand einfach nicht, folglich gaukelte ihm sein Verstand etwas vor, das einfach nicht real sein konnte. Seine erste Erektion hatte er mit vierzehn Jahren gehabt, als er sah, wie Stelgard unbekleidet aus dem Badehaus kam. Gottseidank hatte er sich damals nach dem Bad vollständig angezogen, denn sonst wäre sein Zustand offensichtlich gewesen. So aber hatte er es vor Stelgard verheimlichen können und dies funktionierte seither wunderbar. Einen Drachen zu täuschen erforderte einiges, denn bereits der Geruch verriet die Erregung, doch bisher hatte Stelgard sie nicht bemerkt und wenn er Glück hatte, blieb es dabei. Aus genau diesem Grund hatte er sich sexuell niemals einem Mann genähert, denn wenn er etwas mit dem gleichen Geschlecht anfing, könnte es sein, dass die Hemmschwelle in Richtung seines Custos fiel und er sich auch diesem an den Hals warf. Das durfte auf keinem Fall passieren! Er liebte seinen Freund, auf platonischer Ebene zu Hundertprozent, bezüglich der wirklichen, wahrhaftigen Liebe konnte und wollte er keine Aussage treffen. Ließe er es zu, würde er sich auf den goldenen Drache festlegen, der vor ihm flog, doch was sollte er dann mit seiner menschlichen Gefährtin anfangen?
Stelgard deutet auf eine große Lichtung in dem hügeligen Waldgebiet und Thoreen setzte sofort zum Sinkflug an. Geschickt landete der erstklassige Flieger auf der Lichtung und begann damit, einige Felsbrocken und die zwei umgefallenen Bäume bei Seite zu schieben. Während er die unbewaldete Fläche für ihr Übernachten vorbereitete, suchte Stelgard nach Beute. Immer teilten sie die Aufgaben gerecht auf und diesmal sorgte Thoreen für die Behaglichkeit und Stelgard für die Verpflegung. Thoreen sah sich noch einmal um und beschloss, dass es so reichte. Dann legte er sich gemütlich hin und schielte in Richtung Himmel. Die Sonne stand zwar noch am Himmel, wurde aber von den Bäumen verdeckt. Der Herbsthimmel glühte in einem wunderschönen Rot und passte perfekt zu dem vielfarbigen Herbstlaub. Das leise Rascheln im umliegenden Laubwald sorgte bei Thoreen für ein angenehmes Gefühl von Geborgenheit. Er verband den Herbst immer mit der innigen Zweisamkeit mit Stelgard, er wusste aus Erzählungen seiner Eltern, dass er Stelgard schon als Baby gekannt hatte, aber die erste bewusste Erinnerung an den großen blonden Kämpfer verband er mit Herbst und dem Thing. Dort hatte er die Verbindung zu Stelgard geschmiedet und er war zu seinem Custos geworden, das wusste Thoreen genau, auch wenn ihm der genaue Ablauf der Dinge nicht in Erinnerung geblieben war. Am meisten bedrückte ihn der Umstand, dass er nicht beurteilen konnte, wie das Leben ohne Stelgard sein würde. Einerseits wünschte er es herauszufinden, vielleicht vergingen dann auch diese verwirrenden Gefühle für den goldgeschuppten Drachen. Andererseits fürchtete er sich auch davor. Bisher hatte er immer von Stelgard Rückendeckung und jede Unterstützung bekommen, die er benötigte. Sogar Aufklärungsunterricht hatte dieser betrieben. Mit einem Schmunzeln erinnerte sich Thoreen an diese Begebenheit.
Thoreen saß auf seinem Bett in ihrem gemeinsamen Quartier in der Drachenfeste und Stelgard kniete vor ihm. Seine großen Hände lagen links und rechts von seiner Hüfte und er sah ihn eindringlich an. Soeben hatte er gerade eine ziemlich aufdringliche Frau aus ihrem Zimmer entfernt. Die dunkelhaarige Schönheit hatte Thoreen unverhohlen angeflirtet und er hatte sich gedacht, dass er, wenn er etwas mit ihr anfing, die unnützen Gefühle für Stelgard eindämmen konnte. Das Ganze hatte ihn zwar erregt, doch noch viel stärker war seine Männlichkeit angeschwollen, als er beobachtete, wie Stelgard das Weib ohne viel Federlesens hinausbeförderte. Sein ganzes Wesen verlangte nun danach, dass der Drache ihn auf die Matratze drückte und ihn vereinnahmte, doch stattdessen erklärte dieser ihm, dass solche Weiber es nur auf seine Stellung und sein Vermögen abgesehen hatten und er sorgfältiger auswählen sollte. Noch deutlicher hätte er ihm nicht machen können, dass er selbst keinerlei Verlangen nach ihm verspürte. Ohne viel nachzudenken und rein instinktiv wollte er so viel Abstand zwischen ihnen schaffen, wie er nur konnte und verkündete Stelgard daher, dass er ausschließlich auf Frauen stand und seine Gefährtin daher vermutlich auch weiblich sein würde. Stelgard hatte ganz gelassen zugehört und ihn dann ermahnt, für alles offen zu sein. Das Schicksal nahm keine Rücksicht auf Präferenzen. Als ob Thoreen das nicht wüsste. Seine Verwandten zogen seine Eltern immer wieder mit dem Umstand auf, dass Einar anfangs eine Partnerin bevorzugt hätte und im Endeffekt mit dem Drachenkönig verpaart worden war.
Stelgard erkundigte sich bei Thoreen: „Was weißt du über die Vorgänge bei Sex?“