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Endlich darf er Schluss machen, sich zur ewigen Ruhe begeben. Gabriel ist am Ende seiner Kräfte. Seine Aufträge verlangen ihm alles ab und nichts als Leere und Schmerz lassen sie zurück. Nach all den Jahrhunderten erhält er nun seinen letzten Auftrag: Er soll den Clansherrn Angus McBain vor seiner heimtückischen Ermordung retten. Gelingt es ihm, darf er ins Vergessen abdriften, darf zu nichts werden. In den Highlands im frühen dreizehnten Jahrhundert kümmert sich Gabriel in seiner kalten und unnahbaren Art um den befohlenen Schutz für den Anführer der McBains. Dass der blonde Hüne leider noch eine ganz andere Wirkung auf Gabriel hat, kann dieser nicht leugnen, auch wenn er es noch so gerne möchte. Krampfhaft versucht der Guardian, die Balance zwischen seinem Wunsch nach dem Ende seiner Existenz und den lustvollen Gefühlen für seinen Schutzbefohlenen zu wahren. Kann er all diese widerstreitenden Empfindungen und Wünsche unter einen Hut bekommen? Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und für homophobe Menschen nicht geeignet.
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Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und fürhomophobe Menschen nicht geeignet. Im wahren Leben gilt ein verantwortungsbewusster Umgang miteinander und Safer‐Sex!
The Guardians - Gabriels letzter Auftrag
Endlich darf er Schluss machen, sich zur ewigen Ruhe begeben. Gabriel ist am Ende seiner Kräfte. Seine Aufträge verlangen ihm alles ab und nichts als Leere und Schmerz lassen sie zurück. Nach all den Jahrhunderten erhält er nun seinen letzten Auftrag: Er soll den Clansherrn Angus McBain vor seiner heimtückischen Ermordung retten. Gelingt es ihm, darf er ins Vergessen abdriften, darf zu nichts werden.
In den Highlands im frühen dreizehnten Jahrhundert kümmert sich Gabriel in seiner kalten und unnahbaren Art um den befohlenen Schutz für den Anführer der McBains. Dass der blonde Hüne leider noch eine ganz andere Wirkung auf Gabriel hat, kann dieser nicht leugnen, auch wenn er es noch so gerne möchte.
Krampfhaft versucht der Guardian, die Balance zwischen seinem Wunsch nach dem Ende seiner Existenz und den lustvollen Gefühlen für seinen Schutzbefohlenen zu wahren. Kann er all diese widerstreitenden Empfindungen und Wünsche unter einen Hut bekommen?
Michael, der Anführer der Guardians, blickte über die Highlands. Neben ihm stand sein bester Freund und Stellvertreter Raphael und seufzte leise. Sie hatten nur noch wenige Aufträge, ihre Ära ging zu Ende. Dieses ständige Springen durch die Zeit gab ihnen allen ein Gefühl von Unbeständigkeit, als gehörten sie nirgends richtig hin. Auch Michael litt unter diesem Manko ihrer Berufung, konnte diesem anhaltenden Gefühlschaos jedoch nicht entkommen. Doch die Aufträge offenbarten sich nun einmal nicht in chronologischer Reihenfolge. Oft ergaben sich Dinge in der Zukunft, die auf Ereignissen in der fernen Vergangenheit beruhten und die Guardians mussten regulierend einschreiten. Wen sollte er nur hierher schicken? Welcher seiner Krieger konnte diese Aufgabe zu einem Erfolg führen?
„Wen willst du mit dieser kniffligen Aufgabe betrauen?“, zielsicher legte Raphael seinen Finger in die Wunde.
Seufzend zuckte Michael mit den Schultern: „Ich weiß es wirklich nicht. Für Uriel ist das nichts, er ist zu sanft, zu mitfühlend. Die Highlands dieser Zeit sind ein raues Pflaster voll Krieg und Gemetzel. Azazel kommt bei den Schotten sicher gut an, doch früher oder später könnte er es sich mit McBain verscherzen, denn der kann Lügner nicht ausstehen. Wenn es einfach darum ginge eine Schlacht erfolgreich zu schlagen, könnte ich Ariel schicken, aber so? Er denkt zu starr, ist dafür einfach zu unflexibel. Auch dich kann ich nicht damit beauftragen, hier ist kein Heiler gefragt.“ Verzagt atmete der Anführer der Beschützer tief durch. Es blieb ihm hierfür nur ein einziger Kämpfer, vorausgesetzt, er wollte nicht selbst gehen.
Entsetzt erkundigte sich Raphael, der seinen Anführer sehr gut kannte: „Nein, das ist nicht dein Ernst! Du willst Gabriel schicken? Das wird ein Gemetzel, ein Desaster! Michael, das kann nur schief gehen!“ Panik klang in Raphaels Stimme mit.
In seinem tiefsten Inneren befürchtete Michael dasselbe, aber er hatte keine Wahl. Wenn er selbst ging, bedeutete dies das Ende für ihn und Gott hatte ihm ganz klar gemacht, dass sein Weg hier noch nicht endete. Er musste noch eine Aufgabe erledigen, er würde eines Tage das wahrhaft Böse neutralisieren müssen, irgendwie. „Was soll ich machen? Er ist der einzige, der in Frage kommt. Er hat die Fähigkeit, die Zähigkeit und die passenden Voraussetzungen dafür. Gabriel hat schon in allen martialischen Zeitaltern Menschen beschützt. Er kann das.“ Nun Einbildung war bekanntlich auch eine Bildung.
Als Reaktion erhielt er für diese Aussage von Raphael nur ein abfälliges Schnauben. Der schlanke Heiler begann auf- und abzugehen, er wollte wohl überschüssige Energie loswerden. „Michael, ich verstehe dich ja. Aber Gabriel hatte seinen letzten Auftrag vor über fünfhundert Jahren und du hattest einen extrem guten Grund, ihn nicht mehr loszuschicken. Beim letzten Mal hat er ein ganzes Dorf, neunhundert Seelen, ausgelöscht. Er hat keinen Unterschied zwischen Männern, Frauen und Kindern gemacht. Ob jung oder alt, war ihm herzlich egal. Was ist, wenn er erneut so ausrastet? Mittlerweile ist seine seelische Verfassung nicht besser geworden! Und dann auch noch ein Auftrag in Schottland!“
Alle Einwände stimmten. Michael konnte nichts dagegen sagen, aber er hatte einfach keine Wahl und sah seinen Freund hilflos an. „Dann bleibt uns nur zu beten und zu hoffen, dass er sich am Riemen reißen wird. Es muss getan werden und Gabriel ist der Einzige, der zur Verfügung steht.“
Michael stand noch immer auf dem Grat des Granitfelsens hoch über Loch Bà, als Gabriel wie befohlen, neben ihm erschien. Unwillkürlich verkrampfte sich der Anführer der Guardians und betrachtete seinen einst besten Kämpfer. Nicht das Gabriel heute nicht mehr kämpfen konnte, nein, das beherrschte er perfekt. Doch man wusste heute nie, wie er auf eine Situation reagierte. Sein vorletzter Auftrag hatte den Erzengel an seine Grenze gebracht und ihn dann mit Wucht darüber hinaus gestoßen. Selbst ein Guardian hielt nur bedingt Folter aus, dauerte diese über Jahre, verlor selbst der gefestigtste Charakter seinen Verstand. Michael wusste genau, was Gabriel erlitten hatte und dass dieser sich nur noch eines wünschte. Gabriel wollte sterben. Doch einem Guardian war es nicht gestattet, einfach so aus dem Leben zu scheiden. Man konnte im Zuge eines Auftrags sein Leben lassen, aber auch nur dann, wenn es keine Alternative, keinen Ausweg gab.
Gabriel stand neben Michael. Er hasste Schottland! Seit fünfhundert Jahren hatte dieser ihn nicht mehr irgendwo hin beordert und jetzt gerade hier her? Wenn er seinen Anführer gesehen hatte, dann ausschließlich im Refugium. Engel kümmerten sich um einander, daher hatten ihn die anderen Guardians mit seinem Leid nicht alleine gelassen. Nur helfen konnten sie ihm nicht. Das Verarbeiten des Grauens musste er alleine schaffen und bisher scheiterte er kolossal an dieser Aufgabe. Gabriel, der Racheengel, der Sodom und Gomorra dem Erdboden gleich gemacht hatte, konnte seine eigene Folter nicht verwinden. Wie jämmerlich! Gabriel schämte sich für sich selbst. Daher konnte er gar nicht verstehen, wie Michael ihn wieder zu einem Einsatz schicken konnte. Vertraute ihm dieser wirklich? Er selbst würde keinen müden Pfifferling auf seine Fähigkeiten geben. So gut konnte sich Gabriel selbst einschätzen und daher sah er Michael auch äußerst skeptisch an.
Michael hingegen lächelte ihn nur sanft an und deutete auf Loch Bà unter ihnen. Das Gewässer lag friedlich in der Abendsonne da. Weiß glitzerte der Schnee auf der leicht hügeligen Moorlandschaft. Die Uferbereiche des Lochs waren zugefroren und der eisige Wind zeugte von einer heraufziehenden kalten Nacht. Michaels Hand öffnete sich und zeigte Gabriel die darin verborgene steinerne Träne. Noch bestand sie aus schwarzem Onyx, offenbarte nichts.
Doch der schwarzhaarige Engel wusste, es würde nicht so bleiben. Sobald Michael sie in seine Hand fallen ließ, würde er umgehend erfahren, was hier getan werden musste. Seufzend sah er seinen Freund an und fragte nur: „Warum Schottland?“
Michael seufzte und blinzelte in die untergehende Sonne. „Es ist dein letzter Auftrag. Du darfst danach aufhören. Diese Aufgabe wird dir das Vergessen in der Ewigkeit bringen. Ich habe es gesehen. Willst du das?“ Der Anführer kannte seine Gefolgsleute verdammt gut. Jeder hatte seine eigenen Dämonen und Ängste und Gabriel wünschte sich nur noch Ruhe und Stille, wie sie einem nur der Tod bringen konnte.
Energisch nickte der Gefragte, dabei wehte sein schulterlanges Haar über seine nackten Schultern. Ja, er wollte heraus aus diesem niemals endenden Kreislauf der ewigen Existenz. Man konnte es nicht einmal wirklich als Leben bezeichnen, denn die Engel schufen nichts, vermehrten sich nicht und starben auch nie, keine Weiterentwicklung, nur Stillstand. Ihr Sein richtete sich vollständig auf die Aufgaben Gottes aus. Wenn er also diesen Auftrag erfolgreich beendete, durfte er ins Jenseits eintreten. Trotz seines inständigen Wunsches verriet seine Miene nichts von seinen Gefühlen, sein Gesicht wirkte wie aus Granit gemeißelt. Man hielt ihn für kalt, sollten sie, Gabriel wollte nichts an dieser Einschätzung ändern. Zitternd öffnete Gabriel seine Hand und erwartete die schwarze Onyxträne. Automatisch betete er für die Stärke, alles tun zu können, was für die Erfüllung dieser Aufgabe notwendig werden konnte.
Michael atmete tief durch und hoffte das Beste, als er das kleine Stück Offenbarung in Gabriels Handfläche fallen ließ.
Kaleidoskopartig blitzten Bilder in Gabriels Verstand auf. Es würde etwas Zeit in Anspruch nehmen, alles zu erfassen und zu begreifen. Konzentriert kniete er sich auf das Granitmassiv und wartete geduldig ab. Wenn er eines mittlerweile erworben hatte, dann war es Geduld. Inzwischen konnte er sich hinsetzen und Tropfen beim Fallen zusehen und dies Stunden lang. Die Irrfahrt der Bilder verlangsamte sich und die Eindrücke wurden klarer, verständlicher. Vor seinem inneren Auge blitzte das Bild eines großen blonden Schotten auf, dieser trug zu Gabriels Entsetzen ein McBain-Tartan aus längst vergangenen Zeiten. Die Karo-Muster der Clans veränderten sich, wenn sich Stämme zusammenschlossen, entstanden neue Clansfarben. Auch wenn ein Clan durch die Obrigkeit besondere Vergünstigungen oder Auszeichnungen erhielt, konnten sich die Muster verändern. Hier stand ein Krieger aus dem dreizehnten Jahrhundert, aus der Zeit von Eduard I von England, und diesen sollte er beschützen? Gabriel knirschte mit den Zähnen. Die direkten Vorfahren seiner Peinigerin sollten nun unter seinem Schutz stehen. Michael hatte wirklich ein enormes Vertrauen in ihn. Nachdem die Träne überreicht war, konnte der Auftrag nicht mehr an einen anderen Guardian vergeben werden. Das Schicksal der Welt stand oder fiel mit Gabriels Erfolg. Nur wenn er Erfolg hatte, konnte er auch seine eigenen Ziele erreichen. In Gottes Namen, er würde es schaffen und wenn es ihn umbrachte. Lachend erkannte er seinen Gedankengang. Ja, es sollte ihn ja umbringen!
Wieder standen Raphael und Michael beisammen, diesmal im Refugium und sahen auf Gabriel hinunter und beobachteten dessen reichlich gegensätzliche Reaktion auf seinen Auftrag.
„Er scheint gute Laune zu haben“, kommentierte Raphael Gabriels Lachen. Ratlosigkeit machte sich in dem Heiler breit, schon eine Ewigkeit hatte niemand mehr den schwarzhaarigen Guardian lachen sehen.
Michael schüttelte betrübt den Kopf. „Da ist keine Freude mit im Spiel. Gabriel hat gerade erkannt, dass es seine Aufgabe sein wird, Angus McBain zu beschützen.“
Raphael schnappte laut nach Luft: „Der direkte Vorfahre von Rachel McBain, der Frau, welche Gabriel ein Menschenleben lang gefoltert und gepeinigt hat? Dieser McBain?“
Von Michael kam nur ein bedrücktes Nicken. Ja, genau dieser McBain. Das Schicksal fiel auch dem Guten mit Wucht in den Rücken.
Gabriel marschierte mit stoischer Miene auf die Siedlung zu. Die Sonne hatte sich vollständig hinter den Horizont gesenkt und Schneefall hatte eingesetzt. Eisig kalt rieselte es vom Himmel und die Flocken schmolzen auf Gabriels warmer Haut. Die Temperatur fühlte sich für den Guardian nicht angenehm an, aber er würde es überleben. Seine langen muskulösen Beine steckten in einer engen schwarzen Lederhose. An seinen großen Füßen trug er einfache Wildlederstiefel, ebenfalls in schwarz. Allgemein dominierte an Gabriel die dunkle Farbe. Seine Augen und Haare wiesen dieselbe mitternächtliche Färbung auf. Seine Gestalt beeindruckte nicht durch extreme Muskelberge, nein, seine Glieder und sein Torso waren zwar gut modelliert, aber nicht übermäßig muskulös. Sein ganze Optik schrie: Ausdauer und Disziplin! Das lange wehende Haar zeugte von der Unbändigkeit seines ursprünglichen Wesens, vor der Folter. Heute lebte er in einem selbstgewählten Korsett, einem Gefängnis aus Gefühlen und Einschränkungen. Gabriel wusste nicht einmal mehr, wie sich Freude und Glück anfühlten.
Die kleinen Katen vor ihm schmiegten sich in den Schatten der großen normannischen Burg. Von der Träne wusste er, dass die McBains ihr Land von den Fraisers erobert hatten. Der Clansherr der Fraisers hatte eine normannische Erbin geheiratet und ihr Vater bestand auf den Bau der Burganlage. Glencastle passte als Name perfekt, da die Burg direkt neben Loch Bà im Tal der umliegenden Berge lag. In einer solchen Nacht trieb sich niemand im Freien herum, daher konnte Gabriel ohne aufgehalten zu werden, die kleinen Behausungen passieren. Erst das geschlossene Burgtor stoppte ihn. Sein Blick ging nach oben, auf dem umlaufenden Wehrgang beugte sich gerade ein Wachmann nach unten. Scheinbar hatte McBain seine Clansleute im Griff. Meist herrschte eher eine laxe Disziplin unter den Highlandern.
„Wer da? Was wollt ihr?“, rief es aus der Höhe.
Gabriel hatte sich im Vorfeld nicht wirklich Gedanken gemacht, wie er es schaffen sollte, eingelassen zu werden. Bei einer schlecht bewachten Burganlage hätte er sich einfach hineinschleichen können, doch so bremste ihn der aufmerksame Wachmann aus. Seufzend dachte er nach und rief dann nach oben: „Ich bin ein Geschenk für den McBain.“ Das sollte funktionieren.
Der Schotte in dem festen Wollumhang spähte in die Tiefe. Wenn er richtig sah, stand da tatsächlich ein großgewachsener halbnackter Mann und dieser behauptete tatsächlich, ein Geschenk für den Clansherrn zu sein. Kopfschüttelnd drehte er sich um und rief hinunter in den kleinen Burghof: „Graham, laufe in die Halle und sag unserem Chief, dass wir hier am Tor einen Vorfall haben. Er muss kommen!“
Der junge Soldat sprintete sofort los, dabei rutschte er etwas unelegant über das glatte Pflaster, fing sich aber in letzter Sekunde ab. Etwas langsamer setzte er seinen Weg fort.
Der Wachmann blickte dem jungen Kerl hinterher und seufzte schwer. Warum nur? So jung und dabei ungestüm wie ein Welpe. Aus diesen Burschen sollte er eine Kampftruppe formen. Duncan bildete nicht gerne aus, aber als bester Freund des Chiefs und fähiger Soldat, musste er viele Aufgaben übernehmen und das Training gehörte eben auch dazu. Doch am wenigsten konnte er den Wachdienst leiden. Trotzdem erfüllte er ihn gewissenhaft und murrte nie, wenn er dazu eingeteilt wurde. Jeder erhielt sein gerechtes Scherflein und leistete seinen Beitrag. McBain verlangte nie mehr, als ein Mann leisten konnte. Wieder konzentrierte sich der Schotte auf den Wartenden vor dem Tor. Warum lief der Idiot nur so spärlich bekleidet durch die Gegend? Genau musterte der Schotte den Neuankömmling. Der Körper wirkte drahtig und leistungsstark. Der Mann wirkte angespannt und eine latente Aggression ging von ihm aus. Selbst die Art wie er stand, ein Bein etwas nach vorne geschoben mit den locker hängenden Armen, wirkte, als würde er plötzlich losstürmen wollen, um jemanden anzugreifen. Dieser Mann war gefährlich.
Angus McBain folgte Graham hinaus auf den Hof. Gemeinsam überquerten sie das rutschige Pflaster und der Chief stieg die Leiter zum Rundgang hinauf. Dort angekommen näherte er sich zügig seinem besten Freund. Duncan spähte in die Tiefe und wirkte fasziniert, zumindest kam es Angus so vor. Neugierig folgte er dem Blick seines Stellvertreters und blinzelte dann ungläubig. Bei diesen eisigen Graden stand dort unten ein Mann, nur mit Hosen bekleidet! Wollte dieser sterben? Jetzt verschränkte der Kerl die langen Arme vor der nackten Brust und legte den Kopf in den Nacken. Angus konnte ebenfalls erkennen, dass der Mann scheinbar die Geduld verlor und anfing, mit dem Fuß auf den gefrorenen Boden zu klopfen. Für einen Bittsteller benahm er sich ganz schön anmaßend. „Was will er?“, erkundigte sich der Laird bei seinem Freund.
„Achtung: Er behauptet ein Geschenk für dich zu sein!“, Unverständnis klang in diesen Worten mit. In Schottland gab es keine Leibeigenen, nur im platten England. Daher machte die Aussage des Fremden für die Highlander wenig Sinn.
Kopfschüttelnd sah Angus wieder hinunter. Dann rief er in die Tiefe: „Wer bist du und was willst du?“
Gabriel wusste genau, wen er da vor sich hatte. Die Träne hatte ihm auch Angus McBain gezeigt und genau dieser stand nun über dem geschlossenen Tor und sah auf ihn hinunter. McBain, der Vorfahre seiner ganz persönlichen Geißel. Tief durchatmend antwortete der Guardian: „Ich bin Gabriel und ich bin ein Geschenk für dich!“ Es gab mehrere Möglichkeiten, wie der Highlander jetzt reagieren konnte. Entweder er schickte ihn weg, er ließ ihn einfach ein oder er nahm ihn gefangen. Letzteres wollte er auf keinen Fall riskieren. Von einem Kerker aus konnte er seinen Auftrag nur schwer erfüllen. Außerdem würde er eine Gefangennahme niemals mit heilem Verstand überstehen.
Kopfschüttelnd richtete sich Angus auf und sah Duncan ratsuchend an. „Was hältst du davon? Ist der Kerl irre?“
Duncan zuckte mit den Schultern: „Ich weiß auch nicht, er klingt relativ normal. Aber dann sollte er wissen, dass es in den Highlands keine unfreien Menschen gibt. Natürlich unterstehen wir alle einem Clansherren, aber wir haben die Wahl, können gehen, wenn wir es wollen. Ich kann dir auch nicht sagen, was du mit ihm machen sollst.“
Angus kannte den Fremden nicht, er sprach perfektes Englisch, also vertraute er ihm per se nicht, zudem verhielt er sich einfach seltsam. McBain beugte sich wieder hinab und rief: „Verschwinde. Ich brauche dich nicht. Wenn du dich nördlich hältst, kommst du nach Tobermory.“
Gabriel hatte damit gerechnet und diese Reaktion gefiel ihm im Prinzip am besten. Jetzt saß er am längeren Hebel. Gott hatte ihm diesmal freie Hand gelassen, ohne Einschränkungen. Die McBains gehörten zu den praktizierenden Christen, die es aber nicht übertrieben. Ihr Glaube blieb bodenständig und vernünftig. Gabriel sprang vom Boden ab und katapultierte sich mit Hilfe seiner schwarzen Schwingen in die Höhe. Direkt vor den beiden Schotten landete er auf den Zinnen. Er kauerte sich in die Hocke und seine Hände umfassten den harten Granitstein unter seinen Stiefelsohlen. Mithilfe seiner Flügel hielt er das Gleichgewicht in dem eisigen Schneesturm.
Die Highlander standen vor der Erscheinung und starrten den Mann sprachlos an. Was zum Teufel?
Leise verkündete Gabriel in vollkommen neutralem Ton und unbewegtem Gesicht: „Man kann ein Geschenk Gotte nicht abweisen. Ich klebe an dir wie Baumharz. Meine Aufgabe ist es, über dich zu wachen, Angus McBain, und genau das werde ich tun bis dein Leben wieder sicher ist.“ Der Guardian hatte Stellung bezogen und sich positioniert. Wenn er die Schotten vor sich richtig einschätzte, würden sie seine Anwesenheit nun akzeptieren und es zulassen, dass er seinen Auftrag erfüllte.
Angus McBain hatte das Gefühl, in einem Traum gefangen zu sein. Konnte wirklich ein Engel vor ihm auf der Mauer hocken? Vorsichtig streckte er seine Hand aus und befühlte die Federn der schwarzen Flügel. Eine Gänsehaut zog sich über seine Arme und sein Blick irrte zum Gesicht des Flügelträgers. Sie waren echt, wirklich echt!
Gabriel zog irritiert die Augenbrauen nach oben, nickte aber bestätigend, sie waren echt, er war echt. Trotz seiner trostlosen Grundstimmung amüsierte ihn der verblüffte Gesichtsausdruck des Blonden und er musste ein Auflachen verhindern. Schon lange hatte ihn niemand mehr zum Lachen gebracht. Der Schotte weckte fremd gewordene Emotionen in dem Guardian. Wenn Angus McBain sich weiterhin so menschlich verhielt, konnte Gabriel es tatsächlich schaffen. Im Stillen betete der Engel dafür. Nur einmal wieder wirkliche Gefühle empfinden, davon träumte der Guardian seit dem Ende seiner Folterqualen. Mittlerweilen hatte er die Hoffnung gänzlich aufgegeben. Was sollte sich auch schon groß ändern? Seine Existenz stand seit Jahrhunderten still.
Duncan räusperte sich und flüsterte Angus zu: „Träume ich? Was machen wir jetzt?“ Hilflosigkeit und Unglaube klang in den Worten mit.
Angus schluckte und atmete tief durch. Er war der Laird der McBain, er musste entscheiden und das schnell. Seinen Clan gab es erst seit wenigen Jahren und er hatte sich seine Position erkämpfen müssen. Dazu hatte er die Fraisers besiegen und vertreiben müssen. Der Clan seines Vaters gab sich zähneknirschend geschlagen und zog von der Isle of Mull ab. Die Fraisers, die blieben, wechselten klaglos ihre Farben, schlossen sich den McBains an. Als unehelicher Sohn des Chiefs der Fraisers stand dem McBain Glencastle sowieso zu, schließlich hatte der alte Clanherr keine regulären Nachkommen. Zumindest argumentierten die Gebliebenen und Angus Clan so. Die McBains waren eine Ansammlung von Strauchdieben, Verjagten, Ausgestoßenen, Verbrechern und Unehelichen. Vor allem die Frauen ihres Clans teilten dieses Schicksal, entweder hatten sie uneheliche Kinder oder wurden von ihrem Clan verstoßen, weil sie vergewaltigt worden waren. Angus McBain nahm all diese einsamen Seelen in seine Familie auf und gab ihnen eine Zukunft. Seine drei Kinder hatte er mit einer dieser gefallenen Frauen bekommen, Fiona hatten plündernde Engländer geschändet und einfach liegen lassen. Duncan und Angus fanden sie und nahmen sie einfach mit. Damals zählte Angus gerade zwanzig Sommer und stieg gerade in den Rang des Clansherrn auf. Seine zusammengesuchte Familie zog von Clansland zu Clansland. Viele boten ihnen für begrenzte Zeit Unterschlupf, aber bleiben durften sie nie. Also entschloss sich Angus dazu, für sie eine dauerhafte Heimat zu erbeuten. Land kaufen ging nicht, denn ihnen fehlten die Barmittel. Aber an Menschen waren sie reich. Die Männer formten schnell eine gut eingespielte Kampftruppe. Ihre direkten Nachbarn, die McAllisters, boten ihnen eine vorrübergehende Heimat, bis sie bereit waren die Fraisers anzugehen. Die McAllisters verabscheuten ihre Nachbarn, da die Fraisers vor zwei Generationen die Tochter ihres Clanchiefs als Braut ablehnten. Seither herrscht zwischen den Familien Krieg und die McAllisters hielten sich an das Sprichwort: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Mittlerweile zählten die McAllisters wirklich zu den Freunden. Angus ältester Sohn wurde vom McAllister ausgebildet und dessen Ältester sollte beim McBain das Waffenhandwerk erlernen. Wenn alles glatt lief, würde sie ihre Familien durch eine Hochzeit verbinden. Der McBain hatte eine hübsche, jetzt sieben Jahre alte Tochter. Diese konnte einen Sohn von Kieran McAllister heiraten, wenn sich die Kinder mochten.
Blinzelnd konzentrierte sich McBain wieder auf die aktuelle Situation. Der Engel kauerte noch immer vor ihm und erwartete seine Entscheidung. Aber eigentlich hatte er gar keine Wahl. Ein Geschenk Gottes konnte und durfte man nicht ablehnen. Seufzend deutete er dem schwarzhaarigen Flügelträger an, ihm zu folgen. Er akzeptiert den Schutz des Engels.
Gabriel sprang leichtfüßig von der Mauerkante und folgte dem Laird. Sein Gesicht blieb dabei vollkommen ausdruckslos. Dieser kleine Triumph brachte ihm keine Befriedigung. Schon lange erzeugte nichts mehr tiefe Gefühle in dem Engel.
Zügig stiegen die beiden die steile Leiter hinunter und überquerten den verschneiten Hof. Der junge Graham sah den beiden hinterher und verstand nicht, wie der Halbnackte überhaupt in die Burg gekommen war.
Angus stieß die große Tür zur Halle auf und sie traten ein ins Warme, verließen die eisige Nacht.