Du bist frei, wenn du willst - Patricia Vandenberg - E-Book

Du bist frei, wenn du willst E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Andreas Steffen und Michaela Martini saßen auf dem Balkon ihrer hübschen Wohnung und machten Pläne für ihre Hochzeitsreise. Da sie die Hochzeit vorverlegt hatten, weil sie diese Wohnung schneller bekamen, als anzunehmen gewesen war, hatten sie noch keine Entscheidung getroffen gehabt, wo sie ihre Flitterwochen verbringen wollten. »Es werden ja nur Flittertage«, meinte Michaela verschmitzt, »also könnte es auch eine Fahrt ins Blaue werden. Vielleicht Südtirol? Wir brauchen ja auch noch allerhand für die Wohnung, Andy. Und wenn schönes Wetter wäre, bräuchten wir gar nicht wegzufahren.« »Tante Ida wird schon ein bißchen was springen lassen«, meinte Andreas. »Sie braucht immer einen Anlaß, und natürlich möchte sie auch ein entsprechendes Dankeschön, aber im Grunde ist sie doch ganz nett.« »Mir gefällt es nur nicht, daß sie immer betont, daß sie die Erbtante sei«, sagte Michaela. »Und dieses Gerede ›wenn ich tot bin, bekommt ihr ja alles‹, gefällt es mir erst recht nicht.« »Laß sie doch, Michi, da werden auch noch ein paar andere erben. Sie redet genauso zu Hanno und Ingrid, und vielleicht hat sie auch ihre lieben alten Freunde bedacht. Ich will ja auch nichts davon haben, aber zu Lebzeiten, und wenn wir heiraten, worauf sie ja so großen Wert legt, kann sie auch mal großzügig sein.« »Verlassen wir uns lieber auf uns selbst«, sagte Michaela. »Von meinem Vater habe ich auch nicht viel zu erwarten, Andy. Es ist doch nur wichtig, daß wir uns verstehen, daß wir gesund sind und anständig verdienen, und ich bin stolz, daß wir uns diese Wohnung ganz allein geschaffen haben.« Es

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Dr. Norden Bestseller – 258–

Du bist frei, wenn du willst

Patricia Vandenberg

Andreas Steffen und Michaela Martini saßen auf dem Balkon ihrer hübschen Wohnung und machten Pläne für ihre Hochzeitsreise. Da sie die Hochzeit vorverlegt hatten, weil sie diese Wohnung schneller bekamen, als anzunehmen gewesen war, hatten sie noch keine Entscheidung getroffen gehabt, wo sie ihre Flitterwochen verbringen wollten.

»Es werden ja nur Flittertage«, meinte Michaela verschmitzt, »also könnte es auch eine Fahrt ins Blaue werden. Vielleicht Südtirol? Wir brauchen ja auch noch allerhand für die Wohnung, Andy. Und wenn schönes Wetter wäre, bräuchten wir gar nicht wegzufahren.«

»Tante Ida wird schon ein bißchen was springen lassen«, meinte Andreas. »Sie braucht immer einen Anlaß, und natürlich möchte sie auch ein entsprechendes Dankeschön, aber im Grunde ist sie doch ganz nett.«

»Mir gefällt es nur nicht, daß sie immer betont, daß sie die Erbtante sei«, sagte Michaela. »Und dieses Gerede ›wenn ich tot bin, bekommt ihr ja alles‹, gefällt es mir erst recht nicht.«

»Laß sie doch, Michi, da werden auch noch ein paar andere erben. Sie redet genauso zu Hanno und Ingrid, und vielleicht hat sie auch ihre lieben alten Freunde bedacht. Ich will ja auch nichts davon haben, aber zu Lebzeiten, und wenn wir heiraten, worauf sie ja so großen Wert legt, kann sie auch mal großzügig sein.«

»Verlassen wir uns lieber auf uns selbst«, sagte Michaela. »Von meinem Vater habe ich auch nicht viel zu erwarten, Andy.

Es ist doch nur wichtig, daß wir uns verstehen, daß wir gesund sind und anständig verdienen, und ich bin stolz, daß wir uns diese Wohnung ganz allein geschaffen haben.«

Es war eine sehr hübsche Wohnung, und wenn auch noch manches fehlte, so verriet die Einrichtung doch schon, daß ein junges Paar mit sehr viel Geschmack und künstlerischem Sinn hier eingezogen war.

Es war eine Eigentumswohnung mit Maisonettestil, und sie war nicht billig, aber beide hatten sie schon vor Jahren Bausparverträge abgeschlossen, und beide hatten sie auch von ihren Eltern Sparkonten mitbekommen beim Eintritt in ihr selbständiges Leben. Andreas war achtundzwanzig und Computerfachmann, Michaela war Einkäuferin in einem großen, angesehenen Damenkonfektionshaus, erst fünfundzwanzig und mit allen Voraussetzungen, eine Karrierefrau zu werden. Sie war von äußerst aparter Erscheinung, hatte eine blendende Figur, und ihr Auftreten war selbstsicher und ladylike. Aber sie erfreute sich auch großer Beliebtheit, weil sie nicht arrogant war und für alle eintrat, die ihnen zustehende Rechte nicht so konsequent vertreten konnten.

Michi und Andy, wie sie sich selbst nannten und von ein paar guten Freunden genannt wurden, hatten sich in einem Restaurant zum erstenmal gesehen. Er war mit Kollegen dort gewesen, sie mit wichtigen Kunden, und es hatte sich nicht die kleinste Gelegenheit ergeben, ein paar Worte miteinander zu wechseln, da sie ziemlich weit auseinander saßen. Aber ein Blickkontakt war doch möglich gewesen. Doch der hatte nicht viel genützt. Andy mußte für ein paar Wochen ins Ausland, und Michi meinte, daß er sie längst vergessen hätte. Aber dann fiel ihr eine Anzeige in der Wochenendzeitung auf. Sonntags kam sie wenigstens beim Frühstück mal dazu, die Zeitung etwas genauer zu lesen. Und da wurde eine junge Dame gesucht, die niemand anders sein konnte als sie, die flehentlich gebeten wurde, ein Lebenszeichen zu geben, da der Zufall dem Suchenden doch nicht hold sei, trotz aller Bemühungen. Ihre Beschreibung war allerdings so genau angegeben, daß sie auch im Geschäft gefragt wurde, ob nicht sie gemeint sei, was sie jedoch energisch bestritt, obgleich sie das Lebenszeichen dann doch sehr gern gab. Die berühmte Liebe auf den ersten Blick, vertiefte sich noch rascher auf den zweiten Blick, da Andy und Michi schnell feststellen konnten, wie gut sie in ihren Ansichten übereinstimmten. Sie suchten ja kein Abenteuer, und sie nahmen sich für Flirts keine Zeit. Wenn schon, denn schon, war ihre Devise, und sie konnten sicher sein, daß einer den andern nicht in beruflichen Belangen hemmen würde. Hinzu kam, daß sie beide aus ähnlichen Familienverhältnissen stammten, gehobener Mittelstand, der die Voraussetzungen für eine gute Schul- und Berufsausbildung geboten hatte. Sie waren beide Einzelkinder. Michaelas Mutter war tragischerweise bei einem Busunglück ums Leben gekommen, als sie sich auf einer Studienfahrt zu den Loireschlössern befand. Michi war zu der Zeit gerade sechzehn gewesen und mußte ihrem völlig verzweifelten Vater Halt geben, der fortan immer eigenbrötlerischer wurde, so daß man ihn auch vorzeitig in Pension gehen ließ mit einer recht auskömmlichen Rente als Oberstudienrat. Er lebte in einem Bauernhaus im Allgäu, das seinen Großeltern ge­hört hatte. Obgleich Michi ihren Vater sehr mochte, wollte sie dieses einsame Leben nicht teilen, und für sein einziges Kind brachte Albert Martini sogar Verständnis auf.

Seit jener Zeit, als ihre Mutter so tragisch ums Leben kam, kannte Michaela Dr. Norden. Er war der Hausarzt der Familie, damals gerade jung verheiratet, und er hatte Albert Martini betreut, der einen Nervenzusammenbruch bei der schrecklichen Nachricht bekam. Er war völlig fixiert gewesen auf seine so vielseitig begabte, immens kluge und gebildete Frau gewesen, die sich dazu aber auch noch durch ein liebevolles Wesen auszeichnete. Sie war jedoch auch immer die energische, die treibende Kraft gewesen, und Michaela war ihr sehr ähnlich.

Dr. Norden bewunderte das junge Mädchen damals, wie es dem Vater zur Seite stand, wie es den Kopf oben behielt, und es freute ihn, wenn sie doch später immer mal bei ihm hereinschaute, denn richtig krank wurde Michaela nie, und Albert Martini war ja dann in seine Einsiedelei gegangen. Aber es stellte sich dann heraus, daß Ida Windeck, Andys reiche Tante, auch Patientin von Dr. Norden war, und das fand Michaela doch recht putzig. Jedenfalls war das ein Zufall, nachdem es Andy so viel Mühe gekostet hatte, sie wiederzufinden. Immerhin lag auch das schon drei Jahre zurück, und die Tante Ida hatte Michaela erst kennengelernt, als Andy sich ganz offiziell mit ihr verlobt hatte. Das war vor einem Jahr gewesen, Tante Ida zuliebe, die auf Stil hielt. Bei Andy hatten die Verhältnisse nämlich etwas anders gelegen. Sein Vater war früh verstorben, und seine Mutter hatte wieder geheiratet, was Tante Ida geschmacklos fand, aber es war ihr nur recht gewesen, daß sie dann den Jungen, der grad siebzehn war, unter ihre Fittiche nehmen konnte.

Dr. Norden kannte die Familienverhältnisse ganz genau, denn seit Jahr und Tag betreute er Ida Windeck wegen all der kleinen Wehwehchen, die sie ständig plagten und gepflegt werden mußten, und wenn sie auch ihre Marotten hatte, er kam gut mit ihr aus.

An diesem Tag war er jedoch eilends zu ihr gerufen worden, und er fand sie so völlig aufgelöst vor, wie er sie nie gesehen hatte. Sie zitterte am ganzen Körper, und ihre Haushälterin, die alte Seffi, schüttelte immer nur verwundert den Kopf.

»Was ist denn nur, Frau Windeck?« fragte Dr. Norden in seiner behutsamen Art.

Sie starrte ihn geistesabwesend an. »Die Stimme, die Stimme aus dem Jenseits, sie droht mir, ja sie droht mir, sie wird mich töten.«

Dr. Norden war bestürzt. So kannte er Ida Windeck nicht. Sie behauptete zwar oft, daß sich hier zuviel Gesindel herumtreibe und man immer Angst vor Einbrechern haben müsse, aber Wahnideen hatte sie nicht, und diese Worte klangen danach.

»Was sind das denn für Stimmen?« fragte er. »Mir können sie es doch erzählen.«

»Am Telefon, heute schon das dritte Mal. Ich bin nicht verrückt, Dr. Norden.«

Ida Windeck bewegte verneinend den Kopf, aber dann flüsterte sie doch bebend: »Sie werden mich töten, sie hätten mich lange genug in Ruhe gelassen. Ich weiß nicht, worum es geht, was sie damit sagen wollen. Ich habe mir doch nie etwas zuschulden kommen lassen.«

»Es gibt solche Verrückte, die irgendwen aussuchen, um sich von Zwangsvorstellungen zu befreien«, sagte Dr. Norden. »Manchmal sind das Sittenstrolche, manchmal suchen sich solche Kerle einfach jemanden aus dem Telefonbuch und lachen sich ins Fäustchen, wenn sie demjenigen Angst eingejagt haben. Am besten ist es, da gleich den Hörer aufzulegen, Frau Windeck.«

»Meinen Sie das wirklich, Dr. Norden?« fragte sie zitternd.

»Ja, das gibt es, aber Sie können das Telefon überwachen lassen, oder die Gespräche einfach auf Band aufnehmen lassen.«

»Kann man das?«

»Ja, das kann man. Ich schicke Ihnen jemanden, der das installiert. Dann kann man auch der Polizei Beweise vorlegen.«

»Ich will keine Polizei«, erwiderte sie aggressiv. »Es sind Privatangelegenheiten.«

»Nun, man braucht die Polizei auch nicht einzuschalten«, sagte Dr. Norden beschwichtigend. »Aber Sie sollten sich wirklich nicht in solche Ängste hineinsteigern, Frau Windeck.«

Sie verschlang ihre Hände ineinander. »Wenn ich arm wäre, würde sich niemand so ordinär bemühen«, sagte sie in jener Art, wie er sie auch schon kannte, nämlich, wenn sie auf ihren Reichtum pochen wollte. »Man hat eben Neider, damit muß man leben.«

»Und das wissen Sie«, sagte Dr. Norden, jetzt nicht mehr so mitfühlend.

»Natürlich weiß ich das. Ich werde bald siebzig, aber meinen Verstand habe ich noch beisammen, und ich will nicht so rasch abtreten wie meine Brüder und wie mein kurzfristiger Ehemann.«

Daniel Norden fröstelte es, als sie dies so boshaft aussprach. Ja, boshaft, anders konnte man es nicht nennen. Diesen Ton hatte er schon früher an ihr kennengelernt, aber in diesem Zusammenhang der Redewendung erschien er ihm makaber.

»Sie werden das organisieren, daß ich die Anrufe auf Tonband aufnehmen kann«, sagte sie nun, als sei er nicht der hilfsbereite Arzt, sondern ein Angestellter.

»Ich werde Ihnen jemanden schicken. Selbst darum kümmern kann ich mich nicht«, erwiderte er. Und schon war sie wieder sanft.

»Ich bin geschockt und ängstlich. Seien Sie nicht bös mit mir, lieber Dr. Norden. Sie wissen doch, wie sehr ich Sie schätze. Sie lassen mich nie im Stich. Andy hat jetzt natürlich seine Hochzeit im Kopf und mußte die Wohnung einrichten.«

»Er bekommt eine sehr tüchtige Frau«, sagte Dr. Norden.

»Und sie einen tüchtigen Mann. Es ist ein Wunder, daß er sich so entwickelt hat bei dieser Mutter, aber glücklicherweise konnte ich ja auch Einfluß nehmen.«

Dr. Norden wußte wirklich sehr viel über diese Familie, denn immer wieder hatte Ida Windeck über ihre Eltern und ihre Brüder gesprochen, auch über ihren Mann, aber über diesen auch so abfällig wie über Andreas Mutter. Und Ida Windeck hatte ihm wieder mal eine gute halbe Stunde von seiner Mittagszeit geraubt.

Nun fuhr er heim, und man wartete auf ihn. Lenni hatte nämlich Geschnetzeltes zubereitet, das auch der Hausherr sehr gern aß.

»Es war mal wieder Frau Windeck«, sagte Daniel, nachdem er seiner Frau Fee einen zärtlichen Kuß auf die Lippen gedrückt hatte.

»So wunderlich sollte man mit siebzig auch noch nicht sein«, meinte Fee.

»Sie ist zuviel allein mit der alten Seffi«, sagte Daniel, »aber sie will es ja auch nicht anders. Das Haus ist groß genug. Sie hätte Andreas und Michaela die obere Wohnung geben können.«

»Ob sie das gewollt hätten, Daniel? Da kämen doch zwei Welten zusammen, die kaum Berührungspunkte hätten.«

»So gesehen ist das auch richtig, aber die anderen Anhängsel bemü­hen sich da mehr.«

»Na und, Andreas ist eben nicht aufs Erbe aus«, meinte Fee. »Anscheinend weiß sie das auch zu schätzen. Was war eigentlich los?«

»Ich erzähle es dir heute abend. Für die Kinder ist das nicht interessant.«

Und die Kinder wollten auch was von ihrem Papi haben, wenn er zu Hause war. Probleme gab es in der Schule zwar direkt nicht, aber weil die Norden-Kinder keine Egoisten waren, lag ihnen auch das Wohl ihrer Schulfreunde am Herzen, und für die traten sie auch ein.

»Manche Lehrer sind einfach doof«, sagte Felix.

»Doof nicht, aber man merkt es richtig, daß sie ein paar Kinder einfach nicht leiden können, und auf denen hacken sie herum«, sagte Danny.

»Und Frau Biegert schreit gleich«, sagte Felix. »Richtig hysterisch ist die. Die solltest du mal behandeln, Papi. Man kann doch nicht an der Klasse auslassen, wenn man schlechte Laune hat.«

Dem konnte Daniel nicht widersprechen, und leider hatte er von Frau Biegert schon mehr Negatives gehört.

»Behandeln kann ich sie nicht, wenn sie nicht meine Patientin ist, aber ich werde mich mal darum kümmern«, versprach Daniel.

»Aber bald, bevor sie durchdreht«, meinte Felix in all seiner Bedächtigkeit. Ihn konnte wirklich nichts so schnell aus der Ruhe bringen, während bei Danny das Temperament schneller durchging.

»Ich weiß nicht, was die Lehrer so haben«, gab nun auch noch Anneka ihren Kommentar. »Unsere Lotta im Kindergarten braucht nur sagen, daß sie die Nase von uns voll hab’, dann ist gleich Ruhe.«

»Das ist auch eine Methode«, bemerkte Daniel mit einem schrägen Blick zu Fee.

»Jedenfalls ist dann Ruhe, weil keiner will, daß sie wegläuft«, sagte Anneka. »Weil sie nämlich ganz dufte ist und nicht historisch.«

»Hysterisch«, wurde sie von Dan­ny berichtigt.

»Ist doch wurscht, Mami und Papi wissen, was ich meine«, sagte Anneka. »Und wenn ich in die Schule gehe, dann sage ich gleich, wie es Lotta machte, wenn eine Lehrerin schreit.«

»Aber die Biegert ist eben nicht so«, sagte Felix. »Eure Lotta ist eben was Besonderes.«

»Was meinst du, wie der ihre Augen funkeln, wenn sie wütend wird, und ich würde auch manchmal wütend werden, weil manche Kinder einfach dämlich sind. Die begreifen überhaupt nicht, daß sie einem auf den Wecker gehen.«

»Also reden kann Anneka wie eine Alte«, sagte Danny.

»Ich bin ja auch nicht doof«, bekam er von Anneka zu hören, »und die Nesthocker sind bei uns jetzt die Zwillinge, das kannst du dir auch mal merken.«

»Und jetzt laßt ihr euch den Nachtisch schmecken«, ertönte Lennis Stimme. Sie kam immer zur rechten Zeit mit der richtigen Beruhigungsmethode. Und weil es Vanilleeis mit Erdbeeren gab, beruhigten sich die Gemüter sehr rasch.

»Um unsere Trabanten braucht uns wirklich nicht bange sein«, raunte Daniel seiner Fee zu, als er sich wieder auf den Weg in die Praxis machte. Und Fee dachte da schon daran, was er ihr am Abend von Ida Windeck erzählen würde. Jedenfalls interessierte sie sich dafür und wollte ihn auch daran erinnern.

Dr. Daniel Norden hielt immer, was er versprach. Und er unternahm auch sofort alles, damit Frau Windeck einen Tonbandanschluß ans Telefon bekam. Maß er den Ängsten der alten Dame noch keine ernsthafte Bedeutung bei, so sollte er später doch anderer Meinung werden. Aber noch ahnte niemand, daß Ida Windeck terrorisiert wurde, weil sie eben doch eine etwas wunderliche alte Dame war.

*

Am nächsten Tag, es war ein Samstag, waren Andreas und Michaela bei Tante Ida eingeladen. Seffi hatte Gäste gar nicht mehr so gern, weil sie doch nicht mehr so flink auf den Beinen war, aber Tante Ida ließ einfach ein leckeres kaltes Büfett ins Haus kommen. Damit hatte Seffi keine Arbeit. Recht war ihr das aber auch nicht, weil sie dann nicht jammern konnte, daß ihr doch alles zuviel würde.

Ihre Ängste schien Tante Ida wieder überwunden zu haben. Sie verlor kein Wort über diese Anrufe. Sie war am Morgen beim Friseur gewesen, sah frisch und munter aus und zeigte sich von ihrer charmantesten Seite, als das junge Paar von der bevorstehenden Hochzeit sprach.

»Du solltest dir auch unsere Wohnung anschauen, Tante Ida«, sagte Andreas.

»Ja, das würde ich gern tun, denn ihr könnt ja sicher noch manches brauchen. Ihr lebt doch nicht etwa schon zusammen?« fragte sie dann.

»Nein, wir richten nur zusammen ein«, erwiderte Andreas rasch.

»Es muß alles seine Ordnung haben«, sagte Tante Ida. »Manche jungen Leute nehmen es ja nicht so genau, aber Moral ist ja nicht nur ein Wort.«

Dazu hätte Michaela gern ihre Meinung geäußert, aber sie ließ es, als Andreas ihr einen warnenden Blick zuwarf.

Tante Ida fuhr auch schon fort: »Wenn man in die Zeitungen schaut, wie es sogar die Sprößlinge aus Herrscherhäusern treiben, da kann man wahrhaft nur den Kopf schütteln. Und du weißt es, Andreas, wie Gott Hugo Windeck für seinen losen Lebenswandel gestraft hat. Ich will es vor euch nicht leugnen, welche Demütigung mir widerfahren ist in dieser kurzen Ehe. Ich habe darunter zeitlebens gelitten, und mich wird nur beerben, wer meinen sittlichen Vorstellungen entspricht.« Sie nickte dann aber Michaela zu. »Ich schätze dich sehr, mein liebes Kind. Du bist sehr tüchtig und angesehen, und so kann ich die Entscheidung von Andreas nur gutheißen. Aber seine Mutter hatte leider auch andere Moralbegriffe.«

Diese Bemerkung war der Anlaß, daß Michaela später zu Andreas sagte, daß sie nicht verstehe, wie er alles schlucken könne.

»Laß sie doch reden«, meinte er. »Ist sie nicht doch schon ein bißchen verkalkt?«

»Das mag sein, aber nicht so gravierend«, sagte Michaela. »Was unser Zusammenleben anbetrifft, hätte ich ihr aber lieber die Wahrheit gesagt, Andy.«

»Das geht sie doch gar nichts an.«

»Immerhin hat sie sich auch nicht so über deine Mutter zu äußern. Gut, sie hat wieder geheiratet, aber sie war gerade vierzig, als dein Vater starb, und sie ist eine nette Frau, immer noch. Und ich sehe auch nicht ein, warum sie nicht zu unserer Hochzeit kommen soll, aus Rücksicht auf Tante Ida. Sie soll sich doch ihr ganzes Geld an den Hut stecken.«

»Du weißt ja nicht, um was es geht, Michi«, sagte Andy.