E-Book 211-220 - Günter Dönges - E-Book

E-Book 211-220 E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! E-Book 1: Parker und die grünen Zwerge E-Book 2: Parker spielt den Figaro E-Book 3: Parker sargt den Teufel ein E-Book 4: Parker reizt die Chef-Etage E-Book 5: Parker schockt die Kobra E-Book 6: Parker stoppt die "Mordmaschinen" E-Book 7: Parker und die Okkultisten E-Book 8: Parker sprengt die Golden-Boys E-Book 9: Parker gibt den Rockfans Pfeffer E-Book 10: Parker nimmt die Fälscher hoch

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Inhalt

Parker und die grünen Zwerge

Parker spielt den Figaro

Parker sargt den Teufel ein

Parker reizt die Chef-Etage

Parker schockt die Kobra

Parker stoppt die "Mordmaschinen"

Parker und die Okkultisten

Parker sprengt die Golden-Boys

Parker gibt den Rockfans Pfeffer

Parker nimmt die Fälscher hoch

Butler Parker – Staffel 22 –

E-Book 211-220

Günter Dönges

Parker und die grünen Zwerge

Roman von Dönges, Günter

Sie arbeiteten mit der oft zitierten Zerstörungswut der Vandalen und schnitten mit ihren motorgetriebenen Scheren tiefe Löcher in die gepflegte Taxushecke. Die beiden Männer trugen grüne Overalls und Baseballmützen mit überlangen Schirmen. Dazu hatten sie Ohrenschützer angelegt, die an Kopfhörer erinnerten. Schweißerbrillen vervollständigten das mehr als seltsame Aussehen der eigenartigen Naturbewahrer.

Ein dritter Mann, gekleidet wie seine Partner, hielt eine Kettensäge in den Händen und fällte damit kleine Apfelbäume, die in dem Garten standen. Ein vierter schließlich befaßte sich intensiv mit einem Gewächshaus und zertrümmerte mit einer Harke die Glasscheiben.

»Ich muß mich doch sehr wundern, Mister Parker«, ließ Lady Agatha sich grollend vernehmen. Sie saß im Fond des hochbeinigen Monstrums, das früher mit Sicherheit ein Londoner Taxi war. Sie hatte ihre Lorgnette aufgeklappt und beobachtete durch diese Stielbrille die unschöne Szene.

»Falls Mylady gestatten, möchte meine Wenigkeit sich Myladys Verwunderung anschließen«, sagte Josuah Parker. Der Butler saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und klinkte die Fahrertür auf.

»Eine Unverschämtheit, derart einen Garten zu verwüsten«, ärgerte sich die ältere Dame. Sie war eine stattliche Frau, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte.

Agatha Simpson nickte wohlwollend, als Butler Parker die hintere Wagentür aufstieß. Man befand sich in einer relativ ruhigen Seitenstraße in einem nördlichen Stadtteil von London, in dem noch eine gewisse ländliche Idylle herrschte.

Lady Agatha stieg aus und brachte fast automatisch ihren perlenbestickten Pompadour in Schwingung.

Josuah Parker legte sich den altväterlich gebundenen Regenschirm über den angewinkelten linken Unterarm und begleitete seine Herrin hinüber zur kaum fußhohen Gartenmauer, hinter der nur noch die traurigen Reste einer Taxushecke zu sehen waren. Die Männer hatten bereits ganze Arbeit geleistet.

»Was soll denn der Unsinn?« raunzte die ältere Dame einen der beiden Heckenschneider an. Ihr dunkles, sonores Organ reichte aus, um den Lärm der beiden Kleinmotoren der Scheren zu übertönen.

»Hau’ bloß ab, Schwester«, sagte einer der beiden Männer und fletschte förmlich seine schadhaften Zähne. »Du störst hier.«

»Soll und muß man davon ausgehen, daß Sie meinem fest umrissenen Auftrag handeln?« erkundigte sich der Butler, als einer der beiden Männer den Motor seiner Heckenschere abstellte. Zu dieser Frage lüftete der Butler überaus höflich die schwarze Melone. »Schwirr’ ab, Mann, bevor ich dich auftrenne«, reagierte der Angesprochene und hob drohend die Heckenschere.

Er hätte es besser nicht getan.

Josuah Parker, das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers, fühlte sich angegriffen und reagierte überraschend spontan. Er ruckte den linken Unterarm hoch und ließ den Universal-Regenschirm steil in die Luft steigen. Dann faßte er mit seiner linken, schwarz behandschuhten Hand nach dem Ende des Schirmstocks und hatte damit plötzlich eine nicht unterschätzende Schlagwaffe in der Hand.

Der Heckenzerstörer blickte irritiert-überrascht nach oben und bot seine Stirn als Ziel. Josuah Parker legte den Bambusgriff seines Schirmes nachdrücklich auf diese empfindliche Stelle des Mannes, der daraufhin die Heckenschere als lästig empfand und sie wegwarf. Dann sackte er in die Knie und fiel seitlich auf die Reste der Hecke.

Der zweite Heckenschneider wollte seinem Partner zu Hilfe kommen und attackierte den Butler mit der noch laufenden Heckenschere. Dabei übersah er die ältere Dame und deren Pompadour, der bereits kreiste. Bevor der Mann sich mit Parker anlegen konnte, schlug Lady Agatha bereits zielsicher zu.

Der sogenannte Glücksbringer im Handbeutel, nämlich ein echtes Pferdehufeisen, traf den Hinterkopf des Angreifers und brachte den Mann umgehend von den Beinen. Er absolvierte einen halben Salto vorwärts, schrammte auf den Rasen und zappelte noch ein wenig mit den Beinen, bevor er Ruhe gab.

Die beiden restlichen Gartenfreunde hatten die kleine Auseinandersetzung mitbekommen und wollten auf Lady Agatha und Butler Parker zulaufen, doch dann sahen sie einige Passanten und Autofahrer, die ihre Karossen verließen. Die beiden Männer riefen sich etwas zu, was nicht zu verstehen war, warfen ihre Zerstörungswerkzeuge fort und rannten in die Tiefe des Gartens. Sie verschwanden in Rekordzeit hinter einer zweiten Hecke, die das Gelände begrenzte.

»Was sage ich denn dazu, Mister Parker?« Agatha Simpson wandte sich an ihren Butler und deutete auf die allgemeine Verwüstung.

»Mylady dürften davon ausgehen, daß es sich um eine bezahlte Arbeit handelt«, gab der Butler zurück.

»Bezahlt von wem?« Sie runzelte die Stirn.

»Auf keinen Fall vom Eigentümer des Grundstücks, Mylady.«

»Ich werde den Dingen sofort auf den Grund gehen, Mister Parker. Bringen Sie die beiden Strolche wieder zu sich.«

»Wie Mylady zu wünschen belieben.« Josuah Parker schritt gemessen zu einer Schlauchrolle, die an einem Wasserkran dicht am Haus befestigt war. Anschließend weckte er die beiden seltsamen Gartenpfleger.

*

»Und weiter?« fragte Mike Rander, als Parker diesen Punkt seines Berichts gegeben hatte.

»Die beiden Männer kamen sehr schnell wieder zu sich, Sir, doch zu einer Befragung reichte die Zeit leider nicht mehr.«

»Die Polizei ist immer dann zur Stelle, wenn man Sie gerade nicht braucht, mein Junge«, schaltete die ältere Dame sich verärgert ein. »Ein Streifenwagen tauchte auf und nahm die beiden Subjekte mit, obwohl ich dagegen Protest einlegte.«

Mike Rander tauschte einen schnellen Blick des geheimen Einverständnisses mit Kathy Porter. Sie war die Gesellschafterin und Sekretärin der älteren Dame, etwas über mittelgroß, schlank und eine attraktive Erscheinung, die zurückhaltend wirkte.

Wenn es allerdings sein mußte, konnte Kathy Porter sich blitzschnell in eine Pantherkatze verwandeln und sich ihrer Haut wehren. Sie kannte sich aus in fast allen Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung und war darüber hinaus eine erstklassige Schützin.

Mike Rander erinnerte an einen bekannten James-Bond-Darsteller, war lässig, wirkte oft phlegmatisch und war dennoch ein Mann, der eine spezielle Ranger-Ausbildung genossen hatte. Als Anwalt verwaltete er das immense Vermögen der Lady Simpson und kam kaum dazu, seinem tatsächlichen Beruf nachzugehen.

Man befand sich an diesem Nachmittag im altehrwürdigen Fachwerkhaus der Lady Agatha in Shepherd’s Market, einer überraschend stillen Oase in der Millionenstadt London. Parker servierte den Tee, zu dem die Hausherrin Cognac trank, um ihren Kreislauf anzuregen, wie sie in solchen Fällen zu sagen pflegte.

»Sie glauben an einen Racheakt, Mister Parker?« erkundigte sich Kathy Porter, nachdem die ältere Dame sich noch über die Vorzüge und Nachteile der Polizei verbreitet hatte.

»Meine Wenigkeit konnte den Eigentümer des Hauses und des Gartens leider noch nicht sprechen«, beantwortete Parker die Frage. »Mister Peter Malvern ist laut Aussage der verunsicherten Nachbarn für einige Tage verreist und wird erst morgen zurückkommen.«

»Sie wissen natürlich, wer dieser gute Malvern ist, wie?« Mike Rander blickte den Butler lächelnd an.

»Man war in der Tat so frei, einige Erkundigungen einzuziehen, Sir«, gab Parker zurück. »Mister Malvern ist ein Geschäftsmann, der einige Tankstellen im Großraum London betreibt. Er ist unverheiratet, etwa fünfzig Jahre alt und lebt sehr zurückgezogen, wie man versicherte.«

»Ein neuer Fall?« tippte der Anwalt an. Er war etwa vierzig, was man ihm aber kaum ansah. Mike Rander war so etwas wie ein großer Junge, dem man nichts übelnehmen konnte.

»Aber nein, mein lieber Mike«, ließ Lady Agatha sich überraschend vernehmen. »Ob Racheakt oder nicht, mit solchen Kleinigkeiten gibt eine Lady Simpson sich nicht ab. Dazu ist mir die Zeit zu kostbar.«

Sie hielt sich für eine einmalig begabte Kriminalistin und ging grundsätzlich keinem Streit aus dem Weg. Lady Agatha trat in jedes erreichbare Fettnäpfchen und provozierte, wo sie nur konnte. Sie war eine äußerst wehrhafte Dame, die leider aber kein Gefühl für Gefahr kennt. Sie bekam nicht mit, daß der Butler stets seine schützende Hand über sie halten mußte.

»Schön«, sagte Rander und nickte Kathy Porter zu, »dann wollen wir mal... Wir haben noch zu tun.«

Seine Anwaltskanzlei lag in der nahen Curzon Street, und Kathy Porter ging ihm dort oft und gern zur Hand. Agatha Simpson förderte diese gemeinsame Arbeit, denn sie arbeitete intensiv daraufhin, Kathy und Mike miteinander verheiraten zu können.

»Und ich werde ein wenig meditieren«, kündigte die ältere Dame an. »Mister Parker, das Dinner bitte etwa in anderthalb Stunden. Nur ein paar Kleinigkeiten. Sie wissen ja, daß ich Diät halte.«

»Ein frugales Mahl, Mylady«, versprach der Butler und deutete eine Verbeugung an.

»Nun übertreiben Sie nicht gleich wieder«, korrigierte sie umgehend, da sie liebend gern aß. »Ein kleines Steak vielleicht, einige Kartöffelchen dazu, vergessen Sie den Lachs nicht, dann müßten wir wohl noch ein wenig von der Fleischpastete haben, möglicherweise noch etwas Shilton-Käse und dann nur noch ein Frucht-Törtchen. Wie gesagt, nur eine Kleinigkeit. Bis zum Dinner möchte ich nicht gestört werden.«

Sie nickte hoheitsvoll und brachte ihre majestätische Fülle hinüber zur geschwungenen Treppe, die von der großen Wohnhalle ins Obergeschoß des Hauses führte.

»Nur ein frugales Dinner«, erinnerte Rander spöttisch den Butler.

»Wie üblich, Sir.« Parker nickte.

»Könnten Sie sich dafür erwärmen, Sir, einen Blick auf jene Gegenstände zu werfen, die meine Wenigkeit in den Overalls der beiden Heckenschneider fand?«

*

»Eine Serviette, neun Pfund, Kleingeld, drei Reklamefeuerzeuge und zwei Kugelschreiber«, zählte Kathy Porter auf, die den Fund des Butlers sortierte. »Die Reklamefeuerzeuge stammen von einer Firma namens Sidney Pottmer, der mit Reifen handelt«, stellte der Anwalt fest. »Die beiden Kugelschreiber werben für einen James Stuffing, der Kredite aller Art anbietet.«

»In der Tat, Sir«, pflichtete Parker dem Anwalt bei. »Meine Wenigkeit nahm sich bereits die Freiheit, dies festzustellen.«

»Demnach dürften die beiden Naturfreunde aus Wapping stammen.«

»Mister Horace Pickett ist bereits unterwegs, Sir, um zu recherchieren.«

»Was wären wir ohne Pickett«, meinte Rander lächelnd. »Hoffentlich wagt er sich nicht zu weit vor.«

»Man kann sich auf Mister Pickett fest verlassen, Sir«, erwiderte der Butler. »Seine Vergangenheit hat ihn gelehrt, die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu wahren.«

Horace Pickett war vor Jahren mal Meister in Sachen Taschendiebstahl gewesen und hatte sich als Eigentumsverteiler bezeichnet. Er hatte stets nur solche Personen erleichtert, die einen finanziellen Verlust quasi mit der linken Hand ertragen konnten. Bis Horace Pickett dann eines Tages nach einer Brieftasche gelangt hatte, die ein Mafia-Boß vermißte.

Butler Parker war seinerzeit helfend eingeschritten und hatte Pickett das Leben gerettet. Seit dieser Zeit hatte Pickett die Fronten gewechselt und stand nun auf der richtigen Seite des Gesetzes. Dank seiner subtilen Verbindungen war er für Parker eine wertvolle Hilfe, wenn es um spezielle Ermittlungen ging.

»Falls Sie erlauben, Miß Porter, möchte meine Wenigkeit sich noch nicht endgültig festlegen«, gab der Butler zurück. »Aus reiner Zerstörungswut dürften die vier Overallträger allerdings kaum den betreffenden Garten verwüstet haben.«

»Okay, lassen wir uns überraschen«, schlug der Anwalt vor. »An sich habe ich wirklich nichts dagegen, mal für ein paar Tage ausspannen zu können.«

Parker öffnete die Tür zum verglasten Vorflur und nahm zur Kenntnis, daß die infrarote Lichtschranke auf dem Vorplatz gerade durchschritten worden war. Auch Mike Rander und Kathy Porter wurden aufmerksam.

»Besuch«, meinte der Anwalt. »Sollten die Heckenschneider sich etwa melden?«

Butler Parker öffnete den Wandschrank neben dem Vorflur und schaltete die Fernsehkamera ein, die sich unter dem Vordach des Eingangs befand. Nach wenigen Augenblicken war auf dem Kontroll-Monitor ein gestochen scharfes Bild zu sehen. Es zeigte zwei junge Männer auf Motorrollern.

Die beiden Besucher preschten auf das altehrwürdige Fachwerkhaus zu und bremsten scharf. Sie stiegen von den Sitzen und gingen wie selbstverständlich zur Außenfront des Hauses.

»Was hat denn das zu bedeuten?« wunderte sich Kathy Porter.

»Architektur scheinen die beiden Knaben bestimmt nicht studieren zu wollen«, fügte der Anwalt hinzu.

»Aber... sehen Sie doch, Mister Parker«, entrüstete sich Kathy Porter. Die beiden jungen Männer, die schwarze Lederkleidung trugen, hielten Spraydosen in Händen und schickten sich an, die weißen Flächen des Fachwerks mit schwarzer Farbe zu besprühen.

Josuah Parker war konsterniert, was man ihm allerdings nicht ansah. Sein glattes Gesicht blieb ausdruckslos wie immer. Er schritt durch den Vorflur und öffnete die schwere Haustür. Wenige Augenblicke später näherte er sich bereits den beiden Wandmalern, die bereits die ersten Strichmännchen und abstrakten Figuren auf den weißen Verputz gesprayt hatten.

Die beiden Lederträger hatten Parker natürlich bereits bemerkt, legten eine Pause ein und grinsten den Butler an.

»Eine akademische Malausbildung dürften Sie kaum genossen haben, meine Herren«, schickte der Butler voraus. »Ihre Figuren und Symbole entbehren eindeutig einer gewissen eleganten Linienführung.«

»Sieht doch gut aus, wie?« fragte einer der beiden Männer.

»Über Geschmack sollte man tunlichst nicht streiten«, entgegnete Josuah Parker. »Darf man fragen, warum Sie sich ausgerechnet diese Hauswand für Ihre künstlerischen Versuche gewählt haben?«

»Klar doch, Mann«, kam die Antwort. »Das is’ nur ’ne kleine Kostprobe, wir können nämlich noch ganz anders.«

»Wir können aber auch aufpassen, damit sowas nich’ wieder passiert«, fügte der zweite Wandmaler hinzu. »Aber das kostet natürlich was pro Monat.«

»Sie haben einen bestimmten Tarif?« erkundigte sich der Butler gemessen und höflich.

»Machen Sie den mal mit unserem Boß aus«, schlug nun der erste Sprayer vor. »Der wird sich dann schon melden.«

»Und darf man erfahren, wie man Ihre künstlerischen Werke wieder unsichtbar machen kann?«

»Das Zeug is’ abwaschbar«, beruhigte der zweite Lederträger den Butler. »Aber man kann natürlich auch Autolack benutzen.«

»Meine Wenigkeit möchte Ihrer Betätigung keineswegs im Weg stehen«, erklärte Josuah Parker.

»Wieso Betätigung?« Der Mann lachte satt.

»Meine Wenigkeit geht davon aus, daß Sie den ursprünglichen Zustand wiederherstellen werden«, meinte der Butler und sprühte dann seinerseits ..

*

In seiner Linken befand sich eine Sprayflasche, wie sie samt speziellem Inhalt zur Bekämpfung des Schnupfens oder von Mundgeruch angeboten wird. Bevor die beiden jungen Männer eine Abwehrbewegung machen konnten, legte sich der feine Feuchtigkeitsfilm auf ihre Gesichter. Sie schnappten unwillkürlich nach Luft und atmeten dadurch nur noch zusätzlich den verabreichten Wirkstoff ein. Dann wollten sie sich wehren, doch sie schafften es bereits nicht mehr. Sie ließen die Spraydosen fallen und hüstelten.

»Nehmen Sie doch inzwischen Platz, meine Herren«, schlug der Butler vor. »Man wird Ihnen umgehend Gerätschaften zur Verfügung stellen, damit Sie Ihre kleinen Kunstwerke wieder entfernen können.«

Der Wirkstoff aus Parkers Sprayfläschchen war umwerfend gut.

Die beiden Männer lächelten etwas dümmlich, kamen Parkers Rat nach und setzten sich. Sie blickten durch Kathy Porter und Mike Rander hindurch, die nachgekommen waren und interessiert auf die beiden Wandmaler blickten.

»Was, zum Henker, haben Sie diesen Typen verabreicht, Parker?« wollte der Anwalt amüsiert wissen.

»Eine Mischung, die sowohl die Muskeln als auch die Psyche spontan erschlaffen läßt, Sir.«

»Dagegen dürfte Chloroform ja direkt ein Anregungsmittel sein.«

»So könnte man sagen, Sir«, pflichtete Parker dem Anwalt höflich bei. »Es handelt sich um eine Chemikalie, die meine Wenigkeit privat entwickelte.«

»Damit könnten Sie ja direkt ein Vermögen verdienen, Parker.« Rander lachte.

»Der Wirkstoff könnte dann in Hände geraten, Sir, die damit nicht umzugehen verstehen.«

Parker ging ins Haus zurück, hinunter ins Souterrain, in dem sich neben seinen Privaträumen auch die Küche und verschiedene Wirtschaftsräume befanden und kehrte bald mit zwei Plastikeimern, Putzlappen, Schwämmen und einer Farbdose zurück.

»Ihren Bemühungen sind keine Grenzen gesetzt«, sagte er zu den beiden jungen Männern, die ihn anstarrten. »Man erwartet von Ihnen, daß Sie für ein blendendes Weiß Sorge tragen werden.«

Sie verstanden durchaus, was man von ihnen wollte. Sie machten sich daran, die Schmierereien wegzuwaschen. Und es zeigte sich tatsächlich, daß die Strichmännchen und Symbole schon sehr bald verschwanden. Anschließend benutzten die Kerle die beiden Pinsel, um neues Weiß aufzutragen.

»Sie erwähnten freundlicherweise Ihren sogenannten Boß, der spezielle Tarife mit seinen diversen Kunden vereinbart«, schickte Josuah Parker voraus, als die Ledergekleideten ihre Arbeit fachmännisch beendet hatten. »Wo, bitte, kann man diesen erwähnten Boß finden?«

»In Soho«, lautete die Antwort, wenn auch ein wenig zögernd und nachdenklich. »In Soho, bei Andy.«

»Und wie heißt Ihr Arbeitgeber, um es mal so zu umschreiben?«

»Ritchie Skeen«, wurde geantwortet. »Ritchie Skeen wird gleich anrufen.«

»Dann sollte man gemeinsam auf diesen Anruf warten«, schlug Josuah Parker vor. »Es wird Ihnen bis dahin eventuell Tee serviert werden.«

Sie nickten und folgten dem Butler ins Haus und dann hinunter ins Souterrain. Dort betraten sie ohne Widerstand eines der speziellen Gästezimmer und ließen sich müde und abgeschlafft in die bequemen Sessel fallen.

»Ich bin soweit, Parker«, sagte Rander, als der Butler wieder oben in der großen Wohnhalle erschien.

»Mister Ritchie Skeen wird ein wenig überrascht sein, daß man ihn aufsucht und nach den Tarifen fragt«, erklärte der Butler. »Ohne den Propheten spielen zu wollen, Sir, deutet sich hier ein neuer Fall an.«

»Ich zweifle nicht an Ihrer hellseherischen Begabung, Parker«, gab Mike Rander lakonisch zurück.

*

»Das sieht ja durchaus zivil aus«, urteilte der Anwalt, als er sich mit Parker dem Lokal näherte, das von einer Person namens Andy betrieben wurde. Die Spezialitäten des Hauses waren eindeutig Austern und französische Weine. Darüber hinaus gab es noch Leckerbissen der gehobenen Geschmacksklasse.

Das Innere des Lokals war rustikal hergerichtet. An der Längswand lägen kleine und mittelgroße Fässer auf soliden Stellagen. Portwein und Sherry wurde vom Faß gezapft. Es gab kleine Stehpulte, an denen man die Snacks einnehmen konnte.

Das Publikum sah durchaus solide aus, wenigstens auf den ersten Blick. Finstere Gestalten aus der Unterwelt, die man in einschlägigen Filmen gern präsentiert, waren nicht auszumachen. Dennoch herrschte für einen Moment Stille, als Parker und Rander den Raum betraten. Im Grund war dies mehr als verständlich.

Josuah Parker trug seinen schwarzen Covercoat, die schwarze Melone und den Universal-Regenschirm am angewinkelten linken Unterarm. Ein Butler in einem Kostümfilm hätte nicht stilechter aussehen können.

Mike Rander hingegen wirkte lässig und elegant zugleich. Über seinem dunklen Blazer und den grauen Flanellhosen war der Trenchcoat weit geöffnet. Beide Männer schienen aus einer anderen Welt zu stammen.

Wenig später waren wieder die Stimmen zu hören. Man hatte die Neuankömmlinge eingeschätzt und eingestuft. Man war allgemein zu dem Schluß gekommen, daß man nichts zu befürchten hatte.

Butler Parker baute sich mit Rander hinter einem Stehpult auf und musterte die Gäste.

»Nun, Parker, wen haben wir denn hier so vertreten?« erkundigte sich der Anwalt.

»Eine gewisse Auslese der kriminellen Szene, Sir«, gab Parker zurück. »Hier dürften nur Personen verkehren, die die Niederungen ihres jeweiligen Metiers längst hinter sich gelassen haben und inzwischen zu Geld gekommen sind.«

»Und wer ist nun unser Ritchie Skeen?«

»Man wird ihn ausrufen lassen, Sir, was mit Sicherheit einige Verblüffung auslösen wird.«

Rander winkte einem der beschürzten Angestellten und trug ihm auf, einen gewissen Ritchie Skeen auszurufen.

»Aber .. Aber das machen wir hier nicht«, entschuldigte sich der stämmige Kellner und beging den Fehler, automatisch hinüber in die linke Ecke des Lokals zu blicken.

Auf einer Bank unterhalb aufgebockter Weinfässer saß ein stiernackiger Mann, der etwa vierzig Jahre zählte. Er unterhielt sich mit zwei jungen Vertretern seines Geschlechts, die erstaunlicherweise schwarze Lederkleidung trugen und einen sehr modischen Eindruck machten.

»Schon gut, alter Junge«, sagte Rander zu dem Kellner, der erleichtert davonmarschierte und zum Tresen ging, wo Früchte des Meeres auf Eis lagen. Der Kellner beugte sich zu dem Besitzer des Lokals hinüber und flüsterte ihm etwas zu. Daraufhin hob der Mann sofort den Kopf und blickte auf Parker und Rander.

»Womit die Lage ja durchaus geklärt ist«, sagte der Anwalt und nickte dem Butler zu. »Ein Irrtum dürfte ja wohl kaum ausgeschlossen sein, oder?«

Rander zündete sich eine Zigarette an und flanierte zu den Weinfässern.

»Ritchie Skeen?« fragte er dann den Stiernackigen.

»Selbst wenn, was geht Sie das an?« reagierte der Angesprochene aggressiv.

Die beiden jungen Männer erhoben sich geschmeidig und gingen offenkundig in Lauerstellung. Sie bedachten Parker, der nachgekommen war, mit einem schnellen Blick, um ihn dann zu übersehen. Die Erfahrung hatte die Männer gelehrt, daß von solchen Personen keine Gefahr ausging.

»Ich hatte da Besuch von zwei Burschen, die mir eine neue Fassadenbemalung vorschlagen wollten«, redete Rander weiter, »aber wir konnten uns nicht auf Anhieb einigen.«

»Wovon reden Sie eigentlich? Scheren Sie sich weg! Ich will nicht gestört werden.«

»Die beiden Leute nannten Ihren Namen und machten mir klar, daß Sie gewisse Tarife festlegen.«

»Sie müssen mich verwechseln.« Der Stiernackige erhob sich und stellte sein Glas betont vorsichtig auf eine Wandbord. Dann wollte er aus der Drehung blitzartig zuschlagen und die Faust in Randers Magenpartie vergraben.

Der Anwalt hatte mit solch einem Angriff gerechnet und stoppte den Schlag mit dem Ellbogen, den er fast spielerisch leicht nach unten schlug. Ritchie Skeen, um den es sich handeln mußte, stöhnte und ging in die Knie, als Rander ihm die Linke auf die Brust setzte.

»Machen Sie keinen unnötigen Ärger, Skeen«, schlug Rander vor. »Ich will mich nicht mit Ihnen prügeln.«

Die beiden Lederträger fühlten sich veranlaßt, in das allgemeine Geschehen einzugreifen. Sie wollten sich auf Rander Stürzen und übersahen dabei den Butler, der sich inzwischen bereits für eine Platte interessiert hatte, auf der mindestens acht Austern auf Eis lagen. Diese Platte stand auf einem benachbarten Stehpult und gehörte zwei interessiert zuschauenden Gästen.

»Mit Ihrer gütigen Erlaubnis.« Parker nahm die nicht gerade kleine Platte an sich und fegte dann die Eisauflage samt den frisch geknackten Austern wie beiläufig in die Gesichter der Schwarzgekleideten.

Sie hatten mit diesem Service nicht gerechnet und zeigten sich irritiert, zumal die Eisbrocken um sie herumwirbelten. Hinzu kamen die Austern, deren quallig-schleimige Konsistenz sich störend auf ihr Sichtverhältnis auswirkte. Einige dieser Schalentiere rutschten durch die geöffneten Reißverschlüsse auf die nackte Haut der Männer, die sich schüttelten und danach zappelten.

Bevor sie sich auf die neue Situation einstellen konnten, langte Parker mit dem nicht gerade leichten Tablett noch zweimal kurz zu. Er legte nacheinander auf die Köpfe der beiden Männer, die daraufhin zu Boden gingen und sich auf den herumliegenden Eisbrocken lagerten.

»Selbstverständlich wird man Ihnen neue Austern auf Kosten meiner Wenigkeit servieren«, meinte Josuah Parker und stellte das nun leere Tablett auf das Stehpult der beiden Austernfreunde. Sie wichen zurück und wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten.

»Also, Skeen, welchen Tarif haben Sie mir anzubieten?« erkundigte sich Mike Rander inzwischen bei dem tief beeindruckten Stiernackigen, der hechelnd nach Luft schnappte. Der Hieb auf die Brust schien seine Atmung etwas aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben.

»Wer sind Sie?« keuchte Skeen und nahm wieder auf der Bank Platz.

»Ein interessierter Kunde Ihrer Firma«, antwortete der Anwalt.

Dann wandte er sich halb um, da Parker sich diskret geräuspert hatte.

»Gewisse Herrschaften scheinen sich formieren zu wollen, Sir«, sagte der Butler und deutete mit der Schirmspitze auf einige Gäste am Tresen. Sie schoben sich langsam an Rander und Parker heran. Es waren fünf Männer, die durchaus ordentlich gekleidet waren. Störend an ihnen wirkten nur Stahlruten und Messer, die sie in Händen hielten.

Sekunden später ging rasselnd das schwere Rollgitter herunter und schuf so eine sehr private Atmosphäre.

*

»Und Sie sind wirklich ohne mich zurechtgekommen?« wunderte sich die ältere Dame anderthalb Stunden später. Sie saß am Tisch im kleinen Salon des Hauses und dinnierte. Die Kleinigkeiten, die sie sich gewünscht hatte, waren von ihr bereits ziemlich dezimiert worden.

»Nun ja, meine Krawatte verrutschte leicht», meinte Rander ironisch. »Aber sonst gab es kaum Ärger.«

»Man mußte den Anwesenden bei Mister Andy allerdings nachdrücklich klarmachen, Mylady, daß man nicht gewillt war, sich in einen ordinären Streit verwickeln zu lassen.«

»Darum ließ Parker auch einige Fässer rollen«, erklärte Mike Rander in Richtung Mylady und Kathy Porter. »Er hebelte sie mit seinem Schirm von der Stellage und ließ sie über eine Rampenleiter direkt ins Lokal rollen.«

»Was einen Effekt verursachte, Mylady, den man nur als beachtlich bezeichnen kann«, sagte Parker in seiner üblichen Untertreibung. »Nachdem die Gäste fluchtartig den Tresen aufgesucht hatten, um hinter ihm in Deckung zu gehen, zertrümmerten die diversen Fässer das Rollgitter und suchten die Straße auf.«

»Die sich danach in einen kleinen Portwein- und Sherry-See verwandelte«, berichtete der Anwalt genußvoll weiter. »Parker verstreute anschließend noch einige Großportionen Austern und sorgte für Gleitmittel.«

»Nachdrängende Gäste rutschten in der Tat auf diesen Meeresfrüchten aus, Mylady«, erklärte der Butler. »Und Mister Rander bedachte anschließend die Verfolger mit einigen ausgesuchten Hummern.«

»Und was haben Sie erreicht, Mister Parker?« fragte sie streng.

»Wir haben diesen Skeen eingeladen, uns zu begleiten«, erwiderte Rander für den Butler. »Er leistet jetzt den beiden Hauswandmalern Gesellschaft und dürfte sich mit ihnen ausgiebig unterhalten.«

»Was mich das alles wieder kostet«, seufzte die Hausherrin tragisch auf. »Drei Gäste unter meinem Dach...«

»Die mit Sicherheit nur kurzfristig bleiben werden, Mylady«, versicherte Butler Parker seiner Herrin.

»Ich werde diese Lümmel gleich verhören, quasi zum Nachtisch«, kündigte sie grimmig an. »Eine ausgemachte Frechheit, die Hausfassade zu beschmieren. Da kommt mir übrigens eine Idee: Haben die beiden Subjekte anschließend nicht neues Weiß aufgetragen?«

»Meine Wenigkeit bat sie darum«, erklärte Parker.

»Dann bitten Sie die Flegel, die gesamte Hausfassade neu zu weißeln«, redete die ältere Dame weiter. »So billig und preiswert bekomme ich das nie wieder.«

Kathy Porter und Mike Rander sahen sich verständnisvoll an. Sie kannten die Sparsamkeit der Agatha Simpson, die an den sprichwörtlichen Geiz der Schotten erinnerte.

»Eine Anregung, Mylady, der man nachgehen wird«, versicherte Parker.

»Man müßte vielleicht nur noch einige Personen ausfindig machen, die das notwendige Gerüst zur Verfügung stellen können.«

»Diese Details überlasse ich Ihnen, Mister Parker« gab die ältere Dame wohlwollend zurück. »Ich gehe natürlich davon aus, daß diese Subjekte erstklassige Arbeit leisten werden.«

»Man wird sie dazu anhalten, Mylady«, versprach der Butler.

»Ich freue mich übrigens, daß ich die Dinge von Anfang an richtig beurteilt habe«, redete sie munter weiter. »Ich wußte ja gleich, daß hier ein neuer Fall auf mich zukommt.«

»Dieses Wissen haben Sie aber sehr geschickt verborgen gehalten, Mylady,« stichelte der Anwalt.

»Nicht wahr?« Die passionierte Detektivin war unbeeindruckt. »Bisher haben wir nur die Spitze des Eisbergs gesehen. Aber es werden noch erstaunliche Dinge auf mich zukommen. Nun, man wird mich bereit finden.«

*

Ritchie Skeen saß auf dem Rand einer Bettcouch und machte einen verdrießlichen Eindruck. Er blickte Lady Agatha überrascht an, als sie hinter ihrem Butler in der Tür zum Gästezimmer erschien. Die beiden Fassadenmaler hockten Skeen gegenüber auf einer zweiten Bettcouch und hatten sich von ihrer Spezialbehandlung durch Parker erholt.

Das sogenannte Gästezimmer war freundlich und wohnlich eingerichtet. Es gab hier helle Möbel, eine Sitzgruppe mit einem Couchtisch und einen langen Wandtisch, auf dem Erfrischungen standen. Eine Tür führte in ein Badezimmer, in dem es alle sanitären Einrichtungen gab.

»Vielleicht stehen Sie ein bißchen plötzlich auf, wenn eine Dame erscheint«, raunzte die energische Vertreterin ihres Geschlechts die Männer mit ihrer sonoren Stimme an, wegen der ein Feldwebel vor Neid erblaßt wäre.

»Wieso werden wir hier festgehalten? Das ist Freiheitsberaubung«, empörte sich Skeen. Der Stiernackige erhob sich langsam und blickte den Butler prüfend an.

»Mister Rander und meine Wenigkeit kamen Ihrem Wunsch nach, sich irgendwo verschnaufen zu können«, antwortete der Butler.

»Sie ... Sie haben mich entführt«‚ brauste der Mann auf.

»Dies, Mister Skeen, werden Sie erst beweisen müssen«, entgegnete Parker in seiner höflichen Art. »Sie stifteten die beiden Herren dort auf der Bettcouch dazu an, Myladys Haus mit Farbe zu verzieren?«

»Genau das müssen Sie mir erst mal nachweisen«, sagte Skeen und grinste plötzlich wie ein Schurke auf der Bühne.

»Ihnen dürfte bekannt sein, daß die beiden jungen Wandmaler Ihren Namen als den des Auftraggebers nannten.«

»Wir haben uns da vertan, wir wollten Sie nur ’reinlegen’, behauptete nun einer der beiden jungen Männer. »Wir haben für keinen Menschen gearbeitet, wir wollten uns nur ’nen Spaß machen.«

»Der Ihnen ja auch gelungen sein dürfte«, schaltete Lady Agatha sich ein. »Ich habe nichts dagegen, wenn Sie das ganze Haus frisch weißeln.«

»Wir sind doch nicht bescheuert«, wehrte der zweite junge Mann dieses Ansinnen ab.

»Wurde ich gerade beleidigt, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame umgehend. Der perlenbestickte Pompadour an ihrem rechten Handgelenk geriet in leichte Schwingung.

»Noch dürfte dieser Tatbestand nicht gegeben sein, Mylady«, wiegelte Parker ab.

»Nun, ich warte«, sagte sie und konzentrierte sich auf Skeen. »Warum haben Sie die beiden Lümmel angewiesen, mein Haus zu verunstalten? Ich erwarte eine Antwort.«

»Nichts habe ich getan«, behauptete Skeen noch mal. »Sie haben ja gerade gehört, daß die Jungen dort auf eigene Faust gearbeitet haben.«

»Während Ihrer Unterhaltung mit Ihnen klang dies allerdings erheblich anders«, bluffte Parker.

»Wieso Unterhaltung? Moment mal, haben Sie uns etwa abgehört?«

»Es existiert ein Tonband«, erwiderte Parker vage, ohne sich auf Einzelheiten einzulassen.

»Da haben Sie aber Pech gehabt, Mann«, freute sich Skeen und wurde unvorsichtig. »Sie können gar nichts mitbekommen haben, wir haben nämlich geflüs...«

»Sie haben nicht die Absicht, Ihren Satz zu beenden, Mister Skeen?« fragte der Butler.

Der Stiernackige verlor die Beherrschung und verwandelte sich in einen menschlichen Rammbock. Er schob seinen Quadratschädel vor, drückte sich vom Rand der Bettcouch ab und brauste auf den Butler zu. Dabei kümmerte er sich leichtsinnigerweise überhaupt nicht um die ältere Dame, die er für unwichtig hielt.

Agatha Simpson konnte selbstverständlich nicht widerstehen.

Nachdem der Pompadour fast einen Vollkreis durch die Luft beschrieben hatte, legte sich der Glücksbringer darin auf den Hinterkopf des Anstürmenden. Während Parker geschickt zur Seite wich, brauste Ritchie Skeen noch anderthalb Schritte weiter, bevor er kurz vor Erreichen der Tür plötzlich zusammenbrach. Er schrammte mit seinem Bauch noch ein Stück über den Boden und blieb dann halb im Korridor liegen.

Die beiden Wandmaler, die Morgenluft gewittert hatten, nahmen schleunigst wieder Platz und schielten zu Skeen hinüber, der nun völlig harmlos aussah.

»Mylady wünscht Ihre Aussage zu Mister Skeen«, sagte der Butler. »Mylady geht davon aus, daß Sie in Ihrem ureigensten Interesse die Wahrheit sagen werden. Sollte Mylady auch nur vermuten, belogen zu werden, haben Sie mit Sicherheit das zu erwarten, was man in Ihren Kreisen Ärger zu nennen pflegt.«

*

»Es war natürlich ein Fehler, Mister Parker, daß Sie diese drei Subjekte entlassen haben«, räsonierte die ältere Dame. Sie saß im Fond des hochbeinigen Monstrums und dachte an den kostenlosen Anstrich ihres Stadthauses in Shepherd’s Market.

»Mylady werden mit einiger Sicherheit bald über Fachleute auf diesem Gebiet verfügen können«, lautete Parkers Antwort. Er steuerte seinen Privatwagen durch die City von London. »Bei Myladys Gästen handelte es sich eindeutig um Amateure.«

»Ich lasse mich überraschen, Mister Parker«, sagte sie skeptisch. »Man hätte diese Subjekte aber zur Rechenschaft ziehen müssen. Hatten Sie vergessen, daß sie bereits mehrfach Hausfassaden besprüht hatten, und zwar alles im Auftrag dieses Skeen?«

»Keineswegs und mitnichten, Mylady«, erklärte der Butler. »Mister Skeen dürfte sich der Erpressung bedienen, um Hausbesitzer zu seinen sogenannten Tarifen überreden zu können. Die Methode ist Mylady natürlich längst bekannt. Man darf in diesem Zusammenhang an die Erhebung sogenannter Schutzgelder für Lokale und Geschäfte erinnern.«

»Ich werde auch diesem Spuk ein Ende bereiten, Mister Parker.« Sie nickte grimmig. »Leiten Sie alle erforderlichen Maßnahmen in die Wege. Ich lasse Ihnen da freie Hand.«

»Mylady sind zu gütig«, bedankte sich der Butler. »Laut Aussage der beiden Wandmaler pflegt Mister Skeen eine enge Freundschaft zu einem gewissen Mister Wallich.«

»Wen stelle ich mir darunter vor, Mister Parker?« fragte sie. »Sollte ich diesen Namen nicht schon mal gehört haben?«

»Mister Herbert Wallich hat einen Gerüst-Verleih in Lambeth jenseits der Themse, Mylady. Sein Name wurde vor einigen Monaten im Zusammenhang mit einem Bestechungsskandal innerhalb der städtischen Verwaltung genannt. Er sollte Vergabe-Beamte durch illegale Geldzahlung dazu gebracht haben, ihn bei der Erteilung von Aufträgen besonders zu berücksichtigen. Die Anklage wurde niedergeschlagen, da einer der betreffenden Beamten, der als Hauptzeuge in Betracht kam zur Zeit unauffindbar ist.«

»Man wird ihn umgebracht haben«, sagte die ältere Dame spontan.

»Eine Vermutung, die auch die Polizei teilt, Mylady.«

»Zu diesem Subjekt fahre ich jetzt also?«

»Wie Mylady es wünschten«, sagte Parker, obwohl seine Herrin derartiges ganz sicher nicht gesagt hatte. »Mister Herbert Wallich wird mit Sicherheit überrascht sein.«

»Wie klar die Zusammenhänge sind«, freute sie sich und rückte ihre majestätische Fülle in der Wagenecke zurecht. »Man läßt Fassaden beschmieren und braucht anschließend teure Gerüste, um die Fassaden wieder anstreichen zu können.«

»Ein Verdacht, Mylady, der sich förmlich aufdrängt.«

»Für mich ist dieser kleine Bagatell-Fall bereits gelöst«, sagte sie fast wegwerfend. »Was gibt es denn da noch für mich zu tun, Mister Parker?«

»Mylady werden die Beweise für die kriminellen Tatbestände herbeischaffen.«

»Das natürlich, Mister Parker, aber das ist doch nur noch reine Routine. Meine Phantasie wird da ganz sicher nicht angeregt.«

»Mylady werden sicher noch zusätzliche Zusammenhänge aufdecken können.«

»Nun, ein schwacher Trost.« Sie schnaufte. »Man könnte eigentlich schon wieder zurückfahren, Mister Parker.«

»Und dadurch einen Verfolger irritieren, Mylady.«

»Einen Verfolger?« Sie wurde sofort hellhörig und drehte sich ungeniert um. »Richtig, Sie meinen diesen Ford, nicht wahr?«

»In etwa, Mylady«, korrigierte Parker in seiner höflichen Art. »Es dürfte sich um den Wagen der Marke Morris handeln.«

»Was macht das schon für einen Unterschied«, grollte sie. »Müssen Sie denn immer alles besser wissen?«

»In dem erwähnten Morris sitzen zwei Männer, Mylady, die Baseball-Mützen tragen.« Parker ging auf ihre Frage nicht ein.

»Baseball-Mützen? Und was sagt mir das?« Sie ließ sich sehr leicht ablenken.

»Die Heckenschneider trugen solch eine Kopfbedeckung, wenn man respektvoll daran erinnern darf.«

»Reiner Zufall, Mister Parker.« Sie lachte spöttisch. »Sie sehen wieder mal Gespenster.«

»Diese Gespenster, Mylady, scheinen auch grüne Overalls zu tragen.«

»Sie wittern Zusammenhänge, wo keine sind, Mister Parker.«

»Die erwähnten Heckenschneider könnten sich das Kennzeichen des Wagens gemerkt haben, Mylady.«

»Also gut, Sie sollen Ihren Willen haben, Mister Parker.« Sie seufzte. »Stellen Sie die beiden Morris-Fahrer also zur Rede. Und ich wiederhole noch mal, daß ich von dem Ford verfolgt werde.«

Parker verzichtete auf eine Diskussion. Aus Erfahrung wußte er, daß Agatha Simpson stets das letzte Wort haben mußte. Und Fehler gab sie schon gar nicht zu, lieber hätte sie sich die Zunge abgebissen.

Parker lotste die beiden Verfolger aus der City hinaus und fuhr erst mal weiter in Richtung Lambeth. Der Morris folgte hartnäckig, obwohl der Butler sicherheitshalber einige Umwege einbaute. Nachdem man die Themse überquert hatte, visierte Parker eine Tiefgarage in der Nähe des Lambeth Hospitals an und verschwand dann mit seinem hochbeinigen Monstrum in der Tiefe der Parkdecks.

»Und jetzt?« räsonierte die ältere Dame. »Natürlich wird man mir nicht folgen, Mister Parker. Ich bin wahrscheinlich überhaupt nicht beschattet worden.«

»Der Morris«, meldete Parker wenige Augenblicke später mit höflicher Stimme, in der noch nicht mal der Hauch von Triumph lag.

*

Die beiden Männer verließen ihren Wagen, blieben einen Moment stehen und sicherten nach allen. Seiten hin. Sie trugen tatsächlich grüne Overalls, wie jetzt deutlich im kalkig-weißen Licht der Neonröhren zu erkennen war. Sie flüsterten leise miteinander und trennten sich dann.

Sie hatten eindeutig die Absicht, sich dem hochbeinigen Monstrum von zwei Seiten aus zu nähern. Einer von ihnen trug eine Umhängetasche aus Stoff, die mit einem paketartigen Gegenstand gefüllt war.

Parker sah das alles aus sicherer Entfernung.

Er und Lady Agatha hatten das ehemalige Londoner Taxi verlassen und sich hinter einem mächtigen Betonpfeiler aufgebaut. Lady Agatha wartete ungeduldig darauf, endlich aktiv werden zu können, doch noch hielt sie sich unter Kontrolle.

»Leer«, rief der Träger der Umhängetasche zu seinem Partner leise zu. Er hatte den Wagen erreicht und einen Blick ins Innere geworfen.

»Dann Beeilung«, erwiderte der Angesprochene eindringlich. Der Mann öffnete die Umhängetasche und holte tatsächlich ein Paket hervor, das die Größe eines Ziegelsteins hatte. Er kniete am Wagenheck nieder, beugte sich noch weiter vor und schob dann das Päckchen unter den Wagenboden. Dazu brauchte er nur wenige Sekunden.

»Okay«, rief er seinem Partner zu. »Ich hab’ entsichert. Nichts wie weg.«

Die beiden Overallträger gingen schnell zurück zum Morris, den sie in der Nähe der Auffahrt-Wende abgestellt hatten. Weit kamen sie jedoch nicht, denn Butler Parker schritt nachdrücklich ein.

Er hielt seine Patent-Gabelschleuder in den schwarz behandschuhten Händen, strammte bereits die beiden Gummistränge und schickte die erste Tonmurmel auf die Reise. Das kleine Geschoß zischte fast unhörbar durch die Luft und klopfte auf den Hinterkopf des Mannes, der die nun leere Umhängetasche trug.

Dem Getroffenen riß es fast die Beine unter dem stämmigen Körper weg. Er warf die Arme hoch, wollte sich an der Luft festhalten und fiel dann nach vorn.

Sein Partner wirbelte herum und hielt bereits eine schallgedämpfte Automatic in der rechten Hand. Er duckte sich und schob sich vorsichtig weiter zurück in Richtung Morris. Um seinen Partner schien er sich keineswegs kümmern zu wollen.

Josuah Parker bemühte die zweite Ton-Erbse.

Das hart gebrannte Geschoß landete auf der Stirn des potentiellen Schützen. Er warf die Automatic hoch in die Luft und fiel nach hinten. Während die Waffe auf das Dach eines der abgestellten Wagen flog und dabei einen erheblichen Lärm verursachte, machte der Mann Bekanntschaft mit dem harten Beton und war danach außer Gefecht.

»Waren Mylady mit meiner Wenigkeit zufrieden?« fragte Parker.

»Um ein Haar wären die beiden Subjekte entkommen«, mäkelte sie eifersüchtig.

»Was Mylady zu verhindern gewußt hätten«, lautete Parkers Antwort.

»Das ist allerdings wahr«, pflichtete sie ihm umgehend bei. »Aber nun zur Sache, Mister Parker. Ich will wissen, wer mich da verfolgen läßt. So etwas kann ich mir nicht ungestraft bieten lassen.«

Josuah Parker untersuchte die beiden besinnungslosen Männer. Er barg ihre Waffen und holte dann aus dem Kofferraum seines Wagens eine Rolle Panzerband aus Kunststoff-Folie. Mit diesem Klebeband fesselte er die Hände der Overallträger und schleifte die Männer zu seinem hochbeinigen Monstrum.

Er benutzte dazu den bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes als Abschlepphaken. Nach wenigen Minuten saßen die Kerle im Fond des Wagens und damit sicher wie in einer Zelle. Die beiden hinteren Wagentüren ließen sich nicht mehr öffnen.

Die Trennscheibe zwischen dem Fond des Wagens und den Vordersitzen hatte Parker hochschnellen lassen. Sie war schußsicher und praktisch unzerstörbar.

Erst jetzt kümmerte sich Parker um das Päckchen, das er allerdings bereits vor der Verladearbeit vom Wagenboden entfernt hatte.

»Eine Sprengladung, Mister Parker?« fragte die Detektivin nun doch ein wenig beeindruckt.

»Mit einem sogenannten Rüttelzünder, Mylady«, bestätigte der Butler.« Nach dem Anlassen des Motors und den dadurch verursachten Eigenbewegungen der Auspuffanlage wäre diese Haftmine äußerst unangenehm geworden.«

*

»Mann, machen Sie sich doch nicht lächerlich«, sagte einer der beiden Morris-Fahrer verächtlich, »als ob wir singen würden? Wir sind doch keine Amateure.«

»Nach meinen bescheidenen Beobachtungen befestigten Sie eine Art Magnetmine am Wagenboden.«

»Da müssen Sie geschielt haben? Wie wollen Sie denn das beweisen?«

»Wenn Sie uns nicht sofort ’rauslassen, werden Sie verdammt viel Ärger bekommen«, drohte der zweite Overallträger.

»Furcht scheint Ihnen ein fremder Begriff zu sein«, stellte der Butler fest.

»Was sich bald ändern wird«, schaltete die ältere Dame sich grollend ein.

»Halt’ die Klappe, Mädchen, wenn Männer sich unterhalten«, fuhr der Mann wütend dazwischen. Er beugte sich vor, als habe er die Absicht, sich auf Mylady zu stürzen, doch die geschlossene Trennscheibe bremste seinen Schwung.

»Halten Sie sofort an, Mister Parker, damit ich diesem Lümmel Manieren beibringe«, verlangte Agatha Simpson gereizt.

»Wenn Mylady sich freundlicherweise vielleicht noch wenige Minuten gedulden würden«, schlug Parker in seiner unnachgiebig-höflichen Art vor. »Man wird schon bald ein geeignetes Terrain erreicht haben, auf dem sich ein ungestörtes Gespräch abwickeln läßt.«

»Nun gut.« Sie wandte sich wieder von der Trennscheibe ab. »Ich kann warten.«

»Wollt ihr euch etwa mit uns anlegen?« fragte der erste Mann belustigt.

»Ihr überhebt euch«, warnte der zweite Kriminelle.

Parker ging auf diese Bemerkungen nicht ein und lenkte das hochbeinige Monstrum auf einen weiten Rasenplatz, der von hohen Sträuchern und Bäumen umgeben war. Dieser Platz gehörte zu einer nahen Schule und diente dem Sportunterricht. Zu dieser Stunde war er natürlich verlassen.

Vom nahen Straßenverkehr war kaum etwas wahrzunehmen. Parker hielt neben einem improvisierten Fußballtor und stieg aus. Dabei entriegelte er unauffällig Vom Armaturenbrett aus die beiden hinteren Wagentüren.

»Man sollte sich vielleicht zur Entspannung ein wenig ergehen«, schlug er vor, nachdem er eine der Wagentüren geöffnet hatte. »Dabei ergeben sich möglicherweise verbale Annäherungen.«

»Mal sehen.« Die beiden Kriminellen witterten Abendluft. Einer nach dem anderen stieg aus und blieb abwartend stehen. Lady Agatha übersahen sie souverän. Für sie existierte die ältere Dame nicht.

»Wenn man bitten darf, die Herren?« Parker deutete mit der Schirmspitze auf das Fußballtor, das von zwei schlanken, nicht gerade kleinen Pappeln gebildet wurde. Man hatte ein Netz gespannt, das allerdings sehr löchrig wirkte.

»Und ob Sie laufen werden!« Lady Agatha hielt es nicht länger. Prophylaktisch hatte sie bereits eine ihrer beiden Hutnadeln aus dem skurrilen Putzmachergebilde gezogen und stach gnadenlos zu.

Diese Hutnadel erinnerte ungemein unauffällig an einen kleinen Bratspieß. In der Hand der energischen Dame war sie eine nicht zu unterschätzende Waffe.

Der Kriminelle jaulte wie ein getretener Hund, faßte mit beiden auf den Rücken noch gefesselten Händen nach der schmerzenden Stelle und trabte augenblicklich los. Er gab damit seinem Partner ein klares Beispiel.

Die beiden Overallträger wurden von Parkers Schirmspitze in die gewünschte Richtung dirigiert und landeten schließlich vor einem der beiden Pappelstämme. Bevor die Kerle richtig begriffen, was eigentlich mit ihnen geschah, hatte Parker sie bereits im wahrsten Sinn des Wortes eingewickelt. Er spulte die zähe Klebebandrolle ab und heftete damit die leicht irritierten Gangster am Stamm fest.

»Das .. Das werdet ihr noch bereuen«, schwor der Träger der Umhängetasche aufgebracht und wütend.

»Haben Mylady besondere Wünsche, was die weitere Behandlung der beiden Personen betrifft?« fragte Parker. »Bevorzugen Mylady die Hutnadel, oder wünschen Mylady den Einsatz der Haftmine?«

»Ja«, lautete Myladys Antwort. Sie gab damit unmißverständlich zu verstehen, daß sie für beide Methoden war.

*

»Mylady gehen davon aus, daß der Rüttelzünder auf schnelle Vibrationen ansprechen wird«, schickte Josuah Parker voraus. »Solche Erschütterungen lassen sich natürlich auch durchaus per Distanz erreichen.«

»Sie ... Sie werden uns niemals in die Luft jagen«, meinte der Träger der jetzt nutzlosen Umhängetasche.

»Das wär’ glatter Mord«, fügte der zweite Kriminelle hinzu.

»Feststellungen dieser und ähnlicher Art wurden in der Vergangenheit wiederholt getroffen«, antwortete Lady Agatha. »Sie änderten jedoch nichts an den Tatsachen.«

»Was soll das heißen?« fragte der erste Gangster nervös.

»Man irrte sich nachdrücklich«, lautete Parkers Antwort.

»Hören Sie, Mann, was soll der ganze Quatsch?« Der zweite Gangster wollte einlenken. »Sie werden mit der verdammten Ladung hochgehen.«

Keineswegs, falls man die entsprechende Vorsicht walten läßt«, beruhigte Parker den Mann. »Sie verweigern also nach wie vor jede Aussage, wenn Mylady Sie recht verstanden haben sollte?«

»Aus uns bekommen Sie nichts ’raus«, lautete noch mal die entschiedene Antwort.

»Man wird sehen.« Josuah Parker legte das ziegelsteingroße Päckchen auf dem zerschlissenen Rasen ab und geleitete Lady Agatha dann überaus höflich zu einem nahen Kiesweg. Hier hob er einige handlich, nicht zu kleine, runde Kieselsteine auf und legte einen davon in die Lederschlaufe seiner Spezial-Zwille. Er strammte die beiden Gummistränge und schoß den ersten Kieselstein ab.

Er klatschte heftig gegen das Päckchen und verschob es etwas in Richtung der beiden am Baum festgebundenen Gangster. Unmittelbar darauf prallte der zweite Kieselstein gegen die Haftmine und brachte sie erneut noch näher an die Overallträger heran.

»Aufhören!« brüllte der erste Kriminelle mit schriller Stimme. »Seid ihr wahnsinnig?«

»Stop, aufhören«, versuchte der zweite Mann es ähnlich laut, dessen Stimme allerdings sehr heiser klang.

»Vielleicht noch einen dritten Kieselstein, die Herren?« antwortete der Butler in seiner höflichen Art.

»Aufhören! Aufhören!« Der erste Gangster riß und zerrte am Klebeband, doch er hatte keine Chance, vom Pappelstamm freizukommen.

»Wir stecken auf«, ließ der andere Mann sich vernehmen. »Ihr habt gewonnen. So verrückt können nur Amateure sein.«

»Sie haben Mylady etwas anzuvertrauen?« erkundigte sich Parker, als er mit der älteren Dame wieder vor den Gangstern stand.

»Okay, Mann, wir arbeiten für die grünen Zwerge.«

»Würden Sie dies freundlicherweise wiederholen?«

»Für die grünen Zwerge. Ich weiß, daß sich das verdammt blöd anhört, aber das ist so. Für die grünen Zwerge!«

»Mister Parker, wir werden noch mal in Deckung gehen«, schlug Agatha Simpson vor.

»Nein, nein wirklich .. Wir sind von den grünen Zwergen bezahlt worden«, wiederholte der Träger der Umhängetasche eindringlich, »Dieser verdammte Oberzwerg hat uns in ’nem Nachtclub in Wapping angehauen.«

»Ich glaube, ich werde Sie ohrfeigen müssen, Sie Lümmel! Wagen Sie es nicht noch mal, eine hilflose Frau anlügen zu wollen!«

»Lady, wir schwören«, sagte der Gangster fast treuherzig. »Wir sind da in ’nen Club bestellt worden. Und dann rief dieser verdammte Oberzwerg an. Am Telefon hat er uns dann angeheuert. Danach brachte ein Bote die Mine und das Geld.«

»So is’ das gewesen«, bestätigte sein Partner eindringlich. »Wort für Wort. Verdammt, nehmen Sie doch endlich das Päckchen weg.«

Parker erkundigte sich noch nach der Adresse des Clubs und wünschte den beiden Overallträgern anschließend eine gute Nacht.

»Moment mal, Sie wollten uns doch losschneiden«, protestierte der erste Gangster.

»Man wird möglicherweise noch mal zurückkehren«, deutete Parker an. Dann hob er das Päckchen auf und .. legte es auf den Kopf des Kriminellen, der plötzlich zu einer Salzsäule erstarrte.

»Sie sollten tunlichst die Balance halten«, empfahl der Butler ihm. »Falls das Päckchen zu Boden fallen sollte, könnte der Rüttelzünder reagieren, was man dann in Ihrem Interesse bedauern müßte.«

Parker lüftete grüßend die schwarze Melone und geleitete seine Herrin zurück zum hochbeinigen Monstrum.

*

»Natürlich hätte ich noch diesen Gerüst-Verleiher aufgesucht, doch Mister Parker war dagegen«, mokierte sich die ältere Dame am anderen Morgen. Sie saß am Frühstückstisch im Salon ihres Hauses und trank eine letzte Tasse Kaffee, nachdem sie mehr als ausgiebig gegessen hatte. Vor etwa zehn Minuten waren Kathy Porter und Mike Rander eingetroffen und hatten dem Bericht amüsiert-aufmerksam zugehört.

»Mister Skeen hatte leider mehr als ausreichend Zeit, seinen Intimfreund Herbert Wallich zu benachrichtigen«, erklärte Josuah Parker. »Die Beschäftigung mit den beiden Minenlegern kostete zuviel Zeit.«

»War wohl eine vernünftige Entscheidung, Mylady«, sagte Rander.

»Das wird sich noch heraussteilen«, erwiderte sie grollend und maß ihren Butler mit eisigem Blick. »Für mich ist dieser Gerüstebauer identisch mit dem Oberzwerg.«

»Eine verrückte Bezeichnung«, meinte Kathy Porter lächelnd. »Darüber hinaus klingt sie auch noch sehr harmlos.«

»Der Schein dürfte mit Sicherheit trügen, Miß Porter«, warf Josuah Parker ein.

»Wie war das denn mit diesem Rüttelzünder?« fragte der Anwalt. »Ich nehme an, Sie hatten ihn entfernt, Parker, wie?« »In der Tat, Sir. Der Zünder war mit wenigen Handgriffen auszuschrauben, die Mine war handwerklich nicht unbedingt als sauber zu bezeichnen.«

»Diese beiden Gangster hätte ich gerne beobachtet«, meinte Kathy Porter spöttisch. »Sie werden sich kaum gerührt haben.«

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Miß Porter«, pflichtete der Butler ihr bei. »Man kann nur hoffen, daß sie nicht schnell entdeckt und befreit wurden.

»Wir haben es also mit Wandbeschmierern und grünen Zwergen zu tun«, faßte der Anwalt zusammen. »Wir werden also zweigleisig fahren müssen. Hat unser guter Pickett sich inzwischen gemeldet, Parker?«

»Mister Pickett wird sich im Lauf des Vormittags mit meiner Wenigkeit treffen«, beantwortete der Butler die Frage. »Was die Zweigleisigkeit betrifft, Sir, die Sie gerade erwähnten, so wird man vorsichtig sein müssen.«

»Unsinn, Mister Parker«, raunzte Agatha Simpson. »Solche kleinen Affären sind doch für mich kein Problem. Ich werde ...«

Sie unterbrach sich, als die Türglocke anschlug.

»McWarden«, sagte Mike Rander. »Das ist die übliche Zeit.«

»Darum habe ich mein Frühstück auch eher als gewöhnlich eingenommen«, erklärte Lady Agatha schadenfroh. »Er wird sich wundern, daß ich es bereits hinter mir habe.«

Butler Parker war unterwegs zum verglasten Vorflur. Bevor er allerdings öffnete, schaltete er die Fernsehkamera über dem Eingang ein. Auf dem Kontroll-Monitor war McWardens fleischiges Gesicht zu sehen. Seine leicht hervorstehenden Augen blickten in die Optik der Kamera. Er kannte die Einrichtung und zeigte Ungeduld.

Chief-Superintendent McWarden war an die fünfundfünfzig, untersetzt und zeigte einen deutlichen Bauchansatz. Er war ein erstklassiger Kriminalist und leitete im Yard ein Sonderdezernat, das sich mit der Bekämpfung des organisierten Verbrechens befaßte. McWarden war Freund des Hauses und schätzte vor allen Dingen die Mitarbeit des Butlers. Immer dann, wenn er an einem verzwickten Fall arbeitete, suchte er Parkers Rat und stritt sich lustvoll mit Lady Agatha herum. Für Kathy Porter und Mike Rander war er ein guter Gesprächspartner.

»Ich komme auf keinen Fall zufällig vorbei«, schickte er voraus, nachdem er die Anwesenden begrüßt hatte. »Meine Kollegen sind da auf eine Sache gestoßen, die Sie hören sollten.«

»Sie arbeiten also an einem Fall und kommen wieder mal nicht weiter, mein lieber McWarden, ist es nicht so?« Lady Agatha genoß die kleine Stichelei sichtlich.

»Meine Kollegen fanden auf einem Sportplatz drüben in Lambeth zwei Männer, die man an eine Pappel geheftet hatte«, redete der Yard-Beamte weiter, als hätte er nichts gehört. »Diese beiden Männer waren nervlich völlig geschafft. Einer von ihnen trug ein Paket auf dem Kopf, in dem wir dann erstaunlicherweise einen Sprengsatz fanden, allerdings ohne Zünder.«

»Vielleicht hatten Sie’s mit Masochisten zu tun, McWarden«, warf Mike Rander ironisch ein.

»Mit zwei nicht unbekannten Gangstern«, korrigierte der Chief-Superintendent und lächelte flüchtig. »Sie verweigerten übrigens jede Aussage und wollten einfach nicht wissen, wie sie an den Baumstamm gekommen sind.«

»Sehr rätselhaft, mein lieber McWarden«, fand die Detektivin. »Warum erzählen Sie mir die Geschichte die mich überhaupt nichts angeht.«

»Sind Sie da so sicher, Mylady?« gab McWarden zurück.

*

»Erklären Sie sich McWarden«, verlangte die ältere Dame, die sofort wieder aggressiv wurde. »Wollen Sie mir etwas unterstellen?«

»Ich werde mich hüten.« McWarden lächelte, »Sie lassen übrigens Ihr Haus neu weißeln?«

»Wie kommen Sie denn darauf?« fragte sie verblüfft.

»Ich sah in einigen Fachwerken frische Farbe«‚ erklärte der Chief-Superintendent. »Es fiel mir auf Anhieb auf.«

»Könnte es sein, daß Sie daraus gewisse Schlüsse, zogen?« schaltete der Butler sich ein.

»Ja und nein.« McWarden wiegte den Kopf hin und her. »Seit einigen Tagen haben wir es mit einer Gang zu tun, die Hausfassaden und Autos besprüht. Bei uns häufen sich die Anzeigen. Die Sprayfarbe ist ungemein haftend und ätzend. Der bisherige Sachschaden ist bereits enorm.«

»Und was unternimmt die Polizei dagegen?«, wollte Mike Rander wissen.

»Was wohl, wir ermitteln«, lautete McWardens Antwort. »Ihre Hauswand Mylady, wurde nicht etwa auch besprüht? Könnte ja sein!«

»Solche Dinge überlasse ich stets Mister Parker«, erklärte sie ausweichend. »Es ist sein Ressort.«

»Der Wahrheit die Ehre, Sir, wie man zu sagen pflegt«, erwiderte Butler Parker. »Mylady wurde in der Tat belästigt und sollte veranlaßt werden, eine Art Schutzgebühr zu zahlen.«

»Was Mylady natürlich verweigerte.« McWarden kannte die Sparsamkeit der Agatha Simpson.

»Ich hätte keinen Penny bezahlt«, meinte die Lady grollend. »Ich lasse mich niemals unter Druck setzen.«

»Konnten Sie feststellen, wer diese Schmierereien veranlaßte« fragte McWarden fast beiläufig.

»Es kam nur zu einem kurzen Kontakt, Sir«, wich der Butler aus.

»Zu dem auch die beiden Burschen vom Sportplatz gehören?«

»Sie haben Grund zu solcher Vermutung, Sir?« wich der Butler aus.

»Nun ja, die ganze Methode deutet daraufhin, daß man mit schwarzem Humor gearbeitet hat. Ich darf nochmal daran erinnern, daß die beiden Kerle an der Pappel davon ausgegangen waren, daß die Ladung auf dem Kopf eines der Männer scharf war.«

»Man kopiert mich immer wieder, mein lieber McWarden«, stellte die ältere Dame wohlwollend fest.

»Die Kopie ersetzt niemals das Original«, schmeichelte der Chief-Superintendent. »Könnte es übrigens sein, daß Sie in jüngster Zeit schon mal von den grünen Zwergen gehört haben?«

»Ich lese keine Märchen mehr mein lieber McWarden«, erklärte die Detektivin und lächelte boshaft.

»Die grünen Zwerge sind eine Realität, Mylady.«

»Sind das diese Burschen, die die Fassaden und Autos beschmieren?« wollte Mike Rander wissen. Er tat ahnungslos.

»So nennen sie sich«, bestätigte der Chief-Superintendent und nickte, »der Kopf dieser Gang dürfte aber keineswegs romantisch sein.«

»Sie denken jetzt an die Sprengladung, die Sie auf dem Kopf eines der beiden Männer gefunden haben, Mister McWarden?« fragte Kathy Porter. »Gehören die Männer zu den grünen Zwergen?«

»Davon gehe ich aus, Miß Porter, auch wenn mir die Beweise fehlen. Dieses Sprengstoffpäckchen bezeugt mir, daß man bereits mit sehr harten Bandagen kämpft. Eine solche tückische Mine dürfte die beiden Kerle ja nicht zum Spaß mit sich herumgetragen haben.«

»Die erwähnten grünen Zwerge beschäftigten sich bisher nur mit Fassaden und Autos, Sir?« fragte der Butler.

»Mehr ist uns nicht bekannt, Mister Parker«, entgegnete der Chief-Superintendent. »Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Warum fragen Sie? Wissen Sie vielleicht schon mehr? Wir sollten wieder mal zusammenarbeiten.«

»Mylady befürwortet stets eine enge Zusammenarbeit«, antwortet der Butler, bevor seine Herrin zuschnappen konnte. »Aber Mylady wird sich bereits auch gefragt haben, warum die Gangster sich grüne Zwerge nennen, wobei die Betonung auf dem Farbhinweis liegt.«

»Wir wissen es nicht.« McWarden hob die Schultern. »Aber ich habe das dumpfe Gefühl, daß sie sich nicht grundlos grün nennen, Mister Parker. Mylady und Sie waren in der vergangenen Nacht unterwegs?«

»Sie spielen auf die Lümmel an, die Sie gefunden haben, McWarden?« fragte die ältere Dame süffisant.

»Es könnte ja sein, daß Sie zufällig in Lambeth waren.«.

»Wo war ich, Mister Parker?« Sie wandte sich an ihren Butler.

»Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, man wird Ihnen eine genaue Beschreibung der nächtlichen Fahrtroute hereinreichen«, lautete Parkers Antwort, der davon ausging, daß der Chief-Superintendent ihn verstand.

»Lassen Sie sich Zeit, Mister Parker.« McWarden hatte verstanden und lächelte zufrieden. »Es eilt ja nun wirklich nicht.«

*

Herbert Wallich war um die fünfzig, groß, fast schlank und hatte ein hageres Gesicht mit einem bemerkenswert spitzen Kinn. Er trug eine zerbeulte Manchesterhose, ein kariertes Hemd und darüber eine zerschlissene Lederjacke. Er blickte hoch, als Lady Agatha und Josuah Parker sein Büro betraten, das in einer langgestreckten Baracke untergebracht war.

»Man wünscht einen erfolgreichen Morgen«, sagte Parker und lüftete die schwarze Melone. »Möge dieser Tag positiv enden, Mister Wallich.«

»Nichts dagegen einzuwenden.« Herbert Wallich, der Intimfreund Ritchie Skeens, stand betont höflich auf und musterte vor allen Dingen Lady Agatha.

»Ein Mister Ritchie Skeen war so entgegenkommend, Mylady Ihre Adresse zu nennen«, redete der Butler weiter. »Lady Simpson beabsichtigt, die Fassade ihres Stadthauses in Shepherd’s Market neu weißeln zu lassen, was nach Lage der Dinge nicht ohne ein entsprechendes Gerüst zu bewerkstelligen sein wird.«

»Lady Simpson also.« Wallich nickte.

»Mein Name ist Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor.

»Möglicherweise wurden Sie bereits von Mister Skeen informiert, der im Haus Myladys zu Gast war.«

»Warum und wieso sollte er mich informieren?« wollte der Gerüstebauer wissen.

»Es heißt, daß Mister Skeen und sie besonders eng miteinander befreundet sein sollen.«

»Unsinn! Klar, wir kennen uns natürlich, aber mehr auch nicht. Sie brauchen also ein Gerüst? Wie groß soll es denn sein? Haben Sie Maße mitgebracht?

»Lassen wir doch das dumme Versteckspiel«, schaltete die ältere Dame sich raunzend ein. »Ich weiß, welche Rolle Sie spielen, junger Mann. Sie sorgen dafür, daß Fassaden und Autos beschmiert werden, um dann später für die Gerüste kassieren zu können. Einer Lady Simpson machen Sie nichts vor.«

»Ich bin platt!« Wallich lachte amüsiert. »Wer hat Ihnen denn diese wilde Geschichte erzählt?«

»Leute, die sie und Ihre Machenschaften genau kennen, junger Mann.«

»Ich sollte Sie ’rausschmeißen«, überlegte Wallich, der nach wie vor amüsiert wirkte.

»Ich warte nur darauf, daß Sie es wagen werden, sich an einer alten und wehrlosen Frau zu vergreifen«, hoffte Lady Agatha.

»Ich werde mich hüten, Sie auch nur mit einem Finger anzurühren«, gab Herbert Wallich zurück. »Ich werde mir keinen Prozeß an den Hals hängen.«

»Sie hatten bereits hinlänglich Ärger mit einem ganz bestimmten Prozeß, in dem es um Bestechung ging, Mister Wallich?«

»Alles Verleumdungen, die in sich zusammengefallen sind.«

»Noch einmal werden Sie nicht so glimpflich davonkommen«, wußte Agatha Simpson im vorhinein und blickte den Gerüstbauer grimmig an. »Ich werde Ihnen und Ihren grünen Zwergen das Handwerk legen.«

»Wem? Grüne Zwerge?« Wallich runzelte die Stirn. »Wer soll das sein, Mylady? Von diesen grünen Zwergen habe ich noch nie gehört.«

»Aber ein Chief-Superintendent McWarden«, schnappte sie gereizt zurück.

Sie merkte das sie gegen eine Gummiwand lief.

»McWarden!« Wallich winkte ab. »Wenn er was wüßte, wäre er längst bei mir aufgetaucht. Sie sind hier bei mir an der falschen Adresse, Mylady, ich habe Ihnen keine Zwerge zu bieten. Sie können mich auch nicht provozieren, hier haben Sie mit Zitronen gehandelt.«

»Das wird sich noch zeigen, junger Mann«, blaffte die ältere Dame den Gerüstebauer an.

»Ich werde in aller Ruhe abwarten«, meinte Wallich. »Falls Skeen Dreck am Stecken hat, ist das seine Sache, damit habe ich nichts zu tun.«

»Dazu gehört selbstverständlich auch eine Haftmine, die unter dem Wagen meiner Wenigkeit, angebracht werden sollte, Mister Wallich?« schaltete der Butler sich ein.

»Was wollen Sie mir denn noch alles in die Schuhe schieben?« fragte der Gerüstebauer, der sich in seiner Rolle äußerst wohl fühlte.

»Einen Hauptbelastungszeugen, der in einem geplanten Prozeß gegen Sie aussagen sollte«, redete Parker gemessen und höflich weiter, »diese betreffende Person wird mit Sicherheit nicht für alle Zeiten unauffindbar bleiben, Mister Wallich.«

»Nein, sie schaffen es einfach nicht, mich auf die Palme zu bringen«, versuchte der Gerüstebauer standhaft zu bleiben. »Sie warten doch nur darauf, daß ich den wilden Mann spiele, damit Sie mir was anhängen können. Aber den Gefallen, Mister Parker, tue ich Ihnen nicht.«

»Ich habe große Lust, Sie zu ohrfeigen«, grollte die ältere Dame.

»Bitte, bedienen Sie sich«, lud Wallich die Lady ein.

»Sie haben das gehört, Mister Parker?« fragte sie umgehend.

»Was, bitte, Mylady sollte meine Wenigkeit gehört haben?« erkundigte der Butler sich.

»Er bittet um eine Ohrfeige, Mister Parker!«

»Mylady lassen sich erfahrungsgemäß nie zu etwas zwingen«, wiegelte der Butler ab, worauf die ältere Dame langsam ihre bereits erhobene Hand wieder sinken ließ. Sie machte einen wütenden, zugleich aber auch enttäuschten Eindruck.

Und sie machte wenig später aus ihrem Herzen keine Mördergrube.

»Sie sind mir in den Arm gefallen, wenn auch nur mit Worten«, grollte sie, als sie mit Parker zum hochbeinigen Monstrum ging.

»Mister Wallich hätte auch zwei oder drei Ohrfeigen ohne weiteres eingesteckt, Mylady.«

»Dann hat er einfach keinen Mumm in den Knochen, Mister Parker.«

»Mister Wallich ist ein mit Sicherheit ungemein gefährlicher Mann, Mylady«, versicherte der Butler seiner Herrin. »Aber er will keine Angriffsflächen bieten. Sein Verhalten machte im Umkehrschluß deutlich, daß er sehr wohl weiß, daß Mylady auf der richtigen Spur sind, die zu ihm hinführt.«

»So sehe ich es allerdings auch«, behauptete sie prompt. »Er hat sich auf der ganzen Linie verraten, dieser Dummkopf.«

»Präziser könnte man es in der Tat nicht formulieren«, sagte Parker.

Mit einer baldigen Reaktion des Mister Herbert Wallich dürfte schon sehr bald zu rechnen sein. Der Hinweis auf den zur Zeit unauffindbaren Hauptbelastungszeugen müßte ihn genervt haben.«

»Wie gut ich dieses Gespräch doch wieder mal beherrscht habe«, lobte sie sich. »Nehmen Sie sich ein Beispiel an mir, Mister Parker.«

*

Horace Pickett, der ehemalige Eigentumsverteiler, trug einen sorgfältig gestutzten Schnurrbart und erinnerte eindeutig an einen pensionierten Offizier. In Trenchoat und mit Traveller-Hut sah er sportlich-jugendlich aus, obwohl er gut und gern sechzig Jahre zählte.

Er wartete in einer kleinen Teestube auf Lady Simpson und den Butler.

Als sie den Raum betraten, erhob er sich und ließ dabei wie zufällig seine beiden Zeitungen auf dem Tisch liegen. Er ging hinaus, tat ein paar Schritte und kam wieder zurück, passierte den Tisch, an dem die ältere Dame bereits Platz genommen hatte und flüsterte dem Butler, der noch stand, einen kurzen Hinweis zu. Wenig später war Horace Pickett dann wieder verschwunden.

»Was hat er gesagt?« fragte die Detektivin interessiert.

»Er nannte den Namen eines gewissen Mister Sidney Pottmer, Mylady, der hier in Wapping Reifen feilbietet.«

»Aha.« Sie nickte bedeutungsvoll, wußte mit diesem Namen aber nichts anzufangen.

»Mister Sidney Pottmers Reklamefeuerzeug fand sich in der Tasche eines der Heckenschneider in Hampstead, Mylady.«

»Ich weiß«, schwindelte sie umgehend. »Ich habe alle Tatsachen fest im Kopf und brauche keine Belehrungen.«

»In der Tasche des zweiten Heckenschneiders fand sich ein Kugelschreiber, Mylady.«

»Natürlich, ich weiß.« Sie grollte bereits.

»Mylady erinnerten sich selbstverständlich an den Namen darauf.«

»Bis in alle Einzelheiten, Und was steht darauf? Hoffentlich haben Sie ein gutes Gedächtnis, Mister Parker.«

»Auf den beiden Kugelschreibern macht ein Mister James Stuffing Reklame für sein Kreditbüro.«

»Richtig«, gab sie zurück und lächelte wohlwollend. Sie hatte sich an der Nennung des Namens erfolgreich vorbeigedrückt und freute sich. »Ich denke, Mister Parker, ich werde erst noch einen Tee mit etwas Gebäck nehmen, bevor ich mir den Heckenschneider ansehe.«

Parker verzichtete darauf, ein Mißverständnis klarzustellen. Man hatte nicht die Heckenschneider ausfindig gemacht sondern die Firmen, deren Reklameartikel sich in den Taschen der beiden Heckenzerstörer gefunden hatten.

Er ging zum Tresen und bat um zwei Tassen Tee. Dazu ließ er sich sicherheitshalber zwei Stücke Apfelkuchen geben. Er kannte den Appetit seiner Herrin. Als er zum Tisch zurück gehen wollte, erschienen in der Teestube, zwei handfest aussehende Männer in Jeans und Lederjacken. Sie orientierten sich kurz und nahmen dann an einem Tisch neben Mylady Platz.

Parker hatte sie sofort eingestuft.

Die beiden Männer waren nicht zufällig erschienen. Sie gehörten wahrscheinlich zu dem kleinen Lieferwagen, der seinem hochbeinigen Monstrum seit Verlassen des Gerüstebauers hartnäckig gefolgt war. Ein gewisser Mister Herbert Wallich hatte wohl die Absicht, seine Zähne zu zeigen.

In der Teestube waren nur wenige Gäste.

Ein junges Paar stand gerade auf und ging. Weit hinten an der Wand saßen zwei füllige Frauen, die ihren Tee schlürften und sich angeregt unterhielten. Erfreulicherweise war die Tür zu den Toiletten nicht weit entfernt.

Sie konnten sich also schnellstens absetzen, falls es hier zu einer Auseinandersetzung kam. Die Bedienung hinter dem Tresen, eine Frau, deren Gesicht wie das einer Spitzmaus aussah, stand hinter dem Teebehälter und polierte Becher aus Porzellan.