Ein gefährlicher Weg... - Toni Waidacher - E-Book

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Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Als Sebastian zu den anderen Gästen auf die Terrasse zurückkehrte, lieferten sich der Bürgermeister und Robert einen hitzigen Disput. Er ließ sich nieder und fing einen geradezu verzweifelten Blick des Gemeindeoberhaupts auf. Anscheinend lief es nicht besonders gut für ihn. ›Das ist doch Schwarzmalerei, Herr Seidel. ‹ – ›Jetzt lassen S' aber die Kirch' im Dorf, Herr Seidel. ‹ – ›Das ist doch alles halb so schlimm, Herr Seidel. ‹ – Bruckners Antworten auf Robert Seidels Argumente hörten sich fast immer gleich an. Davon, dass er sich angeblich kundig gemacht hatte, war kaum etwas zu bemerken. Nein, es wurde deutlich, dass sich das Gemeindeoberhaupt allenfalls oberflächlich mit dem Für und Wider hinsichtlich des Baus eines Golfplatzes befasst hatte. Dabei versuchte Bruckner auch noch, ernst und seriös zu wirken. Sehr schnell war Severin Kaltenecker klar geworden, dass Bruckner eigentlich nur abblocken wollte. Er hatte dem, was der Fachmann gegen den Golfplatzbau vorzubringen hatte, nichts entgegenzusetzen, und Severin war der Meinung, dass Robert Seidel, der Landschaftsgärtner aus Dresden, das Gespräch beenden sollte. Der Fachmann stieß mit seinen Worten nämlich auf taube Ohren. Als der Bergpfarrer von dem vertraulichen Gespräch mit dem Thurecker-Franz zurückkam, schoss der Bürgermeister sogar ihm einen hilfesuchenden Blick zu. ›Das ist hundertprozentig der falsche Mann‹, durchfuhr es Severin nicht ganz ohne Schadenfreude, ›an den du dich um Beistand wenden könntest, mein lieber Markus. Schließlich kommt Robert aus seinem Lager. »Na, seid ihr schon weitergekommen?«, fragte Sebastian, nachdem er einen Schluck von seiner kalten Milch getrunken hatte. Robert seufzte. »Nicht so richtig«

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Der Bergpfarrer Extra – 26 –

Ein gefährlicher Weg...

Wer wildert im Lautenschläger-Wald?

Toni Waidacher

Als Sebastian zu den anderen Gästen auf die Terrasse zurückkehrte, lieferten sich der Bürgermeister und Robert einen hitzigen Disput. Er ließ sich nieder und fing einen geradezu verzweifelten Blick des Gemeindeoberhaupts auf. Anscheinend lief es nicht besonders gut für ihn.

›Das ist doch Schwarzmalerei, Herr Seidel.‹ – ›Jetzt lassen S’ aber die Kirch’ im Dorf, Herr Seidel.‹ – ›Das ist doch alles halb so schlimm, Herr Seidel.‹ – Bruckners Antworten auf Robert Seidels Argumente hörten sich fast immer gleich an. Davon, dass er sich angeblich kundig gemacht hatte, war kaum etwas zu bemerken.

Nein, es wurde deutlich, dass sich das Gemeindeoberhaupt allenfalls oberflächlich mit dem Für und Wider hinsichtlich des Baus eines Golfplatzes befasst hatte. Dabei versuchte Bruckner auch noch, ernst und seriös zu wirken.

Sehr schnell war Severin Kaltenecker klar geworden, dass Bruckner eigentlich nur abblocken wollte. Er hatte dem, was der Fachmann gegen den Golfplatzbau vorzubringen hatte, nichts entgegenzusetzen, und Severin war der Meinung, dass Robert Seidel, der Landschaftsgärtner aus Dresden, das Gespräch beenden sollte. Der Fachmann stieß mit seinen Worten nämlich auf taube Ohren.

Als der Bergpfarrer von dem vertraulichen Gespräch mit dem Thurecker-Franz zurückkam, schoss der Bürgermeister sogar ihm einen hilfesuchenden Blick zu.

›Das ist hundertprozentig der falsche Mann‹, durchfuhr es Severin nicht ganz ohne Schadenfreude, ›an den du dich um Beistand wenden könntest, mein lieber Markus. Schließlich kommt Robert aus seinem Lager.‹

»Na, seid ihr schon weitergekommen?«, fragte Sebastian, nachdem er einen Schluck von seiner kalten Milch getrunken hatte.

Robert seufzte. »Nicht so richtig«, antwortete er nur, und es klang frustriert.

Fragend schaute Sebastian den Bürgermeister an.

»Alles das, was der Herr Seidel vorgebracht hat, werden wir im Gemeinderat besprechen, Hochwürden«, versicherte Bruckner und schaute dabei recht unglücklich drein. Allerdings brannte ihm etwas auf den Lippen, was er unbedingt loswerden musste. Er murmelte: »Mit jedem Satz, der aus seinem Mund gekommen ist, haben Sie aus ihm gesprochen, Hochwürden.« Er tippte sich gegen die Stirn. »Ich hab’ alles auf meiner Festplatte da drin gespeichert. Und da Sie ja grundsätzlich gegen alles sind, was ich gutheiße und befürworte, und den Herrn Seidel gewissermaßen als Ihr Sprachrohr benutzt haben, werd‘ ich jedes einzelne Argument einer ganz besonders gründlichen Prüfung zu unterziehen.«

»Du irrst dich, Markus. Alles, was der Herr Seidel gegen den Bau des Golfplatzes vorgebracht hat, basiert auf seinem fachmännischen Wissen und den Erfahrungen, die er gesammelt hat.«

»Ich stell’ seine fachliche Kompetenz ja auch gar net in Frage, Hochwürden«, erklärte Bruckner. »Aber wenn Natur und Umwelt tatsächlich derart geschädigt werden, dann frag’ ich mich, wieso es auf der Welt so viele Golfplätze gibt. Wissen S’ Hochwürden, was ich glaub’?«

»Wenn ich das wüsst’, Markus, dann könnt’ ich Gedanken lesen«, erwiderte Sebastian.

»Ich glaub’, Ihnen geht’s nur darum, mir wieder mal eins auszuwischen.«

Sebastians Brauen hoben sich. »Ich denke, dir geht’s nur darum, Markus, dich wenigstens einmal gegen mich durchzusetzen. Dabei spielt es keine Rolle, welches Projekt im Raum steht. Ob Golfplatz, Freilichtbühne, Sommerrodelbahn oder Heißluftballone – egal – du möchtest dir auf Biegen und Brechen hier im Wachnertal ein Denkmal setzen und endlich einen Sieg gegen mich an deine Fahne heften. Sei doch wenigstens so ehrlich und geb’s zu.«

»Das stimmt net, Hochwürden«, lamentierte Bruckner. »Es geht mir immer um die Sache. Persönliche Dinge stehen bei mir hintan. Bitte, verstehen S’, dass ich es net allen recht machen kann. Es gibt immer unterschiedliche Meinungen, und eine Partei bleibt zwangsläufig auf der Strecke. Net ich entscheid’, sondern der Gemeinderat, und er trifft – so wahr mir Ihr himmlischer Chef helfe –, seine Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen. In Sachen Golfplatz gilt es, die gravierend unterschiedlichen Interessen gegeneinander abzuwägen.«

»Die Interessen eines Einzelnen gegen die Interessen der Vernunft, Markus«, stieß Sebastian hervor. »Ich könnt’ auch sagen, die Interessen des Reisnecker-Hennes.«

»Die Interessen eines Einzelnen können sich zum Interesse vieler entwickeln, Hochwürden.«

Sebastian winkte ab. »Ich seh’s schon, Markus, es ist vergeblich. Also verfolg’ ruhig deinen Kurs weiter, ich werd’ net von meinem abweichen. Am Ende wird sich herausstellen, wer auf der Strecke bleibt.«

Bruckner nahm wieder am Tisch seiner Familie Platz. Er wirkte etwas angeschlagen, versuchte dies aber durch aufrechte Haltung und ein aufgesetztes Lächeln zu vertuschen.

Nachdem der Thurecker-Franz seinen Gästen in seiner Käserei einen kleinen Exkurs über die Käseherstellung gegeben hatte, beschloss Sebastian, sich mit seiner kleinen Gruppe auf den Rückweg ins Tal zu machen.

Man verabschiedete sich von der Familie des Bürgermeisters.

»Nix für ungut, Herr Seidel«, sagte Bruckner, während er dem Landschaftsgärtnermeister die Hand schüttelte. »Gewiss waren Ihre Argumente net von schlechten Eltern. Sie werden aber zugeben müssen, dass die Argumente, die ich Ihnen entgegengesetzt hab’, durchaus nachvollziehbar sind. Es ist net das Interesse eines Einzelnen, dem mit dem Bau des Golfplatzes Rechnung getragen würde.«

»Sondern?«

»Das Interesse eines Einzelnen ist es, den Bau zu verhindern.« Bruckner schoss Sebastian einen bezeichnenden Blick zu. »Sind S’ mir böse, wenn ich Ihnen einen guten Rat geb’?«

»Wenn er konstruktiv ist – gewiss nicht.«

Bruckner schaute verschwörerisch drein, als er flüsterte: »Lassen S’ sich net vor den Karren des Bergpfarrers spannen. Er lebt noch ein bissel hinterm Mond, und ihm ist wahrscheinlich wieder einmal jedes Mittel recht, um mich vor der Gemeinde unmöglich zu machen.«

»Seine Sorgen sind angebracht«, versetzte Robert Seidel.

»Seine Sorgen sind rechthaberisch, Herr Seidel. Wobei ich persönlich nix gegen ihn hab’. Ich kreid’ ihm lediglich an, dass er mir ständig gegen den Karren fährt.«

›Nicht ohne Grund, schätze ich‹, dachte Robert, lächelte den Bürgermeister an und sagte: »Das müssen Sie sportlich sehen, Herr Bruckner.«

Der Thurecker-Franz trat noch einmal an den Bergpfarrer heran, reichte ihm die Hand und sagte: »Ich weiß, dass ich mich auf Sie verlassen kann, Hochwürden. Vielleicht können S’ was erreichen beim alten Lautenschläger.«

»Ich tu’ mein Bestes, Franz«, versprach Sebastian, schüttelte die Hand des alten Senn, und dann marschierte die Wandergruppe los.

Sebastian hatte sich, nachdem sie ein Stück gegangen waren, Robert und Inga hinzugesellt.

»Der Bürgermeister wollte gar nicht hören, was Robert vorzubringen hatte«, berichtete Inga.

»Als er sich auf der Alm von mir verabschiedet hat, sprach er von seinen nachvollziehbaren Argumenten«, sagte Robert. »Ich krame seitdem in meinem Gedächtnis, doch mir fällt keine einzige sinnvolle Aussage ein, die aus seinem Mund gekommen wäre. Daher bin ich vollkommen Ihrer Meinung, Herr Pfarrer, dass es Bruckner nur drum geht, sich gegen Sie durchzusetzen. Dass sich der Streit um einen Golfplatz dreht, ist für ihn nebensächlich. Es könnte auch ein Tennisplatz, ein Funpark oder – hm, ein Hühnerstall sein.«

»Manches Mal hab’ ich den Eindruck«, murmelte Sebastian, »dass beim Markus wirklich Hopfen und Malz verloren ist.«

*

Wieder zu Hause sprach Sebastian beim Abendessen seine Haushälterin an. »Sie kennen doch die Leut’ vom Lautenschlägerhof in Engelsbach sicherlich besser als ich, Frau Tappert.«

»Na ja, so gut auch wieder net«, erwiderte die Haushälterin. »Warum fragen S’ denn, Hochwürden?«

»Die Nichte des Thurecker-Franz hat einen Sohn, den Linus, und der Bursch’ hat sich in das Lautenschlägermadel verliebt«, klärte Sebastian Sophie auf. »Der Franz hat mir erzählt, dass die Liebe der beiden auf Gegenseitigkeit beruht. Allerdings wären die Eltern des Madel vehement gegen den Linus, weil er ein einfacher Waldarbeiter ist und nix hat.«

»Ich kann Ihnen net viel über den Stefan Lautenschläger und seine Frau erzählen, Hochwürden. Es handelt sich um einen sehr großen Hof, der Stefan ist etwas über fünfzig Jahre alt, seine Frau Karolina ein oder zwei Jahre jünger. Sie haben nur die eine Tochter. Was Negatives hab’ ich noch net gehört über die Familie. Dass er dagegen ist, dass seine Tochter einen armen Schlucker heiratet, ist wieder mal typisch für einen reichen Bauern wie ihn.«

»Ich werd’ mich morgen mal nach Engelsbach begeben und mit dem Blasius Eggensteiner sprechen. Er hat der Mutter von Linus den Rat gegeben, der Bursch’ möge sich um sein Seelenheil kümmern und net um sein Liebesleben. Wenn ich solche Aussagen hör’ und mir sagen lassen muss, dass es in Engelsbach noch Bauern gibt, die die Gefühle ihrer Kinder ignorieren und sie gewissermaßen mit dem Meistbietenden verheiraten wollen, dann frag’ ich mich, ob dort die Zeit vor hundert oder hundertfünfzig Jahren stehen geblieben ist.«

»Manchmal könnt’ man das schon meinen«, erklärte Sophie. »Sie haben mir noch gar nix von Ihrer Tour mit den Leuten aus Dresden und der schönen Frau aus Bamberg erzählt, Hochwürden. Haben S’ den Herrn Seidel auf den Bruckner losgelassen? Hat er ihm klarmachen können, was mit dem Bau eines Golfplatzes für ein Verbrechen an der Natur begangen werden würd’?«

»Der Markus hat alle Argumente abgeblockt. Der Herr Seidel hat sich den Mund fransig geredet, aber der Markus hat immer wieder entgegengehalten, dass wir, die Gegner des Plans, Schwarzmalerei betreiben würden und alles nicht so schlimm sei, sonst würde es ja net so viele Golfplätze auf der Welt geben.«

»Also hat er wieder einmal deutlich gezeigt, unser guter Bürgermeister, dass er ein unverbesserlicher Ignorant ist«, erregte sich Sophie.

»Es geht net nur drum, dass er unsere Argumente anzweifelt oder ignoriert, sondern darum, dass er seinen Willen durchsetzt und am Ende einmal als strahlender Sieger dasteht.«

»Das ist ja noch viel schlimmer«, stieß Sophie hervor. »Ignoranz könnt’ man noch als Fahrlässigkeit einstufen. Rechthaberei aber setz’ ich mit Vorsatz gleich.«

Sebastian lachte. »Sie sind aber wieder sehr ungnädig mit unserem Bürgermeister, Frau Tappert. Meinen S’ net, dass man ihm mildernde Umstände zubilligen muss? Schließlich ist der Markus ist davon überzeugt, mit seinem ganzen Denken und Handeln nur dem Wohl der Gemeinde zu dienen.«

Ich versteh’ schon, Hochwürden«, murmelte Sophie. »Nur gut, dass wir Sie haben, Hochwürden. Sie sind der einzige, der ihn immer wieder bremst, wenn er zu übermütig wird. Unser schönes St. Johann wär’ ein zweiter Ballermann, würd’ man den Bruckner schalten und walten lassen, wie er will.«

»Wo’s recht haben, da haben S’ recht«, stimmte Sebastian seiner Haushälterin zu.

Am folgenden Vormittag, nachdem er die wichtigsten Schreibtischarbeiten erledigt hatte, fuhr Sebastian in die Nachbargemeinde.

Zunächst stattete er seinem Kollegen Blasius Eggensteiner einen Besuch ab. Er traf ihn in seinem Büro im Pfarramt an. Der schwergewichtige Pfarrer der Gemeinde St. Anna saß hinter seinem Schreibtisch und musterte den seltenen Besuch ziemlich erstaunt.

Perplex erwiderte er Sebastians Gruß. »Was verschafft mir die Ehre?«

»Darf ich mich setzen?«, fragte Sebastian lächelnd.

»Natürlich, Entschuldigung dafür, dass ich net gleich einen Platz angeboten hab’. Das ist meiner Überraschung zuzuschreiben, werter Kollege.«

Sebastian ließ sich nieder. »Ich komm’ wegen dem Linus Sonnegger.«

»Ein anständiger Kerl, der Linus. Allerdings schwänzt er sehr oft die Mess’. Aber das muss er mit seinem Gewissen vereinbaren. Ich hab’ ihm zwar damit gedroht, dass seine Seele mal im Fegefeuer leiden wird, aber das hat ihn net überzeugen können. Manche sind eben unbelehrbar. Er wird’s am eigenen Leib spüren.«

»Du scheinst ja sehr um sein Seelenheil besorgt zu sein, Kollege«, sagte Sebastian.

»Die Bürger der Gemeinde Engelsbach sind eine Herde Lämmer, die ich als ihr Hirte zu betreuen hab’«, erklärte Blasius Eggensteiner im Brustton der Überzeugung. »Wenn eines der Lämmer aus der Herde ausbricht, werd’ ich versuchen, es zurückzuholen. Wenn’s mir net gelingt, dann tut mir das leid, aber ich kann’s net ändern.«

»Der Sonnegger-Linus hat Liebeskummer. Seine Mutter hat deswegen um Rat gebeten. Du hast dem Linus bestellen lassen, dass er sich weniger um sein Liebesleben, sondern eher um sein Seelenheil kümmern soll.«

»Diesen Rat würd’ ich jedem geben, der mit seinen Liebesproblemen zu mir kommt. Ich bin nämlich Priester und kein Paartherapeut.«

»Dagegen ist nix zu sagen, werter Kollege. Dennoch war dieser Ratschlag net angebracht. Hast‘ überhaupt hinterfragt, was es für ein Problem ist, das dem Linus so sehr zusetzt?«

»Er möcht’ sich das Madel vom großen Lautenschlägerhof angeln, beißt aber auf Granit. Damit muss er sich eben abfinden. Man kann net alles kriegen im Leben. Soll ich zum Lautenschläger gehen und ihm den Burschen als Schwiegersohn anpreisen? Verlorene Liebesmüh‘! Wenn der Stefan den Linus net in der Familie haben möcht’, dann steh’ ich dem machtlos gegenüber.«

»Der Lautenschläger muss den Burschen net mögen«, stieß Sebastian hervor. »Wichtig ist, dass ihn die Lisa liebt. Und das scheint, wenn ich richtig informiert bin, der Fall zu sein.«

»Die Lisa ist ein junges Madel, das net weiß, worauf’s im Leben ankommt«, knurrte Blasius Eggensteiner. »Der Lautenschläger braucht einen Schwiegersohn, der mal die Landwirtschaft übernimmt. Der Linus arbeitet beim Forstamt und fällt im Wald Bäume. Mit dieser Fertigkeit, falls man überhaupt davon sprechen kann, ist er sicher net in der Lage, einen großen Hof zu schultern. Der Lautenschläger braucht einen Landwirt, keinen Waldarbeiter.«

»Du wolltest sagen, einen reichen Bauern und keinen armen Waldarbeiter«, verbesserte der Bergpfarrer den Kollegen.

»Na ja …« Eggensteiner begann an seiner Unterlippe zu nagen.

»Und genau das will ich net so stehen lassen«, erklärte Sebastian voller Entschlossenheit. »Wenn sich zwei Menschen lieben und davon überzeugt sind, zusammenzugehören, dann darf man sich ihrer Liebe net in den Weg stellen. Und schon gar net aus solchen Gründen. So ein Denken ist ja vorsintflutlich.«

»Tja«, machte Blasius Eggensteiner, holte ein buntes Taschentuch aus der Jacke und tupfte sich das Gesicht ab, »dann musst du halt versuchen, den Lautenschläger-Stefan zu überzeugen. Ich nehm’ an, bei dem kommst net sehr weit. Das ist ein ziemlich sturer Patron, der seine eigene Weltanschauung vertritt.«

»Vielleicht kann man sie ändern«, verlieh Sebastian seiner Hoffnung Ausdruck.

»Wenn du das schaffst, Sebastian Trenker, dann geb’ ich einen aus.«

»Ich nehm’ dich beim Wort, Blasius«, erklärte Sebastian und verabschiedete sich.

*

Sebastian, der Linus Sonnegger nicht persönlich kannte, wollte sich, ehe er tätig wurde, zuerst einmal einen persönlichen Eindruck von dem Siebenundzwanzigjährigen verschaffen und begab sich zu seiner Wohnung.

Wie erwartet traf er den Burschen nicht zu Hause an. Linus’ Mutter erklärte ihm, wo er im Moment zur Waldarbeit eingesetzt war und der Pfarrer fuhr hin.

Der Wald lag an der Grenze zwischen den Gemeinden Engelsbach und Waldeck. Sebastian stellte am Waldrand sein Auto ab, um den Rest des Weges zu Fuß zurückzulegen. Er bewegte sich auf einem von Traktorreifen zerfurchten Wirtschaftsweg, über ihm ein dichtes Dach aus Baumkronen, das hier und dort von einem Lichtstrahl unterbrochen wurde, der einen Weg durch die Blätter gefunden hatte und goldene Kringel auf den Waldboden malte.

Im Wald war es still, abgesehen davon, dass hin und wieder Vogelgezwitscher erklang. Manchmal knackte es trocken, wenn Sebastian auf einen verdorrten Zweig trat. Es war warm, und es roch nach Fichtennadeln und Harz. Sebastian liebte diesen Geruch. Diese geradezu himmlische Ruhe ergriff auch von ihm Besitz. Hier konnte er die Seele so richtig baumeln lassen, denn die friedliche Atmosphäre hier im Wald ließ ihn den Alltag vergessen, und Sebastian hatte das Gefühl, eins mit der Natur zu sein. Für sich schwor er, dafür zu kämpfen, dass alles so blieb, wie es war.

Irgendwann vernahm er das ferne Aufheulen einer Kettensäge. Das Geräusch wurde intensiver, je näher er dem Holzfällertrupp kam, bei dem sich Linus Sonnegger befand. Und dann sah er den Schlepper, der zwischen den Bäumen stand, sowie einige der Männer, die hier Totholz beseitigten, um dem Käferbefall des Waldes vorzubeugen.