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Anfang der 60’er Jahre hielten Raubüberfälle, zum Teil mit Todesfolge, die Chicagoer Kriminalpolizei ziemlich auf Trapp. Bei den Zeugenvernehmungen stellt Inspektor Hank Tombstone fest, dass die Überfälle ausschließlich an Pärchen, die in einem Auto saßen, verübt worden waren. Ebenfalls auffällig ist, dass der Gangster ein wahrer Gentleman zu sein scheint, denn er fordert die Opfer stets höflich, nett und zuvorkommend auf, ihm ihr Geld zu überlassen und zog anschließend seines Weges. Mithilfe seines Partners Larssen versucht Tombstone den Ganoven dingfest zu machen und verfolgt ihn quer durch Amerika, bis er ihm eines Tages Auge um Auge gegenübersteht …
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Jonas Pickham
Ein Gentleman
mordet
Ein klassischer Kriminalroman
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Steve Mayer, 2023
Korrektorat: Ilka Richter
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Ein Gentleman mordet
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12- Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
Weitere klassische Kriminal-Romane von Jonas Pickham sind erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung
Anfang der 60’er Jahre hielten Raubüberfälle, zum Teil mit Todesfolge, die Chicagoer Kriminalpolizei ziemlich auf Trapp. Bei den Zeugenvernehmungen stellt Inspektor Hank Tombstone fest, dass die Überfälle ausschließlich an Pärchen, die in einem Auto saßen, verübt worden waren. Ebenfalls auffällig ist, dass der Gangster ein wahrer Gentleman zu sein scheint, denn er fordert die Opfer stets höflich, nett und zuvorkommend auf, ihm ihr Geld zu überlassen und zog anschließend seines Weges. Mithilfe seines Partners Larssen versucht Tombstone den Ganoven dingfest zu machen und verfolgt ihn quer durch Amerika, bis er ihm eines Tages Auge um Auge gegenübersteht …
***
Sonntag, 4. August.
Uhrzeit: 23.45
Hauptwache, Detektiv-Abteilung der IV. Division.
Chicago West.
Wir warteten auf die Ablösung. Es war eine schwüle Nacht und drückend heiß im Zimmer. Noch fünfzehn Minuten, dann hatten wir unseren Teil der Nachtwache hinter uns.
Oberinspektor Gilmore war Chef vom Nachtdienst. Er saß im Nebenraum und wartete wie wir.
Ich blickte flüchtig auf meine Uhr.
»Nur noch ein paar Minuten, Sven«, sagte ich. »Los, alter Junge. Hau’n wir ab!«
Wir standen auf, nahmen unsere Hüte vom Haken und schlenderten zur Tür. Als ich die Klinke in der Hand hielt, kam der Oberinspektor aus seinem Zimmer hervor. Wir drehten uns um, und ich sagte: »Hoffentlich nichts für uns, Chef. Feierabend.«
»Tut mir leid, Tombstone«, grinste Gilmore. »Ihr habt genug Zeit gehabt, euch auszuruhen. Habe gerade einen Anruf vom Krankenhaus Brooder Street gehabt.«
»Ja?«, sagte ich gedehnt.
»Eine Frau lieferte einen Mann mit Schädelbruch ein. Man hat dem Mann mit ’nem Revolverlauf eins über den Schädel geknallt. Raubüberfall, Jungens.«
Mit diesen Worten wurden wir auf die Fährte gesetzt. Raubüberfall gehörte in unser Kommissariat.
»Na, denn man los, Sven«, sagte ich, »fahren wir also hin.«
Wir bogen in Brooder Street ein und fuhren in den Innenhof des Krankenhauses.
In der Annahme sagte man uns, dass der eingelieferte Mann sich noch im Untersuchungsraum befinde, dass seine Begleiterin jedoch vernehmungsfähig sei. Ein junger Assistenzarzt wurde hinzugerufen und informierte uns, dass der Mann nicht vor morgen früh zu sprechen sei. Leichter Schädelbruch, Gehirnerschütterung und so weiter. Die Frau säße in seinem Büro und hätte sich erholt.
Wir folgten ihm und traten durch eine weißlackierte Tür, die er vor uns öffnete.
»Rufen Sie mich bitte, wenn Sie fertig sind«, sagte der Arzt und verließ uns.
Eine schlanke, elegante Frau erwartete uns. Der erste Eindruck war gut. Sie musste wohlhabend und aus guter Familie sein. Das sah man nicht so sehr am Modellkleid, das sie trug, sondern an dem gepflegten Eindruck, den diese Frau erweckte.
»Kriminalpolizei«, wies ich uns aus. »Mein Name ist Tombstone, und das ist mein Kollege Larssen.«
Sie murmelte eine undeutliche Erwiderung, und wir zogen zwei Stühle heran, während sie auf der Ledercouch liegenblieb.
»Dauert es lange?«, war ihre rasche Frage. »Ich muss nach Hause.«
»Je eher wir Ihren Bericht haben, umso eher können Sie gehen. Es liegt also bei Ihnen, wie lange wir Sie aufhalten.«
Sie schien darüber nachzudenken, was ich mit dem letzten Satz meinte. Sie setzte sich auf und blickte uns abschätzend an, ließ ihre Handtasche aufschnappen und zog ein goldenes Zigarettenetui hervor, dem sie eine Zigarette entnahm. Ich gab ihr Feuer.
»Danke«, sagte sie und sog den Rauch gierig ein, ihn durch die Nase wieder hervorblasend. »Und was, meine Herren, möchten Sie von mir wissen?«
»Ihren Namen, bitte«, sagte ich und beobachtete Sven, der ein Notizbuch bereithielt und an seinem Bleistift kaute.
»Gloria de Haven, Inspektor.«
»Nur Detektiv, gnädige Frau«, stellte ich richtig und warf Sven einen wütenden Blick zu, weil er grinste. »Wir haben erfahren, dass Ihr Begleiter mit einer Waffe niedergeschlagen wurde, und dass man Sie beide beraubte. Erzählen Sie mir bitte den Vorgang.«
Sie sog nervös an ihrer Zigarette, bevor sie antwortete: »Ich weiß nicht, Mister Tombstone, aber die ganze Angelegenheit ist mir außerordentlich peinlich. Wissen Sie, der Zusammenhang ist äußerst delikat. Können Sie mir versprechen, dass nichts hiervon in die Zeitungen gelangt? Oder dass ich nicht als Zeugin vor Gericht gerufen werde?«
»Ich kann Ihnen keine Garantie oder ein Versprechen geben, bis ich Ihre Geschichte gehört habe«, gab ich zurück.
Sie richtete sich steif auf. »Mein Name darf nicht hineingezogen werden. Verstehen Sie mich bitte. Ich bin nämlich verheiratet. Mein Mann ist Generaldirektor einer New Yorker Bank. Er nimmt an einer Hauptversammlung der Aktionäre teil. Deswegen sind wir in Chicago. Und – nun, er weiß nichts von Donald Ravelli.«
»Donald Ravelli? Ist das der Verletzte?«
»Ganz richtig. Es ist eine harmlose Freundschaft, die mich mit ihm verbindet. Mein Mann ist ewig unterwegs. Ich bleibe im Hotel und langweile mich unsäglich. Darum gehe ich dann und wann mit Donald aus. Sie verstehen mich gewiss.«
»Hm – hm«, sagte ich.
»Heute Abend war es so herrlich, dass wir beschlossen, nach Elm Park hinauszufahren. Sie wissen sicherlich, wo Elm Park liegt, nicht wahr?«
»Ja«, entgegnete ich.
»Dann wissen Sie auch, wo die Akazien Avenue ist?«
»Ja, eine der Querstraßen, die durch den Park führen.«
»Wir hielten für ein paar Minuten in der Akazien Avenue. Nur um eine Zigarette zu rauchen, verstehen Sie? Plötzlich erschien ein Mann neben dem Wagen und bedrohte uns mit seiner Pistole. Er befahl uns auszusteigen.«
»Bewaffneter Überfall also?«, fragte Sven.
»Ja, das war es. Aber der Mann war dabei so übertrieben höflich. Ich erinnere mich daran, dass er sagte: ›Steigen Sie bitte aus Ihrem Wagen!‹ Er sagte wirklich ›bitte‹. Außerdem hatte er eine angenehme, wohlklingende Stimme.«
»Wie sah er denn aus?«, fragte ich.
»Meiner Schätzung nach war er an die Fünfundvierzig, hatte ein glattes, ovales Gesicht und trug eine goldumrandete Brille. Er war größer als ich, also etwa ein Meter siebzig und schlank gebaut.«
Sven trug die Beschreibung in sein Notizbuch ein. Dann fragte er: »Sie haben sich den Täter so genau ansehen können?«
»Aber natürlich. Es war Vollmond und fast taghell. Anfangs hatte ich auch keine Angst, weil er so nett zu uns war, verstehen Sie? Da habe ich ihn mir genau betrachtet. Später hätte ich vor Furcht sterben können.«
»Und wie kam das?«, fragte ich interessiert.
»Nun, er benahm sich, als ob er keiner Fliege etwas zuleide tun könne. Selbst die Pistole jagte mir keinen Schrecken ein. Das schien mir alles so lächerlich zu sein. So harmlos.«
»Ja, weiter bitte.«
»Ich nehme an, dass Donald genauso wie ich empfand. In seinen Augen war der Mann nicht ernst zu nehmen. Donald muss geglaubt haben, dass er ihm die Pistole abnehmen könne. Plötzlich griff er nämlich danach.«
»Interessant, sehr interessant«, murmelte ich.
»Der Mann reagierte blitzschnell. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Der Revolver blitzte durch die Luft und traf Donalds Schläfe. Er fiel um wie ein Klotz. Ich wollte schreien, aber der Mann hinderte mich daran.«
»Wie denn?«, fragte ich.
»Seine Stimme war es. Sie veränderte sich, wurde kalt wie Eis. Er sagte: ›Madam, wenn Sie einen Laut von sich geben, schieße ich!‹«
»Hm – so, so.«
»Ja. Ich verstand sofort, dass er es ernst meinte, und brachte keinen Ton aus der Kehle. Er riss meine Handtasche an sich, suchte das Geld heraus und gab sie mir höflich zurück. Dann beugte er sich über Donald, leerte dessen Brieftasche und warf sie in den Wagen zurück. Als er damit fertig war, sagte er: ›Verhalten Sie sich bitte ruhig, sonst komme ich zurück!‹ Danach verließ er uns und ging die Straße hinunter.«
»Hatte er keinen Wagen?«, fragte Sven erstaunt.
»Möglich, dass er das Auto irgendwo versteckt hielt, denn bis er aus meiner Sicht verschwand, ging er zu Fuß. Was danach geschah, weiß ich nicht mehr genau, ich bekam einen Weinkrampf, und es muss gute fünf Minuten gedauert haben, ehe ich mich wieder beherrschen konnte. Donald war noch immer ohne Besinnung, aber es gelang mir, ihn in den Wagen zu schleppen. Dann fuhr ich hierher ins Krankenhaus.«
Die weitere Vernehmung ergab, dass der Überfall gegen dreiundzwanzig Uhr stattfand. Gloria de Haven traf mit ihrem Begleiter gegen Mitternacht im Krankenhaus ein. Nach ihren Angaben hatte der Bandit zweihundertfünfzig Dollar in Banknoten aus der Handtasche erbeutet. Die Brieftasche Ravellis wurde im Rücksitz des Wagens gefunden und auf Fingerabdrücke untersucht. Das Resultat bestand in einem perfekten Daumenabdruck, der vom Täter stammen konnte.
Am nächsten Vormittag rief ich im Krankenhaus an. Donald Ravelli war außer Gefahr und bei Bewusstsein. Der Arzt hatte nichts gegen eine kurze Vernehmung einzuwenden.
Gegen zehn Uhr dreißig fuhren Sven und ich hinüber. Ravelli war ein kräftig gebauter Mann. Sein Gesicht war sympathisch, und er grinste uns freundlich entgegen. Ein weißer Verband war wie ein Turban um seinen Kopf gewickelt.
Wir nahmen an seinem Bett Patz und wiesen uns als Kriminalbeamte aus. Ich fragte: »Nun, wie geht’s dir, mein Junge?«
»Kopfschmerzen«, sagte er mit schwacher Stimme und fasste vorsichtig an seinen Verband.
»Wird nicht lange dauern«, sagte ich, »möchten nur von dir eine Bestätigung über den Vorfall von gestern Abend haben.«
Er sah mich fragend an.
»Hat Gloria Ihnen alles erzählt?«
»Ja, aber ich möchte es auch von dir hören. Nur so eine Art Kontrolle, dass man nichts vergessen hat.«
»Nun, was kann ich schon viel sagen? Es war ein Raubüberfall. Wir parkten für einen Augenblick in der Akazien Avenue, und da kommt dieser komische Onkel vorbei. Er hält uns seine Kanone unter die Nase und sagt, wir sollen aussteigen. Bevor ich wusste, was los war, knallte er mir eins über die Rübe.«
»Wieviel Geld war in deiner Brieftasche?«, erkundigte ich mich.
Ravelli grinste breit.
»Sechs Dollar genau. Schlechtes Geschäft, auch für mich.«
Interessiert wechselte ich das Thema.
»Wo arbeitest du eigentlich, mein Junge?«
»Ich?«, fragte er überrascht. »Wieso arbeiten?«
»Gehst du denn noch zur Schule?«
Er machte eine verächtliche Grimasse und sagte: »Nee, von der Penne bin ich schon ’n paar Jahre ’runter.«
»Dann lebst du also bei deinen Eltern, was?«
»Eltern? Dass ich nicht lache. Ich hab’ ’ne eigene Wohnung drüben in Evanston.«
Ich blickte ihn hart an und schwieg eine Weile.
»Eigenes Einkommen, was?«
Wieder grinste er. Ein Mann-zu-Mann Grinsen.
»Nennen Sie’s, wie Sie wollen, Mister. Gloria bezahlt die Monatsrechnungen.«
Zwei Nächte später schlug der Bandit wieder zu. Er überfiel ein Pärchen, das in der Ahorn-Allee geparkt hatte, und erbeutete runde einhundert Dollar. Den Leuten passierte nichts, aber sie hatten sich auch nicht zur Wehr gesetzt. Die Beschreibung passte auf den Liebespaarbanditen. Man betonte die Höflichkeit und scheinbare Harmlosigkeit des Räubers. Der beraubte Mann sagte uns, dass er deswegen fast den Versuch gemacht hätte, den Banditen zu entwaffnen. Da er jedoch keinerlei Risiko eingehen wollte, ließ er letzten Endes davon ab.
In der darauffolgenden Nacht trat der Bandit erneut in Erscheinung, und ehe die Woche beendet war, hatte er drei weitere parkende Liebespaare in unserem Bezirk beraubt. Dass es ein und derselbe Täter war, stand einwandfrei fest. Der Tatvorgang und die Beschreibung der Person stimmten stets überein. Da all diese Vorfälle ohne Körperverletzung abgingen, übergaben wir die Angelegenheit unserer Abteilung für Raubüberfälle. Da wir zur Mordkommission gehörten, wurde die Sache uninteressant für uns und fiel nicht mehr in unseren Aufgabenbereich.
Am 31. August, nachmittags siebzehn Uhr dreißig, kamen wir von einer Vernehmung in einer Mordaffäre zurück.
Als wir in die Hauptwache kamen, rief der diensthabende Sergeant uns an.
»Tombstone und Larssen zum Oberinspektor«, sagte er und gab uns den Meldezettel.
»Was Besonderes los?«, fragte ich, aber der Sergeant vertiefte sich wieder in seine Comics, deren lustige Bilder interessanter für ihn schienen.
»Komm, Sven«, meinte ich, »gehen wir mal in die Höhle des alten ›Krokodils‹«.
Wir gingen durch das Vorzimmer wo ein rothaariger Polizist sich abmühte, einen Bericht zu tippen. Er blickte kurz auf, als wir anklopften und ins Chefzimmer traten. Der Oberinspektor hockte hinter seinem Schreibtisch. Er schien gerade in einer Akte vertieft zu sein, denn ohne aufzusehen, sagte er knapp: »Bitte warten Sie!«
Seine Hand wies auf ein paar Stühle, die in der Ecke standen. Oberinspektor Gilmore, dass ›Krokodil‹, wie er von seinen Untergebenen genannt wurde, war ein großer, breit gebauter Mann mit einem langen knochigen Gesicht. Da dieses über und über von Pockennarben gezeichnet war und sein großer Mund unter der langen Nase messerscharfe spitze Zähne enthielt, schien der Spitzname angebracht. Außerdem hatte er auch die unbewegliche Ruhe des Raubtiers, verbunden mit der Eigenschaft, blitzschnell zuzupacken, wenn es erforderlich war.
Nun wandte er sich uns zu. Die Akte wanderte auf den Stapel, der seinen Schreibtisch zierte.
»Zigarette?«, bot er an, und wir bedienten uns. Er sagte nichts, bis die Zigaretten brannten.
»Dieser Liebespaarbandit. Wie steht der Fall?«, fragte er.
»Abteilung Raub hat alles von uns übernommen und arbeitet daran. Der Gangster hat niemand verletzt oder getötet, außer im ersten Fall, daher haben wir die Sache abgegeben.«
»Verstehe«, sagte Gilmore, »habe heute Morgen mit Chefinspektor Burker gesprochen. Er macht sich Sorgen. Verlangt, dass wir den Banditen schnellstens dingfest machen. Klar?«
Ich zog die Augenbrauen hoch und erkundigte mich: »Warum, Chef? Ist meiner Ansicht nach doch nur ein kleiner Ganove, den man kurz über lang erwischen wird. Was ist so wichtig an dem?«
»Ihr habt einige seiner Opfer vernommen und sicherlich die anderen Berichte gelesen. Was fällt dabei besonders auf?« Ich dachte kurz nach und meinte dann: »Jedes seiner Opfer stellte ihn als harmlos und ungefährlich hin. Keiner halte wirklich Angst vor ihm.«
»Genau das!«, sagte der Oberinspektor scharf, »das ist der Punkt, auf den es ankommt. Die Männer unter den Opfern haben immer wieder betont, dass sie erwogen, den Banditen anzugreifen, um ihn zu entwaffnen. Sie wissen, was passierte, als einer es versuchte. Stimmt’s?«
»Ja«, sagte ich langsam, »ich weiß. Der kriegte eins über den Schädel und fand sich im Krankenhaus wieder.«
Der Oberinspektor nickte.
»Kann wieder passieren. Eines Nachts meint einer tapfer sein zu müssen, will den Helden spielen. Glaubt, der Kerl blufft. Daher pflichte ich Chefinspektor Burker bei. Hat mir prophezeit, was passiert, wenn wir ihn nicht schnellstens greifen.«
»Was denn?«
«Der Bandit wird rabiat und mordet!«
Es war am Abend des ersten Septembers, dreiundzwanzig Uhr dreißig. Sven und ich kreuzten mit unserem Wagen durch den Bezirk. Wir bogen in die Ahorn-Avenue ein. Es hatte leicht geregnet. Die Nacht war klar und warm. Dutzende von Wagen standen entlang des Grasstreifens geparkt. Wir wussten, dass sie mit Liebespaaren besetzt waren, die die City verlassen hatten, um das herrliche Wetter zu genießen.
Wir fuhren gemütlich dahin.
»Das wäre so die richtige Nacht für den Liebespaarräuber«, meinte Sven, »und auch für uns; denn auf dem feuchten Boden muss er zumindest Fußspuren hinterlassen.«
»Wenn wir nur Fußspuren bringen, schmeißt das ›Krokodil‹ uns achtkantig raus, Sven.«
Im Scheinwerferlicht vor uns tauchte ein ganz neuer Wagen auf. Er stand etwas schräg geparkt, und ich wollte Sven gerade auf dieses neue Modell aufmerksam machen, als ich bemerkte, dass die Wagentür zum Grasstreifen offenstand.
»Fahr’ langsam«, sagte ich zu Sven.
Er bremste die Fahrt ab, bis wir im Schneckentempo entlangkrochen. Ich warf einen Blick in das Innere des Autos und stellte fest, dass Vorder- und Hintersitze unbesetzt waren. Ich gab Sven ein Zeichen, und er zog unseren Wagen vor den anderen. Als wir hielten, nahm ich die Taschenlampe aus dem Handschuhkasten und kletterte ins Freie. Sven folgte. Wir gingen auf der Betonstraße zu dem anderen Wagen zurück. Ich leuchtete nochmals das Innere ab. Nichts. Der Wagen war leer.
Dann ging ich um den Wagen herum, blieb am Kofferraum stehen und leuchtete zur offenen Tür hin. Im weichen Boden konnte ich klar die Spuren eines Mannes und einer Frau erkennen, die den Wagen verlassen hatten. Etwas weiter zur Seite war der Boden des Grünstreifens aufgewühlt, und eine breite Spur führte zum Straßengraben. Das sah ganz danach aus, als wenn hier ein Kampf stattgefunden hatte. Von dieser Stelle führten die Spuren eines Mannes zurück zur Straße.
Vorsichtig ging ich zum Grabenrand. Sorgfältig, um die Fußspuren nicht zu zerstören. Der Graben war ein knappes Meter lief und fast trocken. Als ich ihn ableuchtete, entdeckte ich zwei Menschen in der Grabensohle. Der Mann war jung. Er trug eine Fliegeruniform mit den Rangabzeichen eines Leutnants. Er lag auf dem Rücken. Sein helles Haar war blutig. Selbst aus dieser Entfernung gesehen, bestand kein Zweifel darüber, dass er tot war.
Das Mädchen lag seitlich neben ihm. Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust. Sie war schwarzhaarig und musste ungefähr zwanzig sein. Sie trug ein weißblaugestreiftes Sommerkleid. An der Schulter breitete sich ein dunkler Blutfleck aus. Ich sprang in den Graben und ging zu ihr hinüber. Ihr Puls schlug noch leise.
»Sven!«, rief ich, »sie lebt noch. Ruf einen Krankenwagen heran und gib den Bericht zur Division durch!«
»Okay, Hank«, sagte er trocken und tapste zum Wagen zurück.
Ich bückte mich über das Mädchen und nahm die Wunde in Augenschein. Es war ein glatter Durchschuss.
Sven kam aus unserem Wagen hervor, als ich den Graben verließ.
»Krankenwagen ist unterwegs, Hank«, meldete er. »Habe unsere Streifenwagen alarmiert. Sämtliche Straßen von Elm Park sind blockiert. Vielleicht schnappen wir ihn doch noch.«
»Glaub’ ich nicht«, gab ich zurück, »hat zu viel Vorsprung. Die Schusswunde des Mädchens blutet nicht mehr, also ist es schon länger her. Übrigens, hast du das Kriminallabor in Kenntnis gesetzt?«
»Natürlich, Hank, und auch die Fingerabdruck-Leute. Kann sein, dass der Halunke seine Flossen am Wagen hatte.« Ich begab mich auf die Betonstraße zurück. In der Ferne hörte ich Sirenen der nahenden Polizeiwagen.
Das erste Fahrzeug war ein weißer Funkstreifenwagen. Gleich darauf kam der Krankenwagen. Die Krankenträger legten das bewusstlose Mädchen auf eine Bahre. Einer von ihnen begann das Kleid von der Schulter der Verletzten zu schneiden, und legte einen Notverband an.
Plötzlich bewegte sich das Mädchen und öffnete ihre Augen.