Ein Herz voller Liebe - Patricia Vandenberg - E-Book

Ein Herz voller Liebe E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Lutz Fabry vernahm die schrille Stimme seiner Schwiegermutter schon, als er aus seinem Wagen stieg. Ein schwerer Seufzer entrang sich seiner Brust, als er nun schnell auf das Haus zuging. Die Kinder schrien durcheinander, aber als er dann deutlich hörte, wie Kai aggressiv rief: »Schlag doch, dann schlag doch«, betrat er schnell das Haus. Sofort trat Stille ein. Wie erstarrt stand auch Regina Schilling, aber die Reitpeitsche hielt sie noch in der Hand. Lutz Fabrys Gesicht wurde fahl. »In meinem Haus wird keine Reitpeitsche mehr benutzt«, sagte er drohend. »In deinem Haus?«, höhnte Regina Schilling. »Ich habe nur gedroht. Wie soll ich dieser Rangen Herr werden? Sie legen es doch nur darauf an, mich zu schikanieren.« »Ist gar nicht wahr«, sagte der fünfjährige Kai. »Wir haben ganz schön im Garten gespielt, Papi.« »Ganz schön«, schloss sich die dreijährige Franka an. »Gegrölt haben sie. Keinen Augenblick hat man Ruhe«, sagte Regina Schilling zornbebend. »Aber auf mich braucht man ja keine Rücksicht zu nehmen.« »Du hast doch darauf beharrt, deine großmütterlichen Rechte in Anspruch zu nehmen, Mama«, sagte Lutz tonlos. »Wenn sie doch immer nur meckert«, sagte Kai. »Aber in den Kindergarten dürfen wir auch nicht gehen.« »Von morgen an geht ihr wieder«, sagte Lutz. »Wir reden nachher. Geht zu Hilde in die Küche.« Die Kinder folgten wortlos. Regina Schilling sank stöhnend in einen Sessel. »Jetzt tun sie wieder so, als wären sie die reinsten Engel«, sagte sie anklagend, »aber wenn du nicht da bist, hecken sie dauernd etwas aus, um mich aufzuregen.« »Du siehst das falsch. Man kann gesunden Kindern nicht alles verbieten. Und

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Dr. Norden Bestseller – 214 –

Ein Herz voller Liebe

Patricia Vandenberg

Lutz Fabry vernahm die schrille Stimme seiner Schwiegermutter schon, als er aus seinem Wagen stieg. Ein schwerer Seufzer entrang sich seiner Brust, als er nun schnell auf das Haus zuging.

Die Kinder schrien durcheinander, aber als er dann deutlich hörte, wie Kai aggressiv rief: »Schlag doch, dann schlag doch«, betrat er schnell das Haus.

Sofort trat Stille ein. Wie erstarrt stand auch Regina Schilling, aber die Reitpeitsche hielt sie noch in der Hand. Lutz Fabrys Gesicht wurde fahl.

»In meinem Haus wird keine Reitpeitsche mehr benutzt«, sagte er drohend.

»In deinem Haus?«, höhnte Regina Schilling. »Ich habe nur gedroht. Wie soll ich dieser Rangen Herr werden? Sie legen es doch nur darauf an, mich zu schikanieren.«

»Ist gar nicht wahr«, sagte der fünfjährige Kai. »Wir haben ganz schön im Garten gespielt, Papi.«

»Ganz schön«, schloss sich die dreijährige Franka an.

»Gegrölt haben sie. Keinen Augenblick hat man Ruhe«, sagte Regina Schilling zornbebend. »Aber auf mich braucht man ja keine Rücksicht zu nehmen.«

»Du hast doch darauf beharrt, deine großmütterlichen Rechte in Anspruch zu nehmen, Mama«, sagte Lutz tonlos.

»Wenn sie doch immer nur meckert«, sagte Kai. »Aber in den Kindergarten dürfen wir auch nicht gehen.«

»Von morgen an geht ihr wieder«, sagte Lutz. »Wir reden nachher. Geht zu Hilde in die Küche.«

Die Kinder folgten wortlos. Regina Schilling sank stöhnend in einen Sessel.

»Jetzt tun sie wieder so, als wären sie die reinsten Engel«, sagte sie anklagend, »aber wenn du nicht da bist, hecken sie dauernd etwas aus, um mich aufzuregen.«

»Du siehst das falsch. Man kann gesunden Kindern nicht alles verbieten. Und zum Glück sind sie gesund.«

Ihre Augen verengten sich. »Willst du wieder darauf anspielen, dass Edda krank war?«, stieß sie hervor.

»Ich will mich dazu nicht mehr äußern«, erwiderte er. »Edda ist jetzt sechs Monate tot, aber du kannst die Kinder nicht zwingen, jeden Tag auf den Friedhof zu gehen. Sie verstehen das nicht. Es macht sie aggressiv. Sie wollen spielen.«

»Und sollen vergessen. Das willst du doch«, sagte sie giftig. »Du lebst ja noch, sie musste sterben.«

Er begehrte zum ersten Mal auf seit Eddas Tod. »Wäre es dir lieber, wenn die Kinder Vollwaisen wären?«, fragte er.

Er blickte auf die Reitpeitsche.

»Dann könntest du sie damit ungeschoren erziehen«, fügte er tonlos hinzu.

»Ich lasse mir das nicht mehr bieten. Es wird ja in keiner Weise anerkannt, wie ich mich aufopfere, obgleich ich das wahrhaftig nicht nötig hätte. Wem gehört denn dieses Haus? Wem gehört der Betrieb, in den du hineingeheiratet hast? Das muss auch mal gesagt werden.«

»Ich mache dir einen Vorschlag, Mama«, sagte er, plötzlich ganz kühl. »Ich suche mir eine Stellung und eine andere Bleibe mit den Kindern. Meine Anteile an der Firma werden mir ja wohl zustehen.«

Solche Worte hatte Regina Schilling von ihrem Schwiegersohn noch nicht gehört. Immer hatte er nach dem Tod ihrer Tochter, seiner Frau, Rücksicht walten lassen.

Sie hielt die Luft an und schlug einen anderen Ton an.

»Ich habe mich gehen lassen, Lutz, aber ich fühle mich schon seit Tagen nicht wohl. Meine Galle, mein Herz, ich bin nicht mehr die Jüngste, das wirst du doch verstehen.«

»Geh in ein Sanatorium«, sagte er rau, »ich lege dir doch nichts in den Weg.«

»Und wer kümmert sich um die Kinder? Siehst du nicht ein, wie schwierig sie sind?«

»Ich werde schon jemanden finden, der die Kinder betreut.«

»So ein hübsches junges Mädchen, das dich dann auch mit betreut«, sagte sie anzüglich.

Er sah sie kalt an. »Die Auswahl bleibt dir überlassen«, sagte er, »aber ich werde mir nicht mehr nachsagen lassen, dass meine Kinder dich nur schikanieren.«

*

Er ging in die Küche. Dort saßen die Kinder am Tisch und aßen. Den Appetit ließen sie sich anscheinend nicht verderben.

»Kinder müssen doch mal lachen dürfen«, sagte Hilde, die schon seit Jahren den Haushalt führte. »Es wird von Tag zu Tag schlimmer, mit Verlaub gesagt.«

»Es wird sich ändern, Hilde«, sagte Lutz.

»Kommen wir jetzt in ein Heim, Papi?«, fragte Kai.

»Kommt doch gar nicht infrage«, erwiderte Lutz.

»Will auch nicht«, flüsterte Franka. Und schnell war sie bei ihrem Papi und umklammerte ihn. »Will bei meinem Papilein bleiben.«

»Und wie ist es mit Ihnen, Hilde?«, fragte Lutz.

»Auf mich können S’ sich schon verlassen, Herr Fabry«, erwiderte sie. »Ich komme mit den Kindern gut aus. Mich freut’s halt auch, wenn sie Leben ins Haus bringen.«

Sie sagte nicht, dass ihr dieses Leben lieber war als jenes, das Edda ins Haus gebracht hatte. Da war es bedeutend turbulenter zugegangen als jetzt, da hatte sie immer flitzen müssen. Die Juniorchefin der Schilling-Chemie hatte den Ton angegeben, gewohnt zu kommandieren. Aber ihr hatte es auch nichts ausgemacht, wenn die Kinder laut waren. Sie hatte immer jemanden gefunden, der sich um die Kinder kümmerte, wenn ihre eigene Betriebsamkeit dadurch gestört wurde. Sie war so großzügig mit dem Geld, wie ihre Mutter geizig war. Leben und leben lassen war Edda Fabrys Devise gewesen, und das hatte sie beliebt gemacht. Es war für viele ein schwerer Schock gewesen, als sie mit dem Wagen verunglückte, und für ihre Mutter ein noch schwererer, dass Lutz dabei nicht besonders schwer verletzt wurde. Ihr, Regina Schilling, wäre es bedeutend lieber gewesen, wenn es umgekehrt gewesen wäre, denn für ihren Schwiegersohn hatte sie nie viel übrig gehabt. Der Name Schilling bedeutete ihr mehr als der Name Fabry, und sie wollte auch nie zur Kenntnis nehmen, dass es Lutz gewesen war, der dem Namen Schilling wieder Ansehen verschafft hatte.

Seine Ehe mit Edda war als glücklich bezeichnet worden, und Lutz hätte auch nie behauptet, dass dies übertrieben war. Sie hatten gewusst, was sie voneinander zu halten hatten, sie hatten sich arrangiert, nachdem es Lutz bewusst geworden war, dass Edda vor allem den tüchtigen Experten in ihm sah. Sie hatte ihm zwei reizende Kinder geschenkt, die er über alles liebte.

Für Edda gehörte das Kinderkriegen zu einer Ehe. Sie hatte kein großes Tamtam darum gemacht und auch ihre Mutterrolle recht lässig genommen. Sie hatte noch andere Ambitionen. Sie liebte rassige Pferde und schnelle Autos, sie liebte alles, worin sie zu den Besten gehörte, wie auch beim Golf und Tennis, aber sie zeigte sich dann auch wieder gern als Ehefrau und Mutter. So lange, bis ihr ein teuflisches Hindernis zum Verhängnis wurde, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Ein Lastwagen, der auf dem Glatteis ins Schleudern gekommen war. Als Lutz zu Bewusstsein kam, war Edda schon tot.

Lutz war kein Habenichts gewesen, als er Edda Schilling kennenlernte, und er hatte auch gewusst, dass es um die Schilling-Chemie nicht gut stand, was Mutter und Tochter geflissentlich übersehen wollten, da Max Schilling auch kostspielige Hobbies gehabt hatte, Pferdezucht und Pferdewetten. Auch er war auf tragische Weise ums Leben gekommen, bei einem Sturz mit seinem Lieblingspferd. Vier Wochen nach Eddas Hochzeit mit Dr. Lutz Fabry, und da war das Dilemma, in dem die Firma steckte, offensichtlich geworden. Aber da hatte auch Edda den Kopf nicht in den Sand gesteckt. Sie bewies, wie geschäftstüchtig sie war, während Lutz seine Patente verwerten konnte, mit bestem Erfolg, wie sich herausstellte. Die Gütertrennung, auf die Max Schilling bestanden hatte, sollte sich zu seinem Vorteil auswirken. Das wiederum war Regina Schilling ein Dorn im Auge, wenngleich sie es aber ganz gut zu verbergen wusste.

Dass sie ihre Rechte als Großmutter geltend machte, sollte sich allerdings zum Nachteil für die Kinder auswirken, wie Lutz bald merken sollte. Aber er war tolerant und trug dem Umstand Rechnung, dass sie mit abgöttischer Liebe an Edda gehangen hatte.

An diesem Tag jedoch lief ihm die Galle über. Wie sie dagestanden hatte, mit der Reitpeitsche in der Hand, wie sie die Kinder angeschrien hatte, das war zu viel für ihn.

Aber Regina Schilling hatte wohl eingesehen, dass sie zu weit gegangen war. Als Lutz sie nun aufsuchte, gab sie sich ganz deprimiert.

»Es ist wohl doch über meine Kraft gegangen, Lutz«, sagte sie wehleidig. »Ich denke, es ist besser, wenn ich in ein Sanatorium gehe. Man wird ja auch nicht jünger.«

Sie war zweiundfünfzig und gewiss keine Matrone. Sie war eitel und selbstgefällig und ließ sich gewiss nichts abgehen. Lutz konnte sich jetzt schon denken, welche Art Sanatorium sie wählen würde, aber ihm war das völlig gleichgültig.

»Eigentlich könnte doch Hilde auch mal ein paar Wochen allein mit den Kindern fertig werden«, fuhr sie fort. »Wozu eine teure Kraft nehmen, die dann doch nur herumsitzt und sich ein schönes Leben macht.«

Er lächelte sarkastisch. »Du weißt ja mittlerweile, was dazugehört, zwei lebhafte Kinder zu beaufsichtigen.«

»Man könnte sie auch in ein Kinderheim geben«, schlug sie vor.

»Das kommt überhaupt nicht infrage. Das wäre auch nicht in Eddas Sinn.«

Damit brachte er sie zum Schweigen. Aber nach kurzem Überlegen sagte sie: »Du wirst schon jemanden finden. Länger als sechs Wochen bleibe ich ja nicht. Was vorhin gesagt wurde, wollen wir vergessen. Natürlich gehört dir das Haus auch zur Hälfte, beziehungsweise den Kindern.«

Diese Spitze konnte sie sich nicht versagen. Aber Lutz sagte nun auch etwas, was er eigentlich noch für sich hatte behalten wollen.

»Bezüglich des Hauses wollte ich sowieso mit dir sprechen. Ich werde selbst bauen. Ich habe ein Grundstück angeboten bekommen, das mir zusagt.«

Sie kniff die Augen zusammen. »Hast du auch schon eine neue Frau?«, entfuhr es ihr.

»Das musste ja kommen«, sagte er kühl. »Nein, es gibt keine neue Frau. Ich habe es nur satt, mir vorhalten zu lassen, dass alles den Schillings gehört. Ich würde dir empfehlen, dich mal mit den Büchern zu beschäftigen, aus denen du ersehen kannst, wie die Geschäftslage war, als ich in die Firma eingetreten bin und wie die Bilanz jetzt aussieht.«

»Findest du das nicht sehr taktlos?«, fragte sie spitz.

»Wieso? Das sind Tatsachen. Meine Rechte lasse ich mir nicht beschneiden.«

»Wenn Edda noch leben würde ...«, klagte sie, aber er fiel ihr ins Wort.

»Sie lebt nicht mehr, aber unsere Kinder lasse ich mir nicht entfremden, und du wirst eingesehen haben, dass du mit solchen Versuchen keinen Erfolg hast, auch wenn du sie zwingst, jeden Tag am Grab ihrer Mutter zu beten.«

Er wünschte ihr eine gute Nacht und ging. Er hatte an diesem Abend noch eine Verabredung mit Dr. Daniel Norden, der mit ihm über ein neues Medikament sprechen wollte, das Lutz entwickelt hatte.

Vorher ging er noch zu Hilde in die Küche. »Bitte, schauen Sie nachher noch mal nach den Kindern, Hilde«, bat er. »Ich muss zu Dr. Norden.«

Er sagte immer, wo er notfalls zu erreichen sei, wenn er abends wegging.

»Die Gnädige ist in den Wechseljahren«, brummte Hilde. »Mit Verlaub gesagt, Herr Fabry, die beste Medizin für sie wäre ein Mann.«

Da lachte Lutz leise auf, und man hörte selten ein Lachen von ihm.

»Vielleicht findet sie einen Kurschatten«, sagte er anzüglich.

»Wenn sie nur erst gehen würde«, murmelte Hilde, als er schon aus der Tür war.

*

Zu Dr. Norden hatte Lutz einen guten Kontakt, schon aus der Zeit vor seiner Ehe mit Edda. Lutz hatte großes Interesse an den Heilmethoden von Daniel Nordens Vater gezeigt, die auf der Insel der Hoffnung verwirklicht wurden.

Für Lutz war dieser Kontakt ungeheuer wichtig geworden, weil Dr. Norden so verantwortungsbewusst und gewissenhaft war und vor allem auch die Nebenwirkungen mancher Medikamente beachtete.

Natürlich musste man erst darauf kommen, wenn eine Langzeittherapie erforderlich wurde, was vor allem bei Rheuma, das man ja als eine Volkskrankheit bezeichnen musste, der Fall war.

Darum ging es bei diesem Gespräch, an dem auch Fee Norden teilnahm, denn sie war ja auch Ärztin.

Mancher Seufzer wurde laut. Daniel Norden hatte sich sehr viele Gedanken über viele Medikamente gemacht, die er bisher auch bedenkenlos verschrieben hatte.

»Der wichtigste Faktor ist der Patient selbst, Herr Fabry«, sagte er. »Wenn er nichts von seinen Gewohnheiten verheimlichen würde, hätten wir einen viel besseren Durchblick. Ich will damit sagen, dass man schwer bei einem akuten Rheumafall feststellen kann, ob bereits vorher organische Schäden vorlagen, wenn der Schmerzanfall so stark ist, dass man keine gründliche Voruntersuchung durchführen kann. Ich kann mich nur auf die Patienten berufen, die ich lange kenne und über deren Lebensweise ich Bescheid weiß. Für mich war es erschreckend festzustellen, dass tatsächlich manche Medikamente Leber-, Magen- und Darmschädigungen hervorrufen können. Aber jeder Mensch ist verschieden. Wie sein Körper reagiert, ist nicht vorab vorauszusehen. Wir befinden uns da manchmal in einem Teufelskreis. Den Schmerz können wir nehmen, dann machen sich andere Folgen bemerkbar. Selbst durch äußerlich anwendbare Mittel werden negative Reaktionen hervorgerufen. Allergiker haben jedoch den Vorteil, dass diese Reaktionen äußerlich auch sofort sichtbar werden.«

»Wie Sie wissen, habe ich selbst unter Heuschnupfen gelitten und deshalb auch das Medikament an mir selbst erprobt, das ich entwickelt habe. Es war ein Erfolg. Natürlich kann es bei anderen nicht so wirkungsvoll sein, aber es ist nicht schädlich. Aber kommen wir nun zu dem Rheumamittel, das äußerlich anwendbar ist, das ich aber nicht an mir selbst erproben kann, weil ich glücklicherweise davon verschont bin. Es wäre für mich sehr wichtig, einen Patienten zu finden, der sich bereit erklärt, es erproben zu lassen.«

Daniel Norden sah seine Frau an. Sie hatten den gleichen Gedanken und sagten wie aus einem Mund: »Frau Binder.«

»Sie schluckt nämlich nichts, weder Tropfen noch Kapseln«, erklärte Dr. Norden. »Sie erträgt lieber Schmerzen, und manchmal sind die wirklich kaum zu ertragen. Nanni fleht mich dauernd an, ihrer Mutter zu helfen, aber ein noch unerprobtes Mittel dürfte nur unter ständiger ärztlicher Kontrolle durchgeführt werden. Wir wollten Frau Binder ohnehin zur Insel der Hoffnung schicken. Wenn Sie meinem Schwiegervater vertrauen wollen, können wir uns einigen.«

»Ich wüsste nicht, wem ich mehr vertrauen könnte«, sagte Lutz. »Ein Erfolg wäre für mich so ermutigend. Ich könnte mich endlich von der Schilling-Chemie befreien.«

»Gibt es Probleme?«, fragte Fee Norden.

»Private. Meine Kinder tragen den Namen Fabry, und dabei soll es bleiben. Meine Schwiegermutter ist da anderer Meinung. Im Augenblick ist mein größtes Problem, jemanden zu finden, der die Kinder betreut, wenn Frau Schilling sich wirklich zu einer Kur entschließt, was ich sehr hoffe.«

Eine Weile herrschte Schweigen. »Dieses Problem könnte man lösen, wenn Frau Binder zur Insel der Hoffnung geht«, sagte Fee. »Nanni ist Lehrerin, aber sie hat noch keine Stellung bekommen. Sie kann aber sehr gut mit Kindern umgehen, und wenn sie sich nicht mehr um ihre Mutter kümmern müsste, wäre beiden geholfen. Frau Binder vielleicht mit Ihrem Rheumamittel, Herr Fabry, und Nanni könnte etwas verdienen, was wiederum eine zusätzliche Beruhigung für ihre Mutter wäre.«

»So ist meine Frau«, sagt Daniel Norden, »sie weiß immer sofort einen Rat. Fees Ideen sind wirklich gut. Wenn das Rheumamittel so gut ist, wie Nannis Qualifikation als Erzieherin, müsste es ein durchschlagender Erfolg sein.«

»Und Sie würden vermitteln?«, fragte Lutz Fabry.

»Sehr gern sogar«, erwiderte Daniel.

»Jung und hübsch sollte sie allerdings nach der Vorstellung meiner Schwiegermutter nicht sein«, gab Lutz zu bedenken.

»Man braucht es ihr ja nicht auf die Nase zu binden«, lächelte Fee. »Ich wüsste auch eine ältere, dickliche, liebe Frau, die mal für ein paar Tage einspringen würde, bis Frau Schilling beruhigt ihre Kur antritt. Und dann sieht man weiter.«

In ihren Augen blitzte es schelmisch. »Sehen Sie, so ist meine Frau«, sagte Daniel.

Was für eine Frau, dachte Lutz, als er sich verabschiedet hatte. Schön, fröhlich, ausgeglichen, und dabei Mutter von fünf Kindern. Und dennoch hatte sie auch ein Herz für andere Kinder. Lutz war überzeugt, dass nur Gutes von den Nordens kommen konnte.

*

Schon zwei Tage später stellte sich Elli Wilkens bei ihnen vor. Rundlich, etwa fünfzig, mit besten Referenzen. Von Fee genau instruiert, gab sie sich auch energisch, und sie verriet nicht, dass eine Dauerstellung für sie nicht infrage käme.

Der Erfolg war durchschlagend. Regina Schilling packte ihre Koffer, Hilde atmete auf, die Kinder, von ihrem Vater ermahnt, zeigten nicht, wie froh sie waren, als ihre Großmutter sich in ihren flotten Wagen setzte und so schnell davonfuhr, als könne sie es kaum noch erwarten. Da Lutz inzwischen wusste, welches Ziel sie hatte, machte er sich Gedanken, die ihm Hoffnung gaben, denn das Sanatorium von Dr. Hagenau war bekannt für Zelltherapie, und der Besitzer selbst war mit der Familie Schilling schon lange befreundet.