Ein Kind veränderte ihr Leben - Patricia Vandenberg - E-Book

Ein Kind veränderte ihr Leben E-Book

Patricia Vandenberg

5,0

Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Fee Norden hatte beim Ausräumen einer alten Truhe, für die ihr Sohn Danny ein Faible entdeckt hatte und Anspruch darauf anmeldete, einen Blechkasten mit alten Fotos gefunden. Die Truhe war früher ihre Kramkiste gewesen, Kinder- und Jugendbücher hatte sie darin aufbewahrt und dann auch nach und nach für ihre heranwachsenden Kinder herausgeholt, aber bis auf den Grund war sie nie vorgestoßen, denn es lagen auch noch alte Kleider von ihr darin und Faschingskostüme. Anneka war natürlich hellauf begeistert, als an diesem schönen Sommertag alles hervorgeholt und ausgebreitet wurde, und sie hatte ganz tief drunten die hübsche Blechschachtel entdeckt, die wie ein kleines Häuschen aussah. »Die bekomme ich aber auch, wie die Kostüme, Mami«, meldete nun auch sie Ansprüche an. »Und so eine Truhe hätte ich nämlich auch gern, aber Danny hat es ja zuerst gesagt. Krieg ich vielleicht dann den kleinen Sekretär?« Dass der kleine Sekretär ein sehr wertvolles Stück war, wollte Fee ihrer kleinen Tochter später erklären, denn jetzt stieß sie einen kleinen Freudenschrei aus, als Anneka die Blechdose geöffnet hatte. Sie war mit Fotos gefüllt. »Liebe Güte, an die habe ich gar nicht mehr gedacht«, sagte sie. »Ich meinte, sie wären bei unseren Umzügen verschütt gegangen. Schau, Anneka, Fotos aus meiner Schulzeit. Die darfst du dir anschauen.« »Aber du musst mir dann die Leute erklären, die ich nicht kenne, Mami«, sagte Anneka. »Mache ich, mein Kleines. Jetzt will ich nur noch alles ausräumen, damit wir die Truhe dann in Dannys Zimmer stellen können.« »Er wird bestimmt nur alles reinschmeißen, was er nicht gern wegräumt«, sagte Anneka,

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Dr. Norden Bestseller – 231 –

Ein Kind veränderte ihr Leben

Woher stammt die kleine Angelina?

Patricia Vandenberg

Fee Norden hatte beim Ausräumen einer alten Truhe, für die ihr Sohn Danny ein Faible entdeckt hatte und Anspruch darauf anmeldete, einen Blechkasten mit alten Fotos gefunden.

Die Truhe war früher ihre Kramkiste gewesen, Kinder- und Jugendbücher hatte sie darin aufbewahrt und dann auch nach und nach für ihre heranwachsenden Kinder herausgeholt, aber bis auf den Grund war sie nie vorgestoßen, denn es lagen auch noch alte Kleider von ihr darin und Faschingskostüme.

Anneka war natürlich hellauf begeistert, als an diesem schönen Sommertag alles hervorgeholt und ausgebreitet wurde, und sie hatte ganz tief drunten die hübsche Blechschachtel entdeckt, die wie ein kleines Häuschen aussah.

»Die bekomme ich aber auch, wie die Kostüme, Mami«, meldete nun auch sie Ansprüche an. »Und so eine Truhe hätte ich nämlich auch gern, aber Danny hat es ja zuerst gesagt. Krieg ich vielleicht dann den kleinen Sekretär?«

Dass der kleine Sekretär ein sehr wertvolles Stück war, wollte Fee ihrer kleinen Tochter später erklären, denn jetzt stieß sie einen kleinen Freudenschrei aus, als Anneka die Blechdose geöffnet hatte. Sie war mit Fotos gefüllt.

»Liebe Güte, an die habe ich gar nicht mehr gedacht«, sagte sie. »Ich meinte, sie wären bei unseren Umzügen verschütt gegangen. Schau, Anneka, Fotos aus meiner Schulzeit. Die darfst du dir anschauen.«

»Aber du musst mir dann die Leute erklären, die ich nicht kenne, Mami«, sagte Anneka.

»Mache ich, mein Kleines. Jetzt will ich nur noch alles ausräumen, damit wir die Truhe dann in Dannys Zimmer stellen können.«

»Er wird bestimmt nur alles reinschmeißen, was er nicht gern wegräumt«, sagte Anneka, »und dann Deckel zu.«

Sie kannte ihren Bruder. Mit der Ordnung hatte es Danny nie so recht gehabt. Da war Felix ganz anders. Aber Anneka hatte nun noch etwas hervorgeholt, nämlich eine alte Stoffpuppe.

»Ist die süß, Mami, darf ich die haben?«

Fees Augen verdunkelten sich. Die Puppe hatte ihre Mutter angefertigt, als Fee noch gar nicht auf der Welt war. Für ihr Kind hatte sie diese mit viel Liebe zu einem kleinen Kunstwerk geformt. Und Fee hatte dann ihre Mutter so früh verloren.

»Von wem hast du die bekommen, Mami?«, fragte Anneka.

»Von meiner Mutter.«

»Von Omilein? Das muss ich ihr aber sagen, dass wir die Puppe jetzt wieder gefunden haben, Mami.«

»Anne war nicht meine Mutter, Anneka.«

»Aber sie ist doch unsere Omi.«

»Ja, sie ist eure Omi, eine sehr liebe Omi. Meine richtige Mutter ist früh gestorben, Anneka.«

»Das hast du noch nicht erzählt, Mami«, sagte die Kleine ernsthaft.

»Ihr seid doch noch so klein, und ihr habt Anne lieb. Es ist sehr schön, dass ihr solche Omi habt. Ich habe sie auch lieb.«

Anneka warf sich in ihre Arme und küsste sie stürmisch.

»Ich könnte keine andere Mami lieb haben als dich«, flüsterte sie bebend, »und auch keinen anderen Papi als unseren.«

»Wir sind ja auch gesund, mein Schätzchen«, erwiderte Fee zärtlich, und sie wollte nicht daran denken, was sonst geschehen konnte, um ein Menschenleben auszulöschen.

Um Anneka abzulenken, erklärte sie ihr dann die Fotos. Manche Personen erkannte Anneka sofort, so auch Kerstin Langen.

»Das ist doch die Kerstin, gell, Mami, die Frau Gröner, wie Lenni sagt.«

»Damals hieß sie noch Langen«, sagte Fee.

»Und wer ist das andere hübsche Mädchen?«, fragte Anneka.

»Das ist Kerstins Schwester Marina.« Und Fee konnte es nicht verhindern, dass ihre Gedanken gleich abschweiften und sie sich fragte, was eigentlich aus Marina geworden sein mochte. Über sie hatte Kerstin niemals mehr gesprochen, obgleich sie sich doch noch von Zeit zu Zeit trafen.

Kerstin war mit dem sehr bekannten Strafverteidiger Dr. Holger Gröner verheiratet, und sie selbst hatte sich einen Namen als Bühnenbildnerin gemacht. Und vor zehn Jahren war Fee bei ihnen Trauzeugin gewesen. Da hatten die Schulfreundinnen noch mehr Zeit gehabt, Kontakte zu pflegen. Jetzt wurde zwar ab und zu mal telefoniert, und man traf sich auch mal, aber alles nur so nebenbei, ohne dass man von früher sprach.

»Und da ist Kerstin als Braut«, sagte Anneka freudig, »und du bist auch da, Mami. Schön siehst du aus, und wo ist Papi?«

»Der hat sich immer vor dem Fotografieren gedrückt, Anneka.«

»Aber er war doch auch da?«

»Freilich war er da. Wir waren doch schon verheiratet.«

»Aber es kann ja auch sein, dass er gerade mal wieder Hausbesuche machen musste«, meinte Anneka ernsthaft.

War es nicht tatsächlich so gewesen? Fee brauchte nicht mehr lange nachzudenken. Ja, sie waren noch beim Festessen gewesen, das Kerstins Eltern fürstlich ausgerichtet hatten, da war Daniel zu einem Patienten gerufen worden. Und das war doch Professor Treubner gewesen, dem sie so viel zu verdanken hatten, der der Insel der Hoffnung sein ganzes Vermögen hinterlassen hatte.

Plötzlich war die Vergangenheit wieder so ganz gegenwärtig. Es war auch ein so warmer Sommertag gewesen, als Kerstin mit Holger Gröner getraut wurden. Und das Datum stand ja auch auf der Rückseite des Fotos.

Fee lachte leise auf. Übermorgen jährte sich dieser Tag zum zehnten Male. Seltsam war es schon, dass ihr heute die Fotos in die Hände fielen. Aber sie musste Anneka noch viele Fragen beantworten und auch von anderen Personen erzählen, die da plötzlich wieder lebendig zu werden schienen, obgleich manche von ihnen schon lange nicht mehr lebten.

So auch Fees Französischlehrer Dr. Heuslein. »Er schaut grimmig drein«, hatte Anneka gesagt.

»Ja, er schaute nie fröhlich, aber er war ein wundervoller Lehrer, Anneka. Er hatte eine schwere Kriegsverletzung und konnte manchmal nicht richtig atmen, und zuerst wurde er da oft getriezt.«

»Warum und wie?«, fragte Anneka.

»Wenn er husten musste, husteten die meisten mit und so. Es hat mir gar nicht gefallen.«

»Und dann hast du auf die Pauke gehauen, Mami«, sagte Anneka.

»Wieso weißt du das?«, fragte Fee.

»Weil du es doch nicht leiden kannst, wenn man lacht über Menschen, die Schmerzen haben. Und was hast du gesagt, Mami?«

»Ich habe es der Klasse erklärt, warum dieser Mann sich manchmal quälen muss. Er hatte auch eine Familie, drei Kinder, und jung war er auch nicht mehr. Aber er war ein Lehrer, wie es wenige gibt, und das haben die andern dann auch eingesehen. Weißt du, Anneka, manchmal muss man ganz deutlich aussprechen, was einem nicht gefällt, und wofür man selbst Partei ergreift.«

Anneka nickte. »Lenni sagt: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. So meinst du es auch, Mami.«

»Du bist ja schon so gescheit, mein Kleines«, sagte Fee zärtlich.

»Jetzt bin ich ja auch nicht mehr das Nesthockerl, das sind jetzt unsere Zwillinge«, sagte Anneka, »und da muss ich vernünftig sein, weil wir den Kleinen als gutes Beispiel vorangehen müssen. Du warst für andere Kinder bestimmt immer ein gutes Beispiel, Mami.«

»Ach, weißt du, Anneka, ich konnte manchmal auch kratzbürstig sein. Aber Kerstin war genauso. Wir haben uns prima verstanden.«

»Und warum kommt sie nicht öfter mal zu uns?«, fragte Anneka. »Hat sie keine Kinder?«

Nein, Kerstin und Holger hatten keine Kinder, und jetzt fragte sich Fee plötzlich, ob sie deshalb so selten von sich hören ließen, weil sie darunter litten. Kerstin hatte sich Kinder gewünscht, das wusste Fee, denn Kerstin hatte sie um die Kinder beneidet.

»Sie hat keine Kinder, Anneka«, erwiderte Fee gedankenverloren.

»Wenn sie keine kriegt, kann sie doch welche adoptieren«, meinte Anneka, jetzt ganz Arzttochter.

»So schnell geht das auch nicht.«

Aber zehn Jahre, dachte sie für sich. Und Fee nahm sich vor, Kerstin einmal anzurufen.

Der zehnjährige Hochzeitstag war doch ein hübscher Anlass.

Dann kamen Danny und Felix von der Schule. Danny war ganz begeistert, dass er nun von der Truhe Besitz ergreifen konnte.

»Und wenn die Kleinen da reinkrabbeln und ersticken?«, fragte Felix. Er machte sich um vieles Gedanken, dass es Fee manchmal bange wurde.

»Red nicht so was«, sagte Danny aggressiv. »Du gönnst mir die Truhe bloß nicht.«

»Ich gönne sie dir schon«, sagte Felix, »aber ich habe auch gelesen, wo kleine Kinder überall reinkrabbeln. Sogar in alte Kühlschränke oder in die Waschmaschine, wenn sie Verstecken spielen. Und dann fällt die Tür zu, und sie ersticken.«

»Aber auf unsere Kinder wird doch aufgepasst«, sagte Danny. »Du siehst alles negativ, Felix.«

Negativ, das hatte er aufgefangen, und er merkte sich auch alles. Felix war spontan und sehr sensibel, aber als Anneka vorschlug, die alten Fotos anzuschauen, winkten beide ab.

»Olle Kamellen«, sagte Danny, und Felix wollte Lenni lieber in die Töpfe schauen. Er hatte Hunger, aber alles fand nicht seinen Geschmack. Doch diesmal konnte er es kaum erwarten, dass das Essen auf den Tisch kam, denn es gab Kalbsgulasch mit Spätzle und Salaten, und als Vorspeise eine Eierschaumsuppe. Und glücklicherweise für Felix’ knurrenden Magen kam auch Dr. Daniel Norden pünktlich heim.

Die Zwillinge Christian und Désiree waren schon vorher gefüttert worden. Sie probierten es jetzt zwar schon allein, aber dann sahen sie und alles um sie rundherum fürchterlich aus. Und bei so warmem Wetter legten sie auch noch Wert auf eine ausgedehnte Siesta, was ihren Eltern nicht unwillkommen war, denn Daniel Norden hatte durch die sehr aggressiv auftretende Sommergrippe wenig Zeit für die Familie und für ein geruhsames Essen. Und die Buben stürzten sich auch mit solchem Heißhunger darauf wie ihr Vater.

Nur Anneka war schnell satt. »Wir haben tolle alte Fotos gefunden, Papi«, erzählte sie. Das musste sein, sonst hätte es ihr auf der Seele gebrannt.

»Was für welche?«, fragte Daniel.

»Von Kerstin und ihrer Hochzeit, aber da hast du grad einen Hausbesuch gemacht, deshalb bist du nicht drauf.«

»Jemine, das muss ewig her sein«, murmelte er.

»Fast zehn Jahre«, warf Fee ein. »Es ist tatsächlich schon so lange her. Übermorgen ist der Jahrestag. Ist komisch, dass wir die Bilder heute gefunden haben.«

»In der Truhe, auf die Danny scharf ist«, sagte Anneka.

»Ist es nicht hübsch, wenn man mal wieder in der Vergangenheit kramen kann, mein Schatz?«, fragte Daniel.

»Ich werde Kerstin mal anrufen. Ich habe schon ewig nichts mehr von ihr gehört.«

»Doch höchstens drei Monate nicht, weil wir da Holgers vierzigsten Geburtstag gefeiert haben.«

»Du hast wirklich ein tolles Gedächtnis«, sagte Fee. »Mir kommt das schon viel länger vor. Aber da bist du ja auch weggerufen worden wegen dieses Unfalls. Was ist jetzt eigentlich mit dem Opfer?«

»Es wird übermorgen beerdigt«, erwiderte Daniel, »daher meine exakte Erinnerung. Ich bekam die Nachricht vorhin. Das gibt noch einen Prozess, in dem Holger als Strafverteidiger wirken muss. Jetzt soll noch einer sagen, dass bei uns nicht alles übereinstimmt. Du kramst Bilder von der Hochzeit heraus, und ich habe mit Holger einen Termin verabredet, damit er ärztliche Erkenntnisse über diesen Fall gewinnen kann.«

»Aber anscheinend vertritt er dann doch die Gegenseite«, sagte Fee. »Sei vorsichtig, Daniel.«

»Er will meine Meinung hören. Der Gutachter scheint bestechlich zu sein. Holger ist nicht bestechlich. Ihm liegt daran, dass den Hinterbliebenen geholfen wird. Er wird unter gegebenen Umständen die Verteidigung des Unfallverursachers niederlegen.«

»Weißt du, woran ich mich erinnert habe, als ich mit Anneka die Bilder von der Hochzeit betrachtete, Daniel?«, fragte Fee.

»Das kann ich mir denken. Ich war nicht da. Ich wurde zu Professor Treubner gerufen. Den Tag werde ich auch nicht vergessen, mein Liebes.«

»Ist es nicht schade, dass wir Kerstin und Holger so selten sehen?«, fragte Fee.

»C’est la vie, mein Schatz, der Alltag nimmt uns gefangen, und ab und zu möchte man ja mal auch ganz en famille sein.«

»Du kommst mir heute so oft französisch, Daniel.

Hat das was zu bedeuten?«, fragte Fee neckend.

»Du merkst auch alles. Ich habe heute ein ganz besonderes Verhältnis mit einer Französin, mein Schatz.«

»Aber zum Essen kommst du schon nach Hause«, scherzte Fee.

»Scherz beiseite, ich habe tatsächlich mal wieder einen besonderen Schützling. Sie liegt aber bereits in der Leitner-Klinik.«

»Das musst du mir aber schon erzählen, Daniel«, verlangte Fee.

»Ich kann noch nicht viel sagen. Als ich heute morgen zur Praxis fuhr, hielt mich ein junger Mann auf. Er war schrecklich aufgeregt und sagte mir, dass er eine Anhalterin mitgenommen hätte, die schwanger sei. Sie lag bei ihm im Wagen.«

»Moment mal, Daniel, war das bei der Praxis?«

»Freilich, der junge Mann wollte zu mir. Er hatte mein Schild gesehen, ich kam gerade an, und er sah mein Arztzeichen. Ich konnte feststellen, dass es höchste Zeit für die junge Frau war, in eine Klinik zu kommen. Der hilfsbereite junge Mann hatte mir gesagt, dass er sich mit ihr nicht verständigen könne, aber sie gab so ein paar französische Laute von sich. Perfekt bin ich ja auch nicht, aber ein paar Vokabeln kann ich noch. Also brachte ich sie zu Schorsch in die Klinik, und da brachte sie vor zwei Stunden einen Sohn zur Welt.«

»Und das hast du mir so lange vorenthalten«, beschwerte sich Fee.

»Meine Güte, wir haben selbst fünf Kinder, soll ich da auch noch großes Trara um andere machen, wobei man nicht mal weiß, ob dieses Kind so willkommen ist?«

»Ach was, Franzosen lieben Kinder.«

»Alle sind auch nicht gleich«, sagte Daniel, »obgleich ich gern zugebe, dass sie alles in allem kinderfreundlicher sind als unsere Landsleute. Es wird ja auch mehr für die Kinder zugesteuert. Das ist mal wieder so ein Fall, wo man gar nichts weiß. Nicht mal den Namen der jungen Mutter.«

»Ich werde mich darum kümmern. Ich spreche ja immer noch ziemlich gut französisch«, sagte Fee.

»Hab’ ich es mir doch gedacht, dass du gleich wieder sprungbereit bist, wenn ich nur eine Andeutung mache, aber hast du nicht mit unseren Kindern genug zu tun?«

»Wir haben auch noch unsere Lenni, und wenn man selbst mit allem zufrieden sein kann, soll man dankbar genug sein, auch an andere zu denken, denen es nicht so gut geht, Daniel. Das gehört doch auch zu unseren Grundsätzen.«

»Hast ja recht, mein Liebes.«

»Die Zwillinge bleiben bei Lenni. Danny und Felix gehen zum Turnen und Anneka nehme ich mit«, sagte Fee. »Schorsch hat auch mehr zu tun, als französisch zu parlieren.«

Fee überlegte niemals lange, wenn es galt, irgendwo zu helfen, und mit Dr. Leitner waren sie ebenso lange befreundet wie mit den Behnischs, und für den Augenblick war auch der Gedanke an Kerstin Gröner in den Hintergrund getreten.

Anneka freute sich, dass sie mit ihrer Mami fahren durfte. Danny und Felix wurden bis zur Turnhalle gebracht und waren auch ganz friedfertig, weil heute Handball auf dem Plan stand, und dann war Fee schnell bei der Leitner-Klinik angekommen. Sie sagte erst noch schnell Claudia Leitner guten Tag, und Anneka wurde von den beiden Leitner-Kindern fröhlich begrüßt.

»Ich wollte mal nach der Französin schauen«, sagte Fee. »Daniel hat mir davon erzählt.«

»Hoffentlich gibt es da nicht Schwierigkeiten«, sagte Claudia seufzend. »Aber Schorsch wird dir dankbar sein, Fee. Meine Französischkenntnisse sind miserabel. Da müsste Martina her, aber meine kleine Schwester ist ja dauernd unterwegs, und mich halten die Kinder in Atem. Ich kann dich nur bewundern, Fee, wie du mit Fünfen fertig wirst. Mir reichen die zwei.«

»Ich habe ja auch eine Lenni«, sagte Fee, »aber viel Zeit habe ich trotzdem nicht. Ich verschwinde schnell, bevor mich eure Kinder spitzkriegen.«

Auch zwischen ihnen war es bei aller Freundschaft so, dass nur wenig Zeit für Begegnungen blieb. Die Kinder kamen schon öfter mal zusammen, aber für die Freunde untereinander waren es seltene kostbare Stunden des Beisammenseins, wenn sie mal ein paar Stunden abschalten und entspannen konnten. Trotzdem litt die Freundschaft nicht darunter.

Dr. Leitner küsste Fee voller Freude beide Hände. »Du bist ein ganz großer Schatz, Fee«, sagte er herzlich. »Es wäre schön, wenn du wenigstens erfahren könntest, zu wem dieses Persönchen wollte.«

Es war wirklich ein »Persönchen«, fast kindlich anzuschauen, obgleich es einen fast sechs Pfund schweren Buben zur Welt gebracht hatte, aber ihre Miene war die eines trotzigen Teenagers. Aber Fee Norden hatte nun mal so etwas an sich, dem man einfach nicht widerstehen konnte, und sie tat auch so, als wäre es lustig, dieser kleinen Fremden nur Glück zu wünschen zu dem ganz besonders hübschen Sohn.

Fee hatte ihn schon vorher betrachtet und festgestellt, dass es wirklich ein besonders niedliches Baby war.

Die Augen der jungen Mutter weiteten sich, als Fee sie nun in fast perfektem Französisch ansprach, aber auch ein ängstlicher Ausdruck zeigte sich in dem hübschen Gesicht. Ja, es war ein hübsches, feines Gesicht, noch jung, aber doch nicht so kindlich, wie es auf den ersten Blick schien.

»Wer sind Sie?«, fragte die junge Mutter.

»Dr. med. Felicitas Norden«, erwiderte Fee mit ihrem vollen Namen und dem Titel, der ihr zustand.

»Es war ein Dr. Norden, der mich herbrachte, und er sprach auch ein wenig meine Sprache. Ich kann mich nicht deutsch verständigen, wie ich möchte. Niemand versteht dann, was ich ausdrücken will.«

»Dr. Norden ist mein Mann, und wir haben fünf Kinder. Daraus ersehen Sie, dass wir Kinder lieben und auch für junge Mütter Verständnis haben. Darf ich Ihren Namen wissen?«