Ein Mann wechselt die Fronten - Hal Warner - E-Book

Ein Mann wechselt die Fronten E-Book

Hal Warner

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Beschreibung

Er war ein Mann der tödlichen Jobs: Jube Latimer aus Tascosa in Texas. Er stand in dem Ruf, gegen entsprechende Bezahlung jeden unbequemen Mann aus dem Wege zu räumen, und deshalb holte ihn der mächtige Rancher Ballard Ravenhurst. »Ich erwarte von Ihnen, dass Sie ganze Arbeit leisten, Latimer«, sagte der Big Boss. »Tausend Dollar, wenn Sie mir diesen Kerl aus dem Weg räumen.« Dies war der Auftakt zu einem höllischen Inferno… Ein neuer mitreißender Roman von HAL WARNER

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Ein Mann wechselt die Fronten

Hal Warner

Impressum

Copyright: Novo-Books im vss-verlag

Jahr: 2024

Lektorat/ Korrektorat: Franz Groß

Covergestaltung: Raven E. Dietzel

Verlagsportal: www.novobooks.de

Gedruckt in Deutschland

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig

Er war ein Mann der tödlichen Jobs: Jube Latimer aus Tascosa in Texas. Er stand in dem Ruf, gegen entsprechende Bezahlung jeden unbequemen Mann aus dem Wege zu räumen, und deshalb holte ihn der mächtige Rancher Ballard Ravenhurst.

»Ich erwarte von Ihnen, dass Sie ganze Arbeit leisten, Latimer«, sagte der Big Boss. »Tausend Dollar, wenn Sie mir diesen Kerl aus dem Weg räumen.«

Dies war der Auftakt zu einem höllischen Inferno …

»Okay, Mr. Ravenhurst«, sagte Jube Latimer. »Fünfhundert jetzt, fünfhundert später, sobald ich den Auftrag ausgeführt habe. Sie können mir den Rest durch die Bank überweisen.«

»Einverstanden, Latimer. Sie bekommen das Geld nach Tascosa nachgesandt.« Der fettleibige Rancher mit dem breitflächigen, von der Hitze geröteten Gesicht öffnete eine vor ihm stehende Schatulle, nahm einen Packen Geldscheine heraus und zählte fünfhundert Dollar ab.

»Hier ist also die Anzahlung«, sagte er und schob die Scheine grinsend über den wuchtigen Mahagonischreibtisch, an dem sich die beiden Männer gegenübersaßen. »Noch lieber werde ich Ihnen die zweite Hälfte ausbezahlen. Es liegt mir nämlich eine ganze Menge daran, dass Sie mir Ken Bonnell vom Hals schaffen. Falls Sie wissen wollen, warum …«

»Nein, das interessiert mich nicht. Sie bezahlen mich, das genügt.« Latimer zählte das Geld flüchtig nach und steckte es ein, ohne sich dafür zu bedanken. »Erzählen Sie mir lieber, wo ich Ken Bonnell finden kann.«

»Meistens ist er auf der Farm, diesem Schandfleck, den ich unter keinen Umständen noch länger auf meinem Weideland dulden kann«, berichtete Ballard Ravenhurst. »Dort könnten Sie ihn natürlich erwischen, aber ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das nicht behagt. Besser ist es, wenn Sie ihm in der Stadt begegnen. Ken Bonnell reitet jeden Sonnabend nach Santa Rosa und besucht dort Mashpees Saloon. Seine Freundin arbeitet dort. Sicher finden Sie einen geeigneten Vorwand, um ihn vor Ihre Kanone zu fordern.«

»Da können Sie unbesorgt sein.« Jube Latimer griff nach seinem Glas und trank es aus.

»Noch einen Whisky, Latimer?«

»Nein, danke.« Der hagere, großgewachsene Texaner, dessen Haare an den Schläfen bereits ergraut waren, schüttelte kaum merklich den Kopf.

»Wie Sie wollen.« Ravenhurst schenkte sein Glas nochmals voll. Er schwitzte so stark, dass ihm kleine Bäche in den Hemdkragen liefen. Dann fuhr er fort, über Ken Bonnell zu berichten.

Als sich Latimer schließlich verabschiedete, kannte er alle Gewohnheiten des Burschen, wusste wie er aussah, welches Pferd er ritt und mit wem er in Santa Rosa zu sprechen pflegte. Außerdem hatte ihm Ravenhurst den genauen Weg zur Bonnell-Farm beschrieben.

»Na, dann machen Sie’s gut«, sagte der Besitzer der Quadrangle-Ranch hoffnungsvoll. »Ich verlasse mich voll und ganz auf Sie. Wir beide werden uns Ja nicht mehr sehen.«

»Ist auch besser so.«

Ravenhurst nickte verstehend. Neben seinem Schreibtisch stehend blickte er Latimer nach, wie er mit leise klirrenden Sporen durch die Tür schritt und sie hinter sich schloss. Dann trat er ans offene Fenster und spähte hinaus.

Draußen auf dem Hof, im prallen Sonnenlicht, bestieg Latimer sein pechschwarzes Pferd. Er zog es um Zügel herum, trieb es an und trabte zur Fenz.

Der Blick des Ranchers folgte dem Reiter, bis er hinter einer Bodenerhebung verschwand. Ein zufriedenes Lächeln umspielte Ravenhursts wulstige Lippen. Bald – davon war er überzeugt – würden die Bonnells das Feld räumen. Dass sie es nicht schon längst getan hatten, schrieb Ravenhurst ausschließlich Kate Bonnells älterem Sohn zu. Seine Leute waren mit dem wilden Burschen nicht fertig geworden. Deshalb hatte Ravenhurst aus Tascosa einen Revolvermann kommen lassen, einen der schlimmsten von ganz Texas. Ken Bonnell war so gut wie tot!

*

Latimer hatte das an einen feudalen Herrensitz erinnernde Headquarter der Quadrangle-Ranch hinter sich gelassen und trabte auf seinem prächtigen Rapphengst nach Süden. Um ihn war das wellige, von kleinen Bauminseln unterbrochene Weideland. Es war ein Besitz, dessen gewaltige Ausmaße man nur erahnen konnte, zumal sich seine Grenzen irgendwo hinter dem Horizont verbargen.

Die Sonne stand hoch am Himmel, in dessen azurner Bläue scheinbar schwerelos ein Geierpaar kreiste. Die Hitze trieb Latimer den Schweiß aus den Poren.

Er war ein Mann, dem das Leben nichts geschenkt hatte. Ein Mann, der selten lachte und von dem etwas Düsteres ausging. Die scharfen Linien in seinem braungebrannten Gesicht verliehen ihm etwas Markantes und ließen auf Härte und Verwegenheit schließen. Um seine Mundwinkel hatten sich bereits tiefe Kerben eingegraben.

Die Griffschalen seines Colts waren aus Perlmutt. Es war eine langläufige Waffe, die in einem offenen Holster steckte, das ziemlich tief an Latimers rechter Hüfte baumelte. Aus dem Sattelschuh ragte der Schaft einer Winchester.

Latimer zeigte keine Eile. In Gedanken war er noch bei Ballard Ravenhurst, dem ein gewisser Ken Bonnell ein Dorn im Auge war – und das so sehr, dass er ihn in der Hölle wissen musste, um endlich wieder ruhig schlafen zu können.

Hie und da zeigten sich Rinderrudel in der weiten, graubraunen Landschaft. Satt lagen sie im Schattenkreis einzelnstehender Bäume und dösten wiederkäuend in der Mittagsglut.

Einmal konnte Latimer auch einige Cowboys sehen: verwilderte Gestalten, die in einer Senke um ein Kochfeuer hockten. Sie nahmen von dem Reiter kaum Notiz.

Ohne anzuhalten, setzte Latimer seinen Weg fort.

Je weiter er nach Süden vordrang, um so trockener wurde das Land. Er war hier viele Meilen vom Pecos River entfernt, der Lebensader in diesem Gebiet, das einige Tagesritte noch weiter südlich an den unwirtlichen Llano grenzte.

Und dann – der Nachmittag war schon ziemlich weit fortgeschritten - näherte sich Jube Latimer der Bonnell-Ranch. Hinter einer der vielen Hügelketten, die er im Laufe der Stunden überquert hatte, sah er das kleine Anwesen auf eine Distanz von ungefähr einer halben Meile vor sich liegen.

Es war nur schwer verständlich, dass in dieser Einöde Menschen leben konnten. Es gab keinen Creek weit und breit, keine Wasserlöcher und fast keine Bäume. Das Gras sah recht dürftig aus, das karge Buschwerk war vertrocknet.

Trotzdem züchteten die Bonnells hier Rinder und bebauten sogar einige Felder. Die grünen Rechtecke und Quadrate, die Jube Latimer aus der Ferne erkennen konnte, waren der Beweis dafür, dass man sogar diesem scheinbar unfruchtbaren Boden etwas abringen konnte, wenn man es nur verstand, die Natur zu überlisten.

Eigentlich musste man vor Leuten wie den Bonnells den Hut ziehen, dachte Jube. Wer brachte schon den Mut auf, unter solch ungünstigen Bedingungen zu siedeln? Ja, sie verdienten zweifellos Bewunderung.

Aber sie hatten sich auf einem Gebiet niedergelassen, das der mächtige Ballard Ravenhurst für sich beanspruchte. So gesehen, waren die Bonnells Narren.

Jube ritt hinter den Hügeln entlang und näherte sich in einem weiten Bogen einem unterschiedlich hohen Felswall, der etwa eine Gewehrschussweite von den Gebäuden der Ranch entfernt war. Zwischen den dahinter wachsenden Büschen stieg er vom Pferd und band es so an einen Mesquite, dass es ein wenig Bewegungsfreiheit zur Futtersuche hatte. Dann holte er sein ausziehbares Fernrohr aus der Satteltasche und begab sich damit an einen Platz, von dem aus er das Anwesen gut beobachten konnte.

Suchend spähte er durch die Linsen.

Das kleine Ranchhaus mit dem offenen Holzvorbau war fast zum Greifen nähergerückt. In seinem Schatten war eine Frau mit dem Bügeln von Wäsche beschäftigt.

Jube konnte erkennen, dass es eine hübsche Frau war. Soeben hielt sie in ihrer Tätigkeit inne, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und blickte auf ein junges Mädchen mit flachsblonden Zöpfen, das hinter ihr aus dem Haus kam.

Die beiden – es konnte sich nur um Mutter und Tochter handeln – wechselten ein paar Worte miteinander. Dann trat das Mädchen mit einem Eimer auf den Hof und ging zum Brunnen, wo ein junger Bursche zwei Pferde tränkte.

Diesem Brunnen verdankten die Bonnells ihre Existenz. Ohne ihn hätten sie hier nicht leben können.

Das Mädchen ließ den Eimer an einem Seil in den Schacht hinab. Als es ihn gefüllt wieder nach oben zog, sprengte ein Reiter auf den Hof. Es war ein dunkelhaariger Bursche in Cowboykleidung. Noch mitten im Galopp, sprang er vom Pferd, ließ sich von den Zügeln ein Stück mitschleifen und hielt beim Corral, wo er die Querbalken aus der Halterung warf.

Latimer wusste sofort, dass er Ken Bonnell vor sich hatte. Seine wilde, verwegene Art stimmte genau mit der erhaltenen Beschreibung überein. Das Fernrohr am rechten Auge, beobachtete er ihn.

Sekunden später passierte etwas, das Latimer einen dicken Strich durch die Rechnung machte. Er hatte sich nach einer Weile unbemerkt zurückziehen und nach Santa Rosa reiten wollen. Doch nun sollte er seinen Plan ändern müssen.

Das erschrockene Wiehern seines Hengstes ließ ihn jäh zusammenzucken. Der Schwarze hatte sich losgerissen und versuchte zu keilen. Angstvoll rollte er mit den Augen.

Es war eine riesige Klapperschlange, die ihn so sehr in Panik versetzte. Den Kopf mit den geöffneten Kiefern und Giftzähnen aufgerichtet, ringelte sie sich im Sand und klapperte drohend mit dem hornberingten Schwanzende.

Im Bruchteil einer Sekunde hielt Jube seinen Colt in der Faust und wollte auf die Rattlesnake schießen, doch da sausten bereits die Vorderhufe des Rappen auf sie herab. Das Pferd zerstampfte sie zu Brei.

Da erblickte Jube noch eine zweite Schlange. Ebenfalls ein enormes Exemplar, das gereizt auf den Hengst zuglitt, der noch nicht begriff, dass die Gefahr noch keineswegs gebannt war.

Jube feuerte. Nur wenige Zoll flog die Kugel an den Hufen des Pferdes vorbei und riss das Reptil buchstäblich in zwei Stücke. Während der vordere Teil mit dem noch immer gefährlichen Kopf in den Busch flog, verfiel der Rest in wilde Zuckungen.

Wenig später erkannte der Texaner, dass sein gutgezielter Schuss zu spät gekommen war. Die erste Schlange, von der nur noch eine blutige Masse übrig war, hatte den Schwarzen in die Fessel des linken Vorderlaufs gebissen. Die Art, wie er das Bein bewegte, ließ Jube nichts anderes vermuten.

Und noch etwas begriff der Mann aus Tascosa: Sein Schuss war auf der Ranch gehört worden!

Forschend spähte er über die Felsklötze hinweg zu den Gebäuden.

Die Leute auf der Ranch blickten nun ihrerseits angestrengt zu den Felsen herüber.

Als Jube wieder zum Fernglas griff, konnte er sehen, dass Ken Bonnell und sein jüngerer Bruder beim Brunnen auf die zwei ungesattelten Pferde sprangen, und schon ritten die beiden los.

Sich zu verstecken, hatte jetzt keinen Sinn mehr. Jube beschloss, seine Deckung zu verlassen und sich zu zeigen.

Die Bonnells hielten Gewehre in den Fäusten. Furchtlos näherten sie sich auf ihren Pferden.

Jube Latimer sah, dass es zwei prächtige Jungs waren. Ken mochte zwanzig sein, der andere nicht älter als siebzehn. Bei ihm begann gerade der erste Bart zu sprießen, während sein älterer Bruder schon recht männlich aussah.

»Hallo, Jungs!«, rief Latimer: »Ich hatte Pech mit meinem Pferd. Eine Rattlesnake ist ihm in die Quere gekommen.«

Die Bonnells blieben misstrauisch, obwohl Jube keine Waffe in Händen hielt.

»Sind Sie allein?«, rief Ken. Er war jetzt nur noch zehn Pferdelängen von den Felsen entfernt.

»Ja, ich bin allein. Überzeugt euch doch.«

Die taten die Bonnells gründlich. Während der jüngere von beiden auf einen Wink von Ken hin zurückblieb, um Latimer mit schussbereitem Gewehr im Auge zu behalten, trieb Ken sein Reittier hinter die Felsen und sah sich dort um.

»Er ist wirklich allein«, rief er wenig später. »Und die Story mit der Schlange stimmt auch.«

Sein Bruder nickte. Latimer schien es, als würde der Junge aufatmen.

»Ihr seht also, ich habe die Wahrheit gesagt. Muss ich noch länger hier rumstehen oder kann ich endlich was für mein Pferd tun?«

Der jüngere Bonnell ließ das Gewehr sinken und gab damit sein Einverständnis, dass Latimer sich um den Hengst kümmern durfte.

»Wir helfen Ihnen«, erbot sich Ken. Er stieg vom Pferd und musterte den Texaner, der mit klirrenden Sporen hinter die Felsen kam. »Zuvor aber noch eine Frage, Mister. Was haben Sie hier gewollt?«

»Nichts Bestimmtes«, antwortete Jube Latimer. »Ich hab’ eure Ranch rein zufällig entdeckt und wollte sehen, wer hier ist.«

Ken Bonnell gab sich damit zufrieden.

»Wenn Sie wollen, halte ich Ihr Pferd fest«, sagte er. »Die Bissstelle muss aufgeschnitten werden, damit das Gift raus kann.«

Jube nickte mit ernster Miene. Er beruhigte den Rapphengst und übergab die Zügel dann Ken.

»Du könntest das verletzte Bein hochhalten«, sagte er zu dem anderen Burschen.

»Mach schon, Andy!«, rief Ken. »Es ist keine Zeit zu verlieren. So ein prächtiges Tier darf nicht umkommen wegen so ’ner elenden Copperhead-Schlange!«

Bereitwillig packte Andy Bonnell zu. Latimer zog sein Messer und führte den lebensrettenden Schnitt durch.

Der Hengst stieß vor Schmerz ein grelles Wiehern aus, hielt aber still. Nur seine Flanken zuckten. Blut strömte aus der Schnittwunde.

»Schon vorbei«, murmelte Latimer, richtete sich auf und tätschelte dem Rappen den Hals. Er löste sein Halstuch, schlang es ihm unterhalb des Knies um das Bein und machte einen festen Knoten.

»Danke für eure Hilfe«, sagte er dann zu den Bonnells.

»Gern geschehen.« Andy grinste. »Wenn Sie Glück haben, kommt Ihr Hengst durch. Ich wünsche es Ihnen jedenfalls.«

»Er schafft es sicher«, meinte Ken. »Aber er braucht einige Tage Schonung. Ich schätze, Sie kommen jetzt mit zur Ranch. Dort sehen wir weiter.«

*

Kate Bonnell war mit ihren knapp vierzig Jahren noch immer eine hübsche Frau. Hübscher sogar als manche andere, die noch bedeutend jünger war. Sie hatte graugrüne Augen, einen weichen und doch ausdrucksvollen Mund in einem aparten Gesicht und fülliges, kastanienbraunes Haar, das noch keinen einzigen weißen Faden aufwies. Das hochgeschlossene, fast bodenlange Kleid betonte ihre schlanke, mit allen weiblichen Attributen ausgestattete Gestalt.

Hochaufgerichtet stand die Rancherin vor dem Haus und blickte mit gezügelter Neugier dem Fremden entgegen, der in Begleitung ihrer Söhne von den Felsen herkam. Neben ihr verharrte die bildhübsche Sina, ihre erst sechzehnjährige Tochter.

Dancing Elk, der aus der Scheune gekommen war, hatte sich zu ihnen gesellt. Der alte Indianer gehörte seit Jahren zur Familie und hatte größtenteils die Sitten der Weißen angenommen. Lediglich die ergrauten Zöpfe, die unter seinem Topfhut hervorbaumelten, erinnerten noch daran, dass er ein Comanche war.

Jube Latimer führte seinen Hengst am Zügel. Das Tier lahmte bereits stark, das Bein war stark geschwollen bis obenhin. Die Bonnell-Brüder ritten rechts und links von Jube Latimer.

Wenig später erreichten sie den Hof. Die Blicke von Latimer und der Rancherin trafen sich.

»Hallo, Ma’am!«, grüßte er, indem er an seinen Hut tippte. Er war wenige Schritte vor Kate Bonnei stehengeblieben. »Mein Name ist Latimer, Jube Latimer. Mein Pferd wurde von einer Klapperschlange gebissen.«

»Daher also der Schuss«, erwiderte Kate Bonnell. »Seien Sie willkommen, Mr. Latimer! Und entschuldigen Sie, falls meine Söhne zunächst unfreundlich waren. Aber wir haben nicht nur Freunde.«

»Es ist doch selbstverständlich, dass man hierzulande Misstrauen haben muss«, sagte Latimer und lächelte verbindlich.

Sie blickten sich noch immer in die Augen. Irgendwie waren sie vom ersten Moment an voneinander gefesselt.

Auch die Augen von Sina hingen an Latimer. Es schien sie zu ärgern, dass er sie überhaupt nicht beachtete.

Ken und Andy waren von ihren Pferden gestiegen. Sie brachten sie in den Corral und kamen zurück.

Inzwischen hatte sich der Indianer das geschwollene Bein des Rappen angesehen.

»Das Pferd braucht Ruhe«, sagte er in recht gutem Englisch.

»Das bedeutet, dass Sie es einige Tage nicht reiten können«, fügte Kate schnell hinzu. »Am besten, Sie lassen es hier auf der Ranch. Im Übrigen sind Sie zum Essen eingeladen. Allerdings dauert das noch etwa anderthalb Stunden.«

Nur zu gern hätte Latimer angenommen. Er war überzeugt, dass Kate Bonnell eine ausgezeichnete Köchin war Doch er hätte es als charakterlos empfunden, der Gast dieser Frau zu sein, deren ältesten Sohn er töten würde.

»Vielen Dank, aber ich muss ablehnen, Ma’am«, sagte er bedauernd. »Ich möchte heute noch nach Santa Rosa.«

»Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als Ihnen ein Pferd zu borgen.«

»Das wäre sehr freundlich von Ihnen, Ma’am. Aber haben Sie denn keine Angst, dass Sie es nicht mehr zurückbekommen?«

Die Rancherin zeigte lächelnd ihre tadellosen Zähne.

»Ich habe doch Ihren Schwarzen als Pfand. Der ist sicher mehr wert als jedes von unseren Pferden.«

»Und wenn der Hengst an dem Schlangenbiss stirbt?«

»Keine Sorge, Mr. Latimer. Unser Freund Dancing Elk versteht sich auf dergleichen. Er kennt Heilkräuter, die bei Schlangenbissen ganz hervorragend wirken. In drei Tagen ist Ihr Hengst wieder gesund. Außerdem habe ich nicht das Gefühl, dass Sie ein Mann sind, der sich mit fremdem Eigentum aus dem Staub macht.«

»Danke für Ihre gute Meinung, Ma’am«, versetzte Latimer mit leisem Unbehagen.

»Nach Santa Rosa brauchen Sie zirka drei Stunden«, sagte Ken, der das Interesse seiner Mutter an dem Texaner wohl bemerkt hatte und daher nun wieder misstrauisch war. »Haben Sie geschäftlich dort zu tun?«

»Ja, so kann man es nennen«, antwortete Latimer und nickte.

Weil er weiteren Fragen ausweichen wollte, wandte er sich seinem Hengst zu und nahm ihm den Sattel und das Zaumzeug ab, warf alles neben dem Vorbau zu Boden und blickte dann zum Corral hinüber.

»Welches Pferd darf ich nehmen?«, erkundigte er sich.

»Jedes außer dem Hellbraunen«, sagte Ken. »Der gehört nämlich mir. Ich bin es gewohnt, ihn zu reiten und brauche ihn morgen wieder.«

»Gut, dann nehme ich den Fuchs.« Latimer wollte seine Schritte zu der Umzäunung lenken.

»So eilig werden Sie es doch nicht haben«, sagte da Kate Bonnell. »Wissen Sie, dass es bei mir den besten Kaffee auf fünfzig Meilen im Umkreis gibt?«

»Das glaube ich Ihnen aufs Wort«, entgegnete Latimer grinsend.

»Dann geben Sie mir keinen Korb. Ob Sie eine halbe Stunde früher oder später in die Stadt kommen, ist doch sicher egal.«

»Da haben Sie völlig recht, Ma’am. So eilig habe ich es wirklich nicht.«

»Na, also. Ich werde mich immerhin beeilen.«