Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 38 - Hal Warner - E-Book

Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 38 E-Book

Hal Warner

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Beschreibung

Ein wildes Peitschen von Schüssen und das gellende Geheul der Apachen hatten Jivaro angelockt. Das Halbblut ritt schnell wie der Wind durch das raue Bergland, jagte durch einen Canyon - und dann gefror ihm das Blut in den Adern.
Die Sohle des Canyons war mit Toten bedeckt. Mit wildem Triumphgeschrei umritten die Apachen die überfallene Postkutsche. Eine junge Frau mit goldblonden Haaren schrie wie von Sinnen. Verzweifelt schlug sie auf fünf, sechs Krieger ein, die sie fortschleppen wollten.
Trotz der bedrohlichen Übermacht der roten Krieger jagte Jivaro auf die wilde Horde zu und begann aus vollem Galopp zu schießen ...

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Inhalt

Cover

Trail der hundert Gräber

Vorschau

Impressum

Trail der hundert Gräber

Von Hal Warner

Ein wildes Peitschen von Schüssen und das gellende Geheul der Apachen hatten Jivaro angelockt. Das Halbblut ritt schnell wie der Wind durch das raue Bergland, jagte durch einen Canyon – und dann gefror ihm das Blut in den Adern.

Die Sohle des Canyons war mit Toten bedeckt. Mit wildem Triumphgeschrei umritten die Apachen die überfallene Postkutsche. Eine junge Frau mit goldblonden Haaren schrie wie von Sinnen. Verzweifelt schlug sie auf fünf, sechs Krieger ein, die sie fortschleppen wollten.

Trotz der bedrohlichen Übermacht der roten Krieger jagte Jivaro auf die wilde Horde zu und begann aus vollem Galopp zu schießen ...

Getroffen brach ein Krieger, der einen roten Kattunfetzen um die Stirn gebunden hatte, zusammen. Er war gerade im Begriff gewesen, die Frau auf seinen Mustang zu werfen. Sie fiel mit ihm zu Boden.

Jivaro hebelte blitzschnell eine neue Patrone in den Lauf, zielte kurz, drückte ab und sah einen weiteren Apachen zusammenbrechen.

Jetzt waren es noch vier. Wutheulend fuhren sie herum und griffen nach ihren Waffen. Und sie rechneten sich wohl eine gute Chance aus, als sie erkannten, dass sie es nur mit einem einzigen Gegner zu tun hatten.

Jivaro sprang vom Pferd und kam hinter einem trockenen Busch zum Liegen. Eine Kugel pfiff über ihn weg. Er richtete sich halb auf und schoss aus der Deckung, fehlte diesmal aber, weil er zu hastig gezielt hatte.

Die Apachen schossen nun alle. Drei mit Gewehren, einer mit Pfeil und Bogen. Zwei von ihnen duckten sich hinter den umgestürzten Buggy, einer hinter einen Felsbrocken, und der vierte hielt die Blondhaarige als lebenden Schutzschild vor sich.

Ihre Geschosse pflügten um Jivaro den Sandboden auf. Jivaro zog den Kopf ein, lud sein Gewehr durch und feuerte erneut.

Die Kugel durchschlug die Bordwand des Buggys und traf den dahinter stehenden Indianer. Der stieß einen gellenden Schrei aus und taumelte mit aufgerissener Schulter hinter dem Gefährt hervor.

Jivaro wechselte eilig seine Position, indem er hinter einen Felsquader hechtete, wo er sich sicherer fühlen konnte. Vorsichtig spähte er aus der Deckung.

Soeben wollte der Apache, der die blonde Frau an sich gerissen hatte, diese zu den Pferden zerren. Doch bevor er die Mustangs erreichte, traf ihn Jivaros Kugel und fällte ihn wie einen Baum. Obwohl er die Frau losließ, stürzte auch sie in den Sand.

Jetzt waren die Indianer nur noch zu dritt, und einer von ihnen war ziemlich schwer verletzt. Auch schienen sie ihres Anführers beraubt zu sein. Sie trachteten auf einmal zu entkommen.

Die Gefangene würden sie nicht mitnehmen können, das sahen sie ein. Doch lebend zurücklassen wollten sie diese auch nicht, denn ihretwegen hatten mehrere von ihnen den Tod gefunden. In seinem Zorn wollte ihr einer der Apachen eine Kugel geben.

Jivaro konnte den Mord an der Gefangenen gerade noch verhindern. Er drückte ab, als der Indianer den Lauf seines Gewehrs auf sie richtete. Er traf ihn voll und sah ihn stürzen. Dabei entlud sich noch mal das Gewehr des Apachen. Dann rollte er zur Seite und lag still.

Die letzten zwei suchten ihr Heil in der Flucht. Jivaro ließ sie entkommen, obwohl es ihm keine Mühe gemacht hätte, auch sie zu erledigen, als sie zu ihren Mustangs liefen und aufsprangen. Sie trieben die Pferde mit Fersenhieben an und jagten davon.

Von ihnen drohte keine Gefahr mehr. Kurz darauf waren sie in einem nach Westen abzweigenden Quercanyon verschwunden.

Jivaro richtete sich auf. Seine Sporen klirrten, als er auf den Kampfplatz zuschritt.

Eigentlich war es ein kleines Schlachtfeld. Alle paar Schritte lag ein Toter, und der Sand war mit Blutflecken übersät. Auch zwei Pferde hatten dran glauben müssen.

Als er sich überzeugt hatte, dass die zurückgebliebenen Apachen wirklich alle tot waren und sich keiner nur verstellte, trat Jivaro auf die Frau zu, die noch immer regungslos am Boden lag.

War sie etwa auch tot? Hatte die Kugel des Apachen, der auf sie schießen wollte, sie doch noch getroffen?

Wenig später wusste Jivaro, dass dies glücklicherweise nicht der Fall war. Die Frau atmete noch, ihr Busen hob und senkte sich leicht unter der dünnen Bluse. Und sie wies außer einigen blauen Flecken auch keine Verletzungen auf. Sie hatte vor Schreck nur das Bewusstsein verloren.

Jivaro pfiff bei ihrem Anblick überrascht durch die Zähne. Denn jetzt erst sah er, wie schön diese Frau war. Sie hatte das Gesicht eines schlafenden Engels. Die wie Goldfäden glänzenden Haare umrahmten es schmeichlerisch und ließen vermuten, dass sie blaue oder grüne Augen hatte. Ihre geschlossenen Wimpern und ihre sanft geschwungenen Brauen waren dunkler. Sie trug zu ihrer karierten Bluse einen knapp über die Knie reichenden, mit einer Borte verzierten Rock und dazu halbhohe Stiefel aus weichem Leder. Ihre Figur war als aufregend zu bezeichnen.

Besonders groß war sie nicht. Jivaro schätzte ihr Alter auf zwanzig bis zweiundzwanzig Jahre. Ihre Hände waren gepflegt, und er konnte an ihren Fingern keinen Ring entdecken.

Er kniete sich neben sie, legte sein Gewehr neben sich hin, schob seinen rechten Arm unter den Oberkörper des Mädchens und zog es hoch. Dabei kam sie wieder zu sich. Verwirrt schlug sie die Augen auf.

Sie hatten die Farbe der Kornblumen. Erschrocken weiteten sie sich, als sie Jivaro erblickten, und sie begann sofort wieder zu schreien. Ein Zeichen, dass sie sich gleich wieder an alles, was vorgefallen war, erinnerte.

»Ruhig, Miss!«, sagte Jivaro und legte ihr die linke Hand auf den Mund. »Es gibt keinen Grund zur Aufregung. Die Gefahr ist vorbei. Ich will Ihnen nur helfen.«

Das Mädchen begriff, dass es keinen Indianer vor sich hatte, obwohl auch Jivaro dunkle Augen besaß und seine Haare schwarz waren. Und sein Gesicht war nicht viel heller als das eines Apachen.

Er spürte, wie sie sich entspannte, und er nahm die Hand von ihrem Mund.

»Na also«, murmelte er und lächelte dabei beruhigend. »Ich denke, Sie wissen jetzt, dass Sie sich vor mir nicht zu fürchten brauchen. Ich heiße Jivaro. Wohin wollten Sie? Nach Silver City?«

Sie konnte nur nicken. Der Schreck steckte ihr noch in allen Gliedern. Als ihre Augen von Jivaros Gesicht abglitten und die Toten entdeckten, wurde sie bleich wie eine Wand. Angst und Entsetzen flackerten in ihrem Blick.

»Sehen Sie nicht hin!«, sagte er. »Kommen Sie, ich bringe Sie von hier weg!«

Er half ihr auf die Beine und führte sie ein Stück abseits, hinter einen Wall aus Büschen. Scheinbar willenlos setzte sie sich dort auf einen Felsen.

Jivaro stieß einen Pfiff aus, auf den hin sein Cayuse wiehernd angetrabt kam. Am Sattelhorn hing die bauchige, mit Ziegenleder überzogene Feldflasche. Jivaro nahm sie herunter, öffnete sie und hielt sie dem Mädchen an die Lippen.

Sie musste sich nach dem Trinken übergeben. Ihr ganzer Körper wurde jetzt geschüttelt. Jivaro wartete, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte.

»Ich hole jetzt den Wagen«, sagte er dann. »Bleiben Sie hier sitzen und warten Sie auf mich. Ich bin gleich wieder da.«

Er ging zu dem Buggy zurück und stellte ihn wieder auf die Räder. Danach lud er das herumliegende Gepäck auf, das wohl dem Mädchen gehörte. Es handelte sich um zwei Flechtkoffer und eine lederne Reisetasche.

Die Pferde waren noch vorgespannt. Sie hatten sich mit den Zügeln an einem Busch verfangen. Jivaro schob sie im Geschirr rückwärts und führte sie auf den durch den Canyon verlaufenden Weg zurück.

Dann hob er eines der Gewehre vom Boden auf, die mit den erschossenen Apachen zurückgeblieben waren, und betrachtete es nachdenklich.

Es war ein Springfield-Karabiner, wie die Armee ihn benutzte. Nicht das neueste Modell, aber doch eine gute Waffe. Insgesamt drei Stück davon konnte er einsammeln.

Wie waren die Roten zu diesen Gewehren gekommen? Stammten sie von den Kerlen, hinter denen Jivaro her war, von diesen gewissenlosen Waffenschmugglern?

Für die Begleiter des Mädchens konnte er nichts mehr tun. Sie waren tot, gestorben durch mehrere Kugeln. Im Rücken des älteren Mannes steckte auch ein Pfeil.

Jivaro wollte sie nicht den Geiern überlassen, hatte aber auch nicht die Zeit, sie hier in der Wildnis zu begraben. Das würde ihn aufhalten, und es war nicht ausgeschlossen, dass die geflohenen Apachen mit Verstärkung zurückkamen. Daher entschloss er sich, die beiden Toten mitzunehmen. Den einen lud er auf den gesattelten Braunen, auf dem einer der Männer den Buggy begleitet hatte, den anderen auf den Cayusen, den Jivaro erneut herbeipfiff. Er band die Pferde hinten am Wagen fest.

Als er zu dem Mädchen zurückkam, saß es in unveränderter Haltung auf dem Felsen. Er half ihr auf den Buggy und setzte sich neben sie auf den Fahrersitz.

»So, und nun fahren wir nach Silver City«, sagte er, indem er die Zügel ergriff. »In ein paar Stunden haben wir es geschafft.«

Jivaro trieb die Pferde an.

Eine Stunde vor Sonnenuntergang waren sie am Ziel. Und sie sorgten für einiges Aufsehen, als sie, die Pferde mit den beiden Toten hinter dem Wagen, durch die staubige Main Street von Silver City fuhren, der kleinen Minenstadt im Südwesten New Mexicos.

Auf den schmalen Gehsteigen vor den Adobehäusern blieben die Leute stehen und starrten den Ankommenden nach. Mehrere folgten sogar dem Wagen.

Jivaro fuhr weiter, ohne auf die Fragen zu reagieren, die ihm zugeworfen wurden.

Sheriff Peckinpah stand vor seinem Office. Der baumlange, ziemlich magere Mann mit der kühn vorspringenden Hakennase und dem sichelförmigen Schnurrbart kniff beim Anblick der Toten die Augen zusammen.

»Apachen?«, fragte er, als Jivaro den Buggy neben ihm anhielt.

»Ja, Sheriff.« Jivaro nickte. »Ich kam gerade zurecht, um wenigstens noch diese junge Lady hier zu retten. Kennen Sie sie?«

Peckinpah schaute der Blonden in das blasse Gesicht und schüttelte den Kopf.

»Nein. Sie hat wohl einen Schock?« Peckinpah war nicht entgangen, dass das Mädchen abwesend und teilnahmslos vor sich hin starrte.

»Ja. Sie hat mir unterwegs nicht mal ihren Namen sagen können. Ich weiß daher auch nicht, wer die Toten sind und wie sie zu ihnen steht. Mein Name ist übrigens Jivaro.«

Peckinpah löste sich von der Gehsteigkante, trat auf die Toten zu, packte sie nacheinander an den Haaren und hob ihre Köpfe an, um die Gesichter betrachten zu können.

»Sind sie Ihnen bekannt?«, fragte Jivaro, der von der Sitzbank aus nach rückwärts schaute.

»Ich muss sie schon mal gesehen haben. Aber wie sie heißen ...?« Der Sheriff von Silver City schüttelte wieder den Kopf.

Sein Blick fiel jetzt auf die Gewehre auf der Ladefläche.

»Wie kommen Sie zu diesen Gewehren?«, wollte er wissen.

»Zwei davon haben den Toten gehört«, gab Jivaro Auskunft. »Die anderen, die Springfields, die hab' ich den erschossenen Indianern abgenommen.«

Peckinpah nahm eines der Springfield-Gewehre vom Wagen und sah es sich genauer an.

»Alte Militär-Karabiner«, stellte er fest. »Wie kommen die Apachen in ihren Besitz?«

»Das habe ich mich auch schon gefragt. Es muss jemand geben, der die Roten mit Waffen beliefert. Haben Sie keine Ahnung, wer das sein könnte, Sheriff?«

»Nein«, antwortete Peckinpah kopfschüttelnd. »Das herauszufinden, ist auch gar nicht meine Aufgabe. Dafür ist die Armee zuständig.«

»Ich weiß. Aber Sie könnten die Sache weiterleiten. Oder halten Sie das nicht für nötig?«

»Doch. Der Kommandant von Fort Bayard wird sich für den Fall bestimmt interessieren. Ich werde die Springfields in Verwahrung nehmen. Oder erheben Sie Anspruch auf sie?«

»Nein. Ich hab sie nur mitgenommen, damit die Apachen sie sich nicht zurückholen können. Nehmen Sie sie nur. Am besten auch die Gewehre der zwei Toten, die ich mitgebracht habe. Ich weiß ohnehin nichts damit anzufangen.«

Der Sheriff räumte die Gewehre vom Wagen und legte sie hinter sich auf den Gehsteig.

»Wenn Sie eine Bestätigung möchten ...«

»Nicht nötig«, wehrte Jivaro ab. »Hier sind doch genug Zeugen.«

Inzwischen waren sie von Neugierigen umringt. Sie alle sperrten die Ohren weit auf, damit ihnen von der Unterhaltung nur ja nichts entging. Ihre Blicke wanderten zwischen Jivaro, dem Mädchen und dem Sheriff hin und her.

Peckinpah nickte.

»Die Toten nehme ich Ihnen ebenfalls ab. Mein Gehilfe wird sie zum Leichenbestatter bringen.«

Jivaro hätte das aus einem bestimmten Grund selbst gern übernommen, widersprach aber nicht.

»Mit der Beerdigung würde ich aber noch warten«, sagte er nur. »Ich meine, wegen der Identität der Toten.«

»Keine Sorge«, versetzte Peckinpah schmal grinsend. »Vor morgen Vormittag wird unser neuer Totengräber sie sowieso nicht begraben. Bis dahin wird uns die junge Lady sicher sagen können, wer die beiden sind.«

Während ein junger Deputy, der hinter dem Sheriff aus dem Haus gekommen war, die an den Buggy gehalfterten Pferde losband, versuchte Peckinpah noch einmal, an die Blonde das Wort zu richten.

»Hören Sie, Miss!«, rief er sie an. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihren Namen nennen würden. Können Sie mir wenigstens diese eine Frage beantworten?«

Er hatte kein Glück. Das Mädchen schien seine Stimme gar nicht wahrgenommen zu haben und blickte an ihm vorbei ins Leere.

»Es hat keinen Sinn«, meinte Jivaro. »Es ist wohl das Beste, sie in Ruhe zu lassen. Ich bringe sie in ein Hotel. Es gibt hier doch eines?«

»Ja, gleich da drüben.« Der Sheriff zeigte über die Straße. »Das Eckgebäude dort. Es hat einen Saloon und einen Mietstall daneben. Werden auch Sie sich dort einmieten, Mr. Jivaro? Ich meine, falls ich noch Fragen an Sie habe.«

»Ja, ich will mir auch ein Zimmer nehmen. Mein Pferd sehe ich doch bald wieder?«

»Ich werde es nachher in den Mietstall bringen«, versprach der Deputy, ehe er die Pferde mit den Toten wegführte.

Jivaro trieb die Zugtiere wieder an und steuerte den Buggy zum Hotel hinüber, hielt davor an und schwang sich vom Bock.

»Kommen Sie, Madam«, sagte er und reichte dem Mädchen lächelnd die Hand. »Wir sind in Silver City. Hierher wollten Sie doch? Also erlauben Sie mir, dass ich Sie in dieses Hotel bringe. Hier werden Sie ein Zimmer bekommen und erst mal tüchtig ausschlafen können. Morgen sieht alles wieder anders aus.«

Sie ließ sich vom Wagen helfen und in die kleine Hotelhalle führen. Sie wirkte beinahe willenlos, stand noch immer unter dem Einfluss dessen, was sie in den Bergen erlebt hatte. Nicht ein Wort hatte Jivaro unterwegs aus ihr herausgebracht. Und es würde wohl noch eine Weile dauern, bis sie wieder ansprechbar war.

Hinter dem Anmeldepult saß ein älterer Mann mit Nickelbrille. Er hatte noch freie Zimmer und stieg mit den neuen Gästen die Treppe hoch.

»Ihr Zimmer ist gleich daneben, Mister«, sagte er, als er den ersten Raum aufgeschlossen hatte. »Bezahlen Sie für die Lady?«

»Wahrscheinlich will sie ihr Zimmer selbst bezahlen«, antwortete Jivaro. »Aber das hat doch sicher bis morgen Zeit.«

»Selbstverständlich. – Also, Madam, Sie haben hier alles, was Sie brauchen. Falls Sie noch einen Sonderwunsch haben ...«

»Ich denke, sie will sich jetzt zunächst mal ausruhen«, unterbrach Jivaro den Hotelclerk. »Es geht ihr nicht gut, wie Sie sehen. Wir lassen sie am besten allein.«

Das Mädchen hatte sich auf das Bett gesetzt. Ihr Blick schweifte über die Einrichtung und blieb dann in dem Winkel, in dem der eiserne Waschtisch stand, hängen.

»Legen Sie sich hin«, riet ihr Jivaro. »Schlafen Sie und versuchen Sie zu vergessen. Hier sind Sie in Sicherheit. Was Ihr Gepäck angeht, so werde ich mich gleich darum kümmern.«

Als sie nicht reagierte, verließ er das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.

Das Zimmer daneben sah gleich wie das andere aus. Ein Bett, ein kleiner Tisch und zwei Stühle, ein Waschtisch und ein Kleiderschrank. Auf dem Fußboden lag ein zerschlissener Läufer. Das Fenster führte zur Straße hinaus.

Jivaro besichtigte das Zimmer kurz, gab mit einem Kopfnicken sein Einverständnis und ging dann wieder nach unten, um die Sachen seines Schützlings zu holen. Der Hotelclerk war ihm dabei behilflich.

Als sie mit den Gepäckstücken durch den Korridor kamen, drang lautes Schluchzen durch die Tür von Zimmer Nummer 4. Jivaro stieß die Tür auf und sah das Mädchen, von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt, auf dem Bett liegen. Sie zitterte auf beängstigende Weise, und ihr Gesicht glühte plötzlich wie im Fieber.

»Ich glaube, man sollte den Doc holen«, sagte Jivaro zu dem Hotelclerk. »Würden Sie das übernehmen?«

Der Mann machte sich sofort auf den Weg. Bis der Doc kam, blieb Jivaro bei dem Mädchen.

Der Doc musste über die näheren Umstände nicht mehr informiert werden. Er verabreichte dem Mädchen eine Beruhigungsspritze.

»Sie schläft jetzt«, sagte er, als er nach einer Weile aus ihrem Zimmer kam. »Wahrscheinlich wacht sie erst morgen wieder auf. Sie hat einen argen Nervenschock erlitten.«

Jivaro, der im Flur gewartet hatte, bezahlte den Doc und ging dann in sein Zimmer.

Er hoffte, dass die Blonde durch ihr schlimmes Erlebnis keinen bleibenden Schaden davongetragen hatte.

Die Sonne war verglüht. Bleigrau kroch aus Osten die Dämmerung heran und began, das Gelände um die Stadt einzuhüllen. Die Bewohner beeilten sich, ihre Lampen anzuzünden.