1,99 €
Grell zuckte der Blitz über den nachtschwarzen Himmel. Der grollende Donner riss die Menschen auf der Skull-Ranch aus dem Schlaf. Beim nächsten Donnerschlag war der Rancher John Morgan auf den Beinen.
Die Mannschaft versammelte sich auf der Veranda. Das Gewitter tobte jetzt direkt über dem Bluegrass Valley. Blitz und Donner folgten dicht aufeinander. Und dann hörten sie es: ein dumpfes, rasch anschwellendes Trommeln, das wie Donner klang.
Aber es war kein Donner. Es waren Hufe. Tausend Hufe...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 145
Cover
Tod durch tausend Hufe
Vorschau
Impressum
Tod durchtausend Hufe
von Hal Warner
Grell zuckte der Blitz über den nachtschwarzen Himmel. Der grollende Donner riss die Menschen auf der Skull-Ranch aus dem Schlaf. Beim nächsten Donnerschlag war der Rancher John Morgan auf den Beinen.
Die Mannschaft versammelte sich auf der Veranda. Das Gewitter tobte jetzt direkt über dem Bluegrass Valley. Blitz und Donner folgten dicht aufeinander. Und dann hörten sie es: ein dumpfes, rasch anschwellendes Trommeln, das wie Donner klang.
Aber es war kein Donner. Es waren Hufe. Tausend Hufe...
Der riesige Büffelbulle geriet auf den Schuss hin ins Taumeln. Einen Moment lang sah es so aus, als ob er zu Boden stürzen würde. Doch dann fing er sich wieder, schüttelte seinen zottigen Schädel und machte ein paar unsichere Schritte.
Nick Delson hatte ihn schlecht getroffen. Fluchend griff der Mann nach einer frischen Patrone und schob sie in den Lauf seiner Sharps.
Der Bison war stehengeblieben. Jetzt drehte er sich halb herum und wandte dem jungen Büffeljäger die Breitseite zu. Eine gute Gelegenheit für einen Blattschuss. Delson klappte eilig den Verschluss zu, klemmte den Lauf wieder in eine Astgabel und zielte dem Bison hinter die Schulter.
Doch als er abdrücken wollte, drehte sich der Bulle gänzlich herum. Nick Delson hatte einen Augenblick zu lange gezögert. Der Büffel war höchstens zwanzig Yards von ihm entfernt. Er hatte seine Benommenheit überwunden und schien sehr genau zu wissen, wem er die Schmerzen in seiner aufgerissenen Flanke verdankte. Er stieß ein zorniges Brüllen aus und senkte angriffslustig den mächtigen Schädel.
Delson wusste, dass es kaum etwas Gefährlicheres als einen angeschossenen Büffelbullen gab. Jetzt musste er entweder um sein Leben reiten oder einen sicheren Treffer anbringen.
Delson entschied sich fürs Schießen. Er musste den Bison zwischen die Augen treffen. Nur so würde er ihn jetzt zur Strecke bringen können.
Schon griff der Bulle an. Wutschnaubend stürmte er vorwärts, wobei er mit den Hufen Erde und Grasbüschel hochwarf. Ein fast eine Tonne schwerer Koloss mit dicken, gekrümmten Hörnern, dem der braune Haarpelz verfilzt von Kopf und Schultern herabhing. Den Pinselschwanz hatte er steil aufgerichtet.
Nick Delson spürte, dass seine Hände feucht wurden. Der fünf Zoll dicke Baum, hinter dem er stand, konnte ihm keinen Schutz bieten. Dieses Wissen verstärkte noch wesentlich seine Nervosität.
Als der angreifende Bison bis auf zehn Yards heran war, zog Delson am Abzug.
Ohrenbetäubend brach sich der Schuss. So eine Creedmoor Sharps krachte beinahe so laut wie eine Kanone. Und die Munition, die man dazu verwendete, besaß die Wirkung, von kleinen Granaten. Vorausgesetzt, man traf auch richtig.
Nick Delson sah jedoch nur ein paar krause Haarbüschel davonfliegen. Das großkalibrige Geschoss konnte den anstürmenden Bullen nicht stoppen. Es hatte anscheinend nur seinen Höcker gestreift.
Verflucht, wie war das möglich? Delson wurde von Panik erfasst. Er versuchte gar nicht erst, sein Gewehr nochmals nachzuladen, denn dazu war die Zeit schon viel zu knapp. Als sei die Waffe plötzlich glühend geworden, ließ er sie fallen, warf sich herum und sprang zu seinem Pferd, das er einige Schritte weiter an einen anderen Baum gebunden hatte.
Als er das Tier erreichte, vernahm er hinter sich ein Splittern und Krachen. Der in Raserei befindliche Büffel war mit der Wucht einer Dampflokomotive gegen den brechenden Stamm gerannt. Delson schaute sich aber nicht nach ihm um, sondern machte das Pferd hastig los und hechtete in den Sattel, um im letzten Augenblick doch noch die Flucht zu ergreifen.
Aber es war schon zu spät. Der Büffel gab sich nämlich nicht damit zufrieden, einen Baum umgelegt zu haben. Er hatte einen neuen Anlauf genommen und jagte brüllend auf den Reiter zu, der sein nervös schnaubendes Pferd gerade antreiben wollte.
In der nächsten Sekunde wurde das Pferd auch schon gerammt. Es wurde förmlich aufgehoben und gegen einen Baum geschleudert. Ein markdurchdringendes Wiehern klang auf und vermischte sich mit dem Schrei des Mannes, der unter dem stürzenden Tier begraben wurde.
Erst jetzt wurden andere Büffeljäger aufmerksam. Sie waren eine starke Crew von zwölf Mann. Aber sie hatten sich ziemlich weit über das Gelände verstreut und im Donnern der Schüsse kaum voneinander Notiz genommen.
Zwei von ihnen jagten jetzt auf ihren Pferden durch die aufgelockerte Herde der Büffel im Zickzack heran. Ein Stück weiter hinten folgte ein dritter. Sie hatten begriffen, dass ihr Gefährte in ernster Gefahr war, und wollten ihm helfen.
Der angeschossene Bulle ließ jetzt von Nick Delson und seinem Pferd ab. Er schüttelte nochmals den Schädel, drehte dann ab und trabte schnaubend davon.
Bevor einer der Büffeljäger auf ihn schießen konnte, war er in der Herde untergetaucht.
Und plötzlich setzte sich die ganze Herde in Bewegung. Sie schwenkte vom Fluss ab und folgte scheinbar willenlos dem nach Süden rennenden, aus zwei Schusswunden blutenden Bullen.
Hank Mulligan und seine Begleiter erreichten den Verunglückten. Sie zügelten ihre Pferde und sprangen aus den Sätteln.
Nick Delson schien noch zu leben, war aber bewusstlos. Außer Kopf, Schultern und dem linken Arm sah von ihm nichts unter dem Pferd hervor, das röchelnd auf ihm lag. Der Büffelbulle hatte ihm mit einem seiner spitzen Hörner den Leib aufgeschlitzt.
Mulligan gab dem Pferd den Gnadenschuss. Ein letztes Aufwiehern, dann hatte das arme Tier sein Leben ausgehaucht und streckte nach ein paar letzten Zuckungen die Beine von sich.
Die Männer versuchten nun, ihren Gefährten unter dem Kadaver hervorzuziehen. Nick Delson kam dabei zu sich und brüllte wie von Sinnen. Blut floss aus seinem Mund.
Als sie ihn geborgen hatten, verlor er wieder das Bewusstsein. Er hatte einen gequetschten Brustkorb. Außerdem wies sein rechtes Bein einen offenen Bruch auf.
»Der arme Teufel ist verloren!«, sagte Mulligan betreten. »Nein, dem kann keiner mehr helfen. Wir können nur hoffen, dass er schnell stirbt.«
»Und vorher nicht mehr aufwacht«, fügte ein anderer Büffeljäger mit ernster Miene hinzu.
Hank Mulligan nickte. Er war hier der Boss. Ein knorriger Mann mit strähnigen, grauen Haaren, fast zur Gänze in speckiges Leder gekleidet. Sein zerfurchtes Gesicht erinnerte an eine Kraterlandschaft.
Er stützte sich auf seine Charps und blickte mit seinen felsgrauen Augen auf die fliehenden Büffel.
Inzwischen war die ganze Herde im Aufbruch. Überall brachen sie aus dem Dickicht in den Flussniederungen hervor und vereinigten sich zu einem breiten Strom aus schwarzbraunen Leibern. Es waren Tausende von Büffeln, die wie auf ein Signal nach Süden jagten.
In dem wallenden Staub tauchten weitere Reiter auf. Sie hielten auf Mulligan und die anderen zu und parierten vor den Bäumen ihre Pferde.
»Verdammt, was ist denn los?«, rief der baumlange Bud Sowell. »Was haben denn die Büffel?«
»Nick musste ausgerechnet auf den Leitbullen schießen«, erklärte Mulligan. »Hat ihn zu seinem Pech nur angeschweißt. Hier seht ihr das Resultat.«
Die Männer fluchten. Es schien ihnen jedoch weniger um den schwerverletzten Gefährten zu gehen als um die Büffelherde, die ihnen praktisch vor der Nase davonlief, aufgescheucht von ihrem wildgewordenen Anführer. So viel sie zuvor auch geballert hatten, es hatte die Tiere nicht aus der Ruhe gebracht. Doch nun interessierte sie auf einmal das fetteste Gras nicht mehr, das hier im Überfluss wuchs.
Schon verschwand die Herde hinter einem Geländerücken. Das Trommeln der Hufe entfernte sich. In der staubgeschwängerten Luft hing noch der starke Moschusgeruch.
Ein paar zurückgebliebene Kälber blökten kläglich neben ihren toten Müttern. Das Gras zwischen den Bauminseln am Flussufer war mit erschossenen Büffeln übersät. Es hatte ein richtiges Gemetzel stattgefunden.
»Bringt ihn ins Lager«, sagte Mulligan, als er wieder auf Nick Delson blickte. »Aber seid vorsichtig, wenn ihr ihn anfasst!«
Der Verletzte wurde auf ein Pferd gehoben. Dann ritten alle zum flussabwärts gelegenen Camp, in dem fünf schwere Murphy-Schoner standen, die sie zum Transport der Büffelhäute benutzten. Ein Mann hatte das Lager bewacht. Ringsherum, auf einer ziemlich großen Fläche, waren die Häute der am Vortag erlegten Bisons am Boden zum Trocknen aufgespannt.
Phil Randle und Ben Roberts hoben Delson vom Pferd und legten ihn auf eine Decke. Dabei stellten sie fest, dass er gar nicht mehr lebte.
»Mensch, der ist ja schon tot!«, rief Ben Roberts.
Mulligan trat näher, fühlte Delson den Puls und nickte, als er nichts mehr spüren konnte.
»Gleich eingraben ist das beste«, meinte er.
Der Tote wurde außerhalb des Lagers in eine Mulde gelegt und mit Erde und Buschwerk zugedeckt. Obenauf legte man noch ein paar große Steine.
Die Büffeljäger standen dann um das Grab herum und warteten darauf, dass ihr Anführer etwas sagen würde. Es waren ohne Ausnahme hartgesottene und äußerst verwegene Kerle. Alle bärtig, die meisten mit langen Haaren. Wie Mulligan trugen auch alle anderen Lederbekleidung. Ihre harten Gesichter waren von der Sonne verbrannt.
Mulligan wollte kein Gebet einfallen.
Schließlich sagte er: »Dann sind wir jetzt also nur noch zu elft. Die Erde sei dir leicht, Nick Delson. Warst kein schlechter Kamerad.« Er räusperte sich und setzte wieder seinen Hut auf.
»Ich denke, das wär's. Es war trotzdem kein schlechter Tag, schätze ich. Hundertfünfzig Büffel haben wir bestimmt erlegt. Die müssen wir jetzt abhäuten, damit wir bis zum Abend fertig sind.«
»Wir schaffen es schon«, sagte Bud Sowell. »Hundertfünfzig Büffel machen sechshundert Bucks. Nein, gar nicht übel. Hoffentlich reißt der Geldsegen jetzt nicht ab.«
»Weil die Herde getürmt ist?«
»Ja, deshalb, Hank. Bis jetzt hatten wir es mächtig bequem. Die Büffel zogen den Fluss entlang, und wir brauchten ihnen nur zu folgen. Und jetzt rennen sie plötzlich nach Süden.«
»Das ist leider nicht zu ändern. Sei froh, dass sie nicht in Stampede geraten sind. Dann hätten wir das Nachsehen gehabt. Sie fliehen nur und werden sich bestimmt bald wieder beruhigen.«
»Aber sie werden in der neuen Richtung weiterwandern. Im Süden aber liegt das Gebiet der Kiowa«, gab der kraushaarige Calispel zu bedenken.
»Allerdings.« Mulligans Blick schweifte zu den fernen Bergen, die er mehr ahnen als sehen konnte. Sie verschwammen in einer bläulichen Linie in den zunehmenden Dunstschleiern am Horizont. »Ja, in dieser Richtung sind die Kiowa. Der Teufel soll sie holen! Es passt mir auch nicht, wenn ich mir vorstelle, dass wir mit ihnen zu tun kriegen. Aber die Indsmen sollen sich nur nicht einbilden, dass sie uns das Geschäft vermasseln können!«
Big Nose, der Häuptling der Kiowa, saß mit gekreuzten Beinen in seinem Wigwam und lauschte dem Knurren seines Magens.
Er hatte Hunger wie ein Bär nach dem Winterschlaf. Und das schon seit mindestens zwei Stunden. Nun war er mit seiner Geduld allmählich am Ende.
Gerade wollte er verärgert nach draußen rufen, wann er denn endlich zu essen bekäme, als im Zelteingang eine junge Indianerin auftauchte.
Es war Morning Star, die jüngste von seinen drei Squaws. Eine Schüssel in den Händen, trat sie vor das Stammesoberhaupt, kniete sich vor ihm zu Boden und reichte ihm mit niedergeschlagenen Augen das dampfende Gefäß.
Es enthielt eine undefinierbare Brühe, bei deren Anblick der Kiowa-Chief unwillkürlich sein mächtiges Riechorgan rümpfte. Bedächtig griff er nach einem aus Horn geschnitzten Löffel, rührte damit in der Brühe und blickte skeptisch auf die darin herumschwimmenden Knochen, an denen kaum Fleisch zu sehen war.
Dann nahm er laut schlürfend eine Kostprobe. Unwillig verzog er das Gesicht und spuckte die Suppe wieder aus.
»Wer hat das gekocht?«, fragte er forschend.
Morning Star lächelte unschuldig.
»Sitting Buffalo Cow«, antwortete sie mit ihrer melodisch klingenden Stimme.
»Schick sie mir herein!«
Morning Star erhob sich und verließ das Zelt.
Kurz darauf erschien Sitting Buffalo Cow auf der Bildfläche, eine ziemlich dicke Squaw mit breitem Gesicht und breiten Hüften.
»Schmeckt dem Häuptling das Essen nicht?«, erkundigte sie sich nicht gerade freundlich.
»Nein.« Big Nose schüttelte den Kopf, dass die drei Federn in seinem Haarschopf wippten. »Die Suppe ist ohne Geschmack. Es fehlt das Salz. Und es fehlt vor allem das Fleisch. Bin ich vielleicht ein Hund, dass ich Knochen essen soll?«
»Fleisch ist keines mehr vorhanden«, verteidigte die Squaw sich mürrisch. »Diese Knochen sind alles, was von der Antilope noch übrig ist, die der Häuptling vor einigen Tagen erlegt hat.«
Doch Big Nose beeindruckte das nicht.
»Ich kenne einen weißen Mann, der selbst daraus noch eine gute Suppe bereiten würde«, brummte er. »Man nennt ihn Doc Smoky. Er lebt auf dieser Ranch, die meinem Freund John Morgan gehört. Ich werde ihn bitten, dass er dir das Kochen beibringt.«
Die Squaw verzog keine Miene, obwohl ihr anzusehen war, dass die Rüge sie wurmte. Ihre braunen Augen funkelten.
Der Chief der Kiowa seufzte.
»Ach, es ist wohl zwecklos. Bevor du begreifst, wie man gute Speisen zubereitet, lernt ein Waschbär das Bogenschießen. Du bist wirklich ein unnützes Frauenzimmer.«
»Und Big Nose ist ein alter Nörgler, dem man nichts recht machen kann«, erboste sich die Squaw. »Geh doch auf die Jagd und besorge Fleisch! Dann kann ich die Kochtöpfe füllen.«
Big Nose hob erstaunt die linke Augenbraue.
»Wie sprichst du denn mit dem Häuptling?«, knurrte er. »Zügle deine Zunge, Sitting Buffalo Cow! Sei froh, dass ich dich für das schlechte Essen nicht verprügle. Wärst du nicht die Mutter meiner Söhne, hätte ich dich längst davongejagt. Geh mir aus den Augen! Die Suppe kannst du mitnehmen. Der Häuptling der Kiowa wird sie nicht essen.« Er wedelte mit der Hand. »Entferne dich!«
Die Squaw nahm die Schüssel an sich und verließ beleidigt den Wigwam.
Big Nose verschränkte die Arme vor der Brust und verharrte in würdevoller Haltung, während sein leerer Magen immer noch knurrte.
Sein Grimm war rasch verflogen. Er sah ein, dass die Squaw recht hatte. Man brauchte dringend frisches Fleisch. Ja, er musste auf die Jagd gehen.
Allerdings war es gar nicht mehr so einfach, ein Wild zu erbeuten, denn dieses war in den letzten Jahren ziemlich selten geworden. Es waren schon zu viele Weiße im Land. Zu viele Goldgräber und Abenteurer, die alles abschossen, was ihnen vor die Mündungen ihrer Gewehre kam.
Im Allgemeinen kam Big Nose zwar recht gut mit den Weißen aus. Dennoch blickte er nicht unbesorgt in die Zukunft. Vieles war nämlich anders geworden in diesem Land, und die Kiowa hatten manche ihrer alten Lebensgewohnheiten bereits ändern müssen.
Nun, irgendein Wild würde er sicher aufstöbern können. Der Häuptling erhob sich, nahm seine mit Silbernägeln beschlagene Rifle an sich und verließ sein in der Sonne fast wie Schnee leuchtendes Zelt.
Big Nose war etwas über mittelgroß und besaß eine kräftige Gestalt und markante Züge. Sein Alter war schwer zu schätzen. Er war nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt. Seine Hirschlederleggins waren mit Stachelschweinborsten verziert. Um den Hals trug der Häuptling eine Kette aus Bärenkrallen und seinen Medizinbeutel.
Er wollte gerade seinen Apfelschimmel holen, als zwei junge Krieger auf ihren ungesattelten Mustangs ins Dorf gesprengt kamen.
Es waren Späher. Sie hielten auf den Häuptling zu und zügelten hart ihre wiehernd sich aufbäumenden Pferde.
»Büffel!«, schrie Racing Hog, jede Förmlichkeit außer acht lassend. »Wir haben Büffel gesichtet!«
»Wo?«, fragte Big Nose, wie aus der Pistole geschossen.
»Einen Tagesritt nördlich von hier. Es sind sehr viele!« Short Bear, wie der andere Späher hieß, gab nun die Antwort. »Bloody Mouth ist zurückgeblieben, um sie zu beobachten. Er wird feststellen, wohin die Herde wandert, und den Jägern unseres Stammes Rauchzeichen geben, um ihnen den richtigen Weg zu weisen. Ja, wir haben viele Büffel gesehen!«
Das war natürlich eine freudige Nachricht. Von allen Seiten liefen die Kiowa zusammen, umringten die zurückgekehrten Späher und wollten noch nähere Einzelheiten wissen.
Sie hatten schon seit drei Sommern keine Büffel mehr gesichtet, so dass sie bereits dachten, es würde gar keine mehr geben, weil die weißen Jäger alle abgeknallt hatten, nur um ihrer Häute willen.
Nun erfuhren sie, dass es doch noch eine Büffelherde gab, dass sich diese sogar auf dem Weg in ihre Jagdgründe befand. Und Büffelfleisch konnte der Stamm dringend brauchen.
Einer von denen, die sich am meisten freuten, war Big Nose. Ungeduldig, wie er mitunter war, beschloss er, keine Zeit mit dem Büffeltanz zu vergeuden, wie es vor der Jagd sonst üblich war, sondern der Herde noch heute entgegenzureiten, um sie möglichst rasch zu Gesicht zu bekommen.
»Big Nose wird gekochte Büffelzungen essen!«, verkündete er lautstark, und es lief ihm allein schon beim Gedanken daran das Wasser im Munde zusammen. »Und gerösteten Höcker! Saftige Lendenstücke, von denen noch das Fett tropft! Dann erst werden wir tanzen, meine Brüder. Hiiyyyeee, auf zur Büffeljagd!«
Schon eine halbe Stunde später brach der Häuptling der Kiowa mit dreißig von seinen besten Kriegern nach Norden auf.
Die fünf Männer, die in der von Büschen umgebenen Senke um das flackernde Feuer saßen, schien die Hölle ausgespuckt zu haben. Es waren wilde, verkommene Gestalten, denen die Gemeinheit förmlich aus den Augen sprang. Desperados, die nichts mehr zu verlieren hatten, aber irgendwie eine Menge gewinnen wollten. Darin waren sie alle einig.
Zwischen ihnen saß Copper-Head-Lily, das ehemalige Saloonmädchen mit den brandroten Haaren, das der Marshal von Golden City zusammen mit Soapy aus seiner Stadt gejagt hatte. Soapy, der heruntergekommene Kartenhai, hatte beim Spiel betrogen und sich zu seinem Pech dabei erwischen lassen. Lily hatte ihre Kunden bestohlen, die sie mit aufs Zimmer nahm.
Sie war nicht gerade eine Augenweide, war aber auch nicht als hässlich zu bezeichnen. Ihre Formen stimmten durchaus, und dass sie mächtig verschlampt aussah, das störte von diesen abgerissenen Kerlen keinen.
»Verflucht, gebt mir doch endlich mal die Whiskyflasche?«, rief sie mit ihrer vulgär klingenden Stimme. »Glaubt ihr vielleicht, ich hab' keinen Durst? Los, her damit!«
Der kleine, bullige Jones, dessen Glatze im Feuerschein glänzte, warf ihr die Flasche grinsend zu. Lily fing sie geschickt auf, setzte sie an den Mund und trank, als würde sie nur Wasser enthalten.
»Du säufst wie ein Loch«, stellte Travis fest. »Wenn du in anderen Dingen auch so gut bist... He, Soapy, ist sie es?«