Eine Kirche ohne Männer ist eine Kirche in ernster Gefahr! - Johannes Simang - E-Book

Eine Kirche ohne Männer ist eine Kirche in ernster Gefahr! E-Book

Johannes Simang

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Beschreibung

Im 19. und vor allem im 20. Jahrhundert entstand eine der größten Laienbewegungen der ev. Kirche: die ev. Männerarbeit. Anfangs für den Pfarrernachwuchs gebraucht, diente sie dann der 'Volksmission' der verlorenen Seelen nach dem 2. Weltkrieg; die Männer hörten den Flüchtlingen und Vertriebenen als Laienseelsorger zu und erfuhren so, was sich in Europa abspielte. Geschlechtssensible Männer beschäftigten sich seit den 70-er Jahren mit dem sozialen Status des Geschlechtes, später 'Gendern' genannt. Jahrzehntelang von der Frauenarbeit für eine einseitige Gleichstellungspolitik genutzt, ist der Begriff 'Gendern' heute fast zur Farce geworden. Die Fragen aber bleiben. Unsere Kirche entwickelte sich zu einer von den Urvätern kaum gewollten 'Pastorenkirche', die heute mit Laien kaum etwas anzufangen weiß. Sie verliert sich in einem Gremien-, Ebenen- und Bürokratiewirrwarr, in der die Gemeinden, der Grund ihrer Existenz, das Nachsehen haben. In sterbenden Gemeinden werden Laien zu Einzelkämpfern. Davon erzählt die Chronik der ev. Männerarbeit in Berlin-Brandenburg ... und wie alles begann.

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Gewidmet:

Den Männern, die die Männerarbeit in Berlin-Brandenburg mit ihrem Einsatz am Leben erhielten:

Bodo Kliesch

Karl Ketelhohn

Hans-Joachim Kratz

(als stellvertr. Landesobmann hat er für ein Jahr das Zepter übernommen)

Volker Haby

Silvio Hermann-Elsemüller

… unseren Landesobmännern der ev. Männerarbeit.

Inhalt

Einführung in die Männerchronik

Entstehung der kirchlichen Männerarbeit

Männerkonferenz 1928

Männerkonferenz 1929

Geschichte der Männerarbeit ab 1933

Geschichte der Männerarbeit ab 1945

Männerarbeit in den Jahren 1948/49

Männerarbeit im Jahr 1950

Männerarbeit im Jahr 1951

Männerarbeit im Jahr 1952

Chronik der Männerarbeit 1960-69

Chronik der Männerarbeit 1970-79

Chronik der Männerarbeit 1980-90

Männerarbeit in Berlin Ost und Brandenburg

Plakate der Männerarbeit

Namensverzeichnis

Literaturverzeichnis

Vorwort

Dieses Buch ist ein Lesebuch und ein Nachschlagewerk zugleich, eine Chronik aber auch und eine Argumentationshilfe. So ist es auch aufgebaut. Anfangs findet sich eine Einführung, die zeigt, wie die Idee zu einer Chronik entstand. Sicher hat auch dazu geführt, dass ich eine Chronik der Berlin-Brandenburgische Kirche (Geteilte Einheit von Friedrich Winter und Werner Raddatz) gelesen habe, die nur zwei Mal die Männerarbeit erwähnt hat – eine der größten Laienbewegungen unserer Kirche, die vor allem missionarisch tätig war, aber auch unendlich viele Fortbildungsmaßnahmen für unsere Kirche durchgeführt hat. Die vielen Materialien aus dem Männerbüro und der Anreiz durch die diesbezüglich unzulängliche Recherche des oben genannten Werkes, hat zu der Bearbeitung der von mir digitalisierten Akten geführt. Dies beschreibt die Einführung.

Die Entstehung der Männerarbeit habe ich mit vielen Daten unterfüttern können, hauptsächlich ging es mir aber um die Argumentation, die seit der Gründung der Frauenhilfe 1899, besonders von Männern der konsistorialen Ebene angeführt wurde, um einen Hilfeverband auch für Männer zu fordern. Es ging den kirchlichen Behörden wohl vor allem darum, dass der Nachwuchs für Pfarrer und Diakone gefördert werden sollte. 1927-29, also nach den vielen sozialen Problemen durch die Kriegsjahre und die Inflation war das Problem wieder offenkundig. Von Anfang an gab es eine Argumentation, die an ein Projekt im Sinne des ‚Priestertums aller Gläubigen‘ anknüpfte, weil die ‚Pastorenkirche‘ sich immer mehr von den einfachen Menschen entfernte. Die Argumente werden heute, nach fast 100 Jahren, zum größten Teil immer noch in Diskussionen angeführt.

Der nächste Teil beschreibt die Jahre der Gründung des Männerwerks 1933, welches wegen der Herkunft der dort agierenden Menschen kaum anfällig für nationalsozialistische Ideen war – ein Verdacht, dem sich das Männerwerk dennoch immer ausgesetzt sah -, aber letztlich wurde es ebenso bedrängt wie die Pfarrerschaft und hatte Anteil am Kirchenkampf, wenn auch Laien nicht wie Pfarrer verfolgt wurden.

Da ich nach Echzell 1946 wenig Material über Strukturen der Männerarbeit gefunden habe, habe ich die Inhalte der Diskussionen in Männerkreisen in den Vordergrund gestellt. Sicher haben die meisten Männerkreise in erster Linie Bibelarbeiten als Hauptthema gehabt, da aber zentrale Anliegen der Männerarbeit ‚Mission‘ und ‚Seelsorge‘ waren, sprach man auch viel über die Themen, die die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen mitbrachten, die Geschichten ihres Schicksals, die Dinge, die in Osteuropa vor sich gingen. Durch die erhaltenen Anfangsjahrgänge der Zeitschrift ‚Kirche und Mann‘ und die Zeitschrift für Mitarbeiter ‚Botschaft und Dienst‘ kann all das ausführlich besprochen werden.

Der letzte Teil ist dann die eigentliche Chronik der Zeit von 1960 bis zum Fall der DDR 1990. Obwohl man in der SBZ / DDR keine Protokolle schrieb, da man wegen der Stasi sehr vorsichtig sein musste, fanden sich doch überraschend viele informative Berichte.

Dieses Werk könnte ein wachsendes Werk werden, wenn Männer der früheren Generationen ihr Wissen einbringen. Ich hoffe, dies ist ein Impuls dazu, denn Laienbewegungen haben das Problem, dass viel in privaten Archiven verschwindet und in Nachlässen verloren geht. Wer also Material hat, kann gern helfen, diese Chronik der Männerarbeit zu ergänzen.

Irgendwann wird es sicher auch eine Fortsetzung dieser Chronik geben, die die Zeit von 1990-2024 und später beleuchtet. Wenn der Herr mir die Zeit schenkt, mache ich mich gern daran, aber derzeit füllt mein Dienst als ehrenamtlicher Landesbeauftragter der ev. Männerarbeit meine Zeit gut aus. Lediglich im Winter kann man solche Projekte angehen. Noch fehlt mir aber gerade für die 90-er Jahre einiges an Archivmaterial, obwohl man auch andere Schwerpunkte setzen könnte, denn nie gab es mehr Männerschriften als in dieser Zeit. Nach der Neuordnung der Männerarbeit 1996 gibt es dann wieder ausreichende Materialien. Seit 1996 bin ich aber auch selbst schon im Männerrat und kenne dadurch alle Leitungskräfte persönlich. Wer also eine Fortsetzung wünscht, sehe sich sein Archivmaterial an, vielleicht ist es ja genau das, was noch fehlt.

Am Schluss gibt es noch nach den Plakaten der Männerarbeit eine Namensliste. Sie benennt nicht alle Männer, die in diesem Buch genannt werde, sondern ist eine Würdigung der Männer, die sich für die ev. Männerarbeit eingesetzt haben.

Johannes Simang

Entstehung der kirchlichen Männerarbeit

Am Anfang gab es Standesvereine, auf die Johann Hinrich Wichern einen starken Einfluss hatte, besonders zu den Arbeitervereinen, indem er den jungen Männern neben einer Ausbildung die Zurüstung zum Glauben mitgab. Männer wie Adolph Stoecker, Friedrich Naumann und Ludwig Weber brachten die 200.000 Mitglieder der Ev. Arbeiter- und Gesellenvereine dazu, sich in den Gemeinden zu engagieren.

1835 entstanden erste evangelische Handwerker- und Arbeitervereine, die, wie zuvor katholische Organisationen, parallele Strukturen zur allgemeinen Arbeiterbewegung ausbildeten. Aus dem Wittenberger Kirchentag 1848 entwickelte sich die sog. ‚Inneren Mission‘ als Arbeitsfeld der evangelischen Kirche, die die obengenannten Männer initiierten.

1888 wurde dann der ‚Evangelisch-kirchliche Hilfsverein gegründet. Als 1899 die Frauenhilfe begründet wurde, fragten schon die ersten nach den Männern. Das Problem ‚Kirche ohne Männer – Männer ohne Kirche‘ wurde bald von allen anerkannt. Der Generalsuperintendent Wilhelm Zoellner in Sachsen-Anhalt war einer der ersten Initiatoren, der die Frage nach der Männerarbeit auf alle Ebenen der Kirche brachte, nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in Schlesien, Ostpreußen und Pommern.

Schon 1902 hielt der damalige Pfarrer August Cordes von Frankfurt (Main) eine Predigt zum Thema ‚Männer gesucht!‘ Er wurde später Superintendent in Leipzig, wo er ein steter Rufer wurde, der Männer in die Kirche führen wollte und auch die dortige Provinzialsynode darüber diskutieren ließ.

Dann fragten auch westpreußische Provinzialverbände danach, wie man Männer für die Gemeinde und den Dienst darin gewinnen könne, wenn sie sich von der Kirche abwenden würden. 1888 gegründet, ermutigte der Evangelisch-kirchlichen Hilfsverein die Frauenhilfe in den Gemeinden zu erwecken. Graf Hohenthal-Doelkau wies aber von Anbeginn an darauf, an die Männer in der Kirche zu denken. In der Provinz Weißensee wurden von Anfang an auch ‚Männervereine‘ innerhalb des Ev. Kirchlichen Hilfsvereins begründet, wo Männer zusammengeschlossen wurden, um bestimmte Aufgaben in der Gemeinde zu übernehmen. Zudem gab es mit dem Oberkirchenrat einen Beschluss, die Männerwelt in den Gemeinden besonders zu pflegen. Die Erörterungen zu diesem Thema wurden in vielen Konferenzen aufgenommen und fortgeführt.

1909 nahm der Gesamtverein diese Frage nach dem Männerdienst auf. Oberkonsistorialrat Reinhard Johannes Moeller suchte das Gespräch mit dem Oberkirchenrat, wo man sich darauf einigte, den Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein damit zu beauftragen. Die Anregungen der Konferenz für evangelische Gemeindearbeit aufnehmend ging man an die praktische Arbeit. W. Richter verfasste eine Schrift mit dem Titel ‚Die Männer in der ev. Gemeinde‘. 1913 folgte eine Vorlage des westfälischen Konsistoriums für die Kreissynoden: „Wie ist eine rege Beteiligung der evangelisch-kirchlich gesinnten Männer an den Aufgaben des Gemeindelebens zu erzielen und praktisch durchzuführen.“ Es gab viele hoffnungserweckende Anfänge in Ost und West.

Dann kam der Krieg. Die Frage änderte sich: „Wie werden wir die heimkehrenden Männer die für sie und die Kirche so nötige lebendige Verbindung mit ihrer Gemeinde finden?“ Der Hauptgeschäftsführer des Evangelisch-kirchlichen Hülfsvereins Pastor D. Cremer gab 1915 eine Denkschrift ‚Die Kirche und die Männer‘ heraus, die an alle Pfarrämter ging. Es begann die Mobilisierung der Pfarrerschaft für den Männerdienst in der Gemeinde. Tatsächlich entwickelten sich daraus in vielen Kirchen der altpreußischen Union und auch in Bayern und Hessen-Nassau erste Männerkreise in den Gemeinden, die sich zusammengefasst als ‚Männerdienst‘ sahen. Der ‚Evangelische Männerdienst‘ in den Hilfsvereinen erlebte seine Geburtsstunde.

In Westfalen entstanden als eine Besonderheit neben den evangelischen Männervereinen die ‚Männerkampfbünde‘, geleitet von Pfr. Müller-Schwefe, der damit eine Art Bruderschaft, die als christliche Lebensgemeinschaften die Auseinandersetzung mit Gegner des Christentums angingen, aber auch eine starke Neigung zu völkischem Gedankengut entwickelten.

1919 brachte Pastor Moeller das zweite Heft ‚Die Kirche und die Männer – Gedanken für den Aufbau des Gemeindelebens‘ heraus, welches diesmal an alle kirchlichen Körperschaften ging und versuchte, einen Männerdienst im Rahmen der gültigen Kirchenordnungen in Ost und West zu beschreiben.

Auf einer Konferenz des ‚Hülfsvereins‘ 1916 in Berlin kam die Idee auf, ein Männerwerk ins Leben zu rufen.

Angesichts der 1917/18 folgenden Revolution in deutschen Landen waren nun viele Kirchen daran interessiert, die Männer am Gemeindeleben zu beteiligen ‚Ihnen selbst zum Segen‘. Ein Referat des Geschäftsführers Pastor Lic. Schröder (Stettin) wurde zu weiteren Anregung deutschlandweit veröffentlicht. Ohne Aktivierung der Männer konnte man auch keine neuen Pfarrer ausbilden.

Mit der zusammenbrechenden Währung standen aber plötzlich diakonische Aktivitäten im Vordergrund. Der Evangelisch-kirchliche Hilfsverein wollte deshalb die Männerfrage 1925 zum Hauptthema machen mit der Frage: ‚Wie werden aus dem Krieg heimkehrende Männer die für sie und die Kirche so lebendige Verbindung finden?‘ Dies war ein deutliches Interesse der Verbände und der Kirche. Wichtig war auch, dass nicht nur eine neue Institution entstehen würde, sondern dass in Form einer Arbeitsgemeinschaft auf dem Boden der Gemeinden alle in ihr befindlichen Männer und Männervereine erreicht würden, um die Arbeit zu gestalten. So bildeten sich verschiedene Wege heraus in unseren Gemeinden für und durch die Männer das Reich Gottes zu bauen, mit ganz praktischer Arbeit, aber auch in der Arbeit der Apologetik. Im Januar 1928 wurde über eine erste Konferenz zum Thema Männerdienst 1927 in Potsdam berichtet.

Pfr. Hans Hermenau betonte, dass es in der Ostpreußischen Kirche schon ganz unterschiedliche Stellungnahmen gab, geäußert in Schriften wie ‚Die Kirche und die Männerwelt‘, ‚Die Männer in der ev. Gemeinde‘ (Pfr. Richter), ‚Wo sind die Männer?‘ (Niemöller). Darauf entstanden 1921 die sog. ‚Neuhäuser Konferenzen über Lebensfragen‘, aber es blieb auch erkennbar: Wir brauchen für die kirchliche Gemeindearbeit auch eine leitende Schicht, denn das Problem war, dass gerade Gebildete der Kirche fernblieben. Dadurch wurden auch die ‚Neuhäuser Konferenzen über Lebensfragen‘ sehr interessant, denn dort sammelten sich die verschiedensten Stände: Lehrer, Studienräte, Beamte, Landwirte, Offiziere, Handwerker, Arbeiter u.a. Es kamen 20-50 Männer als Teilnehmer.

Man schätzte in den Konferenzen, die Freiheit von Schranken, die Freiheit von der Unrast des Alltags und unter dem Einfluss von Vorträgen die freundschaftlich sich gestaltenden Gespräche, die man auch bei Spaziergängen fortsetzen konnte und sich bewusstmachte, dass sich der moderne Mensch trotz Revolution und ähnlichen Entwicklungen eingebunden weiß in eine 2000jährige Werteentwicklung, die geprägt ist vom Christentum und im Wandel der Zeiten bestehen bleiben.

Pfr. Hans Hermenau beschreibt das Programm der letzten Neuhäuser Konferenz:

Pastor Dr. Hoppe (Potsdam): ‚Evangelische Heilsgewissheit‘. Prof. D. Juncker (Königsberg): ‚Die Gestalt Jesu nach dem Markusevangelium‘

Prof. D. Uckeley (Königsberg): ‚Wie kommt der Mensch von heute an die Bibel?‘

Oberregierungsrat Dr. Hoffmann (Königsberg): ‚Die Verantwortung des Christen für die anderen.‘

Pfr. Hermenau (Königsberg): ‚Evangelischer Männerdienst, eine Lebensfrage der Kirche.‘

In der Einladung für die nächste Konferenz hieß es denn auch: „Wir wenden uns besonders an die führenden Kreise der Männerwelt, die aus der Erkenntnis ‚ohne Evangelium keine Kultur‘ Richtlinien für das persönliche und soziale Handeln der Gegenwart suchen. Wir erstreben für unser Volk einen evangelischen Männerdienst auf der Grundlage der Bibel‘.

Und tatsächlich, es entstanden in einigen Gemeinden Ev. Männerbünde, -vereine, -hilfen und –dienste.

So konnte man in einer Satzung lesen:

Der Ev. Sackheimer Männerverein steht auf dem Grund des ev. Glaubens. Er will die Männer der Sackheimer Gemeinde sammeln, sie einander näherbringen, die Zeitfragen in das Licht des Evangeliums stellen und dadurch evangelisches und kirchliches Interesse wecken und fördern.

Das soll so geschehen:

1. Vorträge über allgemeine, kirchliche und religiöse Zeitfragen mit freiem Meinungsaustausch, aber unter Ausschluss der Parteipolitik.

2. Werbung derjenigen Gemeindeglieder, die den festen Zusammenhang mit der Kirche verloren haben, neu hinzuziehender Männer und Verbreitung guter Schriften.

3. Gemeinsame Veranstaltungen aller Art, insbesondere auch durch gegenseitige Stärkung und Hilfeleistung in den Nöten und Anfechtungen des Berufs-, Familien- und Glaubenslebens.

4. Teilnahme an den praktischen Aufgaben des Gemeindelebens.

5. Bekämpfung von sittlichen Schäden unseres Volks- und Gemeindelebens.

6. Freudiges Bekenntnis zu Christus in Wort und Wandel.“

So wurden in den Mitgliederversammlungen sämtliche Fragen des kirchlichen Gemeindelebens durchgesprochen. Politische, wirtschaftliche, kulturelle Fragen wurden im Licht des Evangeliums diskutiert, inbegriffen der praktischen Bearbeitungen von Nöten, so halfen die Männer beim Siedlungsbau für Flüchtlinge.

So konnte man vom Ev. Männerdienst in Heilsberg 1926 lesen: „Es ist doch ein gewaltiges dankbares Arbeitsfeld, das sich da bietet, und da sollte sich nicht in jeder Gemeinde ein Mann finden, der bahnbrechend für diesen Gedanken der religiös orientierten Organisation evangelischer Männer wirkt? – Zeit ist es nun wahrlich, nachdem die Frauen schon jahrzehntelang in ihren Frauenhülfen für die Festigung und die Wiedererstarkung religiösen Lebens arbeiten und kämpfen, dass nun endlich auch die Männer sich auf ihre Pflichten unserer Kirche gegenüber besinnen und in den Kampf eingreifen, ehe die religiöse Verflachung überhandnimmt. Also aufgemacht!“

In immer mehr Gemeinden entstehen kleine Männerkreise, viele Pfarrer übernehmen die Leitung, oft treffen sich 15-20 Männer nach dem Gottesdienst im Pfarrhaus zu Aussprachen über Gemeindenöte (Verwahrlosung der Jugend, Wiedereinführung von Hausandachten, Laienbesuche und Gebete bei Kranken und Sterbenden in Dorf und Stadt, Friedhofsaufsicht und Reinigung desselben, Abwehr und Aufklärung über Sektenpropaganda).

In vielen Gemeinden übernahmen die Männerkreise auch Aufgaben als Kindergottesdiensthelfer oder ordneten die Armenpflege. Nach diesen Anfängen in Ostpreußen flossen der Männerarbeit in Ostpreußen immer mehr Mittel zu, so dass immer mehr Aufgaben von den Männern übernommen werden konnten. Es kam ein erstes vierteljährliches erscheinendes Blatt für die kirchliche Männerwelt heraus ‚Treu Evangelisch‘, das Berichte von kirchlichen Männerinitiativen veröffentlichte und an die Pflicht zur Beteiligung am kirchlichen Leben erinnerte.

Eine Schwierigkeit in Ostpreußen war, dass andere Vereine und Verbände wie Arbeitervereine, der Evangelische Bund, der Gustav-Adolf-Verein einen organisierten Männerdienst als Konkurrenz sahen, aber alle diese Vereine nicht mit der Basis der Gemeindearbeit verbunden waren. Aber kein Pfarrer konnte wollen, dass sich die Gemeinde in Spezialarbeitsgruppen auflöst und damit der Gemeindegedanke verloren geht.

Für einen Männerdienst wäre genau diese Verbindung zur Gemeinde aber der tragende Gedanke. „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ So der Schlussgedanke von Pfr. Hermenau (Königswinter): „Die Stunde ist gekommen, in der der deutsche Mann, wenn er leben will, sich dem Ruf der Kirche nicht mehr entziehen kann.“

Pastor Weinrich aus Hamm beschrieb die Situation der Westfälischen Kirche:

Auch in Westfalen fehlten die Männer im kirchlichen Leben. Es gab manche evangelische Organisation: ‚Bürger- und Arbeitsvereine‘, ‚Männer- und Jünglingsvereine‘, die ‚Christlichen Vereine junger Männer‘ u.a. Sie alle erfüllten spezielle Aufgaben und waren irgendwie am Aufbau der Gemeinde beteiligt. Ständedenken, Mission sollten dort auch bleiben, aber auch hier braucht es einen Männerdienst in der Gemeinde, denn viele Aufgaben konnten in Gemeinden mangels Männer kaum noch bewältigt werden, so die Verkündigung, weil es in der Gemeinde keinen männlichen Nachwuchs gab, auch alle Leitungs- und Hilfskräfteaufgaben der Laien. Das konnten die anderen Vereine nicht leisten. Die Frauenhilfe fühlte sich dem verpflichtet, das Gleiche auf der Männerseite fehlte.

Eine solche Gründung würde andere Vereine von der Pflicht des Dienstes an den Gemeinden aber dispensieren. Die Begründung von Arbeitskreisen von Männern in den Gemeinden wäre eine Lösung, aber mit geringer Wirkung.

Was könnte also die Aufgabe der Männer in der Gemeinde sein. Bei den Frauen war es klar, ihre Aufgabe war die dienende Liebe an armen, kranken und gefährdeten Gliedern der Gemeinden, so die etwas seltsame Argumentation. Deshalb glaubte man auch: Trotz des beginnenden Frauenwahlrechtes, wird das Gebiet der kirchlichen Selbstverwaltung noch lange eine besondere Aufgabe des Mannes sein, da sie ihre beruflichen Kenntnisse einfließen lassen konnten. Jede Entlastung der Pfarrer von der kirchlichen Verwaltung half damals zum Freiwerden für die eigentlichen Aufgaben der Theologen, denn die Seelsorgebezirke in den Industriegebieten wurden unüberschaubar groß. Das betraf aber nur die äußeren Aufgaben des Gemeindeaufbaus und sollte nicht die wichtigste Aufgabe von Männern in der Gemeinde sein. Der Platz der Männer sollte da sein, wo es gilt gegen Unglaube und Sünde anzugehen. Auch der entgleiste junge Mann bedarf einer starken Hand, die ihn führt und leitet – gerade in der Jugendfürsorge fehlten Männer, die freiwillig Aufgaben übernahmen. Durch Arbeiterfreizeiten, durch den Provinzialapologeten der Provinz organisiert, war eine Grundlage gelegt, an die jungen Männer heranzukommen und zugleich den Mitarbeitern die nötigen Kenntnisse zu vermitteln. Zudem kämpften Gemeinden gegen den Einfluss von Sekten und Freidenkern. Den Gemeinden fehlten für diese Aufgaben Männer. Durch Bildung von Arbeitsgemeinschaften hoffte man in Westfalen Männer zu gewinnen und für diese Aufgaben in der Gemeinde zurüsten zu können. Der ‚Westdeutsche Jünglingsbund‘ und die ‚Ev. Arbeitervereine‘ waren bei solchen Aufgaben die die Begründung eines Männerdienstes durchaus einverstanden und förderten dies. Unter diesen Bedingungen wollte auch die Kirchenprovinz eine Zentrale für evangelischen Männerdienst einrichten, die den Auftrag hätte, diese Arbeitsgemeinschaften in den Gemeinden zu schaffen und zu pflegen. Der Streit war allerdings, ob die offizielle Kirche oder die Innere Mission Trägerin dieser Arbeit sein sollte. Die Männer waren der Auffassung, dass ein Verein bei der Erfüllung seiner Aufgaben ‚größere Bewegungsfreiheit und Elastizität besitzt‘, wenn man der offiziellen Kirche angeschlossen war.

Die Aktivitäten in Westfalen begannen 1922 mit ‚Sammelfreizeiten‘ für je 30 Männer, die von Freizeiten für besonders geförderte Männer begleitet wurden. Die wurden zu ‚Kampfbundgruppen‘ verbunden und erhielten unter einem Leiter begrenzte Tätigkeitsbezirke. Für die Leiter dieser Gruppen sorgten Wohlfahrtsverbände für eine besondere Schulung der ausgesuchten Männer.

Ab November 1925 bildete der Provinzialverband Brandenburg des Ev.-kirchliche Hilfsvereins einen ‚Aktionsausschuss für Männerarbeit‘. Das Ergebnis war ein Rundschreiben an sämtliche Ephoren der Provinz Brandenburg mit der Bitte, in allen Konventen und Synoden das Thema ‚Männerarbeit‘ zu besprechen. Einige Berichte lagen auch vor. Darauf trafen sich alle Generalsuperintendenten, Richtlinien zu erarbeiten, die diese Arbeit befördern sollten. Sie wurden im Heft 51 ‚Die Kirche und die Männer‘ veröffentlicht. Eine treibende Kraft war der Oberkirchenrat Schlabritzky, der später auch entscheidend an der Verwirklichung des Deutschen Evangelischen Männerwerkes mitgewirkt hat.

Pastor Koschade aus Elberfeld hatte seine Erfahrungen ebenso in „Die Kirche und die Männer“ veröffentlicht und zeigte einige Möglichkeiten für die Arbeit eines ‚Hülfsvereins für Männer‘:

1. Wer Männer nach der Konfirmation vernachlässigt, muss sich nicht wundern, wenn die Kenntnis der Männer bezüglich kirchlicher Aufgaben minimal ist. Bevor Männer also zur Mitarbeit herangezogen werden sollen, muss sich Kirche und Gemeinde erst einmal für sie interessieren. Es bedarf also einer ‚Sammlung der Männer‘. Man muss sie einladen und auch sagen ‚Bisher hat man Männer vernachlässigt.‘ Solche Sammlungen sollten mit ‚Ausspracheabende‘ beginnen, wo man die brennenden Fragen des Lebens der Gemeinde und der Kirche mit den Männern besprach, sie anregte, Fragen zu stellen, die untereinander erörtert wurden: Der Stand des Gemeindelebens, die Aufgaben in der Gemeinde, die Belange der Gesamtkirche, die Frage zwischen Auseinandersetzung Weltanschauungen und Weltreligionen u.a. boten eine Fülle von Unterhaltungsstoff.

2. Das Interesse der Männer zu wecken und erst dann Aufgaben und Forderungen zu stellen, schien der gangbarere Weg, auch wenn es manchmal anders herum gelingt, z.B. beim Aufbau einer zerstörten Kirche im Dorf. Ist das Interesse geweckt, wächst auch der Wille zu helfen. Viele der Aufgaben schienen erst einmal eine Hilfe für den Pfarrer zu sein, weil z.B. ein Pfarrer in städtischen Gemeinden gar nicht alles allein leisten konnte; letztlich war und ist es aber ein Dienst an der Gemeinde, z.B. Zugezogene begrüßen, ihnen das Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln, sie willkommen heißen und das Gemeindeblatt zu reichen. Man kann auch im Beruf mit kirchenfernen Kollegen im Beruf über die Arbeit in der Gemeinde sprechen. Man kann auch als Laie besser Ausgetretene ansprechen als ein Pfarrer, da die Gründe ehrlicher genannt werden und eventuell in der Gemeinde beseitigt werden können. Männer konnten auch in den christlichen Vereinen helfen, umso zu bewirken, dass ‚die bedauerliche Erscheinung überwunden wird, dass christliche Jugendvereine nicht selten neben der Kirche oder gar nicht zur Kirche stehen.‘

Dies alles konnte eine Arbeitsgemeinschaft bewirken, die parteipolitische oder kirchenpolitische Verschiedenheiten außer Betracht lässt. Wenigstens in der Gemeinde sollte ein gemeinsamer Boden gefunden werden. Denn als Christen sind wir zum Dienst verpflichtet, der Pastor ist nicht die Gemeinde, sondern alle, die im Glauben stehen und den in der Liebe verwirklichen wollen.

Damit, dass sich der Gefängnispfarrer Vogt (Elberfeld).in die Diskussion einschaltete, kamen die vielen Männer in Blick, die sich aus verschiedensten Gründen in Haft befanden. Er beschrieb erst einmal die sozialen Errungenschaften auf dem Gebiet der Rechtspflege: Bedingte Strafaussetzung, Ersatz der Freiheitsstrafen durch Geldstrafen, die Einrichtung einer Jugendgerichtshilfe, der Gerichtshilfe für Erwachsene, die angestrebte erzieherische Wirkung der Haft und die Entlassungsfürsorge. Hinzu kam, dass man die Öffentlichkeit für diese Themen zu interessieren suchte. Also keine reine Bestrafung für einen Rechtsbruch … und immer mehr Initiativen interessierten sich nun für die Menschen in Haft: Sekten, die Heilsarmee, ernste Bibelforscher (Zeugen Jehovas), Szientisten … all diese wollten Seelsorge an Häftlingen betreiben. Pazifisten meldeten sich in Gefängnissen: Gesangvereine, Musikkapellen, Vortragskünstler … sie alle wollten ‚das Gemüt der Gefangenen kräftigen‘. Ob alles sinnvoll ist, steht hier nicht zur Debatte, sie zeigten aber, dass auch die evangelische Kirche vor einer neuen Herausforderung stand. Gefangenenhilfe sollte aber nicht nur durch Amtsträger geschehen, sondern auch durch Männer, die sich die Eignung erworben haben. Dass Kirche auch Gefangenen predigt, war ja schon seit gut 200 Jahren anerkannt und so von der Kirche geübt. In vielen Städten kann man Gefängnispredigerlisten seit 200 Jahren einsehen, in Garnisonsstädten wie Spandau seit fast 400 Jahren. Und die Bestrebung des Staates, den Gefängnisaufenthalt humanitärer zu gestalten, konnte ja kein Grund für die Kirche sein, diese Aufgaben nicht anzunehmen. Schon 1923 konnte in den für das Dritte Reich aufgestellten Grundsätzen über den Vollzug von Freiheitstrafen (§48) lesen: „Durch den Vollzug der Freiheitsstrafen sollen die Gefangenen soweit es möglich ist, an Ordnung und Arbeit gewöhnt und sittlich gefestigt werden, damit sie nicht wieder rückfällig werden.“

Aber Christen geht es traditionell nicht nur um die Rückführung in die Gesellschaft und ein rechtmäßiges Zurückkehren in dieselbe, sondern um: ‚wir wollen aus der Last der Sünde zur festen Gottesgemeinschaft, aus der Knechtschaft des Bösen zur inneren Freiheit in der Kraft göttlichen Geistes führen.‘ Rechtsbrecher sind Menschen, die Gott und allem Göttlichen entfremdet sind, das galt und gilt es zu heilen. Sie von der Außenwelt abzuschließen und ihre Handlungsfreiheit erheblich einzuschränken führt zu allererst zu einer Hilfsbedürftigkeit. Oft muss geholfen werden bei der Aussöhnung mit der Familie, Rettung des etwaigen Besitzes … auch da kann Kirche helfen. Diese äußere Hilfe ist auch ein Ausweis christlicher Liebe, die sich um eine weise Vorsicht bemüht und auch von Laien geleistet werden kann, so diese zugerüstet werden. Besonders zweckmäßig ist es daher, wenn Besuche schon während der Haftzeit geschehen, weil dann bei der Entlassung schone eine Vertrauensbasis da ist, die bei der Lösung der vielen Eingliederungsprobleme eine Hilfe ist. Die meisten haben während der Haft viel Unterstützung, aber nach der Entlassung sind sie auf sich gestellt, gerade, wenn sie Hilfe brauchen, um eine Wohnung, eine Arbeit, eine Beziehung und einen Platz in der Gemeinschaft zu finden. Gemeinden waren da seit jeher gute Orte, weil man sich dort nicht nur der äußeren, sondern auch der inneren Not annimmt.

Dazu brauchte es aber keiner neuen Organisation, sondern Männer, die fest im Glauben stehen, von ihm täglich Erbarmen neu empfangen und trotz mancher Enttäuschung nicht müde werden in Liebe und Geduld zu handeln, Menschen aber auch mit Klugheit zu durchschauen, ohne sich abschrecken zu lassen von der Unwahrhaftigkeit mancher Hilfesuchenden. Diese Männer musste man finden. Die richtige Satzung einer Organisation macht noch nicht den rechten Mann, der hier helfen kann. Organisationen helfen lediglich, dass sich die Gefängnistüren öffnen, wenn da schon eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Institutionen gewachsen ist. Aber viele gehen unter, weil es ihnen an Helfern fehlt, die sich der Sache wirklich annehmen. Und so schließt Pfr. Vogt: ‚Allein diese Feststellung müsste genügen, um alle erforderlichen Kräfte mobil zu machen, wenn anders wir dessen Jünger sind, der suchen, und selig machen will, was verloren ist und in dessen Reich Freude ist über einen Sünder, der Buße tut.‘

So nahm die Diskussion 1927 Fahrt auf und wurde im Jahr 1928 weitergeführt.

Am 5. März 1928 wurde eine Konferenz einberufen mit 25 Superintendenten, Vertretern der Hilfsvereine, 78 Referenten und Korreferenten, unter ihnen 19 Laien und 7 Mitglieder des ‚Aktionsausschuss für Männerdienste der Hülfsvereine‘. Der Vertreter des Konsistoriums war Konsistorialrat Schlabritzky und D. Füllkrug vom Zentralausschuss für Innere Mission. Die Leitung hatte Landesdirektor von Winterfeldt-Menklin, der wie folgt sprach (Ev. Männerdienst 1928):

„Meine Herren, mit großer Freude sehe ich diesen großen und bedeutenden Kreis von Männern, die in der Arbeit des kirchlichen Lebens stehen, hier versammelt. Das zahlreiche Erscheinen beweist das brennende Interesse für die wichtigen Fragen, die wir heute auf die Tagesordnung gesetzt haben. Ich glaube, Sie werden mit mir darüber einig sein, dass es eigentlich keine größere Frage für uns in Deutschland jetzt gibt, als die Frage, in welcher Weise man unsere Männerwelt wieder an Gott und an die Kirche heranführen kann. Denn unsere Zeit ist gottlos in tiefster Wurzel. Parteiinteressen und einseitige, die Menschen trennende Bestrebungen beherrschen das Leben in der Gemeinde. Wer wie ich seit vielen Jahren im öffentlichen Leben steht und sieht, wie Hass, Feindschaft, Zwietracht mehr und mehr in den letzten Jahren ihr Haupt erhoben haben, der muss, wenn er sein Volk und sein Vaterland liebt, von dem brennenden Wunsch erfüllt sein, hier so gut, wie er kann, helfend einzutreten.

Wie schwer die Aufgabe ist, wie sie beinahe wie ein unübersteigbarer Berg vor uns liegt, darüber sind wir uns alle klar. Aber, meine Herren, wie wollen wir überhaupt vorwärtskommen, wenn wir nicht mit dem Willen und mit der Hoffnung zum Sieg in die Arbeit gehen! Wir müssen uns führen lassen von einem starken, gesunden Optimismus.

Wenn wir uns als Hilfsgemeinschaft für die Kirche als ‚Evangelisch-kirchlicher Hülfsverein‘ hier in die Bresche gestellt haben, so geschieht das aufgrund reiflicher Überlegungen, Vorbesprechungen und Erörterungen. Wir haben Hand in Hand mit den Leitern der Provinzialkirche, den Herren Superintendenten, die heutige Tagung vorbereitet, sie soll ein Auftakt für die bevorstehenden Kreissynoden sein, die als ihr Thema die Frage, wie man Männern die Wege zur Mitarbeit in der Kirche erschließt, gestellt erhalten haben. Wir waren der Ansicht, dass es gut und nützlich sei, alle die grundlegenden Fragen, die hier angerührt werden, in Anwesenheit der Herren Referenten der Kreissynoden und auch zu einem großen Teil den Herren Superintendenten, denen ich besonders für ihr Erscheinen danken möchte, zu besprechen. Wir glauben, dass sich hierdurch doch eine gewisse Klärung und eine gewisse Einheitlichkeit der Linie ergeben werden. Wir haben im Evangelisch-Kirchlichen Hülfsverein auch mit Vertretern der anderen preußischen Provinzen die Frage des Männerdienstes erörtert und dabei gesehen, dass in einzelnen Provinzen dank besonders dafür qualifizierter Persönlichkeiten recht bedeutende Anfänge bereits gemacht worden sind. Vor allen Dingen möchte ich hier Westfalen nennen, weiter Ostpreußen.

Aber mehr wie je ist die Persönlichkeit das Wichtigste, das über allen Organisationen steht; denn wenn auch heutzutage die politische Tendenz dahingeht, eine große graue Masse zu machen und alle Gipfel und Höhepunkte verschwinden zu lassen, so kann doch die Macht der Persönlichkeit dadurch niemals in Schranken oder Fesseln gelegt werden. Die Persönlichkeit wird sich durchsetzen, wenn sie sich ihrer selbst bewusst wird und die Kräfte, die in ihr schlummern, sich regen lässt. Und das sollen die Kräfte sein, die zur Stärkung der Kirche und zu der unseres deutschen Volkes wachgemacht werden sollen.

Meine Herren, über die Frage selbst, ob Arbeit in der Männerwelt notwendig ist, wird heute zwar auch gesprochen werden müssen, weil die Frage doch in ihren vielen Verzweigungen einer Anzahl von Herren noch nicht in ihren Einzelheiten geläufig ist und vor allem, weil wir auch zeigen wollen, in welcher Weise sich die Sache bei uns entwickelt hat. Wir sind uns aber in der Frage, dass etwas geschehen muss, absolut einig, und wir sind uns auch im Wesentlichen darüber im Klaren, in welcher Weise gearbeitet werden soll. Das wird eben dadurch geschehen müssen, dass Persönlichkeiten gefunden und herausgebildet werden, die gewissermaßen die Kernstücke in jeder einzelnen Gemeinde bilden und die dann wieder durch ihren Einfluss andere Personen an sich heranziehen. Aus einer solchen Entwicklung muss sich dann der evangelische Männerdienst ergeben. Wenn man die kirchliche Arbeit so auffasst, so bezweckt sie doch, die Menschen vom Bösen ab und dem Guten zuzuführen. Das ist doch letzten Endes das, was wir unter Gottesdienst verstehen, und in diesem ganz weiten Rahmen möchte ich es auch verstanden wissen. Wir wollen keine Dogmatik treiben, keine eigentliche parochiale Tätigkeit entfalten, sondern wollen versuchen, an das Herz der Menschen heranzukommen mit der Mahnung: ‚Wendet euch von dem Bösen ab und dem Guten wieder zu!‘ Und wir wollen dies tun in dem Gefühl und Bewusstsein, das dieser Arbeit Erfolg beschieden sein muss, weil sie in sich den Keim zu allem Großen, allem Guten, zu einem Erfolg für die Zukunft unseres Volkes trägt.

Meine Herren, mit diesen einleitenden Worten möchte ich den Reigen der Referenten eröffnen. Ich werde persönlich leider nicht der ganzen Verhandlung beiwohnen können, da ich heute noch mehrere andere Sitzungen wahrzunehmen habe. Herr Pastor Moeller wird die Freundlichkeit haben, mich zu vertreten. Ich hoffe aber im Laufe des Tages wiederkommen zu können.“

Weitere Einleitungsworte folgten, so von Dompfarrer D. Richter, der mit teils philosophischen, teils theologischen Gedanken eine besondere Argumentation entwickelte, die darin mündete, dass trotz Synodalverfassung, der alte Sauerteig der Pastorenkirche nicht ausgefegt werden konnte, wodurch letztlich die Gedanken des allgemeinen Priestertums von der Theorie nicht in die Praxis umgesetzt werden konnten. „Die Kirche baut sich aus der Gemeinde auf!“ Daran schloss sich die Frage an, wie denn eine neue Verfassung das wirkliche Leben zu verändern vermag. Wenn hinter der Diskussion steht: „Hüten wir uns vor der Feminisierung der evangelischen Kirche. Wie können und wollen das neuzeitliche Verlassen des alten ‚Mulier taceat in ecclesia‘ nicht rückgängig machen. Es ist nach unserer Überzeugung heilsam und gottgewollt, dass die Frau nun mitbestimmend am Leben der Gemeinde und der Kirche in all ihren synodalen Instanzen teilhat.“ In der politischen Dimension folgt er dann dem Vorredner, um dann darin zu münden: „… die Kirche ist bereit, jeden anzunehmen, der zu ihr kommt, er sei Mann oder Frau; aber die Kirche – wartet.“ Letztlich bleibt: die Kirche muss zu den Menschen gehen, wenn sie nicht kommen. D.h. „Die Kirche muss zu den Männern gehen, wenn sie nicht kommen.“ Die Zeit, unsere Gegenwart, ist reif! „Alle Dinge sind dem möglich, der da glaubt!“

Als nächstes sprach Pfr. Riehl aus Frankfurt (Oder), der mit der Frage „Wie kann evangelisch-kirchliches Verantwortungsbewusstsein in der Männerwelt geweckt und gefördert werden, und welche Möglichkeiten bieten sich für die Bestätigung des ev. Mannes im kirchlichen Leben der Gegenwart?“

Er wies auf die Situation in den Städten, wo er die Männer in der katholischen Kirche, in den Sekten, bei den Sozialisten und den Kommunisten sah. „Die ev. Kirche aber hat die Männer weitgehen verloren! Und die Kirche braucht doch die Männer! Ohne sie ist sie krank.“ Die Gemeinden brauchen Männer für die Laienaufgaben. Die Frauenhilfe hat doch funktioniert, „ohne Frauenhilfe ist heute ein Gemeindeleben gar nicht mehr denkbar.“ Darum ist es „ein klares Gebot der Stunde, neben die Frauenhilfe den ev. Männerdienst in der Gemeinde zu stellen.“

Um die Arbeitsfelder zu sondieren, gab es nun drei Vorträge:

Der Mann in der Stadt.

Der Mann auf dem Lande.

Die Stellung des Arbeiters zu Christus und Kirche.

Der Mann in der Stadt kennt den Zeitgeist, der dem Grundgedanken des Christentums entgegengesetzt ist, und somit von einem „ungeheuren Diesseitigkeitssinn erfüllt ist.“ Er glaubt vor allem an das, was Menschwerk ist: Kultur, Wissenschaft, Technik und Industrie. Damit will man die Welt erobern – von der Vergänglichkeit der Welt, die schon im Vaterunser verkündet wird mit dem „Dein Reich komme …“ kann er nichts anfangen. Die Kirche mit ihren Traditionen, die bei Grenzpunkten des Lebens „als Dekoration oder zur Hebung der Feststimmung“ dienten, sahen sie als etwas „neben dem Leben Stehendes“. Und die Kirche lockte sie nicht, weil sie sich nicht mit ihren Fragen befasste. Zudem fühlt er sich wohl in Kreisen Gleichgesinnter, die gab es aber in der Kirche kaum. Wenn dazu noch eine Distanz zum Pfarrer entsteht, wendet der Mann der Kirche den Rücken zu.

Männer wollen gefordert werden. Und in der Gemeinde gibt es doch großer Herausforderungen. Dazu muss man sie einladen. Die ersten Anfänge sind ja gemacht. Jesus war ein Mann, seine Jünger genauso. „Eine Kirche ohne Männer ist also ein Unding.“ Trotz 250 Jahren Christenverfolgung gab es immer Männer die die christliche Botschaft verkündeten. Warum soll das heute nicht gelingen?

Der nächste Vortrag ‚Der Mann auf dem Lande‘ vom Jugendpfarrer der Mark Brandenburg Pfr. Wilm aus Beverungen beschrieb die Situation der jungen Männer, die aus dem Krieg gekommen waren. Sie kehrten von der Front mit einer „veränderten seelischen Einstellung“ zurück: Ihr Wille und Selbstbewusstsein war gewachsen, sie sprachen ‚eine‘ Sprache und bildeten den ‚mannhaften Kern‘ im Dorf. Was Anderen im Dorf wichtig war, das belächelten sie, so z.B. religiöse Traditionen. Mit dem Ende der Inflationszeit ging es vielen besser, dem Stadtvolk vor allem, aber das Landvolk wurde geschwächt, was eine ‚gewaltsame Entladung‘ befürchten ließ. Es entstand ein gewisser Hass auf Regierung und Kirche und eine Liebe zu Volkstum und Vaterland. ‚Sie entwickelten eine neue Form christlicher Sehnsucht, die sie als ‚deutschkirchlich‘ bezeichnen. Sie erwarteten die Wendung der ev. Kirche zu dieser Strömung, aber wo dies nicht geschah, entstand eine unerbittliche Gegnerschaft, weil die Kirche nicht die nach ihrer Meinung wirklichen Verantwortlichen benannt hat, die sie in den Juden und den Freimaurern zu entdecken glaubten. Die neue Hass-Bewegung überflutete alle Dämme der Vernunft und des Gewissens.‘ ‚Man erlebte Volk und Rasse als Teil der göttlichen Schöpfung‘, glaubte aber, dass die Kirche sich der Frage verweigert und somit das Volk nicht vor dieser Gefahr warnt. So ‚dämmert ein neues Bewusstsein von Deutschlands Sendung‘ verbunden mit der Frage, ‚Wo ist die Kirche, die einst den Kampfruf bejahte „Mit Gott für König und Vaterland“.‘ Männer fordern die kämpfende Kirche, die „die Wahrheit verkündet und für sie kämpft, ohne nach Gewinn und Verlust zu fragen.“ Sicher gab es auch andere Strömungen in der Männerwelt auf dem Lande: Pietisten, Atheisten und Gleichgültige. „Aber die eigentliche Seele der Landbevölkerung hat ihren Schwerpunkt in der kämpferischen Mannschaft und Jungmannschaft.“

Pfr. Wilm aus Beverungen will den kirchlichen Männerdienst und den kirchlichen Jugenddienst verbinden, weil letzterer schon recht eindeutig zu den Erwartungen an die Kirche steht und dem Männerdienst Pläne kommender Zusammenarbeit anbieten will. Er sieht die Kirche dafür verantwortlich, „ob die vor allem von Männern getragene Bewegung im Landvolk eine Gottesbewegung sein wird oder eine Satansbewegung“. Er ruft letztlich dazu auf, die Kirche möge „rechten Dienst leisten am Reich Gottes und an ihren lieben Deutschen“.

Die Stellung des Arbeiters zu Christentum und Kirche

Der Generalsekretär Rüffer, Mitglied des Landestages aus Berlin präsentierte anfangs die Daten der letzten Volkszählung vom 16. Juni 1926.

Deutschland hat

40.014.677 Evangelische Christen,

20.193.334 kath. Christen,

87.580 andere Konfessionen,

564.379 Israeliten

1.550.649 sonstige Religionen.

Diese vielen Menschen mit den verschiedensten Religionen / Konfessionen / Religionslose 56.747.751, erwerbstätig (1925) in Industrie und Handwerk 13.258.765, in der Landwirtschaft 9.762.426 Menschen, die anderen in Handel und Verkehr, in der Verwaltung, im Gesundheitswesen, im häuslichen Dienst oder in freien Berufen (Hebamme, Künstler usw.).

Sie setzten sich zusammen aus Kirchenfreundliche, Kirchengleichgültige und Kirchenfeindliche. Die Kirchenfreundlichen fanden sich in kirchlich orientierten Vereinen und Verbänden: Männervereine, ev. Arbeitervereine, Männer- und Jünglingsvereine oder CVJM. Ein erheblicher Teil hatte in den kirchlichen und außerkirchlichen Gemeinschaften und in Sekten ihre religiöse Heimat. Das größte Kontingent war aber die Gruppe der ‚Gleichgültigen‘, die zwar ihre Kinder taufen, ihre Ehen segnen und ihre Toten kirchlich bestatten ließen, viele waren aber kirchfeindlich und hatten das Band zur Kirche zerschnitten (s. Paul Piechowski, ‚Proletarierglaube‘. Fazit: Die Masse der deutschen Arbeiterschaft ist nicht mehr christlich, bzw. kirchlich orientiert.

Es folgte das damals Übliche: Die atheistisch orientierte Wissenschaft zersetzte den Glauben, ebenso die Methoden der ‚kritischen Religionswissenschaften‘, die Fehler der Kirche.

Die Fehler der Kirche waren:

a) Sich ungenügend auf neue Zeitverhältnisse einstellen.

b) Die jungen Theologen entstammten allein den Bürgerständen, während die der kath. Kirche dem Landvolk und auch der kath. Arbeiterschaft entstammen, wodurch das Verständnis für die sozialen Bedürfnisse ihnen näher war.