Eine tapfere Frau - Patricia Vandenberg - E-Book

Eine tapfere Frau E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. »Liebe Güte, was ist denn mit Ihnen los, Frau Frank?« rief Dorthe Harling erschrocken aus, als eine mittelgroße schlanke Frau die Praxis von Dr. Norden betrat, das Gesicht fast ganz verhüllt mit einem Seidentuch. Dennoch sah man die dunkelgeröteten geschwollenen Wangen, und die Augen waren kaum noch zu sehen. Dorthe hätte Heidemarie Frank gar nicht erkannt, wenn diese vorher nicht aufgerufen hätte, um möglichst sofort behandelt werden zu können. »Hoffentlich ist es keine Gürtelrose«, ächzte Heidemarie, »so was kann ich wirklich nicht brauchen. Und bitte nicht ins Wartezimmer, Dorthe.« Dafür hatte Dorthe volles Verständnis, aber sie hätte Heidemarie sowieso in einen anderen Raum gesetzt, denn es konnte ja auch eine ansteckende Virusinfektion dahinterstecken. Gürtelrose, medizinisch Zoster genannt, konnte eine schwere Erkrankung werden. Sie hatten in letzter Zeit schon mehrere Fälle zu behandeln gehabt. Da aber Heidemarie Frank als Fotografin mit Chemikalien zu tun hatte, konnte auch eine Allergie vorliegen. Und das bestätigte Dr. Norden wenig später. Es war eine schwere Allergie, und die Ursache mochte das Zusammentreffen verschiedener Umstände sein. Einmal hatte Heidemarie den Maler im Haus gehabt, der Geruch der Farbe hatte ihre Schleimhäute gereizt, dann hatte ihre jüngste Tochter Viola die Perserkatze einer Freundin ein paar Tage in Pflege genommen, und zudem hatte Heidemarie wegen eines Schnupfens ein Nasenspray benutzt, der ihr mehr geschadet als genutzt hatte. »Und gerade jetzt hätte ich einen lukrativen Auftrag«, sagte sie bekümmert. »Sie wissen doch, wie es bei uns ausschaut, Dr. Norden, ich bin immer noch nicht aus dem Schneider.«

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Leseprobe: Staffel 1 - Special Edition

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E-Book 2: Timo sorgt für Aufregung

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E-Book 5: Dicke Freunde

E-Book 6: Den Entführern auf der Spur

E-Book 7: Flucht nach Sophienlust

E-Book 8: Das Kuckucksei

E-Book 9: Liebe auf den ersten Blick

E-Book 10: Zu viel geflunkert

Dr. Norden Bestseller – 331 –

Eine tapfere Frau

Patricia Vandenberg

»Liebe Güte, was ist denn mit Ihnen los, Frau Frank?« rief Dorthe Harling erschrocken aus, als eine mittelgroße schlanke Frau die Praxis von Dr. Norden betrat, das Gesicht fast ganz verhüllt mit einem Seidentuch. Dennoch sah man die dunkelgeröteten geschwollenen Wangen, und die Augen waren kaum noch zu sehen.

Dorthe hätte Heidemarie Frank gar nicht erkannt, wenn diese vorher nicht aufgerufen hätte, um möglichst sofort behandelt werden zu können.

»Hoffentlich ist es keine Gürtelrose«, ächzte Heidemarie, »so was kann ich wirklich nicht brauchen. Und bitte nicht ins Wartezimmer, Dorthe.«

Dafür hatte Dorthe volles Verständnis, aber sie hätte Heidemarie sowieso in einen anderen Raum gesetzt, denn es konnte ja auch eine ansteckende Virusinfektion dahinterstecken. Gürtelrose, medizinisch Zoster genannt, konnte eine schwere Erkrankung werden. Sie hatten in letzter Zeit schon mehrere Fälle zu behandeln gehabt.

Da aber Heidemarie Frank als Fotografin mit Chemikalien zu tun hatte, konnte auch eine Allergie vorliegen. Und das bestätigte Dr. Norden wenig später.

Es war eine schwere Allergie, und die Ursache mochte das Zusammentreffen verschiedener Umstände sein. Einmal hatte Heidemarie den Maler im Haus gehabt, der Geruch der Farbe hatte ihre Schleimhäute gereizt, dann hatte ihre jüngste Tochter Viola die Perserkatze einer Freundin ein paar Tage in Pflege genommen, und zudem hatte Heidemarie wegen eines Schnupfens ein Nasenspray benutzt, der ihr mehr geschadet als genutzt hatte.

»Und gerade jetzt hätte ich einen lukrativen Auftrag«, sagte sie bekümmert. »Sie wissen doch, wie es bei uns ausschaut, Dr. Norden, ich bin immer noch nicht aus dem Schneider.«

Er wußte es, daß sie sich bereits seit acht Jahren redlich plagte, damit ihre Kinder eine gute Ausbildung bekommen und nicht allzuviel entbehren sollten.

Helmut Frank war freischaffender Graphiker gewesen und im Alter von siebenunddreißig Jahren bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen. Die Kinder waren dreizehn, zwölf und acht Jahre alt gewesen. Dr. Norden kannte die ganze Familie, er hatte auch Helmut Frank gekannt, einen sehr eigenwilligen Mann, der gar nicht daran gedacht hatte, daß so etwas geschehen könnte, und so war letztlich auch nur eine kleine Lebensversicherung vorhanden.

Dr. Norden wunderte es nicht, daß Heidemaries Nerven überreizt waren, denn dadurch wurde eine solche Allergie zusätzlich verschlimmert.

Sie bekam eine kräftige Injektion. Er verschrieb ihr Tabletten und ein Gel und sagte ihr eindringlich, daß sie sich wenigstens zwei Tage Ruhe gönnen solle.

»Einen Tag«, murmelte sie, »dann muß ich fit sein.«

»Jasmin ist doch schon so tüchtig«, stellte Dr. Norden fest. »Sie kann doch einspringen.«

»Aber nicht bei Generaldirektor Klingenthal. Da wird man erst ab dreißig überhaupt ein bißchen ernst genommen. Großer Fototermin aus Anlaß des hundertjährigen Bestehens der Firma.«

»Immerhin achtbar, wenn sich ein privates Unternehmen so lange hält.«

»Ein solides Fundament und ein sehr sparsamer Chef«, sagte Heidemarie.

Dr. Norden wollte nicht sagen, daß man Hermann Klingenthal geizig schalt, aber das war Heidemarie auch bekannt.

Sie hatte allerdings mit seinem Sohn verhandelt, der ein sehr netter und umgänglicher junger Mann war. Er hatte ihr ein sehr gutes Honorar zugebilligt. Sie brauchte eine größere Summe notwendig, denn sie mußte einen neuen Ölbrenner für die Heizung anschaffen.

Sie hatten das Reihenhaus vier Jahre vor Helmuts Tod gekauft und es sich mit den Zahlungen ganz anders vorgestellt. All dies ging Heidemarie durch den Sinn, als sie wieder heimwärts fuhr.

Sie hatten beide verdient. Helmut Frank war ein sehr guter Graphiker gewesen, nur von Altersvorsorge hatte er überhaupt nichts gehalten, da er ja kerngesund war. Die Krankenversicherung und die übrigen fürs Auto, für den Hausrat und die Haftpflicht langten ihm. Über diese Beiträge konnte er nur murren. Ans frühe Sterben hatte er überhaupt keinen Gedanken verschwendet, aber wer tat das schon in jungen Jahren. Heidemarie hatte das Überlegen auch erst angefangen, als ihr Mann nicht mehr aus dem Skiurlaub zurückkam. Sie konnte ihn ja wegen der Kinder nicht begleiten, und außerdem fand sie eine kurze Trennung ab und zu auch mal ganz gut. Später hatte sie das Grauen gepackt bei dem Gedanken, was mit den Kindern geschehen wäre, wenn sie auch mit von der Lawine fortgerissen worden wäre.

Ihre Mutter, die das Letzte für sie gegeben hätte von ihrer auch nicht gerade großen Pension, war auch schon vier Jahre später gestorben. Helmuts Eltern, vermögende Bauern, hatten sich nicht um ihre Enkel gekümmert, denn sie hatten noch acht andere, die in der Nähe wohnten, und ein Sohn, der lieber Graphiker geworden war, war ihnen suspekt gewesen.

Heidemarie hatte auch während ihrer Ehe als Fotografin gearbeitet, seit die Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, denn sie wollten ja und mußten es auch, das Haus abbezahlen. Helmut verdiente nicht schlecht, aber mal mehr, mal weniger, und das Geld mußte eingeteilt werden, und eines Tages, in einem entsetzlichen kalten Februar, stand Heidemarie dann mit den drei Kindern allein da. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu der Stunde zurück, als das Telefon geläutet hatte und ihr gesagt wurde, daß ihr Mann in der Lawine umgekommen sei. Ein Sportsfreund von ihm war gerettet worden. Er hatte keine Frau und keine Kinder, und er hatte dann öfter etwas für die Kinder gebracht, Kleidung, Spielzeug. Ja, er war nett gewesen, aber dann auch ein bißchen zu nett zu ihr, was ihr überhaupt nicht behagt hatte. Und dann hatte er auch eine andere gefunden, die ihm mehr entgegenkam.

Auch später hatte Heidemarie einige Erfahrungen mit Männern sammeln können, doch da sorgten dann schon ihre heranwachsenden Kinder dafür, daß sie sich nicht zu sehr engagierte, was sie aber eigentlich auch nicht vorhatte. Sie arbeitete darauf hin, ein eigenes Atelier einzurichten, und das hatte sie auch geschafft. Freilich mußten sie in dem gerade nicht geräumigen Haus ein wenig enger zusammenrücken, aber dafür hatten die Kinder Verständnis, denn sie wußten doch zu schätzen, was ihre Mutter für sie auf die Beine brachte.

Als sie heimkam, war Christoph von seinem Wochenendausflug zurück. Er war mit Freunden im Gebirge gewesen, und jedesmal hatte sie Angst, wenn sie das auch nicht mehr sagen durfte.

Die Kinder verstanden solche Ängste nicht, und sie dachten auch kaum noch an den Vater.

»Meine Güte, wie siehst du denn aus, und ausgerechnet heute«, sagte er. Vielleicht meinte er es nicht so patzig, aber in ihren Ohren klang es so.

»Wieso denn gerade heute?« fragte sie in ähnlichem Ton zurück, denn sie war gereizt und fühlte sich höchst unwohl.

»Tanja hat Geburtstag, und du solltest mit zu Weibels kommen«, erwiderte er, »aber du siehst wirklich schlimm aus, Heide.«

Er redete sie schon lange mit dem Vornamen an, weil er stolz war auf seine hübsche Mutter, wie er oft betonte, aber heute war dazu kein Anlaß. Momentan bedauerte sie es gar nicht, daß sie so verunstaltet war, denn sie hatte nicht die geringste Lust, zu den Weibels zu gehen, die typisch Neureiche waren und das auch in jeder Beziehung herauskehrten.

Sie redete ihren Kindern in ihre Freundschaften nicht hinein, was aber nicht besagte, daß sie hin und wieder eine oder die andere doch nicht billigte. Das war bei Christoph so, wie auch bei Jasmin.

Die kam jetzt aus dem Atelier. »Laß Mami in Ruhe, sie leidet genug«, sagte sie barsch zu ihrem Bruder. »Was sagt Dr. Norden, Mami?«

»Es ist eine Allergie, das heißt, es kommen mehrere Umstände zusammen. Die Farbe vom Maler, die Katze und das Schnupfenmittel.«

»Man kann es auch hochspielen«, brummte Christoph. »Weibels haben auch zwei Katzen und dazu noch einen Hund, und keiner ist allergisch.«

»Sie haben auch ein dickeres Fell als Mami«, sagte Jasmin schnippisch.

Sie stand jetzt häufiger mit ihrem Bruder, an dem sie eigentlich sehr hing, auf Kriegsfuß, und das, seit er mit Tanja Weibel befreundet war.

»Streitet nicht wegen meiner Allergie«, lenkte Heidemarie ein, »eine Gürtelrose wäre schlimmer. Jasmin, ich muß dann mit dir etwas besprechen. Essen könnt ihr heute beim Bauer, ich mag mich nicht in die Küche stellen. Ich soll Ruhe haben, hat Dr. Norden gesagt.«

»Ich brauche nichts zu essen, bei den Weibels wird es bestimmt ein großartiges Büfett geben«, sagte Christoph.

»Und in Zukunft werden wir für ihn sowieso nicht mehr fein genug sein«, spottete Jasmin.

»Rede nicht solchen Blödsinn«, brauste er auf. »Du hast doch genug reiche Verehrer.«

»Reich kann man nicht immer mit gebildet gleichsetzen«, konterte sie, »und ich stelle eben geistige Ansprüche.«

Worauf er wortlos verschwand.

»Was hackt ihr nur dauernd aufeinander herum«, sagte Heidemarie müde.

»Er mit dieser blöden Tussi«, sagte Jasmin verächtlich.

»Wenn er an der hängenbleibt, kann er mir gestohlen bleiben.«

»Dann macht er aber eine gute Partie.«

»Das bleibt abzuwarten. Große Töne und nichts dahinter, sagt Maxi, und ihr Vater ist Bankdirektor. Jedenfalls würde sie viel besser zu Christoph passen, und eine schlechte Partie wäre sie auch nicht.«

»Beim Heiraten soll man nicht aufs Geld schauen, Jasmin.«

»Ich tue das ja nicht, aber wenn ich die Wahl hätte zwischen einem armen Intellektuellen und einem reichen, und sie würden mir beide gefallen, würde ich schon den reichen nehmen.« Sie lachte leise auf. »Aber nimm mich nicht so ernst, Mami, noch gefällt mir keiner so gut, daß ich mich binden würde.«

»Hast auch noch Zeit. Aber kommen wir zur Sache. Es geht um den Fototermin bei den Klingenthals, Jasmin. Wenn ich wirklich noch nicht okay bin, mußt du mich vertreten.«

»Das traue ich mir aber wirklich noch nicht zu, Mami.«

»Aber ich traue es dir zu, nur mußt du dich auf älter und seriöser herrichten. Der alte Klingenthal ist so ein Moralist und schrecklich pingelig.«

»Na, das Herrchen wäre das wenigste, aber wenn es ein Reinfall ist und kein Honorar kommt?«

»Trau dir doch was zu, Jasmin. Ich möchte ja fit sein, aber wenn ich mich anschaue, kommt mir ja selber das kalte Grausen, und den Leuten wird der Appetit verdorben. Es sind keine Standfotos. Es soll ein Jubiläumsalbum werden, das dann besonders verdienten Firmenangehörigen zum Geschenk gemacht werden soll.«

»Ich glaube, die würden sich mehr über einen Scheck freuen«, meinte Jasmin spöttisch.

Sie war ein ganz modernes junges Mädchen, das mit beiden Beinen fest im Leben stand. Und sie war trotz der kecken Nase und dem immer leicht ironischen Zug um den Mund ein bildhübsches Mädchen. Keine Puppe, sondern mit einem ausdrucksvollen Gesicht ausgestattet, in dem wunderschöne topasfarbene Augen leuchteten.

»Wo bleibt denn Viola heute?« wechselte Heidemarie das Thema, als sie auf die Uhr geschaut hatte.

»Sie ist doch gleich zum Ballett, Mami. Heute ist doch Probetanzen für das Stipendium. Und vielleicht nehmen sie Viola schon für das Opernballett.«

»Mir gefällt das nicht, Jasmin. Sie ist zu zart. Sie erkältet sich doch so leicht. Ich habe das nur zugelassen, weil es ihr so viel Spaß gemacht hat und sie sonst so anspruchslos ist und nie Wünsche äußert.«

»Ich gönne es ihr ja auch, Mami, aber sie ist ein großes Talent, das weiß ich.«

»Wenn du das sagst? Ich finde, daß es eine wahnsinnige Strapaze ist, und an ihr ist doch gar nichts dran.«

Aber dann wirkten wohl die Spritzen, und ihr fielen die Augen zu.

»Ich mache mir bloß ein Wurstbrot, Mami«, sagte Jasmin, »und abends essen wir zusammen, da geht es dir bestimmt wieder besser.«

»Dein Wort in Gottes Ohr«, murmelte Heidemarie.

*

Sie konnten beide nicht ahnen, daß die »Kleine«, Viola Frank, heute ihren ganz großen Tag hatte.

Sie hatte zwar ein bißchen Lampenfieber gehabt, aber schon nach den ersten Tanzschritten schwebte sie nur noch über dem Boden, federleicht und grazil, wie keine vor ihr.

Ihre Ballettmeisterin strahlte, als der Herr neben ihr fragte: »Wer ist dieses entzückende Mädchen, Christine?«

»Viola Frank, wirklich ganz besonders reizend«, erwiderte die Gefragte.

Sie sah zu Jules Armand hinüber, der zu ihrer Überraschung unangemeldet aufgetaucht war, wohl auf der Suche nach jungen Talenten für einen neuen Film. Und er erwiderte ihren Blick kurz und zwingend, bevor er wieder fasziniert auf Viola schaute. Er klatschte Beifall, als die Musik schwieg, und kam dann gleich zu Christine Timm.

»Ich muß sie haben, ich muß sie unbedingt haben«, sagte er.

»Nun mal langsam, Jules«, erwiderte sie unwillig. »So schnell schießen die Preußen nicht.«

»Wir sind nicht Preußen«, sagte er ironisch, »wir sind Künstler, Kiki, und dieses Mädchen ist ein Jahrhunderttalent.«

»Ich bitte um Zurückhaltung. Setz Viola keine Flöhe in den Kopf, und außerdem möchte ich sie fürs Opernballett haben.«

»Für meinen Film braucht sie sich nicht so zu plagen wie beim Ballett, und sie verdient auch gleich bedeutend mehr.«

»Das sind eure Argumente. Und verdorben werden die Besten außerdem. Aber bei Viola mußt du auch noch mit ihrer Mutter rechnen.«

»Ist sie noch nicht achtzehn?«

»Doch, sie ist achtzehn, aber sie geht noch zur Schule und wird nächstes Jahr ihr Abitur machen. Ihre Mutter hat mir gegenüber immer betont, daß dies vordringlich ist.«

»Absolut lächerlich, wenn solch ein Talent auf der Schule verkümmert«, sagte Jules.

»Sie verkümmert nicht. Sie ist eine ausgezeichnete Schülerin und sehr sprachbegabt.«

»Um so besser. Du wirst es nicht verhindern können, daß ich ihr meine Vorschläge unterbreite.«

Christine kniff die Augen zusammen. »Nein, verhindern kann ich das nicht, aber mir wird Frau Frank mehr vertrauen als dir.«

»Ich will doch keinen Pornofilm mit ihr drehen, sondern ein Kunstwerk. Du solltest mich eigentlich kennen, Kiki.«

»Ja, ich weiß, was du von den Darstellern verlangst und wie du sie anfauchst, wenn dir etwas nicht paßt, und Viola ist kein Geschöpf, das man anfauchen kann.«

»Ich werde sie mit Samthandschuhen anfassen, das verspreche ich dir. Da kann man als Mann doch gar nicht anders, Kiki. Da wird an die Ritterlichkeit appelliert.«