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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Das darf doch net wahr sein! So was gibt's doch einfach net! Dass ein Mercedes eine eingebaute Vorfahrt hat, ist ja allgemein bekannt. Aber dann auch gleich noch einen eingebauten Parkplatz …« Wütend drückte Nelly Sonntag zwei Mal kräftig auf die Hupe. Der Fahrer des weißen Sportwagens, der ihr die Parklücke vor der St. Johanner Einkaufspassage soeben vor der Nase weggeschnappt hatte, ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Mit strahlendem Lächeln auf den Lippen stieg er aus, wandte sich mit einer angedeuteten Verbeugung zu Nelly um und warf ihr frech eine Kusshand zu. Nelly entfuhr ein Zischen, das einer Schlange alle Ehre gemacht hätte. Sie ließ das Fenster herunter, um dem Fahrer gehörig ihre Meinung zu geigen, doch der junge Mann war schon in der Passage verschwunden. »Ein Österreicher. Und noch dazu ein Wiener«, fauchte Nelly mit einem Blick auf das Nummernschild. Und setzte notgedrungen den Blinker, um sich wieder in den Verkehr einzureihen. Vielleicht hatte sie ja Glück, und es wurde doch noch ein anderer Parkplatz frei. Nelly seufzte. Sie musste doch unbedingt noch ein Geschenk für ihre Oma besorgen. Sie konnte doch nicht ihre Sommerferien bei Oma Agnes in St. Johann verbringen und mit leeren Händen ankommen! Als sie im Winter zusammen mit Günther hier gewesen war … »Jaaa! Mach mir Platz! Was für ein super Zufall!«, jubelte Nelly unvermittelt, als plötzlich schräg vor ihr einer der geparkten Wägen ausscherte. Keine zwei Minuten später stand Nellys roter Kleinwagen mitten in der geräumigen Parklücke. »Na, siehst du, Herr Frechdachs aus Wien«, grinste Nelly, warf sich ihre
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»Das darf doch net wahr sein! So was gibt’s doch einfach net! Dass ein Mercedes eine eingebaute Vorfahrt hat, ist ja allgemein bekannt. Aber dann auch gleich noch einen eingebauten Parkplatz …« Wütend drückte Nelly Sonntag zwei Mal kräftig auf die Hupe.
Der Fahrer des weißen Sportwagens, der ihr die Parklücke vor der St. Johanner Einkaufspassage soeben vor der Nase weggeschnappt hatte, ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Mit strahlendem Lächeln auf den Lippen stieg er aus, wandte sich mit einer angedeuteten Verbeugung zu Nelly um und warf ihr frech eine Kusshand zu.
Nelly entfuhr ein Zischen, das einer Schlange alle Ehre gemacht hätte. Sie ließ das Fenster herunter, um dem Fahrer gehörig ihre Meinung zu geigen, doch der junge Mann war schon in der Passage verschwunden.
»Ein Österreicher. Und noch dazu ein Wiener«, fauchte Nelly mit einem Blick auf das Nummernschild. Und setzte notgedrungen den Blinker, um sich wieder in den Verkehr einzureihen. Vielleicht hatte sie ja Glück, und es wurde doch noch ein anderer Parkplatz frei.
Nelly seufzte. Sie musste doch unbedingt noch ein Geschenk für ihre Oma besorgen. Sie konnte doch nicht ihre Sommerferien bei Oma Agnes in St. Johann verbringen und mit leeren Händen ankommen!
Als sie im Winter zusammen mit Günther hier gewesen war …
»Jaaa! Mach mir Platz! Was für ein super Zufall!«, jubelte Nelly unvermittelt, als plötzlich schräg vor ihr einer der geparkten Wägen ausscherte.
Keine zwei Minuten später stand Nellys roter Kleinwagen mitten in der geräumigen Parklücke. »Na, siehst du, Herr Frechdachs aus Wien«, grinste Nelly, warf sich ihre Handtasche über die Schulter und knallte die Fahrertür zu. »Unverhofft kommt oft!«
Mit beschwingten Schritten betrat sie die Einkaufspassage. Worüber sich Oma Agnes wohl freuen würde? Allzu teuer sollte das Geschenk natürlich nicht sein, schließlich war Nelly als Kindergärtnerin keine Großverdienerin, aber … Gleich vor dem ersten Modegeschäft blieb Nelly stehen, weil ihr ein farbenfroher Seidenschal ins Auge stach. Er passte perfekt zum Trachtenkostüm, das Oma Agnes so gerne trug. Nelly betrat den Laden und kam kurze Zeit später mit dem sorgfältig als Geschenk verpackten Seidenschal wieder heraus. Er war weniger teuer gewesen als befürchtet, sodass das Budget sogar noch für einen schönen Blumenstrauß reichte.
Zufrieden mit ihren Einkäufen trug Nelly die Sachen zu ihrem Auto.
Oma Agnes würde sich über die beiden Mitbringsel riesig freuen, da war Nelly sich ganz sicher. Ob sie zur Feier des Abends noch eine Flasche Wein besorgen sollte? Noch ehe Nelly eine Entscheidung hätte treffen können, blieb sie wie angewurzelt stehen. Was war denn das? Ein Polizist, der sich an ihrem Auto zu schaffen machte? Was wollte er? Nelly stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass der Ordnungshüter im Begriff war, ein Strafmandat hinter ihren Scheibenwischer zu klemmen. Mit ein paar Riesenschritten stand Nelly neben dem Polizisten. »Was machen S’ denn da?«, fauchte sie. »Sie werden mir doch net einen Strafzettel verpassen wollen! Wofür denn überhaupt?«
Verdattert zog der Polizist den Strafzettel wieder hinter dem Scheibenwischer hervor und wandte sich Nelly zu.
Er war noch jung, vielleicht Ende zwanzig. Jedenfalls kaum älter als sie selbst. Und er sah verdammt gut aus mit seinen wuscheligen dunklen Haaren, die unter seiner Polizeikappe hervorquollen, mit seinen rehbraunen Augen und seinem markanten Kinn. Dazu ein schlanker, durchtrainierter Körper …
Trotzdem warf Nelly angriffslustig ihren Kopf in den Nacken. »Geben S’ gefälligst das Knöllchen her!«, schimpfte sie weiter. »Ich hab nichts angestellt. Sie können mir doch net einfach ein Knöllchen verpassen, nur weil Sie net wissen, womit Sie sonst Ihre Zeit totschlagen sollen!«
Der junge Polizist schluckte, aber er schwieg. Mit einem fast bekümmerten Ausdruck wanderte sein Blick zu dem Halteverbotsschild am Straßenrand.
Nelly biss sich auf die Unterlippe. In ihrer Magengrube breitete sich ein flaues Gefühl aus, aber sie war wild entschlossen, nicht so schnell klein bei zu geben. »Ich hab bloß Geschenke gekauft. Für meine Oma«, erklärte sie trotzig und hielt dem verdutzten Polizisten das Päckchen aus dem Trachtengeschäft und den Blumenstrauß vors Gesicht. »Ich war net länger als eine Viertelstunde fort. Wenn’s denn überhaupt eine Viertelstunde war. Wird man jetzt schon von der Polizei dafür bestraft, dass man seiner Oma eine Freude machen will? Das wäre ja noch schöner.«
Der junge Ordnungshüter schob den Blumenstrauß sanft, aber bestimmt zur Seite und sah Nelly eindringlich an. »Es geht net um die Geschenke für Ihre Oma. Und das wissen Sie auch«, rechtfertigte er sich. »Es geht einzig und allein um das Halteverbot. Das Halteverbot ist uneingeschränkt, wie Sie sehen. Deshalb darf man hier net einmal fünf Minuten parken, geschweige denn eine Viertelstunde.«
Wütend stampfte Nelly mit dem Fuß auf. Dieser Polizist schien der gleiche rechthaberische Sturkopf zu sein wie Günther. Der hatte auch immer alles besser gewusst und sie an allen Ecken und Enden geschulmeistert und für sich selbst alle Freiheiten herausgenommen, auch die, anderen Frauen hinterher zuscharwenzeln …
»An der gleichen Stelle ist vor mir schon ein Auto gestanden. Und den Fahrer dieses Autos haben Sie net aufgeschrieben. Wenn Sie schon so supergenau sein wollen, müssen Sie allen, die hier in St. Johann falsch parken, ein Knöllchen ausstellen. Ohne Ausnahme! Rund um die Uhr. Oder gar niemandem. Weil vor dem Gesetz alle Bürger gleich …«
Der junge Polizist unterbrach Nelly mit einer abwehrenden Handbewegung. Er wollte ihr erklären, dass sie den Gleichheitsgrundsatz vollkommen falsch auslegte, aber es kam kein Laut aus seiner Kehle. Stattdessen sah er mit zusammen gepressten Lippen abwechselnd das Knöllchen und Nelly an.
Warum war er nicht ein paar Minuten später an dem Halteverbotsschild vorbeigekommen? Dann wäre ihm die ganze Angelegenheit erspart geblieben. Andererseits wäre er dann auch der jungen Frau – wie sie wohl hieß? – nicht begegnet. Ihre blonden, glatten Haare gefielen ihm. Ihre himmelblauen Augen noch viel mehr. Ganz zu schweigen von der feinen Nase und den schön gezeichneten vollen Lippen. Die Tatsache, dass sie in St. Johann ihre Oma besuchte und der älteren Dame auch noch Geschenke mitbrachte, machte sie ihm erst recht sympathisch.
Wenn nur das verfluchte Strafmandat nicht wäre! Allmählich brannte es in seiner Hand wie Feuer. Am liebsten hätte er es zerknüllt und in den nächsten Papierkorb geworfen, aber das wagte er nicht. Wenn Max Trenker, sein Vorgesetzter, davon erfuhr, dass er ein amtliches Dokument aus rein privaten Gründen vernichtet hatte, würde es bestimmt Ärger geben. Max Trenker war zwar sehr nett, machte andererseits aber nicht den Eindruck, als ob er solche Unregelmäßigkeiten dulden würde.
Was sollte er also machen? »Ich … ich hab da eine Idee«, kam ihm mit einem Mal ein Geistesblitz. »Ich kann den Strafzettel zwar nimmer zurücknehmen, aber vielleicht … vielleicht könnte ich Sie ein bissel für ihren Ärger entschädigen. Indem ich Sie zum Beispiel für heute Abend zum Tanzen einlade. Weil doch Samstag ist. Also der Tag, an dem jede Woche der berühmte Tanzabend im ›Löwen‹ steigt. Wenn … wenn Sie Ihre Oma mitnehmen wollen, damit Sie sie net schon gleich an Ihrem Ankunftsabend wieder alleinlassen müssen, würde mich das im Übrigen net stören. Die ältere Dame könnte sich ja, während wir tanzen, zu Pfarrer Trenker und den anderen Honoratioren setzen. Dann hat sie ein bissel Unterhaltung.« Der junge Polizeibeamte holte erst einmal Luft, dann setzte er hinzu: »Ich bin übrigens der Wolfgang Grönenbach. Für ein so hübsches und nettes Madel wie Sie natürlich der Wolfgang.«
Nelly hatte mit unbewegter Miene zugehört. Als Wolfgang Grönenbach nun erwartungsvoll schwieg, stemmte sie ihre Hände in ihre Hüften. »Ihr ›hübsches und nettes Madel‹ können Sie sich an den Hut stecken«, legte sie los. »Und ob Sie für mich der Wolfgang oder der Herr Grönenbach sein wollen, ist mir sowas von egal, dass Sie sich das gar net vorstellen können.« Nelly kniff ihre Augen zusammen und musterte den jungen Mann provozierend. »Auf den Tanzabend möchten S’ mich einladen. Als Entschädigung für das Knöllchen. Wie galant.« Sie ließ ein spöttisches Lachen hören. »Machen Sie das mit jeder Frau? So eine freche Masche! Geht’s eigentlich noch? «
Mit einer schwungvollen Bewegung riss sie dem jungen Polizisten den Strafzettel aus der Hand. Sie formte ihn zu einer kleinen Papierkugel, die sie gekonnt in einen immerhin etliche Meter entfernt stehenden Papierkorb schnippte. »Und jetzt hoffentlich auf Nimmerwiedersehen, Herr Grönenbach. Und noch viel Erfolg bei der Falschparkerjagd. Vielleicht haben Sie, wenn Sie weiterhin so tüchtig sind, ja bald einen Stern mehr auf den Achselklappen.«
Mit diesen Worten wandte Nelly sich ab, warf ihre Geschenke in den Kofferraum ihres Autos und fuhr los, ohne Wolfgang Grönenbach noch eines einzigen Blickes zu würdigen.
Der junge Polizeibeamte stand da wie ein begossener Pudel. Immer wieder schüttelte er entgeistert den Kopf. So eine Kratzbürste!
Fast war es Wolfgang Grönenbach peinlich, dass ihm die junge Frau immer noch gefiel. Und dass er nach wie vor große Lust hatte, sie näher kennen zu lernen. War er eigentlich noch zu retten?
Wäre er sich nicht sicher gewesen, dass es so etwas wie die berühmte ›Liebe auf den ersten Blick‹ nur in Liebesromanen gab, hätte er doch tatsächlich glauben müssen, dass es ihn gerade erwischt hatte! Und dabei hatte er nach wie vor keine Ahnung, wie die junge Frau hieß. Nicht einmal die Autonummer hatte er sich gemerkt!
Mit einem tiefen, schweren Atemzug steckte Wolfgang Grönenbach seine Hände in die Hosentaschen seiner Uniform.
Vielleicht brachte es ja der Zufall mit sich, dass ihm die junge Frau, sollte sie länger in St. Johann bleiben, noch einmal über den Weg lief. Vielleicht war sie bei dieser Gelegenheit sogar besserer Laune. Und wenn nicht, dann war es eben Schicksal. Dagegen konnte man nichts machen.
Mit enttäuschter Miene machte Wolfgang sich auf den Rückweg zum Polizeirevier. Selbst die Lust auf den Tanzabend, den er sonst so gern besuchte, war ihm gründlich vergangen.
*
»Grüß dich Gott, Oma! Ich kann dir gar net sagen, wie ich mich schon seit Wochen auf meine Ferien gefreut hab! Auf das Wachnertal und auf St. Johann! Und vor allem natürlich auf dich, Oma! Diesmal bleib ich viel länger als im Winter, das verspreche ich dir. Bevor Ende August die Kindergartenferien zu Ende gehen, wirst du mich nimmer los.« Nelly umarmte ihre Oma stürmisch und drückte sie temperamentvoll an sich.
»Madl, du erwürgst mich ja vor lauter Liebe«, keuchte Agnes Sonntag. Sie musterte Nelly von oben bis unten und war richtig stolz auf ihre hübsche Enkelin. »Und der Günther?«, fragte sie. »Hast du den Günther net dabei? Kommt er noch nach, oder …«
»Oder«, erwiderte Nelly knapp.
Oma Agnes runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«, hakte sie nach. »Habt ihr euch gestritten?«
Nelly zuckte die Schultern. »Das auch. Und noch ein bissel mehr«, kam ziemlich einsilbig die Auskunft.
Agnes Sonntag war angesichts der wortkargen Antworten ihrer Enkeltochter alles andere als zufrieden. »Jetzt lass dir doch net jedes Wort aus der Nase ziehen, Madl! Seid ihr nimmer zusammen, du und der Günther? Habt ihr euch getrennt?«
»Erraten«, nickte Nelly.
Oma Agnes entfuhr ein tiefer Seufzer. »Ach, Madl!« Ein weiterer Seufzer folgte auf den Fuß. »Net, dass ich diesen Günther so toll gefunden hätte, aber …«
Nelly verdrehte die Augen. »Da gibt’s kein Aber, Oma. Der Günther war alles andere als der Richtige«, stellte sie klar. »So ist es nun einmal. Ich kann’s net ändern, auch wenn es sich erst relativ spät herausgestellt hat.«
Agnes Sonntag bedachte ihre Enkelin mit einem zweifelnden Blick. »Das mit dem Richtigen … also, ich weiß net so recht. Wie stellst du dir den Richtigen denn eigentlich vor, Nelly?«
Nelly legte den Kopf schief und setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Schlank, groß, dunkle Haare, am liebsten lockig, braune Augen, ein markantes, männliches Gesicht, schmale, aber kräftige Hände … Soweit das Äußere. Und die inneren Werte: einfühlsam, zärtlich, aber trotzdem temperamentvoll und leidenschaftlich, intelligent, ohne siebengescheit zu sein, mutig und tapfer, romantisch, verantwortungsbewusst und ernsthaft, bloß net überkorrekt, und absolut treu sowieso. Kavalier muss er natürlich auch sein. Und wenn er handwerklich net ungeschickt ist und vielleicht auch noch schnitzen oder musizieren könnte …«
Nelly unterbrach sich überrascht, als sie sah, wie ihre Oma wieder und wieder den Kopf schüttelte. »Was hast du denn, Oma?«, fragte sie unschuldig.
Agnes Sonntag musste lachen. »Soll dein Traummann vielleicht auch noch Millionär sein?«
Nelly zuckte die Schultern. »Sagen wir mal, es würde mich net stören. Aber Bedingung ist es natürlich net. Weil ich im Grunde gar net wüsste, was ich mit so viel Geld anfangen sollte. Aber ein sicheres Einkommen wäre net schlecht. Weil ich ja schließlich eine große Familie möchte. Und wenn ich erst Kinder hab und mich später, wenn du einmal alt bist, um dich kümmere, kann ich ja nimmer Vollzeit arbeiten gehen.«
Nellys Oma konnte ein Schmunzeln kaum unterdrücken. »Klingt absolut einleuchtend«, meinte sie amüsiert. »Wie viele Kinder stellst du dir denn vor?«
»Vier oder fünf, mindestens.« Sie blinzelte Oma Sonntag neckisch zu. »Du wünschst dir doch auch ein halbes Dutzend Urenkel und Urenkelinnen, oder?«
Jetzt musste Oma Agnes wirklich lachen. »Wie man’s nimmt. Aber ich fürchte, darüber brauche ich ohnehin gar net weiter nachzudenken. Denn wenn du so hohe Ansprüche an deinen Traummann stellst, werde ich sowieso keinen einzigen Urenkel bekommen. Weil du dann Single bleibst bis in alle Ewigkeit.«
»Von wegen«, konterte Nelly. »Der Richtige kommt. Und zwar schon bald. Das hab ich irgendwie im Gefühl.«
»Ach Madl«, winkte Oma Agnes ab. »Wo soll dir so ein Supermann, wie du ihn dir ausgedacht hast, denn begegnen? In einem Liebesroman? Oder in einem Kinofilm?« Sie seufzte. »Wenn dir in München oder hier in St. Johann ein ganz passabler Typ über den Weg laufen würde, fehlt ihm ja doch wieder die eine oder andere deiner unabdingbaren Wunscheigenschaften …«
Auch diesmal ließ Nelly ihre Oma den Satz gar nicht erst zu Ende führen. »Ich warte nimmer, bis mir der Richtige zufällig über den Weg läuft, Oma. Das ist altmodisch und funktioniert heutzutage nimmer. Lieber nehme ich mein Schicksal selbst in die Hand und suche mir einen Mann übers Internet. Das hat den Vorteil, dass ich ein Profil erstellen kann, in das ich alle Eigenschaften, die mein Zukünftiger haben soll, eingebe. Auf diese Weise kann überhaupt nichts schiefgehen.«
Auf Oma Agnes’ Stirn bildeten sich Sorgenfalten. »Ihr jungen Leute mit eurem Internet«, bemerkte sie ein wenig verächtlich. »Und was ist, wenn der, der sich meldet, die ganzen tollen Eigenschaften nur vortäuscht? Und in Wirklichkeit ein Krimineller ist? Ein Heiratsschwindler zum Beispiel? Oder ein Raubmörder? Oder ein Triebverbrecher?«
Nelly legte beschwichtigend ihre Hand auf den Arm ihrer Oma. »Das glaubst du doch selber net, dass Verbrecher sich ihre Opfer über Partnerschaftsvermittlungen im Internet suchen, oder?« Sie lachte. »Bei deiner Fantasie solltest du Krimis schreiben, Oma. Zeit hättest du ja, jetzt, wo du in Rente bist.«
Oma Agnes zog ihren Arm weg. »Ich find das gar net lustig, Nelly, weißt du«, ereiferte sie sich. »Hab ich dir, wie du im Winter da warst, net erzählt, was der Erbling-Maria passiert ist? Mit dieser jungen Frau, die sich als ihre Nichte ausgegeben hat und die Maria um ihr sauer erspartes Geld bringen wollte?«
Nelly winkte ungeduldig ab. »Das ist doch etwas ganz Anderes, Oma«, erklärte sie. »Oder hat die Erbling-Maria etwa im Internet nach einer Nichte gesucht?«