Einleitung in E. Fromm und R. Xirau „The Nature of Man“ - Erich Fromm - E-Book

Einleitung in E. Fromm und R. Xirau „The Nature of Man“ E-Book

Erich Fromm

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Beschreibung

In der ‚Einleitung zu E. Fromm und R. Xirau „The Nature of Man“‘ versucht Erich Fromm plausibel zu machen, dass die Suche nach einer „Natur des Menschen“ noch immer aktuell ist. Der Mensch ist einerseits Teil der Natur, andererseits transzendiert er sie durch das Bewusstsein seiner selbst und durch sein Vorstellungsvermögen. Diese Widersprüchlichkeit seiner Existenz zwingt ihn, eigene menschliche Lösungen zu finden, ohne dass es dabei zu einer endgültigen, fixierbaren, allgemein gültigen Lösung käme. Aus seiner besonderen Verfasstheit ergeben sich aber existenzielle Bedürfnisse als etwas natural Unbeliebiges. Jeder Mensch muss auf die Wirklichkeit, auf andere Menschen und auf sich selbst bezogen sein, ohne dass die dabei entwickelten Befriedigungsformen etwas Endgültiges bedeuten. Der zweite Teil der sehr dicht gearbeiteten ‚Einleitung‘ gliedert sich in drei Abschnitte: Philosophisch-anthropologischen Überlegungen zur Frage der Freiheit folgen Ausführungen zur Frommschen Kommunikationstheorie, um abschließend der Wirklichkeit dessen nachzudenken, was „Geist“ meint, und zwar in der Konfrontation von Körper und Geist und in der von Bewusstsein und Geist angesichts des Unbewussten.

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Seitenzahl: 47

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Einleitung in E. Fromm und R. Xirau „The Nature of Man“

(Introduction in E. Fromm and R. Xirau „The Nature of Man“)

Erich Fromm(1968g)

Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer Funk[1]Aus dem Amerikanischen von Liselotte und Ernst Mickel.

Erstveröffentlichung 1968 unter dem Titel Introduction in der von Erich Fromm und Ramón Xirau herausgegebenen Anthologie The Nature of Man. Readings selected, New York (The Macmillan Company), S. 3-24. Eine erste, von Liselotte und Ernst Mickel besorgte deutsche Übersetzung erschien 1981 unter dem Titel Einleitung in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zehn Bänden, Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt), GA IX, S. 375-391.

Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an der von Rainer Funk herausgegebenen und kommentierten Textfassung in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, GA IX, S. 375-391.

Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.

Copyright © 1968 by Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2016 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2016 by Rainer Funk.

Für die meisten Denker des griechischen Altertums, des Mittelalters, bis hin zur Zeit Kants war es selbstverständlich, dass es so etwas wie eine „Natur des Menschen“ gibt, also etwas, das – philosophisch gesprochen – das „Wesen“ des Menschen ausmacht. Zwar gab es unterschiedliche Ansichten darüber, was zu diesem „Wesen“ gehört, doch war man sich darüber einig, dass es ein „Wesen“ gibt, das heißt etwas, was den Menschen zum Menschen macht.

Vor einhundert Jahren, oder sogar schon früher, begann man, diese herkömmliche Ansicht in Frage zu stellen. Ein Grund hierfür war die intensivere Erforschung der menschlichen Geschichte. Die Untersuchungen zur Entwicklung der Menschheit zeigten, dass sich der Mensch unserer Epoche so sehr vom Menschen früherer Zeiten unterschied, dass die Annahme, es gäbe eine sich durch alle historischen Epochen durchhaltende „Natur des Menschen“, unrealistisch wurde. Die historischen Forschungen wurden in unserem Jahrhundert vor allem durch kulturanthropologische Untersuchungen vertieft. Die Erforschung der sogenannten primitiven Völker hat eine solche Vielfalt unterschiedlicher Sitten, Werte, Empfindungen und Gedanken ans Licht gebracht, dass viele Anthropologen zu der Auffassung gelangten, der Mensch werde als ein unbeschriebenes Blatt Papier geboren, auf das die jeweilige Kultur ihren Text schreibe. Zu den Auswirkungen der Untersuchungen zur Geschichte und zur Kulturanthropologie kam der Einfluss der Evolutionstheorie. Auch sie erschütterte den Glauben an eine allgemeine „Natur des Menschen“. Jean-Baptiste de Lamarck und Charles Darwin vor allem, aber auch andere Biologen haben nachgewiesen, dass alle Lebewesen evolutionäre Veränderungen erfahren. Schließlich konnte die moderne Physik zeigen, dass auch die physikalische Welt Evolutionen und Veränderungen unterliegt. Es ist keine bloße Metapher, wenn wir sagen, dass die Totalität der Welt eine Totalität in Bewegung ist, die sich – wie Alfred North Whitehead sagen würde – in einem Zustand des „Prozesses“ befindet.

Noch ein anderer Faktor trug zu der Tendenz bei, das Vorhandensein einer festgelegten menschlichen Natur, eines Wesens des Menschen zu verneinen: Der Begriff der [IX-376] menschlichen Natur wurde so oft missbraucht und als Schild benutzt, hinter dem die schlimmsten Ungerechtigkeiten begangen wurden, dass wir bei seiner Erwähnung geneigt sind, seinen moralischen Wert ernsthaft zu bezweifeln, ja sogar ihn für sinnlos zu halten. Unter Berufung auf die Natur des Menschen haben Plato, Aristoteles und die meisten Denker bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein die Sklaverei verteidigt. (Ausnahmen waren bei den Griechen die Stoiker, welche von der Gleichheit aller Menschen überzeugt waren, sowie in der Renaissance Humanisten wie Erasmus von Rotterdam, Thomas Morus oder Juan Luis Vives.) Unter Berufung auf eine solche „Natur des Menschen“ entstanden der Nationalismus und der Rassismus. Und unter Berufung auf die angebliche Überlegenheit der arischen Natur haben die Nationalsozialisten mehr als sechs Millionen Menschen umgebracht. Unter Berufung auf einen bestimmten abstrakten Begriff von menschlicher Natur fühlt sich der Weiße dem Farbigen, der Mächtige dem Hilflosen und der Starke dem Schwachen überlegen. Der Begriff der „menschlichen Natur“ musste bis in unsere Tage nur allzu oft für die Zwecke von Staat und Gesellschaft herhalten.

Muss man deshalb zu dem Schluss kommen, dass es so etwas wie eine menschliche Natur nicht gibt? Eine solche Annahme dürfte ebenso viele Gefahren in sich bergen wie der Begriff einer eindeutig festgelegten Natur. Wenn es kein allen Menschen gemeinsames Wesen gäbe, könnte es auch keine Einheit der Menschen, keine für alle Menschen gültigen Werte und Normen geben, ja, es gäbe keine Wissenschaft der Psychologie oder Anthropologie, die den Menschen zum Erkenntnisobjekt hat. Finden wir uns demnach nicht in der Zwickmühle zwischen zwei nicht wünschenswerten, ja gefährlichen Annahmen: zwischen der reaktionären Ansicht, welche eine genau festgelegte, unveränderliche menschliche Natur annimmt, und der relativistischen, welche zu dem Schluss führt, dass der Mensch mit anderen Menschen nur seine anatomischen und physiologischen Attribute teilt?

Vielleicht hilft es uns weiter, wenn wir zwischen dem Begriff der Natur oder des Wesens des Menschen und dem bestimmter Attribute unterscheiden, die allen Menschen gemeinsam sind und die trotzdem noch nicht allein den vollen Begriff der Natur oder des Wesens des Menschen ausmachen. Wir könnten sie als wesentliche Attribute bezeichnen, das heißt als Attribute, die zum Menschen als solchem gehören, und sie trotzdem vom „Wesen“ des Menschen unterscheiden, das alle diese Attribute und sogar noch mehr umfassen könnte und vielleicht zu definieren wäre als das, woraus sich die mannigfachen Attribute ergeben.

Das bekannteste unter diesen Attributen finden wir bei den griechischen Philosophen, bei den Denkern des Mittelalters und des achtzehnten Jahrhunderts und vor allem bei Kant: die Bestimmung des Menschen als eines mit Vernunft begabten Wesens (animal rationale).