Elternarbeit im Kindergarten - Martin R. Textor - E-Book

Elternarbeit im Kindergarten E-Book

Martin R. Textor

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Beschreibung

Elternarbeit wird heute als Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Familie und Kindergarten verstanden. Damit bekommt die Kooperation von Eltern und Erzieherinnen eine neue Qualität. Ziele und Formen der Elternarbeit werden skizziert, wobei das Elterngespräch als Kernstück der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft beschrieben wird. Neben Techniken der Gesprächsführung mit Eltern werden Tipps für Aufnahme-, Eingewöhnungs-, Entwicklungs-, Beratungs- und Konfliktgespräche gegeben. Die Hospitation von Eltern im Kindergarten, deren Einbindung in die pädagogische Arbeit, Elternabende, Gesprächskreise und Elternbildung werden intensiv behandelt. Auch auf die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren wird eingegangen. Ferner wird die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Vätern, Eltern unter dreijähriger Kinder, Familien mit Migrationshintergrund und Eltern behinderter Kinder dargestellt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Situations- und Bedarfsanalyse, der Planung, Evaluation und Qualitätssicherung der Elternarbeit.

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Inhalt

Vorwort

Erziehungs- und Bildungspartnerschaft

1.1 Ziele der Elternarbeit

1.2 Voraussetzungen für eine gute Kooperation

Formen der Elternarbeit

2.1 Gesprächsführung mit Eltern

2.2 Formen von Elterngesprächen

2.3 Beratungs- und Konfliktgespräche

2.4 Hospitation und Mitarbeit von Eltern

2.5 Partizipation von Eltern

2.6 Elternabende und Gesprächskreise

2.7 Elternbildung

2.8 Vom Kindergarten zum Familienzentrum

2.9 Elternarbeit mit Vätern

2.10 Elternarbeit mit Eltern unter dreijähriger Kinder

2.11 Elternarbeit mit Familien mit Migrationshintergrund

2.12 Elternarbeit mit Familien behinderter und chronisch kranker Kinder

Planung der Elternarbeit

3.1 Situations- und Bedarfsanalyse

3.2 Jahresplanung

3.3 Evaluation und Qualitätssicherung

Literatur

Autor

Quellenangaben

Vorwort

Familie und Kindergarten sind die wichtigsten Lebenswelten und Sozialisationsinstanzen für Kleinkinder. Sie sind verantwortlich dafür, dass sich Kinder Kenntnisse über Natur, Technik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft aneignen, Kompetenzen und Fertigkeiten entwickeln, Werte und Normen internalisieren und sozial wünschenswerte Verhaltensweisen zeigen. Bei der Erziehung und Bildung des jeweiligen Kindes können Eltern und Erzieher/innen einander ignorieren, gegeneinander arbeiten oder miteinander kooperieren – mit all den möglichen Zwischenstufen.

Es dürfte offensichtlich sein, dass nur die Zusammenarbeit von Familie und Kindergarten dem Kindeswohl entspricht. Der von den Erzieher/innen hierbei zu leistende Beitrag wird traditionell als Elternarbeit bezeichnet. Damit ist die Gesamtheit der Angebote gemeint, die sich direkt oder indirekt an die Eltern eines Kindergartenkindes richten (und eventuell an seine Geschwister und Großeltern).

In den letzten Jahrzehnten sind die Ansprüche an die Elternarbeit wegen des Familienwandels, der zunehmenden Erziehungsunsicherheit bei Eltern, der wachsenden Zahl von Kindern mit besonderen Bedürfnissen und vieler weiterer Gründe gestiegen. Die Erzieher/innen haben auf diese Entwicklung reagiert, indem sie beispielsweise die Elternbildung intensiviert haben, mehr Termingespräche durchführen, Eltern beraten und Hilfsangebote psychosozialer Dienste vermitteln.

In diesem Buch sollen Ziele für die Kooperation von Familie und Kindergarten formuliert, die wichtigsten Formen der Elternarbeit detailliert und die übrigen Angebote kursorisch dargestellt, verschiedene Arten von Termingesprächen beschrieben sowie Methoden zur Planung eines bedarfsgerechten und die Erzieher/innen nicht überfordernden „Elternprogramms“ erläutert werden.

Das Buch muss nicht von vorne bis hinten gelesen werden, sondern es können auch einzelne Kapitel herausgegriffen werden, für deren Thematik gerade ein besonderes Interesse besteht. Diese Möglichkeit bedingt jedoch, dass es im Folgenden einige unbedeutende Wiederholungen gibt. Immer aber sollte Teil 1 des Buches gelesen werden, da hier die der Publikation zugrunde liegende Konzeption der Elternarbeit als einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft erläutert wird.

Für die dritte Auflage des Buches wurde der bisherige Text überarbeitet. Obwohl seit der ersten Auflage immer mehr Kindergärten zu Kindertageseinrichtungen umbenannt wurden, wird weiterhin der erstgenannte Begriff im Titel dieses Buches – und zumeist auch im Text – verwendet. Aus an anderer Stelle (Textor 2012) erläuterten Gründen zieht der Autor den Ausdruck „Kindergarten“ anderen Bezeichnungen wie „Kindertagesstätte“ oder „Kita“ vor. Es gibt auch keinen Grund, den Begriff auf die Betreuung von Kindern ab dem dritten Lebensjahr bis zu ihrem Schuleintritt zu verengen. Mit „Kindergarten“ sind also im Folgenden alle Tageseinrichtungen für null- bis sechsjährige Kinder gemeint.

Für die vierte Auflage wurden Begriffe gendergerecht umformuliert. Ferner wurden einige Aktualisierungen im Text und bei den Literaturangaben vorgenommen.

Die Bezeichnung „Erzieher/innen“ wird in diesem Buch stellvertretend für alle Beschäftigen in Kindergärten gebraucht, also auch für Sozialpädagog/innen, Kindheitspädagog/innen, Kinderpfleger/innen, Sozialassistent/innen, Praktikant/innen usw. Der besseren Lesbarkeit willen wird von „Erzieherin“ gesprochen, wenn der Singular verwendet wird. Erzieher werden um Verständnis für diese Sprachregelung gebeten.

1. Erziehungs- und Bildungspartnerschaft

Seit Jahrzehnten ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Familie einen bei weitem größeren Einfluss auf die Erziehung und Bildung von (Klein-) Kindern hat als Kindergarten und Schule. Beispielsweise wurde schon in den 1960er Jahren in den damals Aufsehen erregenden Büchern „Equality of educational opportunity“ von Coleman et al. (1966) und „Children and their primary schools“ von Plowden (1967) anhand von Untersuchungen aufgezeigt, dass der Anteil der Schule am Schulerfolg von Kindern nur etwa halb so groß wie der Anteil der Familie ist. Seitdem wurden Hunderte von empirischen Studien veröffentlicht, die zu ähnlichen Ergebnissen kamen. Auch die vielen seit der Jahrhundertwende erschienenen internationalen Vergleichsstudien wie PISA, TIMMS oder IGLU belegten immer wieder, dass die Schulleistungen weitgehend von Familienfaktoren abhängen (Bildungsstand der Eltern, sozioökonomischer Status, Migrationshintergrund usw.).

Auch der Kindergarten hat bei weitem nicht einen mit der Familie vergleichbaren Einfluss auf die kindliche Entwicklung und die späteren Schulleistungen. Die erste Längsschnittuntersuchung in der Bundesrepublik Deutschland, die sich mit dieser Fragestellung befasste, wurde 2005 von Tietze, Roßbach und Grenner vorgelegt. Hier wurde u.a. festgestellt, dass am Ende der Kindergartenzeit je nach Kriteriumsvariable 6,3 bis 21,9% der Entwicklungsvarianz durch die Qualität des Familiensettings und nur 3,6 bis 8,4% an zusätzlicher Varianz durch das Kindergartensetting erklärt werden konnten. Am Ende der zweiten Grundschulklasse war der Anteil an der modellerklärten Varianz, die auf die Familie zurückging, rund doppelt so groß wie der Anteil des Kindergartens und der Schule.

Die ersten Ergebnisse der „Nationalen Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit“ (NUBBEK) bestätigen, dass die Familie einen viel größeren Einfluss auf die kindliche Entwicklung als die Kindertagesbetreuung hat. Die Wissenschaftler schreiben: „Die Zusammenhänge mit den Familienmerkmalen sind z.T. um ein Vielfaches stärker als die mit den Merkmalen der außerfamiliären Betreuung“ (Tietze et al. 2012, S. 11).

Amerikanische und britische Längsschnittuntersuchungen, die dank großer Stichproben repräsentativer als die meisten deutschen Studien sind, kommen zu demselben Ergebnis. Beispielsweise ergab die „NICHD Study of Early Child Care“ (Textor 2007a), dass Familienund Kindfaktoren einen größeren Teil der Varianz hinsichtlich der kognitiven, sozioemotionalen und Sprachentwicklung erklärten als Variablen der Fremdbetreuung. Auch bei der größten europäischen Längsschnittuntersuchung, der „Effective Provision of Pre-School Education (EPPE)“-Studie aus Großbritannien, wurde immer wieder der starke Einfluss der Qualität des „home learning environment“ betont (Textor 2007b).

Die Familie prägt aber nicht nur die kognitive bzw. intellektuelle Entwicklung von Kindern, sondern auch ihre soziale, emotionale und personale Entwicklung. So ist allgemein anerkannt, dass der Einfluss der Eltern auf das Verhalten und Erleben ihrer Kinder bei weitem größer ist als der Einfluss von Kindergarten und Schule.

Von der Elternarbeit zur Erziehungspartnerschaft

Wenn die Familie eine so große Erziehungs- und Bildungsmacht ausübt, müssen Erzieher/innen die Zusammenarbeit mit den Eltern suchen, wenn ihre pädagogische Arbeit von Erfolg gekrönt sein soll. Die Voraussetzung hierfür ist, dass beide Seiten zunächst einmal erkennen und akzeptieren, dass die Bildung bzw. Erziehung eines Kindes eine gemeinschaftliche Ko-Konstruktion von ihnen (und dem jeweiligen Kind) ist. Sie sind sozusagen „natürliche“ Partner. Eltern und Erzieher/innen sollten sich somit als Ko-Konstrukteure verstehen, die gemeinsam die Verantwortung für das Wohl des Kindes übernehmen und bei seiner Erziehung und Bildung zusammenarbeiten.

Dieses Kooperationsverhältnis wird heute als „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ bezeichnet. Damit sind grundlegende Unterschiede zu früheren Konzepten der Elternarbeit impliziert, die nun kurz skizziert werden sollen: Bei der klassischen Konzeption beschränkte sich Elternarbeit zumeist auf Elternabende und – bei Bedarf – auf Termingespräche. Die Eltern mussten ihre Kinder im Eingangsbereich des Kindergartens abgeben, durften also nicht die Gruppenräume betreten. Dies verhinderte weitgehend Tür- und Angel-Gespräche.

Schon seit den 1960er Jahren konkurriert das Konzept einer intensiven Elternarbeit mit der klassischen Konzeption. Hier wird die Familienerziehung von Erzieher/innen kritisch gesehen, und so soll Eltern pädagogisches Fachwissen vermittelt werden. Ein typischer Elternabend hat dann ein Thema wie „Gefahren des Fernsehens“ oder „Gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf – Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen im Kindergarten“. Die Erzieher/innen definieren sich hier als kompetente Pädagog/innen, während ein Großteil der Eltern als inkompetent betrachtet wird.

Den vorgenannten Konzeptionen ist somit ein hierarchisches Verhältnis zu eigen. Impliziert ist die einseitige Beeinflussung der (passiven) Eltern durch die Fachkräfte – sie „bearbeiten“ die Erziehungsberechtigten. Dies ist anders, wenn Elternarbeit als eine Dienstleistung verstanden wird (z.B. Jansen/Wenzel 1999). Hier werden Eltern als „Kunden“ gesehen, die Angebote der Einrichtung „konsumieren“. Diese sind an ihren spezifischen Wünschen und Interessen auszurichten, was viele Wahlmöglichkeiten bedingt. Eine hohe Qualität der Elternarbeit ist gegeben, wenn die Eltern mit dem Dienstleistungsangebot zufrieden sind. Das Motto lautet somit: „Der Kunde ist König“.

Die neuste Konzeption der Elternarbeit ist die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. Hier werden die vorgenannten Konzepte für nicht mehr zeitgemäß gehalten – zum einen seien die meisten Eltern nicht inkompetent und den Erzieher/innen untergeordnet, zum anderen könne es bei dem geringen Zeitbudget für Elternarbeit nicht darum gehen, irgendwelchen Wünschen von Eltern zu entsprechen.

1.1 Ziele der Elternarbeit

Das zentrale Ziel, mit Eltern eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft einzugehen, lässt sich weiter aufschlüsseln. Es umfasst die nachfolgend beschriebenen Zieldimensionen bzw. Teilziele.

Von besonderer Bedeutung für die Elternarbeit ist die wechselseitige Öffnung: Eltern und Erzieher/innen müssen Zeit finden zum Austausch wichtiger Informationen über das Verhalten des Kindes in Familie und Kindertageseinrichtung, die Lebenslage der Familie, die Kindergartensituation, Probleme und Belastungen. Auch sollten die pädagogische Arbeit in der Kindertagesstätte und die ihr zugrunde liegende Konzeption verdeutlicht werden. Die Eltern wollen beispielsweise wissen, wie die Erzieher/innen dem Bildungsauftrag des Kindergartens entsprechen, welche Methoden sie einsetzen, wie mit der gesamten Gruppe gearbeitet wird, wie einzelne Kinder individuell gefördert und auf welche Weise sie auf die Schule vorbereitet werden.

So wird einerseits den Eltern der Lebensbereich „Kindergarten“ transparent gemacht, während andererseits die Erzieher/innen Einblick in die Familiensituation der ihnen anvertrauten Kinder erlangen und diese in ihrer pädagogischen Arbeit berücksichtigen können (familienergänzende Funktion der Kindertageseinrichtung). Beide Seiten entwickeln Verständnis für den Lebenszusammenhang und die Problemsicht der jeweils anderen. Sie lernen das Kind aus dem Blickwinkel eines anderen Erwachsenen kennen, werden zur Reflexion eigener Erziehungsvorstellungen und Erfahrungen angeregt und erkennen die Kompetenzen der jeweils anderen Seite an.

Erst die wechselseitige Öffnung ermöglicht eine Abstimmung von privater und öffentlicher Erziehung bzw. Bildung. Erzieher/innen und Eltern tauschen sich über ihre Erziehungsziele, -stile und -methoden aus und streben nach einem Konsens. Aus der bisher üblichen parallel erfolgenden Erziehung und Bildung in Kindergarten und Familie wird ein gemeinschaftliches Unterfangen auf der Grundlage eines gemeinsamen Erziehungskonzepts; beide Seiten bilden eine erziehende und bildende Kooperationsgemeinschaft. Zugleich werden die Verantwortungsbereiche und Rollen von Eltern und Erzieher/innen gegeneinander abgegrenzt. Bei unterschiedlichen, aber akzeptablen Erziehungsstilen können beide Seiten zu wechselseitiger Toleranz finden, sodass sie nicht gegeneinander arbeiten. Kleinkinder „erfühlen“ die Beziehung zwischen ihren Eltern und den Erzieher/innen. Erleben sie hier eine von Verständnis, Vertrauen und Wertschätzung getragene Allianz, wird sich dieses auf ihr Verhältnis zu den Fachkräften und auf ihr Explorationsverhalten positiv auswirken.

Öffnung kann auch bedeuten, dass Eltern in der Gruppe hospitieren können. Dies hat den Vorteil, dass sie den Kindergartenalltag direkt und unmittelbar kennen lernen. Sie nehmen Anteil am Leben ihres Kindes in der Gruppe und vermitteln ihm den Eindruck, dass sie sich für das interessieren, was es in der Einrichtung erlebt. Oft erkennen die Eltern ganz neue Seiten an ihrem Kind, wenn sie es im Umgang mit anderen oder beim Spielen beobachten. Zudem erleben sie den pädagogischen Stil der Erzieher/innen und sehen, wie diese die Entwicklung der ihnen anvertrauten Kinder fördern und mit problematischen Verhaltensweisen umgehen. Sie schätzen die Arbeit der Fachkräfte mehr und erkennen den Wert des Freispiels.

Die wechselseitige Öffnung, aber auch die Beobachtung des erzieherischen Verhaltens der Fachkräfte, führt oft zu Gesprächen über Erziehungsziele, -praktiken und -probleme. Damit ist ein weiteres Ziel der Elternarbeit angesprochen: die Einwirkung auf das Erziehungsverhalten der Eltern. Dies kann aber auch z.B. durch Elternabende mit Kurzvorträgen über die kindliche Entwicklung, in Gesprächsgruppen zu pädagogischen Themen oder durch das Besprechen von Erziehungsfragen der Eltern „zwischen Tür und Angel“ bzw. im Büro erreicht werden. Dabei kommt es darauf an, das kindliche Erleben und Verhalten zu verdeutlichen, positive und negative Seiten der Kinder aufzuzeigen, ihre Individualität zu würdigen, den Stellenwert der Familienerziehung zu betonen, ein entwicklungsförderndes, positiv wirkendes Verhalten von Eltern zu beschreiben, Erziehungsfehler anzusprechen und der häufig zu beobachtenden Verunsicherung von Eltern in pädagogischen Fragen entgegenzuwirken. Zur Elternbildung können ferner Informationen über altersgemäße Beschäftigungsmöglichkeiten und Förderangebote, über altersentsprechende Spiele, Bücher und Aktivitäten sowie über ein besseres Freizeitverhalten der Familienmitglieder beitragen (z.B. Reduzierung der Mediennutzung, Förderung von Selbsttätigkeit und Kreativität). Hilfreich ist auch das Lernen am Modell der Erzieherin (z.B. durch Beobachtung ihres Umgangs mit Kindern oder durch Information über ihre Reaktionen auf problematische Verhaltensweisen von Kindern). Schließlich kann die Vaterrolle reflektiert werden, wodurch Erzieher/innen einen Beitrag zur Intensivierung der Vater-Kind-Beziehung und zur Einbindung von Vätern in die Erziehungsarbeit leisten.

Erziehungspartnerschaft bedeutet auch, dass Eltern bei Erziehungsschwierigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder mit Beratung durch die Erzieher/innen rechnen können. Gemeinsam wird das Verhalten des jeweiligen Kindes analysiert, werden die Ursachen von Problemen abgeklärt und geeignete Lösungsmöglichkeiten gesucht.

Neben der Beratung bei Erziehungsfragen ist auch die Unterstützung bei anderen Familienproblemen ein Ziel der Elternarbeit. Je mehr sich Erzieher/innen mit der familialen Lebenslage der ihnen anvertrauten Kinder auseinandersetzen, umso mehr werden sie mit Ehekonflikten, den Folgen von Scheidung und Alleinerzieherschaft, mangelnden sozialen Kontakten von Eltern, unbefriedigenden Wohnsituationen oder aus Arbeitslosigkeit und Armut resultierenden materiellen Nöten konfrontiert. Sie müssen für die Schwierigkeiten der Familie Verständnis zeigen, verbale und emotionale Unterstützung bieten und notwendige Hilfsangebote psychosozialer Dienste vermitteln. Dazu gehört, dass sie auf Rechtsansprüche (z.B. auf finanzielle Sozialleistungen) hinweisen, zur Kontaktaufnahme mit Behörden und Beratungsstellen motivieren oder selbst – im Einvernehmen mit den Eltern – den Kontakt herstellen. Oft reichen aber auch die Möglichkeiten des Kindergartens aus: So kann beispielsweise (berufstätigen) Alleinerziehenden Kinderbetreuung durch andere Eltern an Abenden oder während der Ferien vermittelt und ihnen durch die Gründung eines Alleinerziehendentreffs die Möglichkeit zum wechselseitigen Austausch und zur gegenseitigen Hilfe geboten werden.

Erziehungs- und Bildungspartnerschaft bewährt sich in der Mitarbeit von Eltern in der Kindertageseinrichtung. So können diese in den Kindergartenalltag einbezogen werden oder an besonderen Aktivitäten, bei Projekten und Veranstaltungen sowie an deren Planung mitwirken. Auf diese Weise kommen Kinder in engeren Kontakt mit anderen Erwachsenen und machen neue Erfahrungen (z.B. durch das Erleben der Erwachsenenwelt, das Spielen mit anderen Eltern usw.). Manche Mütter und Väter sind auch bereit, beispielsweise im Elternbeirat, bei Renovierungs- oder Gartenarbeiten, in der Kindergruppe oder bei der Vorbereitung und Durchführung von Festen und anderen Aktivitäten mitzuarbeiten. Ferner können Eltern der Kindergruppe den Zugang zu Einrichtungen der Gemeinde, zu Institutionen des Kulturbereichs oder zur Arbeitswelt erschließen, zur Entlastung der Erzieher/innen beitragen und als „Botschafter“ des Kindergartens in der Öffentlichkeit wirken.

Erziehungs- und Bildungspartnerschaft darf nicht im Unverbindlichen bleiben, sondern muss mit Mitbestimmung seitens der Eltern verbunden sein. Die Fachkräfte können Eltern beispielsweise an der Konzeptionserstellung, der Jahres- bzw. Rahmenplanung, der Projektarbeit oder der Organisation von Festen und besonderen Aktivitäten beteiligen. Werden ihnen echte Rechte im Elternbeirat übertragen, werden sie auch als Interessenvertreter von Kindern und Kindergarten gegenüber dem Träger und in der Öffentlichkeit auftreten und sich als Verbündete der Erzieher/innen für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen engagieren. Mehr Partizipation seitens der Eltern ist zugleich ein Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft. Eltern sollten die Verantwortung für die Betreuung ihrer Kinder mit den Erzieher/innen teilen.

Heute legen Eltern großen Wert darauf, in der Kindertageseinrichtung mit anderen Eltern zusammenzukommen und sich mit ihnen über Erfahrungen mit ihren Kindern, Erziehungsfragen, Lebensprobleme und andere sie interessierende Themen auszutauschen. Gelingt es den Erzieher/innen, ihre Einrichtung zu einer Art „Kommunikationszentrum“ für Eltern auszugestalten (z.B. durch Angebote wie Gesprächskreise oder Elterncafés), so haben sie ein wichtiges Ziel der Elternarbeit erreicht und einen Beitrag zur psychischen Stabilisierung der Eltern geleistet. Zugleich werden wechselseitige Unterstützung und Vernetzung ermöglicht (Nachbarschafts-/Familienselbsthilfe) sowie freundschaftliche Beziehungen und gemeinsame Aktivitäten von Familien initiiert. Letzteres führt auch dazu, dass Kinder andere Mütter und Väter erleben sowie neue Vorbilder und Geschlechtsrollenleitbilder gewinnen (z.B. wichtig für Kinder aus Teilfamilien).

Ferner kommt es auf diese Weise zu einer Integration von sozial benachteiligten Familien, von Familien mit Migrationshintergrund, von Randgruppen und Problemfamilien. Durch Erfahrungen des Zurückgestoßenwerdens und der sozialen Kontrolle sind viele Erwachsene aus solchen Familien kontaktscheu und abweisend geworden, sind sie misstrauisch gegenüber Behörden und sozialen Einrichtungen – zu denen auch der Kindergarten gerechnet wird. Außerdem sind ihre Bedürfnisse und Probleme oftmals den Erzieher/innen fremd und unbekannt. So sind große Anstrengungen und viel Geduld erforderlich, wenn die Fachkräfte ein Vertrauensverhältnis zu diesen Familien aufbauen, sie in die Elternarbeit des Kindergartens einbeziehen und ihnen Unterstützung zukommen lassen wollen. Die Herkunftskultur von Familien mit Migrationshintergrund sollte nicht nur toleriert, sondern auch offen als wertvoll anerkannt werden. Auf diese Weise können Kindergärten einen Beitrag zur interkulturellen Verständigung leisten.

Schließlich gehört die Integration des Kindergartens in das Gemeinwesen zur Elternarbeit. Dieses Ziel kann oft nur erreicht werden, wenn traditionelle Formen der Kindertagesbetreuung um Angebote der Elternberatung und Familienselbsthilfe, um Eltern-Kind-Gruppen, Teestuben oder die Vermittlung von Tagesmüttern und Babysittern ergänzt werden. Durch den Gemeinwesenbezug soll Kontakt zum Umfeld des Kindergartens hergestellt, Nachbarschaftshilfe mobilisiert, Solidarität mit den Schwachen und Isolierten unserer Gesellschaft gefördert und die Verantwortungsbereitschaft gestärkt werden. Schon im Achten Jugendbericht (Deutscher Bundestag 1990) wurde der Ausbau der Kindertageseinrichtungen zu Stadtteil- bzw. Nachbarschaftszentren mit breit gestreuten Angeboten und Unterstützungsleistungen gefordert – wie z.B. Spielkreise für jüngere Kinder, Hausaufgabenhilfe, die Förderung von Elterninitiativen und die Vermittlung praktischer Fähigkeiten zur Lebenshilfe (z.B. Nähkurse).

1.2 Voraussetzungen für eine gute Kooperation

Trotz der großen Bedeutung der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern müssen Extreme vermieden werden: Selbstverständlich sollen Kindergärten Kindereinrichtungen bleiben – und nicht zu Elterneinrichtungen mutieren. Betrachtet man aber die meisten der vorgenannten Ziele der Elternarbeit, so wird deutlich, dass es hier letztlich immer um das Wohl des jeweiligen Kindes geht – es steht im Zentrum der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Familie und Kindergarten.

Abgesehen davon ist eine übertriebene Schwerpunktsetzung auf Elternarbeit sowieso zum Scheitern verurteilt: So ist die Zeit der Eltern begrenzt, die sie im Kindergarten verbringen wollen bzw. können, und wird in den nächsten Jahren noch geringer werden. Gegenwärtig erfolgt ein rasanter Abbau von Normalarbeitszeitverhältnissen, während gleichzeitig Mütter nach der Geburt eines Kindes immer früher wieder berufstätig werden und immer länger arbeiten. Im Jahr 2018 waren bereits 42% der Mütter mit Kindern im Alter von einem Jahr erwerbstätig (2008: 36%). War das jüngste Kind zwei Jahre alt, stieg der Prozentsatz auf 61% (2008: 46%) (Statistisches Bundesamt 2019).

Nimmt man noch den zunehmenden Arbeitsstress hinzu, der bei Eltern zu einem größer werdenden Bedürfnis nach Regeneration und Erholung am Abend führt, wird deutlich, dass Eltern nur in einem sehr begrenzten Zeitumfang Angebote der Elternarbeit nutzen wollen und können. Je mehr Angebote ein Kindergarten im Laufe eines Monats macht, umso geringer wird die jeweils teilnehmende Zahl der Eltern werden.

Aber auch die Zeit der Erzieher/innen ist begrenzt – selbst wenn sie sich oft noch Freiräume schaffen können, indem sie z.B. den Alltag in der Einrichtung umorganisieren oder Aufgaben delegieren (siehe Kapitel 3.2). So sollten Erzieher/innen maximal zwei Veranstaltungen pro Monat anbieten. Damit auch Erwerbstätige, Alleinerziehende oder Mütter mit Säuglingen teilnehmen können, sollten Elternangebote zu verschiedenen Zeitpunkten (morgens, nachmittags, abends, gelegentlich auch am Wochenende) und zum Teil mit paralleler Kinderbetreuung gemacht werden.

Eine andere Vorbedingung für die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft ist, dass Erzieher/innen über das notwendige Fachwissen und die benötigten Fähigkeiten verfügen – was bisher erst zum Teil der Fall ist. Aus- und Fortbildung sind somit gefordert, relevante Kenntnisse aus den Bereichen Entwicklungspsychologie, Familienforschung, Erwachsenenbildung, Gruppendynamik und Sozialarbeit sowie Beobachtungsfertigkeiten, Techniken der Gesprächsführung, Beratungskompetenzen, Konfliktlösungsverfahren und Methoden der Elternbildung zu vermitteln. Ferner benötigen Erzieher/innen gute sprachliche Fähigkeiten und Erfahrung im Umgang mit Textverarbeitungs- und Grafikprogrammen sowie mit neuen Medien. Ferner sollten sie wissen, wie man Situations- und Bedarfsanalysen durchführt (vgl. Kapitel 3.1).

Aber auch die Träger von Kindergärten sind gefordert: Sie müssen nicht nur den Erzieher/innen genügend Verfügungszeit für Elternarbeit zugestehen und „ungewöhnliche“ Elternangebote außerhalb der Regelarbeitszeit genehmigen (z.B. Hausbesuche, Vater-Kind-Aktionen an Samstagen, Ausflüge am Wochenende), sondern auch die räumlichen Voraussetzungen schaffen. So werden z.B. genügend große Stühle für Elternveranstaltungen sowie eine Couch, Sessel und ein Tisch für Elterngespräche im Büro benötigt. Positiv auf die Elternarbeit wirkt sich aus, wenn ein Raum nur für die Eltern zur Verfügung gestellt werden kann (z.B. für ein Elterncafé), insbesondere wenn dieser auch außerhalb der Öffnungszeiten des Kindergartens und ohne Anwesenheit der Erzieher/innen genutzt werden darf (z.B. für Sitzungen der Elternvertretung, Gesprächskreise, einen Elternstammtisch oder einen Entspannungskurs).

Selbst wenn auf beiden Seiten Zeit und Wille vorhanden sind, ist eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft nicht einfach zu erreichen. Auf Seiten der Eltern ist die Bereitschaft zur Öffnung, zum Dialog mit den Erzieher/innen und zur Mitarbeit in der Kindertageseinrichtung eine wichtige Voraussetzung. Die Eltern sollten Vertrauen haben sowie die Person und die Kompetenz der Fachkraft schätzen. Wichtig ist auch der Wille zur Reflexion von eigenen Erziehungszielen, -vorstellungen und -methoden, Werten und Leitbildern.

Die meisten Eltern haben eine positive Grundhaltung gegenüber den Erzieher/innen ihrer Kinder. Allerdings gibt es auch Eltern mit überhöhten Erwartungen, die den Vorstellungen der Fachkräfte eher kritisch gegenüber stehen und sich in deren Arbeit einzumischen versuchen. Andere Eltern sind hingegen an einer Erziehungspartnerschaft nicht interessiert und wollen lediglich ihr Kind gut aufbewahrt wissen. Manche Eltern haben Angst vor den Fachkräften, da sie in ihnen die ersten professionellen Personen sehen, die ihr Kind und damit auch ihre Erziehungsbemühungen beurteilen – und für viele Eltern mit Migrationshintergrund sind Erzieher/innen darüber hinaus noch Repräsentantinnen des (kontrollierenden) Staates.

Die Fachkräfte sollten sich somit bemühen, allen Eltern ein realistisches Bild von ihrer Rolle sowie ihren fachlichen und persönlichen Kompetenzen zu vermitteln. Sie müssen auf desinteressierte, ängstliche und schüchterne Eltern zugehen und von sich aus das Gespräch mit ihnen suchen. Prinzipiell sollten sie bei Eltern neuer Kinder schon bei den ersten Kontakten versuchen, eine positive Haltung gegenüber der Erziehungspartnerschaft zu wecken.

Generell ist laut Powell (1998) die Wahrscheinlichkeit größer, dass sich Eltern intensiv in der Kindertageseinrichtung und in der Familienerziehung engagieren, wenn sie (1) sich in ihrer Elternrolle als „Erzieher“ sehen, (2) glauben, dass sie einen großen Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder ausüben, und (3) sich von den Erzieher/innen zur Mitarbeit eingeladen fühlen. Auch sollten ihnen viele Möglichkeiten im Kindergarten aufgezeigt worden sein, wo sie aktiv werden können. Eltern, die sich z.B. aufgrund von Ehescheidung, Alleinerzieherschaft, Arbeitslosigkeit, Armut, Migrationshintergrund, mangelnden Deutschkenntnissen oder ausländischer Staatsangehörigkeit abkapseln, müssen besonders zur Mitarbeit motiviert werden.