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Bei der Erziehung und Bildung von Kindern geht es immer um deren Zukunft. Wir wollen ihnen Kenntnisse und Fertigkeiten mitgeben, die sie benötigen, damit sie später in der Arbeitswelt erfolgreich sein, positive Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen und ihr persönliches Glück finden können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir uns fragen: Wie werden die Kinder von heute in 20 oder 40 Jahren leben? In was für einer Welt werden sie dann zurechtkommen müssen? Mit welchen Herausforderungen werden sie konfrontiert werden? Was werden sie dann an Wissen benötigen? Wie können wir Kinder "fit für die Zukunft" machen? Diese Fragen werden in dem vorliegenden Buch beantwortet. Im ersten Teil wird beschrieben, wie sich Zukunftsforscher die Welt in 20 oder 30 Jahren vorstellen. Nach jedem Kapitel werden relevante Kompetenzen aufgezeigt, die Menschen zur Bewältigung der jeweiligen Zukunftsentwicklungen benötigen. Die so erarbeiteten Fähigkeiten und Qualifikationen werden im zweiten Teil des Buches zusammengefasst. Im dritten Teil wird diskutiert, wie Familie, Kindertageseinrichtung und Schule Kinder "zukunftsfähig" machen können.
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Seitenzahl: 146
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Einleitung
Die Welt von morgen
Der internationale Kontext
Die neue Weltordnung
Umweltveränderung und Klimawandel
Wissensexplosion und technologischer Wandel
Wirtschaft und Arbeitsmarkt
Das „abwechslungsreichere“ Arbeitsleben
Demografische Entwicklung
Wandel der Gesellschaft
Familie und Kindheit
Kompetenzen für die Welt von morgen
Kinder zukunftsfähig machen
Aufgaben von Familien
Aufgaben von Kindertageseinrichtungen
Aufgaben von Schulen
Fazit
Ausblick
Zu den Quellen
Autor
Bei der Erziehung und Bildung von Kindern geht es immer um deren Zukunft. Wir wollen ihnen diejenigen Kenntnisse und Fertigkeiten mitgeben, die sie benötigen, damit sie später in der Arbeitswelt erfolgreich sein, positive Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen und ihr persönliches Glück finden können.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssten wir uns eigentlich Fragen wie die folgenden stellen: Wie werden die Kinder von heute in 20 oder 40 Jahren leben? In was für einer Welt werden sie dann zurechtkommen müssen? Mit welchen Herausforderungen werden sie konfrontiert werden? Wie können wir unsere Kinder „fit für die Zukunft“ machen? Was benötigen sie an Kenntnissen und Schlüsselqualifikationen, um in 10 oder 20 Jahren beruflich und privat erfolgreich sein zu können?
Tatsache ist aber: Obwohl diese Fragen logisch sind, werden sie nicht gestellt! Sonderbarerweise wird eher rückwärts gerichtet gedacht. Eltern fragen: Wie wurde ich als Kind erzogen? Will ich meine Kinder genauso erziehen – oder was will ich ändern? Erzieherinnen fragen: Wie kann ich die Vorgaben des vom zuständigen Ministerium verabschiedeten Bildungsplans in meiner Kindergruppe umsetzen? Eignen sich alle Kinder die dort genannten Kompetenzen an? Lehrer fragen: Wie berücksichtige ich die Ziele und Inhalte des Lehrplans in meinem Unterricht? Haben meine Kinder das gelernt, was sie in den letzten Tagen lernen sollten? Und bei diesen Fragen bedenken weder Erzieherinnen noch Lehrer, dass die Bildungs- bzw. Lehrpläne nicht nur schon einige Jahre alt sind, sondern dass bei ihrer Erstellung bzw. Aktualisierung nur gegenwartsorientiert gedacht wurde: Was benötigen Kinder heute noch zusätzlich an Wissen und Kompetenzen?
Aber wir wollen unsere Kinder doch nicht für ein Leben in der Vergangenheit bilden und erziehen, sondern für ein Leben in der Zukunft! Dann müssen sie sich bewähren. Deshalb müssen wir dringend umdenken, also überlegen, wie sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiterentwickeln werden, welche Qualifikationen unsere Kindern dann benötigen und wie wir jetzt die Grundlagen dazu legen können.
Dieses Ziel verfolgt die „Zukunftsorientierte Pädagogik“. Im ersten Teil des Buches wird zunächst beschrieben, wie sich Zukunftsforscher die Welt in 20 oder 30 Jahren vorstellen. Nach jedem Kapitel werden relevante Kompetenzen aufgezeigt, die Menschen zur Bewältigung der jeweiligen Zukunftsentwicklungen benötigen. Die so erarbeiteten Fähigkeiten und Fertigkeiten werden im zweiten Teil des Buches zusammengefasst. Im dritten Teil wird diskutiert, wie Familie, Kindertageseinrichtung und Schule Kinder „zukunftsfähig“ machen können.
Zukunftstrends und in den kommenden Jahren benötigte Kompetenzen können natürlich nur mit einem hohen Unsicherheitsfaktor prognostiziert werden, da letztlich offen ist, wie sich die Zukunft entwickeln wird. Auch lassen sich Fähigkeiten nur schwer lehren, die vermutlich in Zukunft benötigt werden, aber von den heutigen Eltern, Erzieherinnen und Lehrern nicht beherrscht werden. Kindern und Jugendlichen sollte also so viel an Lernfähigkeit, Kreativität und Flexibilität mitgegeben werden, dass sie sich eines Tages die dann benötigten Kompetenzen selbst aneignen können. Aber auch die den Kindern und Jugendlichen vermittelten Werte und Einstellungen werden in Zukunft eine große Rolle spielen, da sie mitbestimmen, wie die nächste Erwachsenengeneration mit großen Herausforderungen wie Klimawandel, Umweltverschmutzung, Alterung der Bevölkerung, Zuwanderung, Wissensexplosion, technologischen Neuerungen usw. umgehen wird.
Mein Großvater väterlicherseits lebte von 1882 bis 1954. Es ist undenkbar, dass zum Zeitpunkt seiner Geburt ein Wissenschaftler einen Vortrag hielt, in dem er voraussagte, dass während des Lebens meines Großvaters z.B. das Auto (1885), das lenkbare Luftschiff (1900), das Flugzeug (1903: Motorflug), der Rundfunk (1923), das Fernsehen (1929), die Perlon- und Nylonfasern (1938), die Fernrakete V2 (1942), der Kernreaktor (1942) und die Atombombe (1945) erfunden würden. Kein Mensch wird damals vorhergesehen haben, dass in den nächsten 70 Jahren Naturwissenschaften und Industrie einen unglaublichen Aufschwung erleben, immer mehr Menschen in die Städte strömen, die Straßen asphaltiert und mit Lampen versehen, die Kaiser- und Königreiche durch Demokratien ersetzt, zwei Weltkriege ausbrechen und die Kommunisten in Russland, China und weiteren Ländern an die Macht kommen würden.
Heute ist die Situation etwas anders. So ist mit der Zukunftsforschung ein interdisziplinäres Arbeitsfeld entstanden, in dem vor allem Wissenschaftler und Manager tätig sind. Wohl gibt es an Universitäten nur wenige Lehrstühle für Zukunftsforschung, aber viele Wissenschaftler befassen sich in ihrem Arbeitsfeld – sei es z.B. Klimatologie, Volkswirtschaft, Biologie, Ozeanographie oder Architektur – mit Zukunftsprognosen. Behörden wie Forschungsministerien und Statistikämter, Unternehmen wie Großbanken und Mineralölkonzerne, Unternehmensberatungen und supranationale Organisationen wie UN, Europäische Kommission und OECD betreiben Zukunftsforschung. Inzwischen gelingt es recht gut, in der Rückschau erkennbare Tendenzen in die Zukunft fortzuschreiben und dabei beispielsweise zu berücksichtigen, dass sich die technische Entwicklung immer weiter beschleunigt.
Dennoch bleiben große Unsicherheitsfaktoren. Weitgehend unvorhersehbar sind vor allem große Naturkatastrophen, selbst wenn man weiß, dass irgendwann beispielsweise Kalifornien und die Region um Tokio von großen Erdbeben betroffen sein werden oder dass unter Neapel und dem Yellowstone National Park Vulkane vor dem Ausbruch stehen. Aber auch große politische Umwälzungen können nicht vorausgesagt werden: So könnte es mit dem Wirtschaftswunder in Ost- und Südasien ein schnelles Ende haben, wenn es in China zu einer neuen Kulturrevolution käme oder wenn in Indien die Hunderte von Millionen Menschen revoltieren würden, die bisher kaum vom Wirtschaftswachstum profitiert haben.
Bei den in diesem Buch vorgestellten Prognosen wurde auf Zitate und Literaturhinweise verzichtet, um den Gedankenfluss nicht zu stören. Auch geht es hier weder um einen vollständigen Überblick über Zukunftsentwicklungen noch darum, einzelne Trends im Detail zu erörtern. Bei der Zielsetzung dieses Buches spielt es z.B. keine Rolle, welche Szenarien die Population Division der UNO bei der Berechnung der zukünftigen Weltbevölkerung unterscheidet – ob also diese bis 2050 von 7,0 auf 8,1 (niedrige Variante), 9,3 (mittlere Variante) oder 10,6 Mrd. Menschen (hohe Variante) ansteigen wird. Genauso wenig müssen unterschiedliche Prognosen zum Klimawandel diskutiert werden – ob beispielsweise der weltweite Temperaturanstieg 4 oder 6 Grad bis 2100 betragen oder vielleicht sogar noch höher liegen wird. Für die Argumentation dieses Buches ist nur entscheidend, dass es solche Trends gibt und dass die Kinder von heute als Erwachsene die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen müssen.
Des Weiteren soll noch angemerkt werden, dass dieses Buch keine zukunftspessimistische Haltung vermitteln oder gar Angst vor der Zukunft machen will. Allein der Blick zurück auf die letzten 150 Jahre zeigt, dass nahezu jede Generation große Herausforderungen gemeistert hat – denken wir nur an den Deutsch-Französischen Krieg, den Ersten und den Zweiten Weltkrieg oder an die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise, das Dritte Reich oder die Wiedervereinigung. Auch war der technologische Wandel für meinen Großvater (s.o.) sicherlich einschneidender als für die Kinder von heute, die in ihn hineinwachsen und mit ihm groß werden. Welches Kind scheut vor neuer Technik so zurück wie es viele Erwachsene tun? Auch die heranwachsende Generation wird sich mit Sicherheit an die Zukunftsentwicklungen anpassen und die jeweiligen Anforderungen bewältigen. Aber dies wird ihr leichter gelingen, wenn wir sie darauf vorbereiten...
Wie werden sich also Weltordnung, Umwelt, Technik, Wirtschaft, Arbeitswelt, Gesellschaft, Familie und Kindheit in den nächsten 20, 30 Jahren verändern? Auf diese Frage soll im Folgenden eine Antwort versucht werden.
Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung von 7,7 auf ca. 9,7 Mrd. Menschen ansteigen. Dann kämen 75 Menschen auf einen Quadratkilometer Landfläche (ohne Antarktis). Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland derzeit 232 Menschen sind. Allerdings findet das Bevölkerungswachstum vor allem in Regionen statt, die schon jetzt Probleme mit Wassermangel, unzureichender landwirtschaftlicher Produktion und Armut haben. Hier ist in Zukunft mit Wanderungsbewegungen und ethnischen Spannungen zu rechnen. Zugleich wird das Durchschnittsalter der Weltbevölkerung von 31 Jahren voraussichtlich auf 36 Jahre im Jahr 2050 steigen. Dann müssen mehr Senioren versorgt werden, was in ärmeren Ländern ohne Rentenversicherungssysteme zu neuen sozialen Notlagen führen dürfte.
Seit 2008 lebt mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten. Ihr Anteil wird in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen – 2050 werden es fast drei Viertel sein. Immer mehr Menschen werden in Megastädten mit mehr als 10 Mio. Einwohnern leben. In den meisten Städten werden Umweltprobleme (Luftverschmutzung, kein bzw. unsauberes Wasser, Müllberge, unzureichendes Klären von Abwasser) und Armut zunehmen. Die Zahl der Slumbewohner wird weiter steigen.
In den 40 weltweit größten Ballungsräumen werden zwei Drittel der Weltwirtschaftsleistung und vier Fünftel der technologischen Innovationen erbracht, obwohl hier nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung lebt. Die meisten Warenströme verlaufen zwischen diesen Zentren bzw. zwischen ihnen und dem jeweiligen Umfeld. In den Ballungsräumen haben die meisten Konzerne ihren Sitz; hier agiert eine zunehmend global denkende und lebende Elite. Zu ihnen stoßen immer mehr Akademiker und Fachkräfte hinzu, die zuvor in Entwicklungsländern lebten, weil sie in den OECD- bzw. Schwellenländern bessere berufliche Chancen haben und mehr verdienen. Diese Menschen „leben“ die Globalisierung, bilden aber nur eine kleine Minderheit: Rund 90% der Weltbevölkerung kennt ausschließlich ihr Heimatland – und hier oft nur die Region um ihren Geburtsort herum. So gibt es im Grunde bloß eine „Semi-Globalisierung“ (Pankaj Ghemawat).
Die Globalisierung führte dazu, dass Unternehmen viele Arbeitsplätze in „billigere“ Länder verlagert haben. So ist in höher entwickelten Staaten zum einen die Arbeitslosenquote gestiegen und stagnieren zum anderen die Erwerbseinkommen der Arbeitnehmer. Zudem haben sich in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern die Arbeitsbedingungen verschlechtert oder wird der Umweltschutz vernachlässigt, weil man entweder Arbeitsplätze halten oder „teurere“ Länder unterbieten will. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen von höher zu weniger entwickelten Ländern wird erst dann ein Ende finden, wenn Roboter billiger als Arbeitnehmer in Schwellen- und Entwicklungsländern produzieren können oder wenn aufgrund gestiegener Energiepreise die Transportkosten zu hoch werden. Das wird vor allem für Arbeitsplätze in der Industrie gelten, weniger aber für solche im Dienstleistungsbereich, in der Forschung und Entwicklung.
Das Weltgeschehen wird in den nächsten Jahren weiterhin durch Finanz- und Schuldenkrisen geprägt sein. Sie begannen im Frühjahr 2007 mit der US-Immobilienkrise, die u.a. durch die aufgrund sehr niedriger Zinssätze erfolgte Ausweitung der Kreditvergabe an Schuldner mit mäßiger Bonität sowie durch die Verbriefung von US-Hypothekenkrediten und den weltweiten Vertrieb dieser „Collateralized Debt Obligations“ verursacht wurde. Die Folgen waren Verluste und Insolvenzen bei Unternehmen der Finanzbranche (insbesondere Banken), die zum Teil nur aufgrund staatlicher Fremdkapitalspritzen weiter bestehen konnten. Die Finanzkrise weitete sich in vielen Ländern zu einer Wirtschaftskrise aus, der die Regierungen durch Konjunkturprogramme und die Zentralbanken durch eine radikale Absenkung der Zinsen zu begegnen versuchten. Letztere führte zum einen dazu, dass die Schulden von Unternehmen, Staaten, Privathaushalten und dem Privatsektor stark steigen, sodass in der Zukunft mit neuen Schuldenkrisen zu rechnen ist. Zum anderen rentieren die Geldanlagen von Erwerbstätigen und Rentnern kaum noch, was z.B. in den USA oder in Australien in vielen Fällen zur Verschiebung des Renteneintritts führt.
Diese Krisen erschüttern das Vertrauen in das kapitalistische Wirtschaftssystem – aber auch in die Politik, da viele Bürger mit den späten, halbherzigen und immer hinter den Ereignissen auf den Finanzmärkten hinterher hinkenden Reaktionen der Politiker nicht zufrieden sind und den Eindruck gewannen, dass Unternehmen der Finanzbranche auf ihre Kosten (Steuern) bzw. unter Beeinträchtigung ihrer Zukunftsaussichten oder derjenigen zukünftiger Generationen (Staatsschulden) gerettet würden. Insbesondere wenn sich die vorgenannten Krisen wieder verschärfen bzw. zu einer lang anhaltenden Rezession oder einer hohen Inflation führen sollten, könnte es zu starken Protestbewegungen und Regierungsumstürzen kommen.
Zudem stehen in den kommenden 30 Jahren weitere Krisen an:
Klimawandel: Die zunehmende Erderwärmung könnte in vielen Regionen der Welt zu Dürren und Überschwemmungen führen (s.u.). Viele Menschen müssten dann ihre Siedlungsräume verlassen. So geht das UN-Flüchtlingswerk von rund 250 Mio. Klimaflüchtlingen bis zum Jahr 2050 aus.
Ernährungskrise: Das weltweite Bevölkerungswachstum, die von den Ressourcen her aufwändigere Ernährung der zunehmenden Zahl von Mittelschichtsangehörigen in Schwellen- und Entwicklungsländern (z.B. mehr Fleisch- und Milchkonsum), der durch die Urbanisierung bedingte Verlust an zuvor landwirtschaftlich genutzten Flächen, die vielerorts abnehmende Fruchtbarkeit des Ackerbodens, Wassermangel, Erosion und Versteppung werden zu einer Lebensmittelknappheit führen. Hinzu kommt, dass immer mehr Nutzpflanzen für die Erzeugung von Biokraftstoffen verwendet werden. Der schleichende Rückgang bei der weltweiten Lebensmittelproduktion wird zum einen zu weiter steigenden Lebensmittelpreisen führen. Zum anderen könnte die Zahl der Hungernden – von Menschen, die diese Kosten nicht aufbringen können – wieder ansteigen.
Energie- und Rohstoffkrise: Auf der einen Seite nimmt der Bedarf an Energieträgern wie Erdöl, Erdgas und Steinkohle sowie an anderen Rohstoffen (insbesondere in den Schwellenländern) rasant zu, auf der anderen Seite schrumpfen die bekannten Vorkommen und werden irgendwann weitgehend ausgebeutet sein. So werden Rohstoffe in einigen Jahrzehnten knapper und teurer werden.
Weltweites Bevölkerungswachstum, Klimawandel sowie Ernährungs-, Energie- und Rohstoffkrisen werden die Menschheit verstärkt auf die „Grenzen des Wachstums“ stoßen lassen, die der Club of Rome schon in den frühen 1970er Jahren proklamierte. Das kapitalistische System, der verschwenderische Umgang mit natürlichen Ressourcen, der Massenkonsum, die „Wegwerf“-Gesellschaft haben keine Zukunft mehr. Jedoch ist heute das Zeitfenster für Gegenmaßnahmen viel kleiner als vor 40 Jahren. Zudem haben Finanz- und Schuldenkrisen die Aufmerksamkeit von diesen viel größeren Problemlagen abgelenkt – und gleichzeitig die finanziellen Ressourcen vermindert, die den Staaten für Gegenmaßnahmen zur Verfügung stehen. Die durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung in (hoch) entwickelten Ländern bedingten zusätzlichen Kosten für Renten, medizinische Versorgung und Pflege werden in den kommenden Jahren die finanziellen Spielräume noch mehr begrenzen.
Das weitgehende Ignorieren von Problemen und der fehlende politische Wille zu einschneidenden Maßnahmen (z.B. zur Reduzierung des Ausstoßes von Klimagasen oder zur Geburtenkontrolle) lassen es immer wahrscheinlicher erscheinen, dass die Menschheit das Rennen gegen die Zeit verlieren wird. Dementsprechend nimmt der Zukunftspessimismus in vielen Ländern zu.
Benötigte Kompetenzen
Für alle in diesem Buch vorgestellten Zukunftstendenzen gilt grundsätzlich, dass sich Kinder und Jugendliche – vor allem im Schulalter – mit diesen Entwicklungen befassen sollten, damit sie wissen, was in den kommenden Jahrzehnten auf sie zukommen wird. Sie benötigen somit Zukunftswissen. Dazu gehört auch, dass sie sich mit weltweiten Trends wie dem Bevölkerungswachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern, der Urbanisierung, der Globalisierung, der zunehmenden Staatsverschuldung und den bevorstehenden Engpässen bei der Versorgung mit Rohstoffen und Lebensmitteln auseinandersetzen, aber auch mit aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrisen. Da Prognosen aber nur begrenzt verlässlich sind, müssen sie auch lernen, mit Ungewissheiten zu leben.
Dabei sollten Kinder und Jugendliche weder Angst vor der Zukunft noch ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit entwickeln („Daran kann ich ja doch nichts ändern!“). Vielmehr gilt es, aus einem realistischen Zukunftswissen heraus relevante Einstellungen und Verhaltenstendenzen auszubilden: Insbesondere sollten Jugendliche und Heranwachsende die Grenzen des Wachstums akzeptieren, sich also darauf einstellen, dass die (Welt-) Wirtschaft nicht weiter durch Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung wachsen kann und dass der Staat nicht mehr Wohltaten auf Kosten künftiger Generationen verteilen wird, ja nicht nur sparen, sondern auch Schulden abbauen muss. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern haben wir in Deutschland Wohlstand und einen relativ hohen Lebensstandard erreicht, der vermutlich durch eine gerechtere Steuerpolitik, eine bessere Verteilung der Unternehmensgewinne und den Umbau der „Wegwerf“- zur „Recycling“-Gesellschaft gesichert, aber wohl kaum noch ausgeweitet werden kann.
Da die meisten Kinder und Jugendlichen ohne materielle Sorgen aufwachsen und ein Großteil ihrer Konsumwünsche erfüllt wird, mag es ihnen schwer fallen, später zu sparen oder auf etwas zu verzichten. Deshalb sollten sie möglichst frühzeitig auf eventuelle Einschränkungen hinsichtlich ihres Lebensstandards vorbereitet werden, zu denen es in den nächsten Jahrzehnten kommen könnte. Die Lebensqualität sollte für sie eine größere Bedeutung bekommen als der reine Konsum oder das Anhäufen von Besitztümern. Das muss ihr subjektives Wohlbefinden nicht beeinträchtigen. So hat die Glücksforschung gezeigt, dass andere Glücksfaktoren als rein materielle für die Lebenszufriedenheit immer wichtiger werden, je besser die Grundbedürfnisse abgedeckt sind.
Wenn Jugendliche und Heranwachsende realistische Zukunftserwartungen entwickeln, wird zum einen Enttäuschungen und den damit verbundenen Gefahren (z.B. einer Radikalisierung) vorgebeugt. Zum anderen wird die Bereitschaft geweckt, mehr auf sich selbst und sein soziales Netz (Selbsthilfe) als auf den Staat zu setzen, zugunsten anderer Menschen (z.B. Senioren und Pflegebedürftige im eigenen Land, Arme und Hungernde in Entwicklungsländern) auf etwas zu verzichten sowie einen energiesparenden und ressourcenschonenden Lebenswandel anzustreben.
Während derzeit die USA als größte Weltmacht das politische Geschehen dominieren, wird für die kommenden Jahrzehnte mit dem Entstehen einer multipolaren Welt gerechnet: China und Indien werden eine immer größere Rolle in der Weltpolitik spielen. Europa wird wohl eine wichtige Wirtschaftsmacht bleiben, aber nicht zu einem einflussreichen globalen Akteur werden, da nationale Interessen weiterhin eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik erschweren. Zudem werden die Entwicklungsmöglichkeiten der EU-Länder durch den Rückgang der arbeitsfähigen Bevölkerung und durch die wegen der Überalterung stark ansteigenden Sozialausgaben immer mehr begrenzt werden. Die Handelsbeziehungen zu Russland und anderen Staaten im Osten könnten an Bedeutung gegenüber der Beziehung zu den USA gewinnen.
Die Situation in Entwicklungsländern, denen es nicht gelingt, zu den Schwellenländern aufzuschließen, wird sich aufgrund des hohen Bevölkerungswachstums und des Klimawandels (Überschwemmungen, Dürren, Versteppung, Erosion von Böden) verschlechtern. Hunderte Millionen Menschen werden kaum ihren Lebensunterhalt verdienen. Aufgrund der hohen Verschuldung werden die finanziellen Spielräume der Regierungen begrenzt sein. In Entwicklungsländer wird auch in Zukunft wenig investiert werden (außer zur Ausbeutung von Bodenschätzen bzw. Rohstoffen); die weitaus meisten Direktinvestitionen gehen in OECD- und Schwellenländer.
Neben durch (Bürger-) Kriege vertriebene Menschen wird es zunehmend Klimaflüchtlinge geben. Besser qualifizierte Menschen, die in ihrem Heimatland nur wenig verdienen, diskriminiert werden oder keine Zukunftschancen sehen, werden ihr Heil in der Migration suchen. Dieser Braindrain wird die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in den betroffenen Ländern bremsen.
Benötigte Kompetenzen