Endlich hab ich dich gefunden - Toni Waidacher - E-Book

Endlich hab ich dich gefunden E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Für die fünfundzwanzigjährige Petra Gallitzdörfer war eine Welt zusammengebrochen. Ihr Verlobter, der Restaurantbesitzer Eduard Holzinger, hatte sie betrogen. Sie stand vor dem Scherben ihres Glücks – und ihres Lebens. In dem Lokal, das Eduard in Garmisch betrieb, hatte sie gearbeitet, und sie hatte sich mit Eduard die Wohnung in der ersten Etage des Hauses, in dessen Erdgeschoss sich das Restaurant befand, geteilt. Nun war alles verloren; der Job, die Wohnung, der Mann, den sie zu lieben geglaubt hatte, ihr Vertrauen zu den Menschen. Geschockt und erschüttert, wie sie war, hatte sie sich am Busbahnhof in den nächsten Bus gesetzt, ohne zu wissen, wohin er fuhr. Sie wollte nur noch weg, weg von Garmisch-Partenkirchen, weg von Eduard, weg von ihrem bisherigen Leben. Petra hatte für sich einen Schlussstrich gezogen. Sie floh regelrecht aus Garmisch. Mit jeder Haltestelle, die der Linienbus anfuhr, entfernte sie sich ein kleines Stück von dem Ort, in dem sie die bittersten Stunden ihres Lebens durchgemacht hatte. Zuerst hatte sie Eduard verwünscht, und sie hatte ihm eine Szene gemacht, nachdem sie sich sicher war, dass es eine zweite Frau in seinem Leben gab. Dann war sie in Trauer und Selbstmitleid verfallen und hatte geweint, bis ihre Tränen schließlich versiegt waren und sie den Entschluss gefasst hatte, alle Brücken hinter sich abzubrechen. Mit jedem Stück, das sie der Bus weiter von dem Ort wegbrachte, in dem ihr Glück nach der schlimmen Demütigung durch Eduard zerbrochen war, glaubte sie, den Aufruhr in ihrem Innern ein wenig mehr unter Kontrolle zu bekommen und sich befreiter fühlen zu können. Im Westen versank die Sonne und die Abenddämmerung schlich ins Land. Eduard hatte etwas zu erledigen gehabt, – hatte er zumindest behauptet –, und die Wohnung verlassen. Sie hatte vom Fenster aus beobachtet, wie er sich in seinen schweren Mercedes gesetzt hatte und weggefahren war. Ihr Koffer war schon gepackt gewesen, und sie war, kaum, dass sie sicher sein konnte, dass er außer Sichtweite war, aus der gemeinsamen Wohnung und zum Busbahnhof gelaufen, hatte ein Tagesticket gelöst und sich in einen Bus gesetzt, in den einige Leute eingestiegen, sodass sie davon ausgegangen war, dass er gleich abfahren würde. Es war dunkel, als der Bus in einem kleinen Ort anhielt. »St. Johann«

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Der Bergpfarrer Extra – 28 –

Endlich hab ich dich gefunden

Hoffentlich bleibt das Glück uns treu

Toni Waidacher

Für die fünfundzwanzigjährige Petra Gallitzdörfer war eine Welt zusammengebrochen. Ihr Verlobter, der Restaurantbesitzer Eduard Holzinger, hatte sie betrogen. Sie stand vor dem Scherben ihres Glücks – und ihres Lebens. In dem Lokal, das Eduard in Garmisch betrieb, hatte sie gearbeitet, und sie hatte sich mit Eduard die Wohnung in der ersten Etage des Hauses, in dessen Erdgeschoss sich das Restaurant befand, geteilt.

Nun war alles verloren; der Job, die Wohnung, der Mann, den sie zu lieben geglaubt hatte, ihr Vertrauen zu den Menschen. Geschockt und erschüttert, wie sie war, hatte sie sich am Busbahnhof in den nächsten Bus gesetzt, ohne zu wissen, wohin er fuhr. Sie wollte nur noch weg, weg von Garmisch-Partenkirchen, weg von Eduard, weg von ihrem bisherigen Leben.

Petra hatte für sich einen Schlussstrich gezogen. Sie floh regelrecht aus Garmisch.

Mit jeder Haltestelle, die der Linienbus anfuhr, entfernte sie sich ein kleines Stück von dem Ort, in dem sie die bittersten Stunden ihres Lebens durchgemacht hatte. Zuerst hatte sie Eduard verwünscht, und sie hatte ihm eine Szene gemacht, nachdem sie sich sicher war, dass es eine zweite Frau in seinem Leben gab. Dann war sie in Trauer und Selbstmitleid verfallen und hatte geweint, bis ihre Tränen schließlich versiegt waren und sie den Entschluss gefasst hatte, alle Brücken hinter sich abzubrechen.

Mit jedem Stück, das sie der Bus weiter von dem Ort wegbrachte, in dem ihr Glück nach der schlimmen Demütigung durch Eduard zerbrochen war, glaubte sie, den Aufruhr in ihrem Innern ein wenig mehr unter Kontrolle zu bekommen und sich befreiter fühlen zu können.

Im Westen versank die Sonne und die Abenddämmerung schlich ins Land. Eduard hatte etwas zu erledigen gehabt, – hatte er zumindest behauptet –, und die Wohnung verlassen. Sie hatte vom Fenster aus beobachtet, wie er sich in seinen schweren Mercedes gesetzt hatte und weggefahren war. Ihr Koffer war schon gepackt gewesen, und sie war, kaum, dass sie sicher sein konnte, dass er außer Sichtweite war, aus der gemeinsamen Wohnung und zum Busbahnhof gelaufen, hatte ein Tagesticket gelöst und sich in einen Bus gesetzt, in den einige Leute eingestiegen, sodass sie davon ausgegangen war, dass er gleich abfahren würde.

Es war dunkel, als der Bus in einem kleinen Ort anhielt. »St. Johann«, ertönte es aus dem Lautsprecher. »Endstation! Bitte alle aussteigen, das war die letzte Fahrt.«

Petra nahm ihren Koffer. Der Bus leerte sich und auch sie stieg aus.

Die wenigen Passagiere, die hier ausgestiegen waren, verliefen sich und schließlich stand Petra alleine an der Haltestelle. Sie wirkte irgendwie verloren, schaute sich etwas hilflos um und sah ein Stück die Dorfstraße hinunter verschiedene Lokale, vor denen Menschen saßen und den lauen Abend bei einem Becher Eis, einem Glas Wein oder Bier genossen.

Der Bus war weggefahren. Petra setzte sich in Bewegung, erreichte eine Eisdiele und ging hinein. Hinter der Theke stand ein junger Mann, der sie freundlich anlächelte.

»Guten Abend«, grüßte Petra. »Können Sie mir sagen, wo ich in diesem Ort günstig übernachten kann?«

»Da werden S’ im Moment, wo Hochsaison herrscht, net viel Glück haben«, antwortete der Bursche. »Am besten, Sie versuchen’s im Hotel. Gehen S’ einfach die Straße weiter in Richtung Ortsmitte, dann können S’ den ›Löwen‹ gar net verfehlen.«

»Vielen Dank«, sagte Petra, zeigte ein verkrampftes Lächeln und verließ die Eisdiele wieder. Auf der Hauptstraße, die den Ort sozusagen in zwei Hälften teilte und an deren beiden Seiten Wohn- und Geschäftshäuser wie die Perlen an einer Schnur aufgereiht waren, war einiges los. Fast alle Tische vor den Lokalen waren besetzt, Stimmen, Gelächter und vermittelten eine sommerliche, unbeschwerte Atmosphäre.

Petra wurde davon nur am Rande berührt. Ihre heile Welt war wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt, ihre Stimmung war auf dem Nullpunkt, ihr Leben schien jeglichen Sinn verloren zu haben.

Auch im Biergarten des Hotels war einiges los. Bunte Lichterketten, die zwischen den alten Kastanienbäumen und Linden gespannt waren, sowie einige Laternen schufen ein mildes, gemütliches Licht. Überall im Ort schienen Gemütlichkeit und gute Stimmung vorherrschend zu sein.

Petra betrat das Hotel. Die kleine Empfangshalle war hell erleuchtet, die Rezeption allerdings verwaist. Aus dem Gastzimmer drangen Geräusche, die verrieten, dass sich auch dort viele Menschen angeregt unterhielten.

Petra wartete. Es gab zwar eine Klingel, und ein kleines Schild wies darauf hin, dass sie zu betätigen sei, falls in der Rezeption niemand anwesend war, doch Petra zögerte, sie zu benutzen. Eine unerklärliche Scheu, auf sich aufmerksam zu machen, hielt sie davon ab.

Das Problem löste sich von selbst, als weiter hinten eine junge Frau durch eine Tür auf den Flur trat, Petra wahrnahm und sofort näherkam. Es handelte sich um Susanne Reisinger, die älteste Tochter des Hotelbesitzers, die mehr und mehr das Management des Hotels übernahm und auch für die Rezeption zuständig war. »Grüaß Gott«, sagte sie mit einem freundlichen Lächeln um die Lippen. »Was kann ich für Sie tun?« Susanne begab sich in die Rezeption.

»Ich suche ein Zimmer für die Nacht«, antwortete Petra ein wenig zaghaft. »Ich hab’ nämlich nicht gewusst, dass hier die Endstation des Linienbusses ist.«

»War denn St. Johann net Ihr Ziel?«, erkundigte sich Susi sofort und forschte im hübschen Gesicht der jungen Frau mit den dunklen Haaren und den braunen Augen. »Wo wollten S’ denn hin? Sind S’ vielleicht in den falschen Bus eingestiegen?«

Jetzt verschloss sich Petras Miene. Sie wollte nicht über ihr Problem sprechen, schon gar nicht mit einem wildfremden Menschen. »Ja«, sagte sie, »ich hab’ den falschen Bus genommen. Und da erst morgen wieder Busse verkehren, brauche ich ein Zimmer für die Nacht.«

Mit feinem Instinkt spürte Susi, dass mit Petra etwas nicht stimmte. Sie wirkte verloren, wie ein Mensch, der nicht mehr weiterwusste und nur noch eine stille Zuflucht suchte. Susi begann die Tastatur ihres Computers zu bearbeiten, ihr Blick überflog den Bildschirm, sie schüttelte schließlich den Kopf und murmelte: »Wir haben leider nix mehr frei. Tut mir leid.«

»Schade«, sagte Petra und ihre Stimme klang ziemlich dünn. »Entschuldigen Sie bitte die Störung.« Sie wandte sich ab, um das Hotel wieder zu verlassen, doch Susannes Stimme holte sie ein.

»Einen Moment, bitte«, rief Susi. »Ich hab’ einige Pensionen an der Hand, und in einer finden wir sicherlich ein Zimmer für Sie.« Deutlich hatte Susi erkannt, in welch schlechter Verfassung sich Petra befand und sie wollte die junge Frau nicht einfach ins Ungewisse laufen lassen.

Petra hatte sich wieder der Rezeption zugewandt. »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, murmelte sie. »Danke.«

Susi griff nach dem Telefon. Die meisten Nummern waren eingespeichert. Sie drückte einen Knopf und gleich darauf sagte sie: »Guten Abend, Ria. Ich bin’s, die Reisinger-Susanne. Bei mir ist eine junge Frau, die ein Zimmer für die Nacht sucht. Ich würd’ sagen, ein Notfall, hab’ aber leider nix frei. Wie sieht’s bei dir aus?«

»Ich hab’ ein Zimmer frei«, sagte Ria Stubler sofort. »Es ist heut’ frei geworden.«

»Ich kann also die junge Frau rüberschicken?«

»Ja.«

»Danke.« Susanne beendete das Gespräch und schaute Petra an. »In der Pension Stubler könnten S’ ein Zimmer haben.«

»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll«, gab Petra mit belegter Stimme zu verstehen. »Ich hätt’ keine Ahnung gehabt, wohin ich mich hätte wenden können. Wo finde ich die Pension?«

Susanne erklärte Petra den Weg. Petra bedankte sich und verließ das Hotel.

*

Petra fand die Pension Stubler und ging hinein.

Ria Stubler erwartete sie bereits, sah die junge Frau durch die Tür treten und machte sich ein Bild von ihr. Eine junge, sehr hübsche Person, die aber ziemlich blass und unglücklich wirkte.

»Guten Abend«, grüßte Petra. »Mein Name ist Petra Gallitzdörfer. Die freundliche Rezeptionistin vom Hotel hat wegen eines Zimmers für mich mit Ihnen telefoniert.«

»Ebenfalls einen guten Abend«, erwiderte die mütterliche Ria den Gruß. »Sie können das Zimmer sofort beziehen, Frau Gallitzdörfer. Bleiben S’ länger, oder ist es nur für die eine Nacht?«

»Ich weiß es selber noch nicht so genau«, antwortete Petra, und wieder entging es Ria nicht, dass die dunkelhaarige junge Frau Niedergeschlagenheit und Mutlosigkeit verströmte. Sie kam zu dem Schluss, dass es sich bei Petra um keine Urlauberin handelte, die, in der Hoffnung irgendwo ein Zimmer zu ergattern, spontan ins Wachnertal gereist war. Ihr Auftauchen hier hatte einen anderen Grund – einen wenig erfreulichen Grund.

›Es war wohl mehr der Zufall, der sie ins Wachnertal geführt hat‹, sinnierte Ria und sagte: »Sie müssen ein Anmeldeformular ausfüllen. Einen Personalausweis haben S’ doch hoffentlich bei sich. Ich brauch’ nämlich die Ausweisnummer.«

»Ja, ich hab’ nicht vergessen, ihn mitzunehmen«, erklärte Petra und öffnete ihre Handtasche.

Ria legte ein Formular und einen Kugelschreiber auf den Tresen der Rezeption und Petra machte sich daran, die geforderten Angaben einzutragen. Dann erhielt sie von Ria den Zimmerschlüssel und machte sich schließlich auf den Weg zu dem Zimmer.

»Frühstück gibt es ab sieben Uhr«, rief die Pensionswirtin ihr hinterher. »Der Frühstücksraum ist hier unten, am Ende des Flurs.«

»Vielen Dank.« Petra fand das Zimmer und ging hinein. Nachdem sie die Tür hinter sich abgeschlossen hatte, stellte sie den Koffer ab, legte ihre Handtasche auf den Schreibtisch und setzte sich aufatmend auf die Bettkante. Sie hatte das Gefühl, zumindest fürs Erste in Sicherheit zu sein. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es auf halb zehn Uhr zuging. Petra war müde, wusste aber, dass sie nicht einschlafen konnte, wenn sie sich niederlegte. Sie hatte Angst vor den quälenden Gedanken, die dann kommen würden.

Fast zehn Minuten lang saß sie da, ohne sich zu rühren. Gedanken kamen und gingen. Sie drehten sich um die Ereignisse der vergangenen Tage und Stunden. Sie war belogen und betrogen worden, Eduard hatte sie ausgenutzt und zuletzt gedemütigt. Ihren Verlobungsring hatte sie, ehe sie die Wohnung verließ, auf den Tisch im Wohnzimmer gelegt.

Heiß stieg es in ihr auf, doch es gelang ihr, die Tränen zurückzuhalten. Ihr war klar, dass sie ihre Wehmut überwinden sowie musste und nicht länger in der schmerzlichen Erinnerung verharren durfte, wenn ihr ein Neuanfang – irgendwo – weit weg von Eduard – gelingen sollte.

Sie holte ihr Smartphone aus der Handtasche, schaltete es ein und schaute sich die Anrufliste an. Tatsächlich hatte Eduard mehrere Male versucht, sie zu erreichen. Ihr Gesicht schien zu versteinern. Er war für sie gestorben, sie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Dieses Kapitel im Buch ihres Lebens war für sie endgültig abgeschlossen.

Sie löschte die Einträge. Als sie das Handy wieder ausschalten wollte, fiel ihr siedendheiß ein, dass ihre Eltern, die in der Nähe von Nürnberg lebten, ahnungslos waren. Sie wollte sie auf keinen Fall im Ungewissen lassen. Also rief sie zu Hause an. Ihre Mutter nahm das Gespräch entgegen. »Hallo, Mama, ich bin’s, die Petra.«

»Grüß dich, Kleine. Dass du um diese Zeit anrufst. Arbeitest du denn heute Abend nicht im Lokal? Oder habt ihr heute Ruhetag?«

»Ich hab’ Eduard verlassen, Mama, und bin nicht mehr in Garmisch.«

»Allmächt, Maadla, du hast den Edi verlassen? Was ist denn passiert? Ihr wart doch so verliebt ineinander, so sehr, dass du sogar zu ihm nach Garmisch gegangen bist.«

»Er hat mich betrogen. Es geht schon ein halbes Jahr lang so, ich bin allerdings jetzt erst dahintergekommen. Ich wollt’ dir und dem Papa nur Bescheid sagen, dass ihr euch keine Sorgen machen müsst.«

»Wenn du nicht mehr in Garmisch bist, Petra, wo bist du dann?«, fragte die Mutter.

»Der Ort heißt St. Johann und ist nicht weit von Garmisch entfernt. Ich bin einfach in einen Bus gestiegen und bis zur Endstation mitgefahren. Bitte, Mama, sag’ dem Eduard nicht, wo ich mich befinde, wenn er – wovon ich überzeugt bin –, bei euch anruft. Wahrscheinlich nimmt er sogar an, dass ich zu euch gefahren bin. Ich weiß selber noch gar nicht, wie es weitergehen soll. Für diese Nacht hab’ ich ein Zimmer in einer Pension. Morgen werde ich in aller Ruhe überlegen, wohin ich mich wende.«

»So ein gemeiner Schuft!«, erregte sich Petras Mutter. »Hast du überhaupt Geld, Maadla? Kommst du einige Zeit über die Runden?«

»Ich denke schon, Mama. Mach’ dir keine Sorgen. Ich wollt’ nur, dass ihr Bescheid wisst. Jetzt will ich duschen, und dann geh’ ich vielleicht noch ein bissel in den Ort, um etwas zu trinken und zu essen. Schlafen kann ich eh nicht, dazu bin ich viel zu aufgewühlt. Also wär’s Blödsinn, wenn ich mich ins Bett legen würde. Ich muss versuchen, auf andere Gedanken zu kommen.«

»Maadla, Maadla«, lamentierte die Mutter in breitestem Fränkisch, »du machst G’schicht’n. Jetzt brauch’ ich mich auch nimmer niederlegen, um zu schlafen. Denn den Schlaf hast du mir geraubt.«

»Das tut mir leid, Mama, aber ich wollt’ euch nicht im Ungewissen lassen. Sorgen braucht ihr euch nicht zu machen. Mir geht es soweit ganz gut.« Das war zwar nicht die Wahrheit, denn Petra durchlebte ein Fegefeuer der Gefühle, aber damit musste sie alleine fertig werden.

»Das muss ich erst mal verdauen, Maadla«, murmelte die Mutter. »Der Papa wird schauen, wenn ich ihm das sag’. Er hat den Edi nämlich recht gern gemocht.«

»Er hat auch euch etwas vorgespielt. Falls er bei euch anruft – sagt ihm bitte nicht, wo ich mich aufhalte«, schärfte Petra ihrer Mutter ein weiteres Mal ein. »Ich will nichts mehr von ihm hören oder sehen. Soll er von mir aus glücklich werden mit der anderen. Für mich ist die Sache erledigt.«

Auch das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Tief in ihr drin war es noch lange nicht abgeschlossen. Ihr Stolz war verletzt, sie fühlte sich gekränkt, sein widerwärtiges Verhalten hatte sie zutiefst beleidigt. Petra dachte aber nicht an Rache, sie verspürte auch keinen Zorn oder gar Hass. Sie wollte einfach nur vergessen. Aber die Gedanken ließen sich nicht so einfach abschalten.

»Du kannst dich auf uns verlassen«, versicherte ihre Mutter.

»Also dann, Mama, ade. Ich melde mich morgen, dann erzähle ich dir mehr. Jetzt fühl’ ich mich net in der Lage, drüber zu reden. Das alles muss bei mir erst ein bisschen sacken.«

»Ich versteh’ dich schon, Petra. Du musst dir nur immer wieder vor Augen führen, dass es der Kerl nicht wert ist, zu viele Gedanken seinetwegen zu verschwenden. Versuch’, zu dir zu finden, stell dich auf die eigenen Füß‘, und lass’ dich im Übrigen gern haben. Das ist der Rat, den ich dir geb’.«

»Ich werd’s mir zu Herzen nehmen, Mama.«

»Mach’s gut, meine Kleine. Ich muss dir gestehen, dass mir das alles gar nicht so recht in den Sinn will. So ein verlogener Kerl!«

»Okay, Mama. Bis morgen dann.« Petra unterbrach die Verbindung und schaltete das Handy aus.

Gleich darauf stand sie unter der Dusche und ließ das warme Wasser auf ihren Körper prasseln. Eine halbe Stunde später verließ sie die Pension.

*

Eine geradezu an Rastlosigkeit grenzende innere Unruhe trieb Petra durch St. Johann. Vor einem Café sah sie einen freien Tisch und setzte sich.

Die Bedienung kam und sie bestellte sich ein Glas Rotwein und ein großes Mineralwasser. Um sie herum herrschte ausgelassene Stimmung, sie hörte fröhliches Lachen, und es versetzte einen schmerzhaften Stich, weil sie fest davon überzeugt war, niemals mehr so fröhlich, frei und unbeschwert sein zu können. Eduards Untreue hatte bei ihr viel – sehr viel kaputtgemacht. Ihr Selbstbewusstsein war angekratzt, sie fühlte sich verunsichert, sie sah in nichts mehr einen Sinn.