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Gibt es Engel? Gibt es Geister oder unheimliche Wesen? Wir wissen es nicht, glauben aber, dass da schon irgendjemand sein wird, der uns zur Seite steht. Hier zu lesen sind Begebenheiten, die sich nicht so leicht erklären lassen, die möglicherweise einen geisterhaften Hintergrund haben mögen. So taucht ein Engel im Schnee auf, der sich wenig später als vermeintlicher Lebensretter entpuppt. Und was sich an Ausfahrt "178" ereignet, grenzt ganz sicher schon an Fantasie. Dennoch sind diese Schilderungen vorstellbar, denn sie haben durchaus ganz alltägliche Handlungen. Sollten wir die Gedanken an Geister und Engel vielleicht doch zulassen? Sind diese Wesen vielleicht doch ein Teil unseres Lebens? Und ist unser Leben nicht auch immer wieder unglaublich, unfassbar und fantastisch?
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Seitenzahl: 201
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Alle Stories sind frei erfunden
Traum
Eine Story
Besuch
Heilung
Der Fremde
Das Schmuckstück
Die Schreibmaschine
Erkenntnis
Mamas Licht
Eine unfassbare Geschichte
Verfolgt
Geisterschiff
Geisterschrei
Waldspaziergang
Verrückte Träume
Herzstechen
Engel der Träume
Amalia
Unfall
Das Gewehr
Sprung
Rauch
Babyklappe
Reise
Die Zigeunerin
Engel des Glücks
Wiedersehen
Weihnachten an Ausfahrt 178
Der Engel im Schnee
Maria war vom Hals an gelähmt. Doch keineswegs war sie unglücklich oder gar traurig deswegen. Sie musste diese Krankheit schon seit ihrer Kindheit ertragen und hatte gelernt, damit umzugehen. Sie besaß einen PC, der mit Sprachsteuerung funktionierte und so saß sie von morgens bis nachts am Computer und chattete mit der ganzen Welt. Das machte ihr so großen Spaß, dass sie manchmal sogar das Essen vergaß.
Jeden Tag kam ein Pfleger zu ihr. Er blieb dann bis abends und kümmerte sich wie ein Bruder um sie. Erst, wenn er sie ins Bett gebracht hatte, fuhr er wieder ab.
So verging ein Tag nach dem anderen. Immer öfter jedoch sehnte sie sich nach einem Freund, der immer, auch nachts, für sie da sein konnte. Sie brauchte jemanden, der mal mit ihr wegfuhr und etwas mit ihr unternahm. Doch jedes Mal, wenn sie im Internetchat von ihrer Behinderung schrieb, verabschiedeten sich die Chatpartner mit den kuriosesten Entschuldigungen.
Maria kannte das bereits und war gar nicht mehr traurig oder böse deswegen. Entschlossen blickte sie in die Zukunft und wusste genau, dass genau dieser Mann einmal kommen würde.
Bis zu jenem Abend, als es draußen regnete und ihr Pfleger gegangen war. Sie lag in ihrem Bett und musste plötzlich bitterlich weinen. Dicke Tränen rannen ihr übers Gesicht und in diesem Augenblick wünschte sie sich so sehr, dass jemand bei ihr wäre, der ihr die Tränen vom Gesicht küsste. Doch sie wusste, dass das nicht passierte. Zumindest sah es nicht so aus, dass sie jemanden treffen würde.
Längst war ihr Kopfkissen nassgeweint, da schlief sie endlich ein. Zunächst versank sie in ihren allnächtlichen Vorstellungen, wie es wäre, wenn sie sich wie alle anderen Menschen bewegen könnte. Doch dann sah sie in der Ferne einen hellen Lichtpunkt. Sie wurde neugierig und es war ganz seltsam – sie wollte unbedingt zu diesem hellen Lichtpunkt. Und als ob dieses Licht von ihrem Wunsche erfuhr, kam es ihr entgegen. Es wurde immer größer und flirrte plötzlich vor ihrem erstaunten Gesicht. So etwas Wundervolles hatte sie noch niemals gesehen. In diesem Moment wusste sie, dass alles gut würde. Das Licht erschien ihr wie die Erfüllung eines Traumes. Und sie wollte nur noch eines: In dieses Licht hineintauchen!
Sie streckte sich dem Licht entgegen. Doch das brauchte sie gar nicht. Das Licht vereinnahmte sie ganz und gar und sie fand sich in einer märchenhaften Welt wieder. Es war so hell, dass sich ihre Augen nur ganz allmählich an die Umgebung gewöhnten. Sie lag auf einer grünen Wiese zwischen dutzenden wunderschöner Blumen. Es duftete nach Rosen und nach Gras. Am Himmel war kein Wölkchen zu sehen und am Rand der großen Wiese standen große starke Bäume. Zwischen alledem entdeckte sie eine traumhaft schöne weiße Villa mit mächtigen Säulen davor und einer Marmortreppe, die zum Eingang führte. So gern wollte sie in dieses herrschaftliche Haus, doch sie konnte ja nicht – doch halt – was war das? Hatte sie sich nicht soeben bewegt? Aber das konnte doch gar nicht … oder … tatsächlich, sie konnte sich bewegen! Mehr noch – sie konnte sogar aufstehen.
Und da erkannte sie es: sie war nicht mehr behindert! Mutig erhob sie sich und stand schließlich aufrecht auf der Wiese. Ja, sie hatte es aus eigener Kraft geschafft! Mehrmals kniff sie sich in die Beine, in den Körper, in die Arme … ja, sie fühlte es. Sie spürte jeden einzelnen Kniff. So gern hatte sie noch niemals „Aua“ gerufen. Was für ein Gefühl, was für ein Leben, das da plötzlich in ihr steckte. Das musste ein Wunder sein, kein Zweifel! So etwas gab es in Wirklichkeit nicht.
Wie ein Kind stand sie auf einer Wiese und lief plötzlich los. Sie lief und lief, vorsichtig noch, aber zielsicher, geradewegs auf die weiße Villa zu. Als sie genau vor der breiten weißen Marmortreppe stand, atmete sie tief ein. Sie wollte diesen Augenblick, diesen famosen Moment des Glücks tief in sich einsaugen. Davon hatte sie doch immer geträumt. Endlich einmal leben, genießen.
Sie betrat die erste Stufe und fühlte sich dabei so unendlich stark. Nein, so stark hatte sie sich noch niemals in ihrem Leben gefühlt. Jede einzelne Stufe genoss sei, erlebte sie, als sei es ein Tausendmeterlauf. Und sie stieg die Stufen empor, als würde sie in den Olymp aller Träume aufsteigen. Stolz und hocherhobenen Hauptes setzte sie einen Fuß vor den anderen. Und es gelang. Noch immer konnte sie ihr Glück nicht fassen. Nun stand sie oben und blickte zurück.
Unter ihr erstreckte sich diese unendliche saftig grüne Wiese. Was für ein Anblick. Was für ein Genuss. Das sollte niemals mehr vergehen. Vor sich sah sie eine gläserne Tür. Sie war nur angelehnt und sie trat ein. Wie märchenhaft es doch dort drinnen aussah. Überall in dem riesig erscheinenden Raum standen helle Stilmöbel. Sie funkelten wie der weiße Marmorfußboden im hereinfallenden Sonnenlicht. So etwas Wunderschönes hatte sie wohl noch nie zu Gesicht bekommen. Ein lauer Wind umfächelte ihre Nase, und wie aus dem Nichts stand da ein junger Mann in einem weißen Anzug. Seine langen goldenen Haare wehten in diesem lauen Sommerwind und es schien ihr, als schwebte der Mann vor ihren Augen wie ein Engel.
Lange schaute sie ihn an. Dann sagte sie leise: „Wo bin ich? Ist das alles wahr, was ich hier sehe? Und – ich kann mich bewegen. Wie kann das nur sein?“
Der junge Mann lächelte sie an. Dann sagte er leise und seine Worte hallten wie durch einen riesigen Saal: „Nein, Du träumst nicht. Es ist alles wahr, was Du erlebst. Du bist hier irgendwo. Freu Dich daran, denn das ist die Welt, Deine Welt. Sie ist wunderschön. Die Wiese, die Sonne, der Tag – alles ist heut nur für Dich. Wenn Du einen Wunsch hast, dann sage ihn jetzt. Er wird wahr werden.“
Mit diesen Worten verschwand der junge Mann in einem weißen, schnell entschwindenden Nebel. Und Maria brauchte eine kleine Weile, um sich wieder zu fangen. Dann sagte sie mit weinerlicher Stimme: „Hier ist es so wunderschön. Hier würde ich für immer bleiben. Aber ich wünsche mir, dass ich mich für immer so bewegen kann, wie jetzt. Mehr Wünsche habe ich nicht, eben nur diesen einen.“
Und die Stimme des jungen Mannes antwortete ihr und rief: „So soll es geschehen. Alles wird gut. Du musst nur ganz fest daran glauben.“
Dann wurde es wieder still und der laue Wind fächelte die würzige frische Luft um Marias Nase wie vor alledem. Ach, könnte das doch alles für immer so sein, so dachte sie sich. Doch es schien, als würde sie etwas zurück auf die Wiese ziehen wollen. Sie wollte es erst gar nicht, doch dann sah sie einen beweglichen Punkt auf der Wiese. Dorthin sollte sie nun gehen. Sie lief die Marmortreppe hinab und lief über diese wunderschöne Wiese geradewegs zu diesem merkwürdigen Punkt hin.
Plötzlich verschwand das Licht, in welchem sie eben noch stand und entfernte sich mehr und mehr und immer schneller vor ihr.
Irgendwie war sie in den beweglichen Punkt eingetaucht und alsbald wurde es dunkel um sie herum. Als sie ihre Augen öffnete, sah sie eine Lampe über sich. Und ganz langsam kehrte sie in die Wirklichkeit zurück.
Es war ein neuer Tag angebrochen und durch das geöffnete Schlafzimmerfenster drangen laute Kinderstimmen. Sie vermischten sich plötzlich mit dem Klappern eines Schlüsselbundes. Und ihr fiel ein, dass ihr Pfleger gleich kommen musste. So war es dann auch. Aber was war das – irgendetwas krabbelte an ihrem Körper. Was konnte das nur sein, so ein Krabbeln kannte sie nicht. Was war das für ein sonderbares neues Gefühl?
Der Pfleger kam ins Zimmer und begrüßte sie recht fröhlich. Doch Maria war verunsichert und wies den Pfleger auf das seltsame Krabbeln an ihrem Körper hin. Der schaute sie nachdenklich an und klappte dann die Bettdecke zurück. Doch da war nichts, was hätte krabbeln können. Maria lag ganz normal im Bett – doch halt – nicht ganz normal, denn da bewegte sich etwas.
Und wirklich, sie hatte soeben ihre Beine bewegt! Ganz leicht nur, aber sie hatte es getan. Der Pfleger konnte es nicht glauben. Das konnte doch gar nicht möglich sein. Oder doch? Er wies Maria darauf hin und bat sie, noch einmal die Beine zu bewegen. Und wie selbstverständlich funktionierte es.
Zunächst glaubten beide noch an ein vorübergehendes Muskelzucken. Doch das vermeintliche Zucken endete mit dem Bewegen der Beine. Ganz bewusst und ohne Einschränkungen konnte Maria wieder ihre Beine bewegen. Und was sie zunächst als Krabbeln bemerkte, war das Leben, welches in ihren teilweise gelähmten Leib zurückkehrte.
Vorsichtig und ganz behutsam half ihr der Pfleger beim Aufstehen. Und wie in ihrem wundervollen Traum fühlte und spürte sie alles um sich herum. Sie nahm es bewusst wahr und fühlte jeden einzelnen Millimeter ihres eigenen Körpers. Und sie war neugierig darauf, wie es wäre, wenn sie das erste Mal laufen würde.
Der Pfleger brachte ihr alles bei. Stundenlang übten sie das Stehen, das Laufen, das Fortbewegen. Und irgendwann konnte Maria sich bewegen, als war sie vorher niemals gelähmt.
Welch eine Freude, was für ein unfassbares Glück, das sich da auftat. Was für ein wundervolles neues Leben, das da begann. Sie genoss jede Sekunde. Und sie erkannte plötzlich, dass sie es nur mit ihrem starken Willen schaffen konnte. Sie hatte niemals aufgegeben und sie wollte so gern leben.
Ihr Pfleger konnte gar nicht sagen, wie glücklich er war, als er sie so sah. Die beiden verstanden sich so gut, dass sie sogar heirateten und sehr glücklich miteinander wurden. Und sie bekamen drei Kinder, die allesamt gesund und munter waren.
Eines Tages sprach Maria über ihren alten Traum. Nie hatte sie etwas davon erzählt, doch ihr Ehemann, der sie so viele Jahre aufopferungsvoll pflegte, sollte es schließlich wissen.
Und als die beiden so auf der kleinen Veranda ihres Häuschens am Waldesrand saßen und miteinander sprachen, spürte sie wieder diesen seltsamen lauen Wind, der wie früher um ihre Nase fächelte. Da musste sie weinen und am Waldesrand sah sie einen jungen Mann mit langen goldenen Haaren und weißen Flügeln auf dem Rücken.
Und plötzlich wusste sie, dass so manche Träume im Leben wahrwerden können.
Man muss nur ganz fest daran glauben!
Der Weltraumfahrer hatte die kleine Raumkapsel auf Kurs gebracht. In wenigen Stunden würden sie an die große neue Weltraumstation BETA ankoppeln.
Juri blickte noch einmal auf die Bilder seiner Familie, welches zwischen den unzähligen Armaturen hing. Und er erinnerte sich an die vielen schönen Tage daheim. Der Baikalsee, der Amur, was für ein wunderschöner mächtiger Fluss. Er wollte ihn so gern wiedersehen. Und er dachte an die dichten Wälder der Taiga. Ja, und immerzu dachte er an Elena und seinen kleinen Sohn Igor. Ob er schon laufen konnte?
Er musste lächeln, doch plötzlich meldete sich der Zentralcomputer. Offenbar hatte er eine Meldung für ihn. Was war geschehen? Eine merkwürdige Lichterscheinung, die sich der Computer nicht erklären konnte, zeigte sich auf dem Monitor. Der Computer begann sofort mit dem Scannen des unbekannten Flugobjektes. Doch er konnte nichts über das sonderbare Objekt herausfinden. Auch die Signale, die von dieser Erscheinung ausgingen, konnte er nicht deuten.
Juri schaute sich das pulsierende Licht genauer an. Dann betrachtete er sich die Analysen der Computer auf dem Schirm. Doch weder die zahlreichen Scans noch die Analysen waren zufriedenstellend. Auch die Auswertung der Signale brachte kein brauchbares Ergebnis. Was konnte das nur sein? Immer näher kam das seltsame Licht.
Plötzlich blieb es stehen und schwebte im schwarzen Universum wie ein toter, funktionsloser Satellit. Juri nahm in seinem Sitz Platz und übernahm nun selbst die Steuerung der Kapsel. Langsam steuerte er sie neben das Flugobjekt und stellte erstaunt fest, dass es sich um einen riesigen unförmigen blauen Stein handelte, der im Weltraum trieb. Ein Edelstein? Doch dieser Edelstein war kein Meteorit. Es war ein Edelstein, der ein merkwürdiges pulsierendes Licht ausstrahlte. So taktvoll pulsieren konnte nur eine künstliche Lichtquelle, das stand fest für Igor.
Aber trotz aller Neugierde, was sich hinter dieser merkwürdigen Erscheinung verbarg, konnte er nicht länger bei dem rätselhaften Flugobjekt bleiben. Er musste seinen Zeitplan einhalten. Und dieser besagte, in weniger als drei Stunden an die Weltraumstation BETA anzudocken. Dort wartete man schon auf die neueste Wasserlieferung. Auch Medikamente und diverse Nahrungsmittel hatte er an Bord. Alles befand sich in einem großen Container, der zur Station gebracht werden musste. Er musste also seinen Flug zu BETA unbedingt fortsetzen.
Doch plötzlich ergriff ein blauer Lichtstrahl seine kleine Raumkapsel. Die Kapsel erzitterte leicht, dann wurde es langsam an den geheimnisvollen Edelstein herangezogen. Offenbar war es eine Art Leitstrahl, der die Kapsel ergriffen hatte. Auch steuern ließ sich die Kapsel nicht mehr. Sie gehorchte dem Leitstrahl, der die Kontrolle übernahm.
Wie von Geisterhand liefen diverse Programme im Zentralcomputer der Raumkapsel ab. Juri lehnte sich genervt zurück. Er hatte es längst aufgegeben, den verrückt gewordenen Computer neu zu programmieren. Als die Kapsel neben dem ungefähr dreimal größeren Stein flog, blieb sie stehen. Juri versuchte, mit der Raumstation Kontakt aufzunehmen, doch es funktionierte nicht. Er versuchte es auf allen verfügbaren Frequenzen, aber es gelang ihm nicht. Wie von der Außenwelt abgeschnitten trieb die Raumkapsel neben dem blauen Stein einher.
Noch einmal versuchte er, die Computer der Raumkapsel zu beeinflussen, doch alles was er tat, war vergebens. Weder reagierten die Computer noch der Zentralcomputer und eine Verbindung zur Raumstation oder zur Erde kam auch nicht zustande.
Plötzlich wurde es gleißend hell in der Kapsel. Es schien, als würde aus allen Ecken und von überallher Licht auf Juri fallen. Das Licht wurde derart grell, dass er sich die Hände vor seine Augen hielt. Dann ergriff ihn eine Kraft und hob ihn regelrecht aus seinem Sitz. Er wollte sich noch an den Griffen festhalten, doch es war bereits zu spät. In rasanter Geschwindigkeit flog er durch einen Tunnel aus Licht.
Als er wieder zu sich kam, fand er sich zwischen spitzen farbigen Edelsteinen wieder. Sie pulsierten in abwechselnder Reihenfolge und wechselten ständig ihre Farben. Juri glaubte, er befände sich auf einem Rummelplatz. Von überallher blendeten ihn helle Farben: Rot, Grün, Blau, alles durcheinander. Juri verlor fast seinen Verstand. Doch plötzlich wurde es dunkler.
Als sich seine Augen langsam an dieses Licht gewöhnten, staunte er. Offenbar befand er sich an Bord des blauen Steins, welcher neben der Kapsel flog. Überall an den scheinbar steinernen Wänden führten durchsichtige Flüssigkeitsleitungen entlang. Doch auch diese waren farbig. Die bunten Flüssigkeiten führten durch den großen, überall glitzernden Raum, bis hin zu einer eigenartigen großen ovalen Edelsteinschüssel. Diese vermeintliche Schüssel pulsierte ebenfalls und wechselte immerfort ihre Farbe.
Juri stand auf und spürte, dass ihm alle Knochen schmerzten. Doch er wollte unbedingt nachschauen, was sich in der merkwürdigen Schüssel befand. Nur mit Mühe konnte er sich über den seltsam glatten Fußboden hinwegbewegen. Immer wieder rutschte er aus und fiel beinahe hin.
Kurz vor der großen Schüssel blieb er stehen. Merkwürdige Geräusche drangen aus ihrem Innern. Es raschelte und gluckste ununterbrochen. Was konnte das nur sein? Auch die farbigen Flüssigkeiten endeten in dieser Schüssel. Juri versuchte, sich auf die Zehenspitzen zu stellen, um über den Rand der Schüssel zu schauen. Es gelang ihm aber nicht. Zu hoch war der Schüsselrand und zu glatt war es auf dem Boden. Schließlich rutschte er aus und fiel auf den spiegelblanken Boden.
Seltsame Gedanken flogen ihm durch den Sinn – was, wenn es eine bösartige Intelligenz war, die ihn nicht wieder zurückgehen ließ? Und was, wenn er hier auf diesem fremden Schiff ums Leben käme? Die Raumstation könnte über Wochen nicht versorgt werden. Doch dann wäre auch die Sicherheit der Besatzung von BETA nicht mehr gewährleistet. Wie sollte es nur weitergehen?
Verzweifelt lehnte er sich gegen die leicht temperierte Steinwand und verharrte so einige Minuten. Ihm fiel auf, dass seine Armbanduhr nicht mehr da war. Offenbar war sie ihm bei dem Flug von der Kapsel zum Stein abhandengekommen. Er wusste also nicht, wie spät es war, und das erschien ihm beinahe das Schlimmste, was ihm passieren konnte. Wie viel Zeit blieb ihm noch? Hatte er überhaupt noch Zeit?
Vor sich entdeckte er einen Würfel, der aus merkwürdigen, farbigen Edelsteinen zusammengesetzt war. Vorsichtig berührte er den Würfel, doch es geschah nichts. Vermutlich lag dieser Würfel einfach nur herum. Noch einmal berührte er den Würfel und hatte plötzlich eine Idee. Unter großen Anstrengungen schob er den schweren Würfel vor die Schüssel. Dann stieg er darauf und konnte endlich in das Innere der vermeintlichen Edelsteinschüssel schauen. Aber was war das – ihm wurde schummrig – und als er in die Schüssel blickte, entdeckte er lediglich einen dichten, wabernden Nebel. Doch aus dem Nebel entstiegen Bilder. Sie flogen durch die Luft und Juri erkannte Personen, und er erkannte seine Familie, seine Frau, seinen Sohn und schließlich die Raumstation BETA.
Er konnte sich das alles nicht erklären. Auch er selbst fühlte sich so seltsam. Alles schien sich um ihn zu drehen, alles schien zu vibrieren. Doch er stand fest auf dem Edelsteinwürfel. Wie konnte das nur sein? Mit allerletzter Kraft gelang es ihm, sich von den umherschwirrenden Bildern, die aus der Schüssel flogen, abzuwenden und vom Würfel zu springen. Dieses Erlebnis hatte ihn unglaublich viel Kraft gekostet. Er fühlte sich schwach und müde. Doch er hatte überhaupt nichts getan. Was ging hier nur vor? Das war keine außerirdische Zivilisation und da waren auch keine grünen Männchen. Doch da war etwas Anderes. Etwas, dass er in sich selbst spürte.
Es war, als ob er einen Stich im Herzen verspürte. Und dann dieser nicht enden wollende Schwindel in seinem schmerzenden Kopf. Auch war ihm der Bezug zurzeit vollkommen abhandengekommen.
Obwohl er ziemlich ängstlich war, stieg er noch einmal auf den Würfel und schaute in die Schüssel hinein. Noch immer waberte der Nebel darin auf und nieder. Und wieder wurde es ihm unerträglich schwindelig. Es wurde so stark, dass er beinahe vom Würfel gefallen wäre. Und plötzlich lichtete sich dieser Nebel. Am Grund der Schüssel schienen sich die unterschiedlichen farbigen Flüssigkeiten zu vereinen. Und sie bildeten irgendetwas, das er sich zunächst nicht so recht erklären konnte.
Plötzlich formte sich das Bild zu etwas, dass ihn zutiefst schockierte: ein pulsierendes menschliches Gehirn! Und wieder tauchten Bilder auf. Sie schienen aus dem Gehirn zu entweichen. Immer mehr dieser Bilder stiegen aus dem pulsierenden Gehirn empor. Juri wurde nun derart schlecht, dass er torkelte. Doch er ließ nicht los. Eisern stand er am Rand der Schüssel und starrte in die Tiefe auf das vermeintliche Gehirn.
Wieder sah er die Bilder aus seinem Leben. Er sah, wie die Bilder seiner Kinderzeit aus dem Hirn entwichen. Und er sah sämtliche, längst vergessene Erlebnisse. Schließlich sah er seine Frau und seinen Sohn. Sie lächelten und sahen irgendwie anders aus als sonst. Sie umkreisten ihn und schienen ihm etwas sagen zu wollen. Doch er konnte es nicht verstehen. Was sollte das alles nur bedeuten?
Vollkommen entkräftet sank er schließlich zu Boden. Dabei stieß er mit seinem Kopf gegen die harte Felswand und verlor das Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, leuchtete irgendetwas Helles vor ihm. Auch vernahm er merkwürdige piepsende Geräusche, die er sich nicht erklären konnte. Zwei bekannte Personen standen vor seinem Bett. Wer waren sie nur?
Plötzlich wusste er es! Es waren zwei Besatzungsmitglieder der Raumstation BETA, Steve und Glenn. Aber wie war er nur hierhergekommen? Und wo war das merkwürdige Edelsteinschiff?
Plötzlich kehrten alle seine Gedanken zurück: die farbigen Flüssigkeiten, die seltsame Edelsteinschüssel, der wabernde Nebel, das Gehirn, die Bilder aus seinem Leben. Wo war das alles geblieben? Und wie war er in die Raumstation gekommen? Die Zeit! Wie ein Blitz schoss es ihm in den Sinn: wie spät war es? Er schaute auf sein Handgelenk – die Armbanduhr, sie war wieder da!
Ungefähr eine Stunde musste seit dem sonderbaren Erlebnis vergangen sein. Wie konnte das nur sein? Ihm schien doch, dass das Ganze endlose Stunden gedauert haben musste. Hatte er etwa alles nur geträumt? Aber er wusste doch ganz genau, was er erlebt hatte. Das war kein Traum!
Steve, der Kommandant der Raumstation freute sich sichtlich, dass Juri wieder zu sich kam. Er sagte: „Da haben Sie uns ja einen riesigen Schrecken eingejagt. Ihre Raumkapsel wurde von einem Meteoriten getroffen und leider total vernichtet. Aber trösten Sie sich, die Ladung konnte vorher gesichert werden. Sie haben uns ja zeitig genug gewarnt und um Hilfe gebeten. Wir haben sofort einen automatischen Raumgleiter flottgemacht und sie samt dem Ladungscontainer aus der Kapsel geholt.“
Juri konnte nicht glauben, was er da gerade hörte. Die Kapsel, von einem Meteoriten getroffen, und er hatte die Station zuvor noch benachrichtigen können? Wie war das nur möglich? Und warum wusste er nichts davon? Wie konnte er auf der Station sein, wenn er doch auf dem fremden Schiff war?
Er wollte Steve erzählen, was er wirklich erlebt hatte. Doch Steve legte den Finger auf den Mund und meinte zu Juri, dass dieser sich noch ein wenig ausruhen müsste. Schließlich hatte er wichtige Aufgaben zu erledigen und musste dazu topfit sein.
Ein wenig beruhigter schloss Juri seine Augen und schlief wieder ein. Er konnte nicht sehen, dass neben der Raumstation ein seltsamer großer blauer Edelsteinflugkörper dahinglitt, der weder auf den Monitoren der Stationscrew noch von den Scannern der Station bemerkt wurde. Und als Juri ausgeschlafen hatte, trennte sich das fremde Schiff von der Station und flog unbemerkt ins All hinaus.
Juri aber hatte einen seltsamen Traum. Er sah das Edelstein-Raumschiff und wusste plötzlich, dass es gar kein Raumschiff war, was da im pechschwarzen Universum schimmerte. Es konnte nur eines sein, was sonst niemand zu sehen vermochte, seine eigene Seele …
Es war ganz seltsam, aber als Gitta zu Besuch bei ihrer Schwester Anne eintraf, wunderte die sich sehr. Denn Gitta hatte sich nicht angemeldet und war einfach die vielen Kilometer von San Diego nach Los Angeles gekommen, nur um mit ihrer Schwester, die sie doch so sehr liebte, shoppen zu gehen.
Anne hatte nicht viel zu tun. Sie lebte ziemlich zurückgezogen in ihrem Haus in der Baker-Road und genoss ihr Seniorendasein. Als Gitta ihren Wagen vor Annes Haus parkte, spürte Anne sofort deren Parfum. Eigentlich konnte das gar nicht sein, denn der kleine Vorgarten lag ja zwischen Straße und dem Fenster, hinter welchem Anne immer stand, um das Treiben da draußen zu beobachten. Diesmal jedoch saß sie in ihrem Schaukelstuhl und betrachtete sich ein Buch über Clowns. Dabei entwickelte sie die verrücktesten Ideen und sah sich schließlich schon als Clown in einem Kinderkrankenhaus.
Dennoch spürte sie dieses eigenartige Parfum und als Gitta schließlich in der Tür stand, schien sich Anne gar nicht mehr zu wundern. Irgendwie wusste sie, dass Gitta kam. Und doch lag etwas Seltsames in der Luft. Es war beinahe so, als würde ein Zauber im Raum liegen. Anne konnte sich das Ganze nicht erklären und Gitta lächelte, so als sei gar nichts dabei, dass sie nun vor ihrer Schwester stand. Die beiden alten Damen umarmten sich und Anne musste weinen. Sie wusste gar nicht, woran das liegen konnte.
Ihr schien es, als würde es das letzte Mal sein, dass sie ihre geliebte Schwester, mit der sie einst so viel erlebt und durchgestanden hatte, umarmen würde. Was konnte das nur sein? Ein Gefühl von Abschied vielleicht? Gitta verhielt sich auch so merkwürdig und wollte überhaupt nicht Platz nehmen, um sich nach der langen Fahrt ein wenig zu stärken. Vielmehr beharrte sie darauf, mit Anne noch einmal spazieren zu gehen. Und eigentlich wollte sie nicht shoppen, sondern zum Friedhof, um nach dem Grab der Eltern zu sehen. Sie meinte, dass sie es schon lange nicht mehr besucht habe und es unbedingt noch einmal sehen wollte.