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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Der Zug hielt im Bahnhof der Kreisstadt. Unter den vielen Reisenden, die hier ausstiegen, war eine hübsche junge Frau, die als letzte das Abteil verlassen hatte und auf den Gang getreten war. »Warten Sie, ich helfe Ihnen mit dem Koffer«, sagte eine Männerstimme hinter Johanna Kramer. Sie drehte sich um und lächelte den Kavalier an. »Vielen Dank. Sehr freundlich von Ihnen«, antwortete sie und stutzte plötzlich. »Hochwürden…« Johanna hatte das silberne Kreuz am Revers des schlanken, hochgewachsenen Mannes gesehen, außerdem gewahrte sie im selben Augenblick den Priesterkragen, den der Geistliche trug. Sebastian Trenker lächelte. Er kannte derartige Reaktionen, wenn er jemandem zum ersten Mal gegenüberstand. Wie ein Mann der Kirche sah er wirklich nicht aus. Mit seinem markanten, von vielen Aufenthalten im Freien stets gebräunten Gesicht und der durchtrainierten Figur konnte man ihn eher für einen prominenten Sportler oder Schauspieler halten. »So, das hätten wir«, sagte der Bergpfarrer und stellte den schweren Koffer der jungen Frau auf dem Bahnsteig ab. »Noch mal, vielen Dank«, nickte Johanna. Sie sah auf die große Bahnhofsuhr. »Herrje, ich muß mich ja beeilen, sonst fährt der Bus ohne mich ab.« »Wohin wollen S' denn?« »Nach St. Johann«, antwortete sie. »Na, dann fahren S' doch einfach mit mir«, bot der Geistliche an. »Da will ich nämlich auch hin. Mein Wagen steht draußen auf dem Parkplatz. Ach, vorher sollte ich mich vielleicht vorstellen. Sebastian Trenker, ich bin Pfarrer in St. Johann.« »Sehr erfreut. Johanna Kramer. Das Angebot nehme ich gern an, Hochwürden.« Die meisten Reisenden hatten den Bahnsteig schon verlassen. Sebastian und seine Begleiterin durchquerten die Halle und traten ins Freie.
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Seitenzahl: 121
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Der Zug hielt im Bahnhof der Kreisstadt. Unter den vielen Reisenden, die hier ausstiegen, war eine hübsche junge Frau, die als letzte das Abteil verlassen hatte und auf den Gang getreten war.
»Warten Sie, ich helfe Ihnen mit dem Koffer«, sagte eine Männerstimme hinter Johanna Kramer.
Sie drehte sich um und lächelte den Kavalier an.
»Vielen Dank. Sehr freundlich von Ihnen«, antwortete sie und stutzte plötzlich. »Hochwürden…«
Johanna hatte das silberne Kreuz am Revers des schlanken, hochgewachsenen Mannes gesehen, außerdem gewahrte sie im selben Augenblick den Priesterkragen, den der Geistliche trug.
Sebastian Trenker lächelte. Er kannte derartige Reaktionen, wenn er jemandem zum ersten Mal gegenüberstand. Wie ein Mann der Kirche sah er wirklich nicht aus. Mit seinem markanten, von vielen Aufenthalten im Freien stets gebräunten Gesicht und der durchtrainierten Figur konnte man ihn eher für einen prominenten Sportler oder Schauspieler halten.
»So, das hätten wir«, sagte der Bergpfarrer und stellte den schweren Koffer der jungen Frau auf dem Bahnsteig ab.
»Noch mal, vielen Dank«, nickte Johanna.
Sie sah auf die große Bahnhofsuhr.
»Herrje, ich muß mich ja beeilen, sonst fährt der Bus ohne mich ab.«
»Wohin wollen S’ denn?«
»Nach St. Johann«, antwortete sie.
»Na, dann fahren S’ doch einfach mit mir«, bot der Geistliche an. »Da will ich nämlich auch hin. Mein Wagen steht draußen auf dem Parkplatz. Ach, vorher sollte ich mich vielleicht vorstellen. Sebastian Trenker, ich bin Pfarrer in St. Johann.«
»Sehr erfreut. Johanna Kramer. Das Angebot nehme ich gern an, Hochwürden.«
Die meisten Reisenden hatten den Bahnsteig schon verlassen. Sebastian und seine Begleiterin durchquerten die Halle und traten ins Freie. Der Parkplatz lag gleich nebenan.
»Ich nehme an, Sie machen Urlaub bei uns«, sagte der Geistliche, als sie in seinem Wagen saßen.
»Ja«, nickte Johanna, »für zwei Wochen habe ich mich in einer Pension eingemietet. Bestimmt kennen Sie das Haus; es ist die Pension ›Edelweiß‹.«
»Freilich kenn’ ich sie«, schmunzelte Sebastian. »Sie gehört meinem Cousin.«
»Natürlich«, lachte auch Johanna. »Das hätte mich gleich stutzig machen müssen; es sind ja dieselben Namen.«
»Darf ich fragen, wo Sie zu Hause sind?«
»In Nürnberg. Ich arbeite dort in einer kleinen Firma, die Spielzeug herstellt. Allerdings ist es nur ein kleines Unternehmen, ein Familienbetrieb.«
Sie hatten die Stadt schnell verlassen und bogen auf die Landstraße ein. St. Johann lag kaum mehr als zwanzig Minuten entfernt. Johanna Kramer schaute während der Fahrt aus dem Fenster. Es war eine herrliche Landschaft, die sie zu sehen bekam, mit ihren schneebedeckten Gipfeln und grünen Almwiesen.
»Da wären wir.«
Der gute Hirte von St. Johann hatte vor der Pension gehalten. Wie selbstverständlich nahm er den Koffer der jungen Frau und trug ihn hinein. Im Flur kam ihnen Marion entgegen.
»Hallo! Betätigst du dich jetzt als Kofferträger?« lachte die Frau seines Cousins.
»Grüß dich, Marion«, sagte Sebastian, nachdem er den Koffer abgestellt hatte. »Das ist euer Pensionsgast, die Frau Kramer aus Nürnberg. Wir haben uns kennengelernt, als wir gemeinsam aus dem Zug gestiegen sind, und ich hab’ sie der Einfachheit halber gleich hergebracht.«
»Herzlich willkommen in St. Johann und in der Pension ›Edelweiß‹«, begrüßte Marion den Gast. »Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wohl fühlen.«
Johanna nickte. »Ich denke, das werde ich.«
»Ich muß leider gleich wieder los«, verabschiedete sich der Geistliche. »Die Frau Tappert wartet sicher schon mit dem Nachmittagskaffee auf mich.«
Er reichte seiner neuen Bekannten die Hand.
»Ich wünsch’ Ihnen einen schönen Urlaub, Frau Kramer. Und wenn S’ mögen, dann schauen S’ mal in der Kirche vorbei. Ich führ’ Sie dann gern herum und zeige Ihnen alles.«
»Das mache ich gern, Hochwürden«, antwortete sie. »Und noch mal vielen Dank für alles.«
»Gern gescheh’n«, nickte der Bergpfarrer. »Also, pfüat euch zusammen, und, Marion, grüß mir den Andreas. Ich schau bei Gelegenheit vorbei.«
Und schon war er aus der Tür.
»So, dann zeige ich Ihnen erst einmal das Zimmer«, sagte Marion und nahm den Schlüssel vom Brett.
Die Einzelzimmer lagen im Erdgeschoß der alten Villa, die Andreas Trenker zu einer Pension umgebaut hatte. Es waren große, komfortabel eingerichtete Räume, jeder mit einem eigenen Bad. Johanna sah sich erstaunt um und freute sich. Sie hatte gar nicht damit gerechnet, daß das Zimmer so schön sein würde.
»Da möchte man am liebsten ja gar nicht wieder fort«, sagte sie.
»Schön, daß es Ihnen gefällt, Frau Kramer«, nickte Marion. »Frühstücken können Sie ab sieben Uhr, aber die meisten ziehen es vor, im Urlaub auszuschlafen. Jedenfalls brauchen Sie keine Sorge zu haben, wir servieren bis elf Uhr. Außer natürlich, Sie wollen eine Bergtour machen und stehen früh auf. Dann sollten Sie uns bitte am Abend vorher Bescheid geben, damit wir ein Frühstück für Sie vorbereiten können.«
»Ich habe nicht vor, eine Bergtour zu machen.« Sie schüttelte den Kopf.
»Na, wer weiß«, lachte Marion. »Da ist schon so mancher auf den Geschmack gekommen, wenn er erst einmal aus der Ferne gesehen hat, wie schön die Gipfel sind. Aber wie auch immer, es gibt noch viele andere Möglichkeiten, sich hier bei uns zu vergnügen. Und jetzt laß ich Sie erst einmal in Ruhe auspacken, und wenn Sie dann Lust auf einen Kaffee haben, dann kommen Sie einfach in den Garten.«
Johanna lächelte. So viel Fürsorge hatte sie gar nicht erwartet. Aber es war schön.
Nachdem die Pensionswirtin gegangen war, öffnete sie die Tür zum Bad. Johanna trat an das Waschbecken und ließ das kalte Wasser laufen.
Ah, tat das gut!
Mehrere Male schöpfte sie mit beiden Händen das kalte Naß und fuhr sich damit über das Gesicht. Dann schaute sie in den Spiegel. Die zur Schau gestellte Miene war abgefallen, ihr Antlitz glich nun einer Maske.
»Und jetzt?« murmelte sie. »Was fange ich jetzt an?«
*
Stefan Kreuzer fuhr die Auffahrt zur Villa hinauf. Rechts und links war sie von Bäumen gesäumt, dahinter breitete sich auf beiden Seiten ein gepflegter Rasen aus. Hinter dem Wagen war das schwere Tor, das den Zugang zum Anwesen versperrte, lautlos ins Schloß gefallen. Die auf der Mauer installierten Überwachungskameras schreckten jeden Eindringling ab, Besucher mußten es sich gefallen lassen, daß sie zuerst ins Visier genommen wurden, ehe man sie hereinließ.
Vor der großen weißen Villa kam der Sportwagen zum Stehen. Das Dach des Cabrios war geöffnet, und der junge Mann sprang mit einem sportlichen Satz hinaus.
Oben am Fenster im ersten Stock sah Stefan eine Bewegung hinter der Gardine. Er schmunzelte, als er sich das mißbilligende Kopfschütteln seines Vaters vorstellte, der am Fenster gestanden und die Ankunft des Sohnes beobachtet hatte.
Noch ehe er die Haustür erreicht hatte, wurde sie geöffnet, und Tante Grete trat heraus. Eigentlich hieß sie Margarete Hösch und war auch nicht mit der Familie verwandt. Die inzwischen über Sechzigjährige arbeitete aber seit mehr als vierzig Jahren als Haushälterin bei den Kreuzers, und Stefan hatte sie schon immer Tante genannt. Schließlich war sie mehr als nur eine Angestellte und hatte ihm so manchen Klaps gegeben, wenn er als kleiner Bub zu viel Unsinn angestellt hatte.
»Junge, du weißt doch, daß dein Vater auf Pünktlichkeit besteht«, tadelte sie seine Verspätung.
Stefan lachte und gab ihr einen Kuß auf die Wange.
»Ich kann nichts dafür«, erwiderte er. »Ehrlich, Tante Grete, auf der Autobahn war so viel los, ich konnte die meiste Zeit kaum mehr als Hundertsechzig fahren.«
Die alte Dame schüttelte den Kopf.
»Red’ doch nicht solchen Unsinn!« sagte sie. »Außerdem bist du wieder aus deinem Auto gesprungen wie ein Sportler über die Hürde. Das ärgert deinen Vater genauso wie unpünktliches Erscheinen.«
»Der beruhigt sich wieder«, winkte Stefan ab. »Wo ist Mutter?«
»Bei ihren Bridgedamen, wie jeden Montagnachmittag.«
»Stimmt ja. Hatte ich vergessen. Gut, ich sehe sie heute abend. Jetzt gehe ich erstmal hinauf.«
Er war schon an der Treppe, dort drehte er sich wieder um.
»Ach nee, erstmal einen Kaffee«, meinte er.
»Gibt’s noch welchen?«
Im Hause Kreuzer wurde jeden Nachmittag, pünktlich sechzehn Uhr, Kaffee serviert. Inzwischen war es aber schon eine halbe Stunde darüber.
»Ja, geh nur hinauf«, nickte die Haushälterin. »Das Mädchen bringt gleich frischen.«
Stefan seufzte.
»Du läßt mir aber auch überhaupt keine Chance, dem Strafgericht zu entgehen«, klagte er mit gespielter Büßermiene.
»So schlimm wird es schon nicht werden«, entgegnete Tante Grete. »Es sei denn, du läßt deinen Vater noch länger warten.«
»Bin schon oben«, rief er und sprang die Treppe hinauf.
Das Arbeitszimmer seines Vaters lag am Ende des Flures, von dem rechts und links Gästezimmer, Bäder und andere Räume abzweigten. Stefan schritt über den kostbaren Orientteppich, der jeden Schall schluckte, und drückte die Klinke herunter.
Kurt Kreuzer stand immer noch am Fenster und starrte hinaus. Dabei hatte er die Hände auf dem Rücken und wirkte im ersten Moment wie eine Statue.
»Hallo, da bin ich«, sagte Stefan und schloß die Tür hinter sich.
Sein Vater regte sich nicht. Erst nachdem ein paar Sekunden verstrichen waren, drehte er sich langsam um und sah ihn schweigend an.
»Ich hatte dich pünktlich um vier erwartet«, erwiderte er endlich.
»Es tut mir leid.«
Kurt Kreuzer schnitt seinem Sohn mit einer Handbewegung das Wort ab.
»Setz dich bitte. Ich habe was mit dir zu besprechen.«
Stefan zog die rechte Augenbraue in die Höhe. An sich war er einen anderen Ton gewöhnt, streng und unnachgiebig. Doch zu seinem Erstaunen hatte sein Vater tatsächlich einmal »bitte« gesagt.
Ganz abgesehen davon, daß er sich jeden Kommentar zur Verspätung seines Sohnes verkniffen hatte!
Kurt Kreuzer bewegte sich endlich vom Fenster fort. Er setzte sich in den Sessel hinter seinem Schreibtisch und sah Stefan merkwürdig an, als blicke er durch ihn hindurch. Der registrierte, daß sein Vater sich auf die Unterlippe biß und nach Worten zu suchen schien.
»Also, mach’s nicht so spannend«, bemerkte er.
»Tja, wie soll ich anfangen?«
Der Vater sah den Sohn direkt an.
»Stefan, es ist etwas eingetreten, das die Firma und dich betrifft«, sagte er endlich.
»Sind wir etwa pleite?«
»Laß diesen Unsinn.« Kurt Kreuzer schüttelte den Kopf. »Obwohl…, es könnte darauf hinauslaufen.«
Stefan riß die Augen auf.
»Wie bitte?«
»Du hast ganz richtig gehört«, nickte Kurt. »Das Unternehmen steckt in einer Krise.«
»Also, das mußt du mir genauer erklären.«
Die Firma Kreuzer stellte bereits seit hundert Jahren hochwertige Schreibgeräte her. Stefans Großvater hatte den Grundstein dazu gelegt, und er, der Jüngste aus der Familie, stellte die dritte Generation dar. Natürlich hatte es in der langjährigen Firmengeschichte immer wieder Krisen gegeben, aber das Gesicht, das sein Vater jetzt machte, verhieß nichts Gutes.
»Harald Schönauer hat mir ein Angebot gemacht«, erklärte Kurt Kreuzer. »Du weißt ja, daß vor einem halben Jahr das Geschäft mit den USA geplatzt ist. Wir haben viel Geld in das Projekt investiert, weil es für uns die Chance war, auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen. Dieses Geld fehlt uns jetzt natürlich.«
»Aber unsere Hausbank würde die Kreditlinie jederzeit erhöhen«, warf Stefan ein. »Warum kommt jetzt ausgerechnet Schönauer ins Spiel?«
»Die Bank habe ich außen vor gelassen«, entgegnete sein Vater. »Es spricht sich schnell herum, wenn ein Unternehmen in einem finanziellen Engpaß steckt. Auch wenn es ein Bankgeheimnis gibt, eines Tages plaudert jemand was aus und ein anderer trägt es weiter. Ich wollte nicht, daß die Firma ins Gerede kommt, aus diesem Grund habe ich Schönauer kontaktiert, und er hat mir aus der Klemme geholfen.«
Der Sohn schluckte.
»Mit wieviel?« wollte er wissen.
»Eine halbe Million.«
»Um Gottes willen«, entfuhr es Stefan. »Und jetzt will er das Geld zurück?«
Sein Vater nickte.
»Innerhalb von sechs Wochen«, antwortete Kurt Kreuzer. »Ansonsten will er Anteile an dem Unternehmen in dieser Höhe erwerben.«
Es klopfte an der Tür, und das Hausmädchen brachte ein Tablett mit Kaffee und Tassen herein.
»Warum weiß ich nichts davon?« fragte Stefan, als sie wieder allein waren.
Sein sonst so gestrenger Vater machte ein bedrücktes Gesicht.
»Ich dachte, ich bekomme das alleine wieder hin«, gab er zu. »Ich wollte nicht unbedingt viel Aufhebens darum machen.«
Stefan Kreuzer trank einen Schluck. Seit er nach dem Studium in die Firma eingestiegen war, oblag es ihm, die Kontakte zu den Geschäftspartnern zu halten und neue zu knüpfen. Die meiste Zeit des Jahres war er unterwegs und reiste durch halb Europa. Es hatte ihm immer Spaß gemacht. Er haßte es, im Büro zu sitzen und dort irgendeine langweilige Arbeit zu verrichten. Doch jetzt fragte er sich, ob er nicht besser daran getan hätte, seinen Job einem anderen zu übertragen und sich mehr um die Firmeninterna zu kümmern.
»Ausgerechnet der Schönauer!« stöhnte er auf.
Harald Schönauer war der Chef eines Konkurrenzunternehmens. Das heißt, eine wirkliche Konkurrenz war er nicht, denn anders als die Firma Kreuzer stellte die Schönauer GmbH billige Dutzendware her, die im Ausland gefertigt und dann in Warenhäusern und Billigmärkten für wenige Cent verkauft wurde. Doch inzwischen liebäugelte er auch mit der Produktion hochwertiger Füllfederhalter und Kugelschreiber, und Anteile an der Firma Kreuzer würden ihm den Weg in dieses Segment ebnen.
»Du sagtest, er habe dir ein Angebot gemacht…«
Kurt Kreuzer räusperte sich laut und wich dem Blick seines Sohnes aus.
»Er hat gemeint, wir sollten uns zusammentun. Sowohl geschäftlich als auch familiär…«
Es dauerte einen Moment, ehe der Groschen fiel, dann sah der Sohn den Vater an, als habe der eben den Untergang der Welt angekündigt.
»Wie bitte?« hauchte Stefan tonlos.
Sein Vater hob beschwichtigend die Hand.
»Es ist ja erstmal nur ein Vorschlag«, sagte er.
Indes klang es recht lahm.
»Ich möchte dich bitten, in aller Ruhe darüber nachzudenken, bevor du eine Entscheidung triffst«, fügte Kurt Kreuzer hinzu.
Der Juniorchef stellte mit einer heftigen Bewegung seine Tasse zurück, daß es schepperte. Erregt sprang er auf.
»Schlag dir das aus dem Kopf, Vater«, rief er. »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
*
Johanna Kramer erwachte nach einem langen traumlosen Schlaf und fühlte sich viel besser als am Abend zuvor. So recht hatte sie sich kaum an den Schönheiten des Dorfes und an ihren Aufenthalt in St. Johann erfreuen können. Während ihres Spaziergangs am Nachmittag mußte sie immer wieder daran denken, daß dieser Urlaub eigentlich ganz anders hätte verlaufen sollen.
Zu zweit hatten sie fahren wollen, Jürgen und sie. Doch dann war von einem Tag auf den anderen alles anders gekommen.