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Ergänzungen zu "Exerzitien der Nächstenliebe": - 10 weitere Predigten und Essays - Vorschläge für Übungen in Gruppentreffen, Gestaltungsvorschläge - Vier Beispiele für Work-Prozesse - Ein Aufsatz, der ein "entmythologisiertes" Verständnis von The Work präsentiert - Korrekturen von Fehlern im Exerzitienbuch
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Seitenzahl: 140
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Vorwort
Predigten und Essays, Tipps und Skizzen
Predigt: Vier Kämpfe um das Menschenbild
Essay: Sehen, Urteilen, Handeln, der Dreischritt der CAJ und die gewaltfreie Kommunikation, Naikan und The Work
Essay: Denkt die gewaltfreie Kommunikation den Menschen altruistisch oder doch verdeckt egoistisch?
Predigt: Wut und Stolz
Predigt: Meta-Kommunikation in Beziehungen
Predigt: Mangelland und Fülleland. Joh 5,1-18
Empathie schenken im Dialog – 12 Tipps
Essay: Das Ringen um Empathie und seine gesellschaftliche Bedeutung
Predigt: Wir sind Kinder Gottes – gegen die anderen oder mit ihnen?
Zusammenhänge der drei Wege anhand biblischer Texte und philosophischer Gedanken in Skizzen aufgezeigt
Fortsetzung der Anregungen: Illusion der Getrenntheit (39.Woche)
Gruppentreffen
Übungen zu GfK in einer Gruppe
Drei empfehlenswerte Übungen
Beispiele der Teilnehmer, Üben, vorbildliche Beispiele, Pausetaste
Biblische Texte mit GfK betrachten
Übungen zu Naikan in einer Gruppe
Übungen in der Gruppe
Ruhige Atmosphäre
Spielregeln beim Austausch
Übungen zu Work in einer Gruppe
Übungen, um Work kennen zu lernen
Übungen und Wege, um einen Stress-Satz zu finden
Zusatzübungen
Formen
Liste möglicher Zusatzfragen
„Entmythologisiertes“ Verständnis von The Work
The Work: Versöhnungsarbeit
Die Wutsätze aufschreiben: Den Ärger nicht verdrängen
Die ersten zwei Fragen in welcher Art beantworten?
Die dritte Frage: Den Schmerz wahrnehmen
Die vierte Frage: Die Wunderfrage in The Work
Umkehrungen prüfen: Neue Sichtweisen und Offenheit durch Nicht-Wissen
Drei Arten der Umkehrungen
Beispiele finden: Assoziative Suche
Beispiele finden auf mehreren Ebenen
The Work mit „Ich muss“-Sätze
Die Frage nach den Angelegenheiten als Heuristik
Work ist Schattenarbeit
Work hilft einengende Grundüberzeugungen loszulassen
Work nimmt die Ich-Perspektive ein
Zusammenfassung
Beispiele von The Work
Beispiel: Im Zug
Beispiel: Der ökumenische Gottesdienst
Beispiel: Ich muss Zeitabläufe gut organisieren
Beispiel: Das Fußgelenk schmerzt
Korrekturen zu „Exerzitien der Nächstenliebe“
Diese „Ergänzungen“ enthalten verschiedene Anregungen: Die weiteren Predigten und Essays vertiefen die 52 Einheiten des Exerzitienbuches.
Übungen für Gruppentreffen: Wenn eine Gruppe sich entschließt, die „Exerzitien der Nächstenliebe“ ein Jahr lang durchzuführen, werden sie sich mehrmals treffen. Ich habe einige Anregungen gesammelt, wie solche Treffen gestaltet werden könnten.
Zusätzliche Beispiele für Work-Prozesse helfen zum besseren Verständnis für The Work.
Mit meinem Aufsatz zu einem „entmythologisierten“ Verständnis von Work will ich darlegen, dass man Work sinnvoll nutzen kann, auch wenn man wesentlichen Punkten von Byron Katies Philosophie nicht zustimmt.
Eine Liste der Korrekturen der Fehler in „Exerzitien der Nächstenliebe“
In der ersten Predigt verdeutliche ich den Rahmen, das Menschenbild, in dem die drei Wege überhaupt nur sinnvoll sind.
Mit dem Dreischritt der CAJ (Christlichen Arbeiterjugend), der auch im II. Vatikanischen Konzil richtungsweisend wurde, kann man die drei Wege in ihren Zusammenhängen erläutern.
Die folgenden fünf Texte vertiefen das Verständnis der drei Wege, insbesondere die gewaltfreie Kommunikation.
Die folgenden zwei Texte („Essay: Das Ringen um Empathie und seine gesellschaftliche Bedeutung“ und die Predigt „Wir sind Kinder Gottes – gegen die anderen oder mit ihnen?“) zeigen auf, wie sehr die gewaltfreie Kommunikation auch für gesellschaftspolitische Diskussionen wertvoll ist.
Abschließend präsentiere ich Skizzen, quasi Mindmaps, die die Zusammenhänge der drei Wege anhand biblischer Texte und philosophischer Gedanken aufzeigen. Gerade in Gruppen kann man anhand solcher Mindmaps schnell Zusammenhänge erklären.
Predigt zum 1.Januar: Hochfest der Gottesmutter Maria
Um das Menschenbild wird hart gekämpft, schon Jahrhunderte lang und auf verschiedenen Feldern. Vier solcher Kämpfe möchte ich heute vorstellen. Über jedes dieser Kämpfe habe ich schon einmal eine eigene Predigt gehalten bzw werde ich noch halten. Jedoch es ist aus mehreren Gründen wertvoll, alle vier großen Streitfragen um das Menschenbild nebeneinander zu stellen.
Daran sieht man viererlei:
Die vier großen Streitfragen beziehen sich auf die vier zentralen Beziehungen eines Menschen: Seine Beziehung zu Gott, zu seinen Mitmenschen, zu sich selbst und zur Welt.
Bei allen vier Streitfragen sehen wir: Es hat Auswirkungen! Welches Menschenbild ich, du, wir, die öffentliche Meinung oder Gesellschaft – bewusst bzw. unbewusst – wählen, hat immense Auswirkungen auf unser Reden, Miteinanderumgehen und Handeln.
All diese großen Streitfragen haben viele Generationen von Theologen, Philosophen, Wissenschaftler beschäftigt. Und auch heute gilt: Entscheide Dich, wie Du Dich als Mensch sehen willst.
Ja noch mehr: Es geht heute darum, ein Menschenbild stark zu machen, das uns hilft, die äußerst schwierigen Herausforderungen der heutigen Menschheit zu bewältigen.
Also beginnen wir mit dem Panorama der Streitfelder um den Menschen:
Die theologische Streitfrage: Beziehung Gott – Mensch!
Die Streitfrage lautet: Ist die Seele des Menschen durch den Sündenfall total verderbt oder nur krank? Luther und Erasmus von Rotterdam haben so über diese Frage gestritten. Wir können sie auch anders stellen: Ist in unserer Seele ein göttlicher Funke, der zwar verdeckt ist durch die Sünde, aber er ist da? ODER: Ist das göttliche Licht durch den Sündenfall komplett ausgelöscht? Augustinus, Luther und Karl Barth meinten, das göttliche Licht ist komplett ausgelöscht. Die Gnade muss komplett von außen kommen, um den Menschen zu erlösen.
Justin, Meister Eckhart, Hugo von St. Viktor, Karl Rahner dagegen sagen: Es gibt ein göttliches Licht in jedem Menschen. Es ist nur mehr oder weniger verdeckt. Die Gnade soll bewirken, dass der Mensch das göttliche Licht in sich entdeckt und stärker nach außen wirken lässt.
Ganz klar: Das Menschenbild von Justin, Eckhart und Rahner ist positiver. Um es kurz zu machen: Ich vertrete voll deren Menschenbild und meine, dass es für das Christentum heute existentiell ist, deutlich dieses Menschenbild zu verkünden.
Da diese Predigt ja einen Überblick schaffen soll, ein Panorama, gehe ich gleich weiter zum nächsten Streitfeld.
Die Leib-Seele-Streitfrage:
Was ist mein Geist? Ist er nichts anderes als das Zusammenspiel meiner Gehirnzellen? Kann man das Geistige reduzieren auf komplexe biochemische Prozesse?
Dann ist der Schritt nicht mehr weit zu sagen: Wenn das so ist, ist der Mensch eigentlich nicht frei. Denn biochemische Prozesse folgen notwendigen Naturgesetzen. Dann ist der Eindruck des Menschen, er sei frei, eine Illusion. Nicht wenige Gehirnforscher und Philosophen behaupten das.
Aber es gibt auch andere Philosophen und Gehirnforscher, die widersprechen: Unser Geist lässt sich nicht allein durch das Zusammenspiel von biochemischen Prozessen erklären. Und sie können die Argumentationen ihrer Gegner als unzureichend entlarven. Hier ist nicht der Platz, auf diese Dispute und ihre Argumente einzugehen.
Aber auch hier merkt man schnell die Wirkung beider Ansichten: Was machen wir mit dem Strafrecht, wenn Menschen eigentlich nicht frei sind? Wie soll man Menschen motivieren, z. B. ihre Sucht aufzugeben, wenn man nicht an ihre Freiheit appellieren kann?
Wieder ein klares Fazit: Es ist äußerst wichtig, in der öffentliche Meinung dafür zu kämpfen, dass der Mensch einen Geist hat, der sich nicht auf Biochemie reduzieren lässt, dass sein Verhalten nicht völlig determiniert, d. h. fest durch Naturgesetze bestimmt ist. Der menschliche Geist ist etwas anderes als ein Computer! Bei aller Beeinflussung und Unvermögen: Der Mensch ist auch immer in gewisser Weise frei! Er kann seine Freiheit gestalten!
Auch hier beeinflusst das Bild mein Verhalten: Ich gehe mit mir selber anders um, wenn ich von dem Menschenbild ausgehe, dass ich auch frei bin und mein Geist etwas Eigenes ist.
Die Leib-Seele-Streitfrage gehört zu meinem Verhältnis zu mir selbst. Die Altruismus-Streitfrage gehört zu meinem Verhältnis zum Mitmenschen.
Die Altruismus-Streitfrage:
Ist der Mensch zu altruistischem Handeln fähig oder handelt der Mensch letztlich immer egoistisch? Eine altruistische Tat ist folgendes: Ich tue etwas für einen anderen, ohne auf die Vorteile für mich zu schauen. Ich helfe also aus völliger Nächstenliebe und Hingabe – dabei bin ich sogar bereit, Nachteile für mich in Kauf zu nehmen, in extremen Fällen sogar bis hin zur Lebensgefahr.
Es gibt nicht nur viele Philosophen sondern auch viele Menschen, die fest davon überzeugt sind: Wirklich selbstloses Handeln für andere, also Altruismus, gibt es nicht. Immer gibt es einen Nutzen für einen selbst hinter dem angeblichen selbstlosen Handeln. Mutter Teresa: die wollte sich nur wohl fühlen, wollte sich vor Gott als große Dienerin präsentieren oder sie wollte sich den Himmel verdienen.
Eines kann ich bei solchen Streitgesprächen immer wieder feststellen: Wenn der Befürworter von echtem Altruismus beeindruckende Beispiele von Altruismus ins Feld zieht, kommt der Gegner mit verwinkelten Argumentationen, dass der altruistische Mensch eigentlich nur auf irgendeine Weise verdeckt etwas für sich tut. Auch das ist ein Reduktionismus: Angebliches selbstloses Handeln für andere ist eigentlich nur egoistisches Handeln.
Was für schlimme Folgen dieses Menschenbild haben kann, zeigte die Katastrophe 2005 in New Orleans. Der Hurrikan Katrina verwüstete die Stadt. Danach berichteten die Medien, dass es viele Plünderungen und Raubzüge gegeben habe. Der Bürgermeister ordnete 1500 Polizisten an, ihre Hilfsaktionen zu unterbrechen und die Verbrecher zu suchen. Die Gouverneurin schickte 72 000 Soldaten in die Stadt, um Ruhe und Ordnung zu schaffen. Doch es stellte sich dreierlei heraus: Die Medien berichteten nur vom Hörensagen. Ihre Angaben waren falsch. Es gab keine unzähligen Plünderungen. Vielmehr gab es ganz viele Gruppen von Freiwilligen, die anderen halfen. Die Falschmeldung und die vielen Ordnungswächter auf Verbrecherjagd bewirkten, dass viele Menschen sich nicht aus den Häusern trauten und Rettungskräfte sich nicht mehr in die Katastrophengebiete wagten. Warum aber glaubten die Medien so schnell ungesicherten Berichten von Plünderungen? Weil man allgemein davon ausgeht: Eine Katastrophe bringt das egoistischste Verhalten von Menschen zum Vorschein und das bedeutet: Plünderungen und Raubzüge! Jedoch Untersuchungen über das menschliche Verhalten nach großen Katastrophen zeigte: Fast immer halfen sich die Menschen gegenseitig, bildeten spontan Helfertrupps usw.
Fazit: Es gibt altruistisches Handeln! Es ist aber sehr förderlich, wenn viele Menschen auch glauben, dass Menschen altruistisch sein können. Das gegenteilige Menschenbild bewirkt eher Teufelskreise. Siehe die New Orleans Katastrophe!
Nun zur letzten Streitfrage. Das Problem, um das es geht, ist schwer greifbar zu machen. Ich will es nur kurz anreißen. Es geht um die Beziehung Mensch – Welt
Subjekt – Welt – Graben oder Eingebettetsein?
Die Philosophen Heidegger, Wittgenstein und Merleau-Ponty haben Schluss gemacht mit dem Menschenbild, das seit Descartes die Philosophie aber auch das Lebensgefühl vieler moderner Menschen beeinflusste. Descartes schuf einen Graben: Auf der einen Seite „Ich“ und meine Gedanken. Da ist alles sicher. Auf der anderen Seite alles andere: die Welt, die Mitmenschen, ja auch mein Körper. Das ist unsicher. Eine sichere Erkenntnis von der anderen Seite bekomme ich nur, wenn ich von der sicheren Seite ausgehe: Ich denke, also bin ich. Das Lebensgefühl aus dieser Sichtweise: Ich stehe einsam, allein der Welt gegenüber.
Die drei Philosophen zeigten auf unterschiedliche Weise: dieser Graben ist eine Illusion. Wir sind eigentlich eingebettet in eine menschliche Gemeinschaft, eingebettet in einer Umgebung. Wir sind von Dingen nicht zuerst getrennt. Vielmehr gehen wir erst alltäglich mit ihnen selbstverständlich um. Und diese Verbindung, dieser enge Kontakt mit der Welt, mit den Mitmenschen, mit den Dingen in meiner Wohnung usw. geschieht durch meinen Körper. Das Lebensgefühl aus dieser Sichtweise: Ich fühle mich wohl in meinem Körper, bin in eine soziale Gemeinschaft eingebettet, ich bin wirklich in der Welt, ich bin in Kontakt und ganz einfach in alltäglichem Austausch und Umgang mit den Dingen.
Nun möchte ich alle vier Streitfragen mit einem theologischen Begriff zusammenfassen, den ich jedoch neu verwende: Sünde kommt von absondern.
Alle vier meines Erachtens falsche Menschenbilder sondern ab:
Gottes Licht wird aus der Seele des Menschen abgesondert, wenn die Seele total verdorben sein soll.
Der menschliche Geist wird in seinem Vermögen zur Freiheit abgesondert, verleugnet, wenn Geist nur Biochemie ist.
Der Mensch wird vom Mitmensch abgesondert, wenn wir glauben, dass echte selbstlose Nächstenliebe und selbstloses Handeln für andere gar nicht gibt und jedes Handeln immer irgendwie egoistisch ist.
Der Mensch wird aus der Welt abgesondert, wenn er auf den Punkt reduziert wird: Ich denke, also bin ich!
Diese vier falschen Menschenbilder sind deswegen für mich Meta-Sünden. Wer an diese falschen Menschenbilder glaubt, fördert Absonderungen, Trennungen und damit Sünden. Denn all diese vier falschen Menschenbilder wirken wie selbsterfüllende Prophezeiungen: Umso mehr Menschen an sie glauben, umso mehr erscheint für sie so viel als Beleg, dass sie Recht haben.
Konsequenz dieser falschen Menschenbilder: Man kann Menschen nur durch Zuckerbrot und Peitsche führen. Man traut den Menschen nicht zu, wirklich selbst dazu lernen zu können und aus eigenem Antrieb gerne für andere da zu sein. [Oder mit Henri Bergson: Es gibt zwei Quellen der Moral: die Moral des sozialen Drucks und die Moral der Begeisterung. Die drei ersten falschen Menschenbilder kennen nur die Moral des sozialen Drucks. Sie leugnen die Fähigkeit zur Begeisterung!]
Deswegen ist es so wichtig, die anderen vier Menschenbilder stark zu machen:
Das göttliche Licht ist in jedem Menschen!
Der menschliche Geist ist zur Freiheit fähig!
Menschen können altruistisch handeln!
Ich bin verkörpert, eingebettet in eine menschliche Gemeinschaft, in echtem, untrüglichem Kontakt zur Welt, wirklich in der Welt.
Weihnachten, die Menschwerdung Gottes, steht genau für diese vier Menschenbilder!
Die Gottesmutter Maria verkörpert alle diese vier Menschenbilder und ist Garant für ihre Wahrheit!
Maria sagt aus freien Stücken ja! Sie lebt in Hingabe zu ihrem Sohn und steht bei ihm, als er gekreuzigt wird! Wenn sie völlig frei von Erbsünde ist, dann ist in jedem Menschen ein Ort, der frei ist von Erbsünde! Sie lässt Gott Fleisch werden und führt ihn in die Welt!
Für die Zukunft der Menschheit ist es wichtig, für die Ausbreitung dieser vier Menschenbilder zu kämpfen! Dieser Kampf für das Gute im Menschen kann entscheidend sein für die Menschheit!
Literatur:
Zum ersten Streitfall: z. B. Gaudium et spes Pastoralkonstitution Zum zweiten Streitfall: z. B. Michael Pflaum: Die aktive und kontemplative Seite der Freiheit
Zum dritten Streitfall: Matthieu Ricard: Allumfassende Nächstenliebe
Zum vierten Streitfall: Dreyfuß Taylor: Die Wiedergewinnung des Realismus
Zur Konsequenz Zuckerbrot und Peitsche: z. B. Liv Larsson: Begegnung fördern. Mediation in Theorie und Praxis
Sehen, Urteilen, Handeln sind die drei Schritte eines christlichen Lebens.
Der belgische Priester Joseph Cardijn hat diesen Dreischritt als Richtschnur christlichen Lebens erkannt und seiner von ihm begründeten Bewegung CAJ, die „christliche Arbeiterjugend“, mitgegeben. Im zweiten vatikanischen Konzil hat er bewirkt, dass in diesem Dreischritt die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ aufgebaut wurde. Damit wurde dieser Dreischritt zur offiziellen Lehre der katholischen Kirche.
Auf den ersten Blick erscheint dieser Dreischritt als selbstverständlich menschlich und natürlich: Wir Menschen nehmen wahr, denken nach bzw. urteilen und handeln dann. Was ist dann an diesem Dreischritt besonders?
Die Reihenfolge könnte auch anders sein:
1.1. Manche Theologie beginnt zuerst mit dem Urteilen! Sie gibt dogmatische Lehren vor und versucht sie dann Menschen zu vermitteln. Nur dann haben die Freuden und Hoffnungen, Trauer und Angst von den konkreten Menschen heute keine wirkliche Bedeutung! In diesem Dreischritt ist eine theologische Grundentscheidung enthalten: Wir müssen von der uns gegebenen jeweiligen Situation, von den betroffenen Menschen heute ausgehen, um den Wert des Evangeliums lebendig entdecken zu können und nach ihm handeln zu können!
1.2. Auch im alltäglich menschlichen Leben kann die Reihenfolge verwirrt sein: Manche Menschen schauen gar nicht genau hin und urteilen zu schnell. Andere handeln manchmal zu schnell spontan und schauen dann erst genauer hin. Jedoch dann kann es auch zu spät sein.
Die Reihenfolge bewusst benennen und vollziehen schafft eine Ordnung, die deutlicher die Unterscheidung der Geister werden lässt:
2.1. Sehen: Das bedeutet, dass wir wirklich die Realität versuchen zu sehen. Menschen verzerren, verdrängen Aspekte, beschönigen. Der erste Schritt lädt uns ein: Ich versuche nichts zu verdrängen, zu verzerren, zu beschönigen! Der barmherzige Samariter sieht den verletzten Mann, hat Mitleid und hilft ihm. Er verdrängt nicht den Anblick eines leidenden Menschen wie der Priester und der Levit, die vorbei gehen. Für das Sehen gilt Jesu Aufforderung: Seid wachsam, das Reich Gottes ist nahe!
2.2. Urteilen: Wer sich bewusst macht, dass er urteilt, kann auch kritisch sein Urteil hinterfragen. Das will Jesus in seinen Streitgesprächen mit den Pharisäern erreichen: Ihre vorschnellen Urteile, ihre widersprüchlichen und lebensfeindlichen Urteile entlarvt er durch kritische Gespräche. Der Sabbat ist für den Menschen da! Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein! Sucht zuerst das Reich Gottes, alles andere wird euch dazugegeben! Usw.
2.3. Handeln: Wer die ersten zwei Schritte bewusst mit Unterscheidung der Geister vollzieht, hat auch den Elan und die Klarheit, konkret zu handeln! Der barmherzige Samariter hilft entschlossen. So viele Heilige haben aus den Herausforderungen ihrer Zeit mit der Kraft ihres christlichen Glaubens mit Elan gehandelt: Don Bosco half den heimatlosen Jugendlichen in der Frühindustrialisierung. Oscar Romero stellte sich auf die Seite der Armen und prangerte die Ungerechtigkeiten und Gewalttaten der Regierung, der reichen Familien und der Armee an.
Sehen, Urteilen, Handeln und Gfk, Naikan, The Work
Zusammenhänge und grundlegende Tiefendimensionen werden oft erst mit der Zeit einem klar. Das Buch „Exerzitien der Nächstenliebe. Eine Einführung in die gewaltfreie Kommunikation, Naikan und The Work im Lichte der Ethik Jesu“ war schon zwei Jahre veröffentlicht, wie ich in einem Gespräch merkte: Die 4 Schritte der gewaltfreien Kommunikation korrespondieren mit der Dreischritt der CAJ!
1.Sehen
entspricht
Beobachten bzw. Tatsachen
2.Urteilen
entspricht
Gefühle und Bedürfnisse
3.Handeln