Es ist gefährlich, dich zu lieben - Toni Waidacher - E-Book

Es ist gefährlich, dich zu lieben E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Die Sonne lachte von einem strahlend blauen Himmel, die Vögel boten ein unentgeltliches Pfeifkonzert. Rund um Martin und Erika Eckl erhob sich schweigend und gigantisch eine faszinierende Bergwelt. Noch war der Weg nicht allzu steil und gut zu begehen, sodass das alte Ehepaar zügig ausschreiten konnte. Auf den eingezäunten Wiesen mit dem rot und weiß blühenden Klee und einer bunten Vielfalt weiterer Sommerblumen weideten Kühe, und das Gebimmel der Kuhglocken begleitete die beiden. »Auf dem Schild hat gestanden, dass der Weg zur Streusachhütte etwa viereinhalb Stunden in Anspruch nimmt«, sagte Martin einmal. »Selbst wenn wir fünf Stunden benötigen, dann sind wir gegen ein Uhr mittags oben, können etwas essen und trinken und uns dann wieder auf den Rückweg machen. Wir werden zum Abendessen in der Pension sein …« Er lachte vergnügt, und in seinen Augen funkelte der Schalk. »Angie wird uns fragen, ob es uns in Innsbruck gefallen hat, und wir werden antworten, dass Innsbruck auf jeden Fall eine Reise wert ist.« Die sechsundsiebzigjährige Erika schaute skeptisch drein. »Noch sind wir nicht oben«, verlieh sie ihren Zweifeln Ausdruck. »Ich weiß nicht, ob es klug ist, diese Tour zu unternehmen. Der Weg soll ziemlich schwierig zu gehen sein. Ich habe ein ungutes Gefühl.« »Das ist nur dein schlechtes Gewissen der Angie und der Frau Frischholz sowie dem Pfarrer gegenüber, Erika. Du glaubst, etwas Verbotenes zu tun, weil der Pfarrer dir aufgetragen hat, darauf aufzupassen, dass ich mich schön brav auf dem Liegestuhl im Pensionsgarten zu Tode langweile.« »So hat er das nicht ausgedrückt«, widersprach Erika.

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Der Bergpfarrer – 487 –

Es ist gefährlich, dich zu lieben

Unveröffentlichter Roman

Toni Waidacher

Die Sonne lachte von einem strahlend blauen Himmel, die Vögel boten ein unentgeltliches Pfeifkonzert. Rund um Martin und Erika Eckl erhob sich schweigend und gigantisch eine faszinierende Bergwelt. Noch war der Weg nicht allzu steil und gut zu begehen, sodass das alte Ehepaar zügig ausschreiten konnte. Auf den eingezäunten Wiesen mit dem rot und weiß blühenden Klee und einer bunten Vielfalt weiterer Sommerblumen weideten Kühe, und das Gebimmel der Kuhglocken begleitete die beiden.

»Auf dem Schild hat gestanden, dass der Weg zur Streusachhütte etwa viereinhalb Stunden in Anspruch nimmt«, sagte Martin einmal. »Selbst wenn wir fünf Stunden benötigen, dann sind wir gegen ein Uhr mittags oben, können etwas essen und trinken und uns dann wieder auf den Rückweg machen. Wir werden zum Abendessen in der Pension sein …« Er lachte vergnügt, und in seinen Augen funkelte der Schalk. »Angie wird uns fragen, ob es uns in Innsbruck gefallen hat, und wir werden antworten, dass Innsbruck auf jeden Fall eine Reise wert ist.«

Die sechsundsiebzigjährige Erika schaute skeptisch drein. »Noch sind wir nicht oben«, verlieh sie ihren Zweifeln Ausdruck. »Ich weiß nicht, ob es klug ist, diese Tour zu unternehmen. Der Weg soll ziemlich schwierig zu gehen sein. Ich habe ein ungutes Gefühl.«»Das ist nur dein schlechtes Gewissen der Angie und der Frau Frischholz sowie dem Pfarrer gegenüber, Erika. Du glaubst, etwas Verbotenes zu tun, weil der Pfarrer dir aufgetragen hat, darauf aufzupassen, dass ich mich schön brav auf dem Liegestuhl im Pensionsgarten zu Tode langweile.«

»So hat er das nicht ausgedrückt«, widersprach Erika. »Er hat dir zu verstehen gegeben, unsere Touren so auszuwählen, dass wir uns dabei nicht übernehmen. Du darfst nicht vergessen, dass du auf die achtzig zugehst. Und ich bin lediglich zwei Jahre jünger als du.«

»Wir haben den Weg zur Kandereralm geschafft, meine Liebe«, kehrte Martin das Thema vom Tisch, »also schaffen wir auch die Tour zu der Streusachhütte. Was soll schon groß passieren, wenn wir auf dem beschilderten Wanderweg bleiben?«

Es wurde wärmer, das Gelände steiler. Das Geläut der Kuhglocken war längst zurückgeblieben. Der Weg war von Sträuchern gesäumt und längst nicht mehr so eben wie weiter unten, wo er geschottert und gewalzt gewesen war. Hier war er von Schmelz- und Regenwasser ausgeschwemmt und steinig, voll tückischer Rinnen, in denen sich Schwemmsand, Laub vom vergangenen Herbst und verrottendes Zweigwerk, das der eine oder andere Sturm von den Büschen gerissen hatte, angesammelt hatte. Auch Geröll lag herum, und man musste Obacht geben, wohin man beim Gehen seine Füße setzte. Das Geröll war lose, und wenn man nicht achtgab, konnte man leicht umknicken und sich böse Verletzungen am Knöchel zuziehen.

Nach wie vor schritt Martin zügig den Berg hinauf. Für sein Alter war er tatsächlich noch sehr gut in Form. Herzschlag und Atmung beschleunigten sich zwar bei ihm, aber das war völlig normal. Erika hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Dabei war die Sechsundsiebzigjährige auch noch sehr ausdauernd. Sie hatte ihr Leben lang Sport getrieben.

»Bitte, Martin, schalte einen Gang zurück«, bat sie keuchend. »Wenn du weiterhin so rennst, haben wir nach der halben Strecke keine Kraft mehr. Wir müssen mit unseren Kräften ein bissel sparsam umgehen.«

Sofort wurde Martin langsamer. »Wir können eine kleine Pause einlegen«, schlug er vor.

»Ja, bitte. Mein Hals ist schon ziemlich trocken. Trinken wir einen Schluck.«

Sie hielten an, jeder holte die Wasserflasche des anderen aus dessen Rucksack, sie setzten sich an die kleine Böschung am Wegrand, tranken einige Schlucke und verschnauften.

»Der Pfarrer wird Augen machen, wenn ich ihm irgendwann mal gestehe, dass wir zur Streusachhütte marschiert sind«, sagte Martin. »Ich werde es ihm aber erst kurz vor unserer Abreise verraten. Wenn ich es ihm vorher erzähle, hält er am Ende die Angie und die Frau Frischholz an, noch mehr auf uns aufzupassen, als sie es sowieso schon tun. Die können uns zwar nichts verbieten, aber ich müsste mir ständig ihre Mahnungen und Warnungen anhören. Darauf lege ich nicht den geringsten Wert. Ich weiß schon, was ich mir zutrauen kann und was nicht.«

»Ich bin mir nicht mehr sicher, Martin, ob du das wirklich weißt«, wandte Erika ein. »Ich denke langsam auch, dass du dich überschätzt. Dass du vor einem halben Jahrhundert bei der Bundeswehr in einer Jägereinheit gedient hast, darf für dich schon lange kein Maßstab mehr sein. Damals warst du jung, stark und ausdauernd. Jetzt bist du ein alter Knacker …«

»Schluss jetzt!«, fiel Martin seiner Frau ins Wort. »Das will ich nicht hören. Alt sein ist das eine, sich alt fühlen das andere. Halte mich ruhig für einen alten Knacker, Erika. Von meinen Lebensjahren her gesehen muss ich dir sogar recht geben. Hast du schon mal was vom biologischen Alter gehört? Danach bin ich allenfalls Mitte fünfzig. Und nur das zählt.«

»Und woher willst du das denn wissen?«

»Man ist so alt, wie man sich fühlt«, erhielt Erika zur Antwort. »Bist du wieder fit? Wenn ja, gehen wir weiter.«

»Lass mich noch ein paar Minuten rasten, Martin«, bat Erika und nahm einen weiteren kleinen Schluck aus der Trinkflasche. »Es schadet dir sicher auch nicht. Wir müssen, wie gesagt, unsere Kräfte gut einteilen.«

Sie warteten noch fünf Minuten, dann verstauten sie die Getränkeflaschen und setzten ihren Weg fort.

Nach einiger Zeit begann Bergwald, und die beiden Wanderer waren nicht mehr der prallen Sonne ausgesetzt. Unter dem dichten Dach aus Baumkronen, das kaum einen Sonnenstrahl durchließ, war es etwas kühler. Dafür wurde aber der Weg noch schlechter. Jetzt bildeten die Wurzeln der alten Bäume zu beiden Seiten des Weges, die von Regen und Schneeschmelze aus dem Boden gewaschen worden waren, weitere Stolperfallen. An ihnen hatten sich Schwemmsand und kleines Geröll gestaut, und dieses Gemisch stellte alles andere als einen festen, soliden Untergrund dar.

Außerdem war der Weg an manchen Stellen überaus steil, und die alten Leute mussten die Hände einsetzen, um diese Steilhänge zu überwinden. Sie kamen ins Schwitzen und verloren an Kraft.

Seit sie die Tour begonnen hatten, waren ungefähr zwei Stunden vergangen. Mechanisch setzte Martin einen Fuß vor den anderen, aber seine Schritte waren bei Weitem nicht mehr so forsch und ausholend wie zu Beginn ihrer Wanderung. Mehr und mehr bekam er das Gefühl, dass es nicht mehr seine Füße waren, die in den festen Wanderschuhen steckten, sondern schwere Bleiklumpen. Aber auch Erika war am Ende. Sie setzte sich ächzend auf einen kniehohen Felsen am Wegrand und stöhnte: »Ich kann nicht mehr, Martin. Gegen diesen Weg war der zur Kandereralm ein Vergnügen. Ich gehe keinen Schritt mehr.«

Ihr Mann ließ sich neben ihr auf den Felsblock sinken. »Meinetwegen, Erika«, keuchte er, und selbst das Sprechen schien ihm Mühe zu bereiten. »Wir haben uns wohl wirklich zu viel zugemutet. Aber bitte, erweise mir einen Gefallen.«

»Welchen?«, stieß Erika schwer atmend hervor.

»Verrate niemand, dass wir so kläglich gescheitert sind. Sie könnten über uns lachen.«

»Ist das wirklich dein Problem?«, reagierte Erika ungewöhnlich scharf. Etwas gemäßigter fügte sie hinzu: »Keine Sorge, es erfährt niemand.«

Sie rasteten eine halbe Stunde, Herzschlag und Atmung normalisierten sich, sie tranken noch einmal, dann machten sie sich auf den Rückweg.

Bei einem der Steilhänge passierte es dann: Martin rutschte aus, konnte das Gleichgewicht nicht halten, fiel auf die Seite und stürzte, sich mehrere Male überschlagend, die etwa fünf Meter hohe Steigung hinunter. Ein entsetzter Aufschrei stieg aus seiner Kehle, unten blieb er auf dem Rücken liegen und stöhnte.

Vorsichtig stieg Erika zu ihm hinunter und kniete sich neben ihn. Er schaute zu ihr hoch, und sie erkannte aus seinen verzerrten Zügen, dass er sich verletzt hatte. »Meine Hüfte«, ächzte er und sog rasselnd frischen Atem in seine Lungen. »Was für ein Schmerz! Er strahlt von der Hüfte aus bis zum Knie. Ich – ich halte das nicht aus, Erika. Ruf die Bergrettung. Ich – ich glaube, ich habe mir das Bein gebrochen.«

Mit zitternden Händen kramte Erika das Handy, das sie erst vor Kurzem erworben hatten, aus ihrem Rucksack. Die Notrufnummer war im digitalen Telefonbuch gespeichert. Das Freizeichen ertönte, dann erklang die dunkle Stimme eines Mannes: »Bergwacht Garmisch-Partenkirchen, Notfallrettungsdienst. Mein Name ist Lippert. Was kann ich für Sie tun?«

Über Erikas bebende Lippen sprudelten die Worte, als sie dem Mann in der Notrufleitzentrale der Bergwacht erzählte, was vorgefallen war. Er versicherte, ein Rettungsteam mit dem Helikopter zu schicken.

*

Sophie Tappert, die Pfarrhaushälterin, kam an diesem Nachmittag vom Einkauf im Supermarkt Herrnbacher ins Pfarrhaus zurück. Sebastian arbeitete in seinem Büro am Computer. Er hörte Sophie kommen, unterbrach aber seine Arbeit nicht. Erst als Sophie klopfte und dann die Tür öffnete, nahm er seine Hände von der Tastatur und hob den Blick.

»Entschuldigen S‘, Hochwürden, wenn ich stör‘, aber ich hab‘ was, das Sie sicherlich interessieren wird. Die Gruber-Fanny, deren Mann doch im Gemeinderat sitzt, hats mir erzählt. Ich glaub‘, da ist wieder was im Busch.«

»Dann spannen S‘ mich bitte net unnötig auf die Folter, Frau Tappert«, stieß Sebastian hervor. »Was hat Ihnen denn die Fanny erzählt?«

»Der Bürgermeister und eine Abordnung des Gemeinderats sind heut‘ früh auf Dienstreise gegangen. Ihr Ziel ist der Erlebnispark in Ruhpolding.« Erwartungsvoll blickte Sophie den Pfarrer an.

Sebastian war verblüfft. »Sie haben eine Dienstreise nach Ruhpolding unternommen? Zu dem Erlebnispark? Vielleicht haben S‘ die Fanny falsch verstanden, Frau Tappert, und es handelt sich um keine Dienstreise, sondern um eine Art Betriebsausflug.«

»Nein, nein, Hochwürden. Ich hab‘ doch nix an den Ohren, und da oben …«, Sophie tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn, » … stimmt auch noch alles bei mir, sodass ich weiß, was ich gehört hab‘.«

»Das Gegenteil hab‘ ich ja net behauptet, Frau Tappert«, rechtfertigte sich der Bergpfarrer. »Es war nur, weil ich mich frag‘, was der Bruckner und die Gemeinderäte in dem Erlebnispark zu suchen haben. So etwas sucht man doch nur auf, wenn man sich ein paar vergnügliche Stunden machen will.«

»Oder man schaut es sich an, weil man selber etwas in der Art plant«, half Sophie dem Pfarrer auf die Sprünge. »Was Genaues hat mir die Fanny allerdings auch net sagen können. Aber grundlos sind der Bruckner und die Gemeinderäte ganz gewiss net dorthin gefahren.«

»Ich will’s net glauben«, entfuhr es Sebastian. »Der Markus fängt doch net schon wieder an, irgendeinen Unsinn auszutüfteln, um St. Johann nach seinen Maßstäben ›attraktiver‹ zu machen. Ein Funpark würd‘ uns hier ja gerade noch fehlen.« Sebastian strich sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. »Ich hab‘ den Bruckner erst vor einigen Tagen getroffen. Er hat mich nach der Morgenmesse am Sonntag angesprochen, und ich hab‘ ihm verraten, dass der Winklmüllerhof eine neue Besitzerin bekommt. Da hat er mit keinem Wort erwähnt, dass er beabsichtigt, mit einer kleinen Delegation nach Ruhpolding zu fahren. Ja, Frau Tappert, Sie haben recht: Da ist was im Busch. Ich glaub‘, ich werd‘ mir den Markus kaufen müssen, wenn er wieder zurück ist.«

»Das ist halt das Problem mit unserem Bürgermeister«, sagte Sophie nach einem Seufzer, mit dem sie zum Ausdruck bringen wollte, dass bei Markus Bruckner Hopfen und Malz verloren war. »Sein Ehrgeiz ist manchmal größer als seine Intelligenz, bei manchen seiner Aktivitäten vermiss‘ ich sowohl den Sinn als auch den Verstand. Und gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen.«

»Als dumm möcht‘ ich den Markus net gerade bezeichnen, Frau Tappert«, versetzte Sebastian. »Aber manchmal gibt er in der Tat Anlass, an seinem Verstand zu zweifeln. Nun gut, ich weiß Bescheid und werd‘ am Ball bleiben. Soll der Markus wieder mit einer blödsinnigen Idee aufwarten, werd‘ ich dem einen Riegel vorzuschieben wissen.«

»Dann wetzen S‘ nur schon mal das Messer, Hochwürden«, riet Sophie. »Der Bruckner trägt sich hundertprozentig mit dem Gedanken, in St. Johann etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen, wie sie’s in Ruhpolding getan haben, als sie sich damals für den Vergnügungspark entschieden haben.«

»Ich werd‘ ihn fragen, wenn er wieder im Rathaus …«

Sebastian brach ab, denn das Telefon läutete. Er nahm den Hörer, warf einen Blick aufs Display und murmelte: »Jemand vom Wachnertaler Hof …« Eine wenig erfreuliche Ahnung befiel ihn, und er nahm das Gespräch an. »Pfarrer Trenker«, meldete er sich.

»Ich bin’s, die Angie, Herr Pfarrer. Soeben sind wir informiert worden, dass der Herr Eckl auf dem Weg zur Kachlachklamm einen Steilhang hinuntergestürzt ist. Die Bergwacht hat ihn in die Bergklinik gebracht. Er hat einen Oberschenkelhalsbruch davongetragen.«

Sebastian war wie vor den Kopf gestoßen. »Er – wollt‘ – zur – Kachlachklamm aufsteigen?«, entrang es sich ihm. »Er ist doch gewiss net ohne seine Frau losgezogen. Was ist mit ihr?«

»Frau Eckl ist bei ihrem Mann im Krankenhaus. Sie hat die Bergrettung verständigt und uns von der Klinik aus informiert. Ich glaub‘, sie ist mit den Nerven am Ende. Ihre Stimme hat regelrecht gezittert. Die beiden wollten bis zur Streusachhütte hinauf.«

»Sie müssen doch irgendwelche Vorbereitungen getroffen haben. Hat das von euch denn niemand wahrgenommen? Hat man net verhindern können, dass der Herr Eckl seinen wahnwitzigen Vorsatz in die Tat umsetzt? – Versteh‘ mich net falsch, Angie. Es soll kein Vorwurf sein.«

»Sie haben ihre Vorbereitungen im Geheimen getroffen, Herr Pfarrer«, verteidigte sich Angie. »Als sie nach dem Frühstück die Pension verließen, erzählten sie mir, dass sie Innsbruck besuchen wollten. Ich hab’s zur Kenntnis genommen und mir nix weiter dabei gedacht. Im Gegenteil: Kurz darauf hab‘ ich mich mit der Mareile über das Paar unterhalten, und wir sind uns dahingehend einig gewesen, dass der Herr Eckl endlich Vernunft angenommen hat und nimmer ständig den Beweis antreten möcht‘, wie toll er noch ist.«

»Eigentlich hätt‘ ich’s ja wissen müssen«, murmelte der Pfarrer. »Nachdem er die Tour zur Kandereralm geschafft hatte, war er motiviert, sich einer noch größeren Herausforderung zu stellen. So was Verrücktes! Jetzt hat er die Quittung für seinen falschen Ehrgeiz erhalten. Ein Oberschenkelhalsbruch ist in seinem Alter net so einfach. Es bedarf einer Operation. Ich hab‘ mir sagen lassen, dass so etwas tödlich enden kann, weil durch das Liegen leicht eine Lungenentzündung dazukommen kann. Aber ich will den Teufel net an die Wand malen. Danke, Angie, dass du mich informiert hast. Ich werd‘ in den nächsten Tagen, wenn der Herr Eckl ansprechbar ist, auf die Nonnenhöhe fahren, ihn besuchen und mich kundig machen, wie’s um ihn bestellt ist.«

»Dann sind S‘ doch so gut, Herr Pfarrer, und sagen S‘ uns Bescheid«, bat Angie.

»Natürlich«, versicherte Sebastian, dann verabschiedete er sich und legte auf. »Haben S‘ das mitgekriegt, Frau Tappert? Der Herr Eckl wollt‘ wieder mal testen, wie fit er noch ist. Irgendwie muss es ihm gelungen sein, seine Frau zu überreden, dass sie mit ihm auf Tour geht. Jetzt liegt er mit einem Oberschenkelhalsbruch droben in der Bergklinik, und seine Frau ist nur noch ein Nervenbündel.«

»Kürzlich haben S‘ mich zurechtgewiesen, Hochwürden, als ich geäußert habe, dass man jemand, dem net zu raten ist, auch net helfen kann, und dass dem Herrn Eckl ein kleiner Dämpfer, der seinen Tatendrang auf ein vernünftiges Maß reduziert, net schaden würd‘«, sagte Sophie. »Na ja, ein Oberschenkelhalsbruch ist mehr als nur ein kleiner Dämpfer«, schränkte sie ein, »und ich hoff‘, es gibt keine Komplikationen. Aber herausgefordert hat er sein Unglück selber. Es ist eine alte Tatsache, Hochwürden. Wer die Gefahr sucht, der kommt in ihr um. Seine Frau tut mir leid. Der Urlaub in St. Johann dürft‘ für sie zum Albtraum geworden sein. Statt sich im Pensionsgarten auf einen Liegestuhl zu legen und zu relaxen, kann sie sich jetzt wahrscheinlich tagtäglich ans Krankenbett ihres Mannes setzen.«

»Jetzt gehen S‘ aber hart ins Gericht mit dem Herrn Eckl, Frau Tappert«, murmelte Sebastian.