Es war ein böses Intrigenspiel - Patricia Vandenberg - E-Book

Es war ein böses Intrigenspiel E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Zwei Monate waren Dorthe Harling und Franzi Spar nun schon in Dr. Nordens Praxis tätig, und auch die skeptischsten alten Patienten, die auf Loni geschworen hatten, fanden nichts mehr auszusetzen. Dorthe mit ihrer Umsicht und Ruhe hatte sich rasch mit den Eigenheiten der Patienten vertraut gemacht. Franzi mit ihrem bescheidenen lieben Wesen erfuhr viel verständnisvolle Zuwendung, wenn sie manches nicht sofort begriff, denn mit den medizinischen Fachwörtern mußte sie sich auch noch befassen. Fleißig besuchte sie die Abendkurse. Ihr wurde nichts zuviel. Sie war immer mit Feuereifer bei der Sache, und man konnte sich nur freuen, wie gut sie sich entwickelte. Welch ein hübsches Mädchen sie war, wurde von Tag zu Tag deutlicher. Aber sie war sehr zurückhaltend und auch nicht für scherzhafte Andeutungen zu haben, die manche männliche Patienten doch machten. Dr. Norden wußte, daß diese es wirklich nicht ernst meinten, aber er freute sich dennoch, daß Franzi so konsequent blieb und sofort Grenzen zog. Ja, Dr. Daniel Norden war wieder rundherum zufrieden, und die gute Loni, jetzt Frau Ruppert, freute sich, daß alles so gut klappte, da sie sich in ihrer neuen Rolle als Ehefrau und Mutter auch recht wohl fühlte. Eine Umstellung war es schon für sie gewesen, denn sie hatte schweren Herzens den liebgewordenen Arbeitsplatz aufgegeben, aber sie wurde reich entschädigt durch die Liebe, die ihr Hans Ruppert und seine Töchter Karin und Gitti entgegenbrachten. Dorthe hatte inzwischen in der Praxis auch schon eine freudige Überraschung erleben können, denn eines Tages war eine junge Dame gekommen, die ihr

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Dr. Norden Bestseller – 262–

Es war ein böses Intrigenspiel

Patricia Vandenberg

Zwei Monate waren Dorthe Harling und Franzi Spar nun schon in Dr. Nordens Praxis tätig, und auch die skeptischsten alten Patienten, die auf Loni geschworen hatten, fanden nichts mehr auszusetzen. Dorthe mit ihrer Umsicht und Ruhe hatte sich rasch mit den Eigenheiten der Patienten vertraut gemacht. Franzi mit ihrem bescheidenen lieben Wesen erfuhr viel verständnisvolle Zuwendung, wenn sie manches nicht sofort begriff, denn mit den medizinischen Fachwörtern mußte sie sich auch noch befassen. Fleißig besuchte sie die Abendkurse. Ihr wurde nichts zuviel. Sie war immer mit Feuereifer bei der Sache, und man konnte sich nur freuen, wie gut sie sich entwickelte. Welch ein hübsches Mädchen sie war, wurde von Tag zu Tag deutlicher. Aber sie war sehr zurückhaltend und auch nicht für scherzhafte Andeutungen zu haben, die manche männliche Patienten doch machten. Dr. Norden wußte, daß diese es wirklich nicht ernst meinten, aber er freute sich dennoch, daß Franzi so konsequent blieb und sofort Grenzen zog.

Ja, Dr. Daniel Norden war wieder rundherum zufrieden, und die gute Loni, jetzt Frau Ruppert, freute sich, daß alles so gut klappte, da sie sich in ihrer neuen Rolle als Ehefrau und Mutter auch recht wohl fühlte. Eine Umstellung war es schon für sie gewesen, denn sie hatte schweren Herzens den liebgewordenen Arbeitsplatz aufgegeben, aber sie wurde reich entschädigt durch die Liebe, die ihr Hans Ruppert und seine Töchter Karin und Gitti entgegenbrachten.

Dorthe hatte inzwischen in der Praxis auch schon eine freudige Überraschung erleben können, denn eines Tages war eine junge Dame gekommen, die ihr wohlbekannt war. Sprachlos hatten sich beide angeschaut.

»Dorthe, du bist hier?« fragte die Jüngere.

»Doris, wo kommst du denn her?« rief Dorthe fast gleichzeitig aus. Und dann fielen sie sich in die Arme.

Doris von Goor, zwanzig Jahre alt, schlank und sehr apart, ein klassisch geschnittenes Gesicht, von dunklem Lockenhaar umgeben, sah Dorthe dann mit einem Blick an, der der Älteren durch und durch ging. Wunderschöne dunkle Augen hatte Doris.

»Du hast nichts mehr von dir hören lassen, warum nicht?« fragte sie stockend.

»Ich mußte Abstand gewinnen. Außerdem wußte ich nicht, wo du abgeblieben bist, und die früheren Bekannten wollte ich nicht fragen. Wenn ich allerdings gewußt hätte, daß du in München wohnst…«

»Erst ein paar Tage«, fiel ihr Doris ins Wort. »Und ich konnte ja auch nicht ahnen, daß du hier bist. Allerdings wollte ich mich bei Eugenie van der Hoven erkundigen, ob sie etwas von dir gehört hat.«

»Sie ist vor ein paar Monaten gestorben«, erklärte Dorthe. »Alexandra hat geheiratet, und ich lebe in ihrem Haus.«

»Und was machst du hier?«

»Ich arbeite als Arzthelferin, Sekretärin, und was ein Arzt sonst noch braucht. Assistiert werde ich von Franzi.«

Doris’ Augen verdunkelten sich noch mehr. »Hast du das wirklich nötig?« fragte sie leise.

»Nicht so sehr, es macht mir Spaß, Doris. Und was machst du?«

»Ich bin Auslandskorrespondentin in der Mertines-AG, und mein Verlobter ist dort als Diplomingenieur tätig. Es soll nur niemand wissen, daß ich mich seinetwegen nach München versetzen ließ.« Sie lächelte hintergründig. »Ich habe nämlich gesagt, daß ich hier eine alte Tante hätte, und aus diesem Grunde hat mich Dr. Jacobeit mitgenommen.«

»Nur aus diesem Grund?« fragte Dorthe unüberlegt.

»Was denkst du denn? Ich liebe Jürgen, und wir wollen bald heiraten. Und ich kann zufrieden sein, daß Jacobeit meine Kenntnisse schätzt. Du weißt ja, daß ich mittellos gewesen bin. Aber inzwischen habe ich mir schon eine Aussteuer zusammengespart«, fügte sie mit einem leisen Lachen hinzu. »Und Jürgen verdient auch gut. Wir möchten mal ein Häuschen haben, wenn wir verheiratet sind, und Kinder wünschen wir uns natürlich auch.«

»Das freut mich«, sagte Dorthe herzlich. »Entschuldige, Doris, aber ich habe zu tun. Können wir uns nicht abends treffen?«

»Aber gern. Du brauchst nur zu bestimmen. Trotzdem möchte ich gern Dr. Norden konsultieren. Er wurde mir empfohlen.«

»Aber du bist nicht angemeldet«, sagte Dorthe. »Heute sind die Termine schon vergeben.«

»Das wußte ich nicht, aber könntest du nicht mal ein Auge zudrücken, auch wenn ich nur eine ganz entfernte Verwandte bin?«

»Worum geht es denn?« fragte Dorthe.

»Um meine Hände, liebe Dorthe. Schau sie dir mal an. Sie schuppen sich, und mir wurde die Angst eingejagt, daß das eine Pilzerkrankung sein könnte.«

»Mir sieht es eher nach einer Allergie aus«, stellte Dorthe fest. »Aber mit Chemikalien kommst du doch nicht in Berührung.«

Da tat sich die Tür des Sprechzimmers auf, und Dr. Norden verabschiedete eine Patientin.

»Ist was, Dorthe?« fragte er.

»Das ist Doris von Goor, eine entfernte Verwandte, aber sie ist ganz zufällig in die Praxis gekommen«, erwiderte Dorthe hastig. »Wir haben uns lange nicht gesehen. Sie hat was an den Händen.«

»Dann werden wir doch gleich mal nachschauen«, sagte Dr. Norden. »Freut mich, daß es solche Zufälle gibt.«

Als Doris in seinem Sprechzimmer saß, fragte er: »Ist das wirklich ein Zufall?«

»Aber ja, ich hatte doch gar keine Ahnung, wo Dorthe abgeblieben ist. Wir haben uns wirklich ewig nicht gesehen. Ich habe sie vor sieben Jahren in Kapstadt besucht, als ich mit meinen Eltern dorthin reiste, weil sie sich dort niederlassen wollten. Sie entschieden sich aber für Kenia, und dort wurden sie zwei Jahre später Opfer einer Epidemie. Ich ging in Hamburg auf die Sprachenschule und wohnte bei einer Tante. Was Dorthe betrifft, ich weiß nicht, ob es ihr recht wäre, wenn ich über ihr Privatleben sprechen würde.«

»Ich weiß Bescheid«, erwiderte Dr. Norden. »Sie ist geschieden, die Tochter blieb beim Vater.«

»Dann stimmt das also«, sagte Doris beklommen. »Ich hatte geschrieben, aber ich bekam keine Antwort von Dorthe. Ich habe mich erkundigt und erfahren, daß sie Kapstadt schon vor der Scheidung verlassen hätte. Es paßt ganz und gar nicht zu ihr, daß sie ihre Tochter Harling überlassen hat.«

»Das Mädchen wollte es. Aber Dorthe wird Ihnen die Einzelheiten lieber selbst erzählen. Sie hat die Vergangenheit verkraftet.«

»Das ist wenigstens eine gute Nachricht«, sagte Doris leise. »Ich mag Dorthe sehr. Sie hätte einen besseren? Mann verdient.«

Dr. Norden betrachtete indessen Doris’ Hände. »Sie waschen sich zuviel«, stellte er fest. Doris sah ihn konsterniert an. »Aber ich muß doch saubere Hände haben.«

»Ich will auch nicht sagen, daß dies allein schuld ist. Es kommt eine Mangelerscheinung hinzu, und da müssen wir erst mal draufkommen, Frau von Goor.«

»Sie können ruhig Fräulein sagen« erwiderte sie. »Ich bin noch nicht verheiratet, und wenn es soweit ist, werde ich Frau Brodersen heißen.«

Sie ist reizend, dachte Dr. Norden, und sie hat sogar ein bißchen Ähnlichkeit mit Dorthe. So weit entfernt kann die Verwandtschaft nicht sein.

»Kommen Sie mit Kunststoff in Berührung?« fragte er.

»Die Mertines AG ist eine Kunststoffabrik«, erklärte Doris, »aber ich bin Auslandskorrespondentin.«

»In der Firma wird es aber viel Material aus Kunststoff geben«, meinte Dr. Norden.

»Selbstverständlich. Aber es ist alles sehr hübsch.«

»Und manche Menschen reagieren darauf ausgesprochen sauer, um es so zu sagen. Aber dafür gibt es auch Gründe, die in der Natur und Konstitution der Menschen zu suchen sind. Und man muß sie finden, um dagegen ankommen zu können.«

»Sie stimmen mich sehr nachdenklich, Herr Dr. Norden«, sagte Doris.

»Manche Menschen sind auch allergisch gegen andere Menschen oder gegen Tiere.«

Ihre Augen weiteten sich, und sie machte eine abwehrende Bewegung. »Sagen Sie nicht, daß ich gegen meine Pippa allergisch sein könnte«, sagte sie heiser. »Dann sollen sich lieber meine Hände schuppen, als daß ich sie hergeben würde.«

»Wer ist Pippa?« fragte er.

»Eine liebe Hundedame, nicht reinrassig, aber bildschön, und jeder fragt mich, welche seltene Rasse es wäre. Sie ist klug, und ich kann mit ihr reden, und sie mag Jürgen, das ist am wichtigsten, weil sie Männer sonst nicht mag.«

Dr. Norden lächelte. »Darauf sind Sie ganz sicher nicht allergisch«, erwiderte er. »Auch Menschen haben Instinkt, und wenn Sie allergisch auf Ihre Pippa wären, gäbe es eine natürliche Abwehrreaktion, wenn sie Ihnen zu nahe käme. Das würde der Hund auch spüren, und es käme kein enger Kontakt zustande.«

Doris sah Dr. Norden an. »Sie überzeugen mich«, sagte sie. »So hat es mir noch niemand erklärt. Also kann es vom Kunststoff kommen, aber sagen Sie bitte nicht, daß es

Jürgen ist, denn er hat ja so viel damit zu tun. Es ist sein Gebiet, als Diplomingenieur, er ist sogar ein Experte.«

»Aber Sie gehen ja nicht auf Abwehr, wenn Sie mit ihm zusammen sind«, sagte Dr. Norden schmunzelnd.

»Das bestimmt nicht«, erwiderte Doris lächelnd. »Er liebt mich auch trotz der Schuppen.«

»Also wird Ihnen Dorthe mal ein bißchen Blut abzapfen, und wir werden feststellen, was Ihnen an Abwehrstoffen fehlt.«

»Kann man das?« fragte Doris.

»Ja, das kann man inzwischen, wenn es auch sonst noch an manchen Erkenntnissen mangelt.«

Ganz nachdenklich sah ihn Doris an. »Ich habe immer gedacht, daß Ärzte sich ganz erhaben fühlen und überhaupt keine Schwäche eingestehen«, sagte sie, »aber eine Schwäche ist es doch wirklich nicht, wenn man zugibt, daß man nicht alles wissen kann.«

»Wie wahr, ich betrachte das sogar als eine menschliche Stärke, Fräulein von Goor, und ich freue mich, Sie kennengelernt zu haben. Ich hoffe, Sie haben weiterhin Vertrauen zu mir.«

»Worauf Sie sich verlassen können, und nicht nur deshalb, weil Dorthe sich hier wohl fühlt. Als ich Sie damals zum letzten Mal sah, kam sie mir älter und weniger hübsch vor. Sie hat zu sich gefunden. Aber ich möchte es doch sagen, daß Harling nicht der richtige Mann für sie war.«

»Wenn man das nur immer vorher wüßte«, sagte Dr. Norden gedankenvoll. »Ich schreibe Ihnen ein Rezept, und Sie waschen die Hände jetzt nur noch mit dieser Emulsion. Da werden sie auch sauber und riechen auch angenehm. Und dann verwenden Sie keinerlei Spray.«

»Aber es steht doch drauf, daß es allergiegetestet ist«, sagte Doris.

»In achtundneunzig Fällen mag das zutreffen, und zwei vertragen es doch nicht von dem Hundert. Waschen Sie sich Ihr Haar selbst?«

»Manchmal, nicht immer.«

»Und benutzen Sie ein Tönungsmittel?«

»Nur solche Waschcreme«, erwiderte Doris.

»Die lassen Sie auch weg. Ihr Naturhaar ist bestimmt schön genug«, meinte er.

Sie legte den Kopf schief. »Sie wissen aber gut Bescheid, Herr Dr. Norden«, sagte sie.

»Ich habe eine sehr moderne Frau, die auch alles mögliche ausprobiert, und manches bekommt ihr auch nicht. Aber da sie auch Ärztin ist, merkt sie rasch, was ihr nicht bekommt. Und ich beziehe so einige zusätzliche Kenntnisse.«

»Fein, ich wünschte, ich könnte Jürgen bei seinen Forschungen auch so helfen. Aber ich habe wirklich absolut kein Talent in technischer Beziehung.«

Dr. Norden vermutete schon, daß sie mit Stoffen in Berührung kam, die ihr schadeten, wenn es auch nicht so schlimm war, daß man ernste Befürchtungen hegen mußte. Sie machte einen quicklebendigen und gesunden Eindruck, und manchmal spielte auch die Beschaffung der Haut eine Rolle mit, und es mußte nicht unbedingt eine Allergie sein.

Haften blieb ein durchaus positiver Eindruck, und als Ruhe einkehrte, fragte er Dorthe nach dem Verwandtschaftsgrad.

»Da muß ich ja erst mal überlegen«, erwiderte sie lächelnd »Also, Doris ist die Tochter einer Cousine meiner Mutter, die bedeutend jünger war. Sie ist aber die einzige von der Verwandtschaft, zu der ich gern Kontakt hatte und hoffentlich auch wieder haben werde.«

»Es würde mich freuen, Dorthe. Ich beurteile sie auch durchaus positiv.«

»Und ihr wird auch nichts geschenkt.«

»Aber vielleicht doch eine große Liebe?«

»Ich würde es ihr wünschen, aber ich kenne den Mann noch nicht«, erwiderte Dorthe. »Und Sie werden verstehen, daß ich skeptisch bin.«

Aber sie hatte mit Doris schon ein Treffen für den nächsten Abend vereinbart, und Doris hatte sie gefragt, ob sie auch Jürgen kennenlernen wolle. Ja, das wollte Dorthe.

Doris traf Jürgen erst am Abend. Er war bei einer wichtigen Konferenz aufgehalten worden und machte einen sehr nachdenklichen Eindruck.

»Läuft was nicht so?« fragte Doris, die ihn schon so gut kannte, daß sie seine Stimmungen vom Gesicht ablesen konnte.

»Doch, es läuft alles bestens, aber ich soll das Projekt in Vorderasien leiten. Es würde bedeuten, daß ich mindestens sechs Monate weg bin.«

Doris’ Gesicht überschattete sich. Sie redete ihm in berufliche Dinge nicht hinein und billigte ihm durchaus eigene Entscheidungen zu, aber eine lange Trennung empfand sie doch recht schmerzhaft. Gerade erst hatten sie ja eine überwunden.

»Es würde natürlich auch bedeuten, daß ich sehr viel mehr verdiene, Doris, und außerdem ist mir eine leitende Position zugesagt. Ich soll dann die Schwedische Niederlassung übernehmen.«

Sie machte sich selber Mut. »Das werden wir dann ja auch noch schaffen«, meinte sie, aber sie konnte es nicht verhindern, daß ihre Stimme zitterte.

Er nahm sie in die Arme. »Du verstehst, daß es mich reizt, Liebes, ich mache dann ja einen gewaltigen Sprung nach oben. Am liebsten würde ich dich ja mitnehmen, aber Frauen sind ausgeschlossen. Nicht mal die Jordan hat es geschafft, mitfahren zu dürfen.«

Ein bißchen erleichtert war Doris schon, denn sie hatte so ein Gefühl, daß Lilly Jordan sehr an Jürgen interessiert war. Obgleich sie wußte, daß er nichts für sie übrig hatte, wäre es ihr doch nicht geheuer gewesen, wenn sie das Team begleitet hätte.

»Gut, daß ich Dorthe getroffen habe«, sagte Doris, während sie das Abendessen zubereitete. »Dann habe ich wenigstens einen Menschen, mit dem ich ab und zu mal reden kann.«

»Wo hast du sie getroffen?« fragte Jürgen staunend.

»In der Praxis Dr. Nordens. Ich war dort wegen meiner Hände. Sie ist seine Praxishelferin.«

»Hat sie das denn nötig?« fragte er. »Du hast doch erzählt, daß es ihr nach dem Tode ihrer Mutter finanziell sehr gut gehen müsse.«

»Sie braucht Beschäftigung«, erklärte Doris. »Jocelyn ist tatsächlich immer noch bei ihrem Vater. Nun, wir werden morgen mehr erfahren. Wir sollen zu ihr kommen. Sie wohnt in Eugenie van der Hovens Haus.«

»Solche Zufälle gibt’s«, staunte Jürgen.

»Ja, ich war auch baff, aber nun bin ich doppelt froh.«

»Und mir ist auch schon ein bißchen wohler, Do«, erwiderte er erleichtert. »Ich hatte wirklich ein dummes Gefühl.«

»Aber du weißt, daß ich deiner beruflichen Karriere niemals im Wege stehen würde, Jürgen.«

»Es geht doch nicht nur darum, mein Liebes. Es geht doch auch um unsere Zukunft, und Kinder wollen wir doch auch mal haben.«

»Und die Zeit vergeht ja so schnell«, tröstete sie sich. »Wann soll es losgehen?«

»Schon nächste Woche.« Er sagte es beklommen, und sie erschrak. »Schon nächste Woche«, wiederholte sie tonlos.

»Um so schneller bin ich wieder zurück«, meinte Jürgen.

»Aber Weihnachten bist du auch nicht da.«

»Ich hoffe doch sehr, daß ich da Urlaub bekommen werde. Sei nicht traurig, mein Liebes, wir haben doch noch ein langes Leben vor uns.«

*

Dorthe schaute sich an diesem Abend mal wieder einen Film im Fernsehen an. Es war ein Problemfilm über eine Liebe, der kein Glück beschieden war. Eigentlich sollte ich mir so was nicht ansehen, dachte sie, aber irgendwie war es dann doch so spannend, daß sie nicht ausschaltete.

Wie es im Leben auch so manches Mal ist, ging es ihr durch den Sinn, als der Abschied kam und der Mann zu seiner Frau zurückkehrte. Aber dann mußte sie auch spöttisch lächeln, denn Richard würde bestimmt nicht zu ihr zurückkehren, und Sally war nicht die Frau, die großmütig sein konnte.

»Und ich würde ihm nie mehr die Hand reichen«, sagte sie laut. Sie mußte manchmal mit sich selbst reden, um ihren Empfindungen damit Nachdruck zu verleihen.

Dann dachte sie an Doris und freute sich auf den nächsten Abend, hoffend, daß Jürgen Brodersen sie nicht enttäuschen würde.

Ihre Gedanken wanderten in die Vergangenheit. Sie war zwölf Jahre alt gewesen, als Doris geboren wurde, und sie war mit ihrer Mutter bei der Taufe gewesen. Wie hatte sie dieses kleine Geschöpf bewundert. Wie gern hätte sie Geschwister gehabt. Später hatte sie erfahren, daß das erste Kind ihrer Eltern ein Junge gewesen war, der aber schon wenige Tage nach der Geburt starb. Und drei Fehlgeburten hatte die Mutter dann auch noch gehabt, bis endlich sie als ein gesundes Kind geboren wurde.

Der Vater von Doris war ein glückloser Unternehmer gewesen. Genau wußte Dorthe nicht, was er alles angefangen und doch nicht zu Ende gebracht hatte. Der Versuch, ein neues Leben in Afrika zu beginnen, war mehr eine Flucht vor den Mißerfolgen gewesen, aber das Schicksal hatte dann seinem Leben ein Ende gesetzt, und auch seine Frau war von der Epidemie hinweggerafft worden.

Seltsam, wie die Erinnerungen verblassen, dachte Dorthe. Und wie die Zeit die Wunden heilt, die einem vom Schicksal geschlagen werden!

Welch ein Schmerz hatte sie überwältigt, als ihre Tochter sich damals an den Vater klammerte, und nun, da Jocelyn zu ihr kommen wollte, hatte sie fast Angst vor dem Wiedersehen und Zusammenleben. War das überhaupt zu verstehen?

Oft wunderte sich Dorthe dann doch, daß sie sich auch über solche Gedanken hinwegsetzen konnte.

Und sie wurde im Schlaf nicht mehr von jenen quälenden Träumen verfolgt wie in früheren Zeiten. Ihr Leben hatte einen neuen Inhalt bekommen, ja, sie war in gewisser Weise ein anderer Mensch geworden und nur bereit, eine vorgefaßte Meinung zu ändern, wenn sie vom Gegenteil überzeugt worden war, und nicht nur aus purer Nachgiebigkeit.

Nun wanderten ihre Gedanken in die Zukunft. Jocelyn würde bald auch ganz erwachsen sein, und sie hatte schon mehr erlebt als manches andere Mädchen. Vielleicht hatte sie sogar schon einen festen Freund gehabt. Dorthe wußte ja nicht viel von ihrer Tochter, aber ein moralisches Vorbild war die Ehe ihres Vaters mit Sally bestimmt nicht.